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Veröffentlicht am 30.07.2023

Obacht, Leser, dass dir nichts entgeht!

Die rechtschaffenen Mörder
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Ich mag Geschichten über büchernärrische Menschen sehr. Bereits das Cover von Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ weckte mein Interesse, der Klappentext tat sein Übriges.

Norbert Paulini ...

Ich mag Geschichten über büchernärrische Menschen sehr. Bereits das Cover von Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ weckte mein Interesse, der Klappentext tat sein Übriges.

Norbert Paulini ist ein eigenwilliger Antiquar, der praktisch in seinen Beruf geboren wurde. Seine Mutter Dorothea verschied kurz nach seiner Geburt und konnte ihr frisch eingerichtetes Antiquariat in Dresden nicht eröffnen. Ihr Mann sowie ihre Mutter leben fortan in einer Wohnung, in der jede Ecke vollgestopft ist mit Büchern, so dass der kleine Norbert eine Liebe zu ihnen entwickelte. Die Schulzeit überstand er als Sonderling gerade so, die Einberufung verbrachte er in der Regimentsbuchhandlung, und als er seinen Wehrdienst abgeleistet hatte, wollte er einfach nur einen Beruf ergreifen, bei dem er lesen kann. Nachdem ihm durch den Tod seiner Großmutter ein Erbe beschieden wurde, verwirktlichte er den Traum seiner Mutter und eröffnet ein Antiquariat sowie eine Volksbuchhandlung, entscheidet sich jedoch bald dazu ausschließlich Bücher aus zweiter Hand zu verkaufen. Über Dresdens Stadtgrenzen hinaus ist sein Antiquariat bekannt, Buchliebhaber kommen von nah und fern, um das einzigartige Angebot zu durchstöbern. Die Blütezeit seines Geschäfts endet mit der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze 1989, und das Oderhochwasser 1997 zerstört einen großten Teil seiner Buchbestände. Norbert Paulini findet immer wieder zu seiner antiquarischen Krämerei zurück, auch nach einer Insolvenz, während der er über einen Zeitraum von einigen Jahren in einem Lebensmittelgeschäft angestellt war.

Der Roman von Ingo Schulze ist ein wahres Sammelsurium an Bücherwissen. Autorennamen, Buchtitel, Verlage, in einem Buchliebhaber wie mir weckt das Neugier so manches Genannte mal nachzuschlagen. Die Mannigfaltigkeit dieses Wissens lässt mich als Leserin zudem den sokratischen Ausspruch tun: Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Jemand, der mit der Geschichte Ostdeutschlands vertrauter ist als ich, wird sicher die nicht klar benannten, sondern nur in Teilen beschriebenen Ereignisse historisch zuordnen können, ich musste recherchieren, um zu erfahren, was z.B. für eine Sintflut den Protagonisten heimgesucht hat.

Das Buch ist mehrschichtig und besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird Norbert Paulinis Lebensgeschichte von einem Ich-Erzähler beschrieben. Hier offenbart sich Paulins Desinteresse an Veränderungen und Neuerungen. Nach der Öffnung der DDR hegt er keine Westneugier, kehrt gar nach einem Besuch dort kopfschüttelnd zurück. Politik und Tagesgeschehen hält er für Zeitverschwendung, hält sie ihn doch davon ab Bücher zu lesen. Neuerscheinungen bemisst er kaum Bedeutung bei, die Klassiker und zeitlose Literatur ist das einzig Wichtige.
Im zweiten Teil offenbart sich der Ich-Erzähler, der das Antiquariat Paulini siebzehnjährig erstmals betrat und eine ehrfürchtige Bewunderung für den Antiquar entwickelt. Diese Bewunderung des Erzählers Schultz kehrt sich im Laufe der Jahre jedoch in Missgunst um, und er entschließt sich ein Buch über Norbert Paolini zu schreiben. Den dritten Teil beherrscht ein Blick von außen durch die Lektorin Theresa, die Schultz' Manuskript betreut. Sein Manuskript weckt Theresas Neugier über dessen Ende hinaus zu erfahren. Da ich selbst nicht genau verstanden habe, was in den vorangegangenen Teilen vor sich gegangen ist, habe ich mich umgehend mit ihr identifiziert, und ihre Fragen wurden zu meinen. Ich muss gestehen, dass ich nur mit Hilfe den Wandel erkannt habe und mich ansonsten vom blumigen und nicht immer leichten Leben des Antiquars habe verzaubern lassen.
„Die rechtschaffenen Mörder“ richtet sich an ein anspruchsvolles Lesepublikum, dem ich nicht gerecht werden konnte, wie ich zugeben muss. Ich habe das Gefühl Ingo Schulzes falschen Fährten voll auf den Leim gegangen zu sein und frage mich immernoch, ob Norbert Paulini zu dem mutieren konnte, was ihm unterstellt wurde.
Auch wenn mein Intellekt nicht ausgereicht hat die Komplexität des Werks differenziert zu erfassen, bin ich dennoch total fasziniert von diesem Buch.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ein Mann und seine Couch

