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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.12.2024

Welcome to my jungle

Das Kind in dir muss Heimat finden
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Therapie brauchen eigentlich diejenigen, die auslösen, weshalb Menschen zu Büchern wie diesem hier greifen. Nur liegt das Spektrum für Veränderung zunächst mal ausschließlich im eigenen Handlungsraum, ...

Therapie brauchen eigentlich diejenigen, die auslösen, weshalb Menschen zu Büchern wie diesem hier greifen. Nur liegt das Spektrum für Veränderung zunächst mal ausschließlich im eigenen Handlungsraum, und ein Ratgeber wie "Das Kind in dir muss Heimat finden" kann da eine erste Stellschraube sein.

Das Buch ist seit Jahren auf der Spiegel-Bestsellerliste, entsprechend viele Rezensionen gibt es, die den Inhalt beschreiben, dass ich den nicht wiederkauen muss.
Vor einigen Jahren habe ich dieses Buch schon mal besessen, fühlte mich damals aber vom Inhalt nicht abgeholt. Stefanie Stahls Buch ist so eins der Sorte, für die muss der richtige Zeitpunkt kommen, und den hatte ich vor einigen Wochen, als ich in eine mittelschwere Krise gestürzt bin. Mein riesengroßes Glück war, unmittelbar eine therapeutische Kurzzeitlösung gefunden zu haben. Zwischen den wöchentlichen Terminen wollte ich aber nicht rein zwischen meinen Gedanken hin- und herpendeln, sondern Aufschluss über das bekommen, was sich psychisch bei mir losgetreten hat, und da war "Das Kind in dir muss Heimat finden" ein erster Kompass, an dem sich meine Gedanken orientieren konnten, um eine Richtung zwischen den Sitzungen zu bekommen.

Das Buch ersetzt keine Therapie (den Anspruch hat es aber auch nicht), aber es ist eine Ergänzung für Leute wie mich, die das Gefühl haben, nicht untätig rumsitzen können und den Sturm vorüberziehen lassen, sondern nach Impulsen zur Selbstarbeit suchen, um die zur Verfügung stehende Therapiezeit optimal zu nutzen.

Veröffentlicht am 09.06.2024

Liest sich wie ein Auftakt zu mehr

Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume
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Im beschaulichen Quedlinburg lebt wohl die größte Fangemeinde von Blasmusik. Die 13-jährige Elly kann das dauernde Buff-ta-ta nicht mehr hören, es verursacht ihr beinahe körperliche Schmerzen. Ellys Musik ...

Im beschaulichen Quedlinburg lebt wohl die größte Fangemeinde von Blasmusik. Die 13-jährige Elly kann das dauernde Buff-ta-ta nicht mehr hören, es verursacht ihr beinahe körperliche Schmerzen. Ellys Musik Vorliebe für Metal macht sie zur Randfigur. Aus diesem Grund entschließt Elly sich, Quedlinburg und ihre Eltern zurückzulassen. Doch dann taucht Holger Hellborn als neuer Lehrer an Ellys Schule. Seine offene und gar nicht zur Mentalität der Stadt passende Art bringt Elly mit Nana, Schatten, Lucky und Lederhosen-Boy zusammen, und für die Dauer eines Liedes erleben die Jugendlichen das erste Mal, wie es ist, sich frei zu fühlen.
Hellborn verschwindet und hinterlässt nichts als ein mysterisöses Notenheft. Keiner glaubt, dass der neue Lehrer freiwillig gegangen ist, und weil es nicht der erste seltsame Vorfall ist, versuchen die Außenseiter-Kids Hellborn zu finden. Sie stoßen auf ein altes Geheimnis unter der Stadt und erfahren, wie es mit der fanatischen Vorliebe für Blasmusik in Quedlinburg zusammenhängt.
Elly willl Hellborn unbedingt finden und erfährt dabei auch ein großes Geheimnis über sich selbst.

Ich empfand dieses als ein ungewöhnliches Kinderbuch mit leicht düsterem Setting. Ich brauchte ein bisschen, mich in die Story einzulesen, aber sowohl Humor als auch Charaktere sind sehr gelungen. Elly ist eine Außenseiterfigur mit großem Identifikationspotential, die mir direkt sympathisch war.
Gegen Ende hin habe ich mich gefragt, wohin die Geschichte auf den letzten paar Seiten noch gehen könnte, und dann war sie auch schon vorbei, ohne übriggebliebene Fragen aufzuklären. Mein Gefühl sagt mir, dass Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume der Auftakt zu mehr war, und über ein Wiedersehen mit Elly und den anderen Außenseiter-Kids würde ich mich nur zu sehr freuen!

Veröffentlicht am 09.06.2024

Keegan setzt jedes Wort gezielt!

