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Veröffentlicht am 29.03.2023

Über die Internierung japanischstämmiger Amerikaner

Als der Kaiser ein Gott war
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„Als der Kaiser ein Gott war“ ist die Geschichte einer japanischen Mutter mit ihren zwei Kindern, 1941 in ein Internierungslager in die amerikanische Wüste umgesiedelt werden. Mit Kriegseintritt der USA ...

„Als der Kaiser ein Gott war“ ist die Geschichte einer japanischen Mutter mit ihren zwei Kindern, 1941 in ein Internierungslager in die amerikanische Wüste umgesiedelt werden. Mit Kriegseintritt der USA und dem Angriff auf Pearl Harbor werden Japaner in Amerika als Sicherheitsrisiko eingestruft. Den Vater hat man schon abgeholt, in Bademantel und Pantoffeln, wie die Kinder sich im Laufe der Jahre immer wieder traurig erinnern werden.

Nach der behördlichen Anordnung bereitet sich die Mutter auf den Zwangsumzug vor, vergräbt das Tafelsilber im Garten und entledigt sich der Haustiere, bis es auf die anstrengende, mehrere Tage dauernde Fahrt in das weit entfernte Lager geht. Jahre, in denen die Familie in der amerikanischen Wüste Hitze in Sandstürmen und bitterkalte Winter durchlebt. Die Mutter fällt immer mehr in einen Zustand der Lethargie.
Der Tag kommt, an dem die Familie mit 25$ in die Freiheit entlassen wird. 25$, derselbe Betrag, den man Verurteilten nach Absitzen ihrer Haftstrafe zur Entlassung mit in die Welt gibt. Die Familie kommt zurück in ihr altes Haus, das von Wegelagerern und sondergleichen beschmutzt und heruntergekommen ist. Irgendwie versuchen sie sich wieder einzufinden in einen Alltag, der keiner ist, die Mutter wegen ihrer japanischen Abstammung keine Arbeit findet und sie auf der Straße geächtet werden. Und immer warten sie auf die Rückkehr des Vaters, der all die Jahre Briefe geschrieben und zurückbekommen hat.

Schnörkellos und fast teilnahmslos ist die Erzählweise Julie Otsukas über den zusammengefassten Zeitraum mehrerer Jahre ein dunkles Kapitel über rassistische Vorurteile, im Krieg begründete Hysterie und ein Versagen der Regierung der amerikanischen Geschichte nach. Nach „Wovon wir träumten“ ist dies mein zweites Buch von Julie Otsuka, und ich resümiere, dass ich mich mit ihrem nüchternen Stil nicht so ganz warm werde. Es war aber vor allem lehrreich, über dieses mir unbekannte Kapitel der US-Geschichte zu lesen.

Veröffentlicht am 29.03.2023

Tolle Geschichte für Kinder mit Charakteren zum Liebgewinnen!

Mina und die Karma-Jäger - Der Klassenkassen-Klau
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Voller Vorfreude wartet Milena auf ihre Geburtstagscew. Es klingelt und sie ist schon in Partystimmung – aber äh, da steht ja nur ein total langweiliger Junge vor der Tür... Der stellt sich als Julius ...