Denn alles ist vergänglich
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Seit „Jeden Tag ein bisschen näher“ bin ich eine kleine Verehrerin von Irvin D. Yalom. Erfolgreich als Psychotherapeut an der amerikanischen Westküste tätig, schreibt er nicht nur psychologische Fachbücher, ...

Seit „Jeden Tag ein bisschen näher“ bin ich eine kleine Verehrerin von Irvin D. Yalom. Erfolgreich als Psychotherapeut an der amerikanischen Westküste tätig, schreibt er nicht nur psychologische Fachbücher, sondern Sachbücher für den Laien und philosophisch beeinflusste Prosa. Mich faszinieren besonders seine niedergeschriebenen Erfahrungen aus seinen Therapiesitzungen. Ähnlich wie das Buch, das ich eingangs erwähnte, ist auch dieses Werk, „Denn alles ist vergänglich“, ein Auszug aus seiner psychotherapeutischen Arbeit. Die Fallbeispiele sind allesamt von Menschen, die in verschiedenen Stadien ihres Lebens die Hilfe von Dr. Yalom aufgesucht haben. Yalom zieht sich aus seiner Arbeit nicht komplett selbst heraus, denn seiner Meinung nach hängt eine erfolgreiche Therapie vom offenen Zusammenspiel zwischen Psychologen und Klienten ab, die übliche starre Unnahbarkeit gegenüber dem sich emotional ausschüttenden Klienten sind etwas, das er nicht praktiziert. Immer wieder macht er sich nahbar und offenbart seinen Patienten, Klienten und dem Leser seiner Bücher seine größte Angst über die eigene Vergänglichkeit respektive den Tod.
Seine Bücher empfinde ich immer wieder als inspirierend, „Denn alles ist vergänglich“ hat mich durch die verschiedenen Fallbeispiele auf vielfältige Weise berührt. Wer sich für Psychotherapie interessiert, dem kann Irvin D. Yalom nur wärmstens ans Herz gelegt werden.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Bock auf dieses Buch

Sie hat Bock
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Ich bin absolut entzückt von Katja Lewinas Buch „Sie hat Bock“, das die Weiblichkeit in den Fokus rückt! Ernsthaft, es hat mir beim Lesen ein so gutes Gefühl gegeben, dass ich mich viel stärker und unangreifbarer ...

Ich bin absolut entzückt von Katja Lewinas Buch „Sie hat Bock“, das die Weiblichkeit in den Fokus rückt! Ernsthaft, es hat mir beim Lesen ein so gutes Gefühl gegeben, dass ich mich viel stärker und unangreifbarer fühle und „Viva la Vulvina“ in Großbuchstaben durch die Fußgängerzone brüllen möchte. Feminismus erlebt gerade ein populistisches Comeback, ich muss gestehen: Mich trifft er mitten in die geistige Mitte.
Auf den 222 Seiten hat Katja Lewina alles Erdenkliche, was die weibliche Sexualität betrifft, abgedeckt: Lust, Fetischismus/BDSM, Sexismus und Beleidigungen, offene Beziehung, Pornos, weibliche Säfte und Ausflüsse, Zustimmungskonzepte, Casual Sex und welcher gesellschaftlich aufgestempelte Unterschied zwischen den Geschlechtern in seinem Kontext besteht, Verhütung, genitaler Schönheitswahn, Toys, sexualisierte Gewalt, Analsex, Oralverkehr, und sicher noch drölfzig weiteres, an das ich mich en detail gerade nicht erinnern kann, weil die aufgesogene Palette des Wissens so groß war.
Ein großer Teil des Buches machen eigene Erfahrungen aus. Dabei musste ich an manchen Stellen grinsen, an manchen wissend mit den Augen rollen und an anderen schwer schlucken. Es finden sich auch vereinzelt Jahreszahlen zu bestimmten judikativen Entscheidungen, z.B. ab wann Vergewaltigung in der Ehe nicht mehr legal war sondern zu einem Straftatbestand, wann der voreheliche Verlust der weiblichen Jungfräulichkeit nicht mehr monetär vom Mann ersetzt werden musste usw.
Einzig kritisieren möchte ich den Part, in dem Katja Lewina über Sexarbeit schreibt. Ich hatte das Gefühl, dass dieser unausgereift war.
Besonders sensibilisiert hat mich das, was Katja Lewina über Sexismus geschrieben hat und wie sehr Frauen über die Schiene ihres Geschlechts mit Ausdrücken wie „Fotze“ nach wie vor beleidigt werden, Ausdrücke, die als männliches Äquivalent gar nicht existent sind. Wie sehr die weibliche Sexualität immernoch ein Produkt männlicher Phantasien ist, ahnt man unterschwellig, es ist aber etwas anderes, die Augen derart geöffnet zu bekommen, wenn man sich bewusst macht wie weit die weibliche Sexualität auf den Mann ausgerichtet ist – man muss nur den Porno als gesellschaftliches Porträt heranziehen.
Es ist ein autobiografisches Buch, das aber für ganze Generationen von Frauen steht, die immernoch nicht so frei sind wie es erstrebenswert ist.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Als Fan ihrer Hildegard-Palm-Reihe wollte ich mich natürlich auch mal mit Ulla Hahns Lyrik befassen

