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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2023

Bitte unbedingt lesen!

Backlash - Die neue Gewalt gegen Frauen
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In den letzten Jahrzehnten hat der feministische Kampf für mehr Gleichstellung gesorgt. Seit einigen Jahren lässt sich eine Rückwärtsbewegung beobachten; in den USA werden Abtreibungsrechte abgeschafft, ...

In den letzten Jahrzehnten hat der feministische Kampf für mehr Gleichstellung gesorgt. Seit einigen Jahren lässt sich eine Rückwärtsbewegung beobachten; in den USA werden Abtreibungsrechte abgeschafft, ein Anstieg häuslicher Gewalt ist zu beobachten, ebenso ein Anstieg von Femiziden, und auf TikTok gehen Tötungsphantasien an Frauen viral.
Je präsenter Frauen in hochrangigen Positionen wie Unternehmensvorständen oder der Politik sind, desto größer ist der Backlash gegen Gleichberechtigungserfolge. In der Anonymität des Internets äußert sich die Misogynie in Hate Speech. Organisierte Netzwerke aus Maskulisten kämpfen um die digitale Öffentlichkeit und machen es sich zur Aufgabe, den Feminismus zu stürzen und vielfältige Genderkategorien abzuschaffen, denn Männlichkeit ist nur in einem binären System überlegen. Jede zweite Frau traut sich nicht mehr, in den Sozialen Medien ihre Meinung zu äußern. Wer dabei aber glaubt, dass das Problem lediglich von einer proletarischen Minderheit ausgeht, der irrt: Immer mehr Akademiker zeichnen nach außen ein progressives Bild und fürchten den Erfolg ihrer aufsteigenden Partnerinnen mit weitreichenden Folgen. Susanne Kaiser hat in ihrem Buch (leider) reichlich Beispiele gesammelt. Warum das Ganze? - Es geht um Kontrolle und Kontrollverlust, um patriarchale Macht über Frauen.

Ich wünschte, ich könnte all die richtigen Worte äußern, um dieses so wichtige Sachbuch in seinen Facetten zu beschreiben. „Backlash. Die neue Gewalt gegen Frauen“ enthält so viele Informationen, Erzählungen mit so viel Wutpotenzial, es ist gar nicht möglich, die hohe Relevanz des Buches in wenige Worte zu verpacken. Jede Wort aus Kaisers Buch ist wichtig, denn jedes ist eine Warnung, unsere Gleichberechtigung und Rechte zu verteidigen!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Superwitzig!

Quest Kids - (K)ein Auftrag für Anfänger
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Ned ist der Anführer der mäßig erfolgreichen Quest Kids. Die Gruppe besteht aus Gil, einem Zauberschüler mit angeklebtem Bart; Boulder, einer mächtig starken Felskreatur; Terra der 700 Jahre alten Elfe ...

Ned ist der Anführer der mäßig erfolgreichen Quest Kids. Die Gruppe besteht aus Gil, einem Zauberschüler mit angeklebtem Bart; Boulder, einer mächtig starken Felskreatur; Terra der 700 Jahre alten Elfe und Ash, ein niedlichen Hundschweinding. Das einzige, worin die Quest Kids bisher richtig gut sind, ist versehentlich Dörfer von gigantischen Bestien zerstören oder abfackeln zu lassen. Als nun ein Drache, den sie echt verflucht wütend gemacht haben, droht mit seinem Feueratem das Dorf zu zerstören, in dem es echt leckere Donuts gibt, haben die Quest Kids ihren ersten richtigen Auftrag: Sie werden das Dorf retten, indem sie eine Bestie mit einem goldenen Fell finden, um aus den Haaren einen stylischen Jogginganzug fertigen zu lassen, denn nur dann wird der Drache davon ablassen, das Dorf in Schutt und Asche zu legen. Und so machen sich die Quest Kids auf den Weg durch einen unsichtbaren Wald, in dem sie sich jede Menge Beulen und blauer Flecke holen, treffen den Sensenmann bei einer Überfahrt durch einen Fluss und begegnen einem eigensinnigen kleinen Volk. Die größte Überraschung ist aber vielleicht, dass die Quest Kids herausfinden, was in ihrem Hundschweinding so alles steckt!

Da hat Mark Leiknes mit seinen "Quest Kids" aber ein paar gehörige Lachsalven abgeschossen! Der Comicroman ist echt witzig, da musste auch ich ein paar Mal hörbar in mich reingrinsen. Bestimmt nicht nur für Fans von "Greg's Tagebuch" oder "Lotta-Leben", aber mit die ersten, die mir einfallen, wenn ich das Buch an eine Zielgruppe empfehlen sollte. Das Buch ist für einen Comicroman ungewöhnlich dick mit fast 330 Seiten und bietet sicher ein Erfolgserlebnis für Kinder, die sich von der Dicke mancher Bücher überfordert fühlen. Jedenfalls ist es so unterhaltsam, dass man nur so durch die Seiten rast!

Veröffentlicht am 30.07.2023

Ja, das müssen wir lesen!

Muss ich das gelesen haben?
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Muss ich das gelesen haben? - Ja, find ich schon!
Zugegeben, man merkt Teresa Reichls Buch an, dass es sich an eine jüngere Generation richtet. Wenn man jedoch über den Slang hinweglesen kann, erkennt ...