Voller Vorfreude wartet Milena auf ihre Geburtstagscew. Es klingelt und sie ist schon in Partystimmung – aber äh, da steht ja nur ein total langweiliger Junge vor der Tür... Der stellt sich als Julius vor und erzählt Milena, er hat alle ihre Gäste über WhatsApp mit der Begründung ausgeladen sie hätte Läuse, weil sie ihm helfen müsse sein Karma aufzubessern. Julius ist nämlich ein Geist und kann erst in den Himmel, wenn er ein bestimmtes Karma-Level erreicht hat. Ziemlich schnell zeigt sich, dass Julius ein ziemlich nervtötender Geist ist und es kein Wunder ist, dass ihm der Zugang zum Himmel verwehrt ist, so stur und eigensinnig wie er ist. Sie erklärt sich dann aber doch bereit ihm zu helfen, schließlich wurde Geld aus der Klassenkasse gestohlen, und sie will wissen wer dahintersteckt. Zusammen mit Milenas immer lustiger Freundin Isabel, die erst nicht an den Geist glaubt, sondern Halluzinationen bei Milena vermutet, gehen die drei auf detektivische Suche. Schnell wird klar, dass es mehrere Diebe gibt und der eine einen tierfreundlichen Grund für sein Handeln hat... „Milena und die Karma-Jäger“ ist ein unterhaltsames Buch von Janet Clark für Kinder ab 9 Jahren. In dem Alter darf Furz- und Rülpshumor nicht fehlen, und den bedient es. Mit den Scherzen, die im Buch vorkommen, können sich die Leser sicher sehr gut identifizieren, darüberhinaus werden auch ganz wichtige Themen wie Tierschutz oder die Wichtigkeit Probleme zu lösen und nicht nur auf sie zu zeigen angesprochen. Die Illustrationen von Sabine Sauter begleiten die Geschichte. Toll fand ich, dass sich die Seitenzahlen verändern und an Julius Karma-Stufe anpassen.
Das Buch ist der Auftakt einer Reihe von Detektivgeschichten der kleinen Gruppe um Milena, bei der sich wohl bald auch offenbart, warum der Geisterjunge Julius sich an nichts aus seinem Leben erinnern kann und wer er nun eigentlich ist.

Veröffentlicht am 29.03.2023

Ein Kinderfachbuch, das auch Erwachsenen gefällt!

Das geheime Leben der Bücher vor dem Erscheinen
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„Das geheime Leben der Bücher vor dem Erscheinen“ ist ein so, so, soooooo großartiges Buch! Vom Cover über den Buchrücken bis zu seinem Inhalt einfach grandios gemacht! Die Autorin, der Illustrator, der ...

„Das geheime Leben der Bücher vor dem Erscheinen“ ist ein so, so, soooooo großartiges Buch! Vom Cover über den Buchrücken bis zu seinem Inhalt einfach grandios gemacht! Die Autorin, der Illustrator, der Typograf, der Drucker, die Herstellerin und der Buchbinder erzählen von ihren Aufgaben, die bei der Entstehung eines Buches anfallen. Währenddessen wechselt sogar die Papierart, um anhand von gestrichenen Papieren und Naturpapieren die Wirkung der darauf verwendeten Farbe zu verdeutlichen.
Das Cover ist mit Thermofarbe bearbeitet, die Silhouetten der Figuren im Buch sind außerhalb nur mit warmen Händen zu sehen. Im Buchrücken befindet sich ein Fenster, um die Fadenheftung und Klebebindung des Buches ganz nah zu zeigen.
Die Verantwortlichen haben sich richtig viel Mühe für ein großartiges Ergebnis gemacht. Wer sich für Buchherstellung interessiert, sollte sich dieses Juwel unter den Druckerzeugnissen zulegen! Ich liebe dieses Buch!

Veröffentlicht am 29.03.2023

Likeable creepy dude

YOU - Du wirst mich lieben
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YOU is the story of Joe Goldberg and his obsession for this woman one day coming into the bookstore he manages. The story is written from his perspective, cynical, misantropic and bibliophile. Joe Goldberg ...

YOU is the story of Joe Goldberg and his obsession for this woman one day coming into the bookstore he manages. The story is written from his perspective, cynical, misantropic and bibliophile. Joe Goldberg ranks somewhere between admirable for his love of books (at least to me since I like to think as a bibliophile of myself) and an asshole for being so anti all the time about the people around him (well I can identify with that too). But he's kinda right in his view that people these days are rather pretendic than authentic.
Joe values literary people of which he is one but since nobody really seems to read anymore he glorifies himself in a nonmattering way to the rest of the society.
Maybe that is why he sets his eyes onto Guinevere Beck, called Beck. In his view she is beautiful, smart and literary. She embodies what men want. He's obsessed with her right from the beginning. And an obsession he mistakes for love it is indeed which is best described in a sentence of his:"How does my anger with you always softens into love?"

She lies and often she annoys him by being illoyal and a real hypocrite. But he goes on defending her, setting her in a position of being a victim and tries to set things right, even if it means correcting the world around her by killing people close to her that do her no good. She though is a real bitch with boundary and daddy issues and uses men up like toilet paper. When finally Joe and her come together she cheats on him and his anger blows into one final explosion.