Bildlich gesprochen
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Ulla Hahns Lyriksammlung „Bildlich gesprochen“ beinhaltet Gedichte aus verschiedenen Stadien ihrer Schaffenszeit. Der Titel ist sehr passend, ihre Stücke haben häufig etwas Blumiges, Naturmotive, um Themen ...

Ulla Hahns Lyriksammlung „Bildlich gesprochen“ beinhaltet Gedichte aus verschiedenen Stadien ihrer Schaffenszeit. Der Titel ist sehr passend, ihre Stücke haben häufig etwas Blumiges, Naturmotive, um Themen wie Liebe, Vergänglichkeit oder Enttäuschung zu beschreiben. Die in diesem Buch versammelten Gedichte kommen allesamt ohne Reimschema daher.
Nicht ganz so warmgeworden bin ich mit der Art, Satzgebilde auf zwei Zeilen zu verteilen (ich habe keine Idee davon, wie der Lyrik-Fachterminus dafür ist). Dieses Stocken gibt mir beim Lesen das Gefühl eines inneren Schluckaufs.
Am besten gefallen mir die Gedichte aus dem titelgebenden Teil, in der einer einer Auswahl von Hahns bisher in den 80er Jahren entstandenen Sammlungen jeweils ein Gedicht als Antwort zu vorangegangenen Stück hintenangestellt wird. Das ist ein interessantes Konzept und hat ein wenig was von einem Fazit.
Insgesamt denke ich, werde ich weiterhin eher ein Fan von Ulla Hahns Prosa bleiben als von ihrer Lyrik werden.

Veröffentlicht am 30.07.2023

Süße und zeitlose Geschichte

Die kleine Hexe: Die kleine Hexe
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Die kleine Hexe wird dabei erwischt, wie sie sich heimlich auf den Blocksberg schleicht und in der Walpurgisnacht mittanzen will. Dafür ist sie noch viel zu jung, und die alten Hexen zerbrechen ihr zur ...

Die kleine Hexe wird dabei erwischt, wie sie sich heimlich auf den Blocksberg schleicht und in der Walpurgisnacht mittanzen will. Dafür ist sie noch viel zu jung, und die alten Hexen zerbrechen ihr zur Strafe den Besen und lassen sie zu Fuß nach Hause laufen. Die Oberhexe gibt der kleinen Hexe ein Jahr lang Zeit, um in der nächsten Walpurgisnacht das gesamte Hexenbuch auswendig zu lernen und eine gute Hexe zu werden.

Unter der Anleitung ihres Freundes, dem Raben Abraxas, übt die kleine Hexe das folgende Jahr ihre Hexenkünste und hilft den Menschen, wo es nur geht. Abraxas findet, dass nach Ablauf des Jahres die kleine Hexe wirklich eine gute Hexe geworden ist, und als sie in der Walpurgisnacht vor allen Hexen ihre Hexereien fehlerfrei vollführt, sind sie beeindruckt. Eine Hexe, die ihr das ganze Jahr über nachspioniert hat, zählt aber all die Dinge auf, die die kleine Hexe übers Jahr getan hat und sagt, dass sie falsch waren, denn eine gute Hexe zu sein bedeutet unter den Hexen böse zu sein und Unfug zu machen. Die kleine Hexe wird wieder von den anderen Hexen ausgelacht und abgewiesen. Daraufhin rächt die kleine Hexe sich auf eine nachhaltige Weise, denn nachdem sie nun weiß wie schön es sich anfühlt Gutes zu tun, kann sie nicht mehr zulassen, dass die Hexen Unfug mit den Menschen anstellen.