Muss ich das gelesen haben? - Ja, find ich schon!
Zugegeben, man merkt Teresa Reichls Buch an, dass es sich an eine jüngere Generation richtet. Wenn man jedoch über den Slang hinweglesen kann, erkennt man, dass Reichl jemand ist, der verdammt gerne liest, über Bücher reflektiert und dann darüber spricht. In diesem Buch nun lässt sie uns an den Gedanken darüber teilhaben, dass die (Pflicht-)Lektüren an unseren Schulen und der gängige Literaturkanon überwiegend ziemlich gleich und deshalb ziemlich eintönig sind. Die Germanistin und Poetry-Slammerin plädiert in jugendlicher Begeisterung für eine Neubetrachtung und -orientierung zu authentischen, diversen und bunten Geschichten, die den beispielsweise immergleichen Goethe und seine Homies ablösen, denn Literatur hat so viel mehr zu bieten!

Reichls kleine Literaturrevolte war für mich ähnlich inspirierend wie Nicole Seiferts "Frauenliteratur" und ich fänd es so toll, wenn ganz viele Lehrer:innen ihre Unterrichtsgestaltung damit bunter gestalten würden und überhaupt alle, die es lesen, alte (Literatur-)Systeme hinterfragen. Nehmt diese Bücher als Augenöffner!

Veröffentlicht am 07.06.2023

Dystopie im Ruhrgebiet

Am Ende der Welt liegt Duisburg am Meer
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In möglicherweise einer nicht allzu fernen Zukunft an der Küste Duisburgs leben Mara und ihr jüngerer Bruder Ben. Eine Flutkatastrophe biblischen Ausmaßes hat weite Landesteile überspült. Die Menschen ...

In möglicherweise einer nicht allzu fernen Zukunft an der Küste Duisburgs leben Mara und ihr jüngerer Bruder Ben. Eine Flutkatastrophe biblischen Ausmaßes hat weite Landesteile überspült. Die Menschen sind größtenteils heimatlos, jede:r schlägt sich irgendwie durch. Die größte Sorgen gelten der Nahrungsbeschaffung und einem trockenen Schlafplatz. Um jeden Preis trocken bleiben oder vor Einbruch der Nacht trocken werden, lockt Feuer doch andere Menschen und damit Gefahr an.

Mara und Ben sehen keine Zukunft mehr am kargen Duisburger Hafen. Wie so viele machen sie sich auf den Weg nach Osten. Erzählungen über freundliche Gestalten, die Menschen in ihrer Verzweiflung helfen, denen Nächstenliebe noch ein Begriff ist, treiben die Kinder an. Ben ist bereit, an diese Hilfsbereitschaft zu glauben, die in Form eines Mannes namens Noah existieren soll. Maras tiefe Skepsis lässt sie vorsichtig sein gegenüber allen Fremden. Denn irgendwann gilt es, sich zu entscheiden - wem kann man trauen und wem nicht?
Ein Buchhändlerkollege hat mir dieses Buch empfohlen, als ich ihm sagte, dass mir Cormac McCarthys "Die Straße" ungemein gefallen hat. Atmosphärisch nicht ganz zu vergleichen mit dem genannten Titel, liegt der Charme von Sascha Pranschkes "Am Ende der Welt liegt Duisburg am Meer" eher im Regionalkolorit der Reise durch ein Ruhrgebiet, das keiner von uns wiedererkennt. Ein unterhaltsames und empfehlenswertes Buch!

Veröffentlicht am 07.06.2023

Wie ein Lufthauch

Der Wind erhebt sich
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Ein junges Paar entschließt sich, für eine Weile in ein Sanatorium in die Berge zu gehen. Die Frau leidet an einer Lungenkrankheit. Der Ich-Erzähler begleitet seine Verlobte, und ihr Zustand scheint sich ...

Ein junges Paar entschließt sich, für eine Weile in ein Sanatorium in die Berge zu gehen. Die Frau leidet an einer Lungenkrankheit. Der Ich-Erzähler begleitet seine Verlobte, und ihr Zustand scheint sich auch kurzzeitig zu verbessern. Zwischen den Besuchen der Krankenschwestern, Spaziergängen in der abgeschiedenen Bergidylle und zeitweiliger Bettlägerigkeit Setsukos ziehen die Jahreszeiten an dem Paar und auch an uns als Leser:innen vorüber. Der Wechsel der Saisons wird dabei so zart beschrieben wie die Beziehung der beiden Handelnden zueinander - grazil, dabei aber behutsam. Das Paar wirkt in seiner Interaktion platonisch, vielleicht entzieht es sich aber auch lediglich westlichen und/oder neumodischen Maßstäben von Romantik. Ein wenig befremdlich fand ich die verklärte Betrachtung des Ich-Erzählers, der mit voranschreitender Krankheit eine anziehende ästhetische Fragilität in Setsuko sieht und in diesem Zustand noch anziehender findet. Irgendwann verlässt Setsuko für immer längere Perioden das Bett nicht mehr, der Verfall ihrer Lunge lässt es nicht zu. Dem Voranschreiten der vergehenden Zeit sieht die kranke Frau nur durch die Fenster des Zimmers, ohne selbst noch Teil der Welt außerhalb des Krankenzimmers zu sein. Es passiert das Unausweichliche, Setsuko stirbt, und trotz der immer wieder geäußerten aufkeimenden Hoffnung des Ich-Erzählers scheint er zu wissen, dass der Tod seiner Verlobten unausweichlich ist.

Hat mich "Der Wind erhebt sich" berührt? Ich kann es gar nicht genau sagen. Die Kürze der Novelle hat es mir versagt, mich mit den Handelnden emotional zu verbinden. Die Stärke dieses Buches liegt eher in seiner Sprache, die zeitweise filigran wirkt und mich ein bisschen an Haiku erinnert.