I had a fun reading time with this creepy dude Joe and his bitchy object of desire Beck. The characters are so ambivalently written, highlighting their good traits one minute and their bad the other so you are torn between liking and detesting all the time.
One might be annoyed by Caroline Kepnes fondness of many conjunctions. She puts a lot of „and“s into her story but since it's from Joe's perspective I think it is a way of stating his excitement and I think it fits well to him.
The Netflix show differs in some ways from the book, Joe and Beck are much more likeable than they are in the book in my opinion. Also the egoism of wanting Beck all for himself is more clear in the books than it is in the show where Joe mostly tries to keep Beck out of trouble than simply getting rid of the people standing in his way.

Veröffentlicht am 29.03.2023

Zynisch, aktuell, voll ins Schwarze

Das Licht ist hier viel heller
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Wir werden in die Geschichte eingelassen am absoluten Tiefpunkt von Maximilian Wenger. Abgeladen in einer neuen Wohnung, umgeben von unausgepackten Umzugskartons, weil die Frau den Verbrauchten nicht mehr ...

Wir werden in die Geschichte eingelassen am absoluten Tiefpunkt von Maximilian Wenger. Abgeladen in einer neuen Wohnung, umgeben von unausgepackten Umzugskartons, weil die Frau den Verbrauchten nicht mehr wollte und sich einen Jüngeren genommen hat, den Kindern mittlerweile genauso entfremdet wie seinem einstigen Erfolg. Wenger ist Schriftsteller, der sich für einen unverstandenen Avantgardisten hält und doch ein Ewiggestriger ist, seinen früheren Glanzzeiten nachtrauernd. In seinem persönlichen Chaos hält allein seine Schwester Ordnung, die ab und zu vorbeikommt und ihn mit vorgekochtem Essen versorgt sowie die Wohnung putzt.
Wengers vergangener Erfolg beruht auf Stimmen von mit ihm bekannten Frauen, die seine Geschichten antreiben. Er selbst offenbart sich im Laufe des Buches als jemand, der die Frauen so wenig kennt wie seine eigenen Kinder. Parallel eröffnet sich uns nämlich ein Zugang zu seiner Tochter Zoey, die aus der momentanen und früheren Familiensituation erzählt. In ihrem jungen Leben hadert sie mit vielem; dem abwesenden Vater, der selbstzentrierten Mutter, die aus Zoey gerne ein socialmediales Ebenbild schaffen würde, einer unerfüllten Liebe.
Zum Leben erwacht Wenger erst wieder, als ein Brief, adressiert an den Vormieter, bei ihm eintrifft. Seiner Neugier folgend öffnet er das Kuvert und labt sich an den leiderfüllten Worten einer enttäuschten Frau, die an ihre frühere Liebe schreibt. Im Laufe der nächsten Wochen erreichen ihn weitere Briefe, die er ebenfalls gierig öffnet. Durch sie inspiriert fängt er wieder an zu schreiben und beutet ihren Gram auf eine perfide Weise aus auf seinem Weg zurück an die literarische Spitze.
Zoey wird eines Abends in eine furchtbare Situation gezwungen. Als sie dann auch noch erfährt, dass ihr Vater die Briefe der fremden Frau gnadenlos ausnutzt, bricht aus ihr eine Stimme hervor, die das Verhalten der Männer verurteilt sich zu nehmen, was immer sie auch wollen, für die andere und deren Schicksal nur etwas ist, aus das man Gewinn schlagen muss. Man fragt sich bis zuletzt, ob wenigstens anhand der eigenen Tochter eine Veränderung im Wenger vorgeht.

Mareike Fallwickl platziert unterschiedliche Frauen in ihrem Buch, von denen mein Eindruck ist, dass sie allesamt wie ein Kaleidoskop von Wenger verzerrt werden, denn sie richtig zu erfassen und verstehen bleibt ihm durch gepflegte Vorurteile und seinem männlichen Narzissmus völlig verwehrt. Er ist ein blinder Spiegel, der die ihm begegnenden Frauen nicht darzustellen vermag, und der doch meint, dass er alles durchschaut.
Mit ihrem Protagonisten hat sie eine Figur in ihren Roman gesetzt, der ohne die Frauen, die ihn in seinem Leben berührt haben, nicht Geltung kommt und völlig von ihnen abhängig ist.