Reichlich spät
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Nach Ende der Arbeit nimmt macht Cathal sich auf den Heimweg. Im Bus setzt sich ihm gegenüber eine Frau auf den freien Platz. Er atmet ihren Duft ein, und die Erinnerung führt ihn direkt zurück zu Sabine. ...

Nach Ende der Arbeit nimmt macht Cathal sich auf den Heimweg. Im Bus setzt sich ihm gegenüber eine Frau auf den freien Platz. Er atmet ihren Duft ein, und die Erinnerung führt ihn direkt zurück zu Sabine. Sabine, die er fast geheiratet hätte. Aber eben nur fast.
Der Ehering ist bereits gekauft, und dann ist es diese eine feindselige Haltung zu viel gegenüber dem Plural Frauen, der dafür sorgt, dass Sabine endgültig geht.

Claire Keegan gelingt es, auf gerade einmal knapp 50 Seiten einen intensiven Blick von der Alltagsmisogynie eines Mannes zu zeichnen. Ihre Sprache ist so klar und präzise, jedes Wort gezielt gesetzt. Cathal wünscht sich die Verbindlichkeit einer festen Partnerschaft, erträgt gleichzeitig aber die Anwesenheit der Frau nicht, die er besitzen will und die er in Person als auch in ihren Zuwendungen, als selbstverständlich hinnimmt. Keegan lässt ihren männlichen Protagonisten wie einen feinen Sprühregen auf die Szenerie rieseln, seine Aussagen und Handlungen so mikroskopisch, in der Masse dann aber doch antifeministisch. Ihre erdachte Figur ist das schon viel zu oft erlebte reale Pendant zu Männern, die sich vom Feminismus drangsaliert fühlen, ohne genau zu wissen, warum eigentlich. Großartiges Buch!

Veröffentlicht am 09.06.2024

Geht uns alle an

Obdachlosigkeit – Warum sie mit uns allen zu tun hat
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Sie gehören zum Stadtbild wie dm und sind doch so unsichtbar, weil keiner hinschauen will: obdachlose Menschen.
Viele Städte werben mit einem Image der inklusiven Stadt, die allen Menschen zur Verfügung ...

Sie gehören zum Stadtbild wie dm und sind doch so unsichtbar, weil keiner hinschauen will: obdachlose Menschen.
Viele Städte werben mit einem Image der inklusiven Stadt, die allen Menschen zur Verfügung steht, doch nichts straft diese Selbstdarstellung so sehr Lügen wie Parkbänke mit Metallgittern, auf die man sich nicht legen kann. Die Städteplanung richtet sich zunehmend an bezahlkräftige Bevölkerungsgruppen und der öffentliche Raum wird stark von politischen sowie ökonomischen Interessen beeinflusst. Wohnungslose Menschen, die sich fast ausnahmslos nur im öffentlichen Raum aufhalten können, werden von zentralen Orten wie Parks, Bahnhöfen, Einkaufspassagen vertrieben und verlieren damit Schutz, denn gerade wo viele Menschen verkehren, sind Obdachlose eher vor Übergriffen geschützt.
Es gibt neue sozialpolitische Ansätze, wie in den USA entwickelte Housing-First-Programme, bei denen im Vordergrund steht, nicht allein die Symptome wie schlechte Gesundheit zu bekämpfen, sondern Obdachlose zunächst in ein festes Wohnen zu bekommen, aus dem alle anderen Probleme wie Schulden angegangen und begleitet werden. Denn mit einer Wohnung kommt auch die Bürokratie zurück ins Leben und es werden Kompetenzen benötigt, die auch vor der Obdachlosigkeit nicht ausgeprägt waren.

Dieses kurze und dennoch sehr informative Buch mit seinen Infografiken lässt sich innerhalb von drei Stunden durchlesen. Und das macht es gut, denn sich ab und zu bewusst zu machen, wie schnell ein:e jede:r von uns in die Lage kommt, die wir beim Stadtbummel auf Kniehöhe lieber ignorieren ist nur angemessen. Ich kann dieses Büchlein eigentlich nur allen empfehlen; man muss sich ja nicht erst zur Weihnachtszeit wieder rührselig Gedanken um die Ärmsten unserer Gesellschaft machen, denn obdachlos sind jene Menschen das ganze Jahr.

Veröffentlicht am 09.06.2024

Ich bin begeistert, mehr davon!

Peanut Jones und die Stadt der Bilder
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Eine Protagonistin namens Peanut mit ihrer kleinen Schwester Little-Bit? - Die Geschichte kann ja nur gut werden! Ich bin froh, dass der ein Bekannter auf Instagram mir „Peanut Jones und die Stadt der ...

Eine Protagonistin namens Peanut mit ihrer kleinen Schwester Little-Bit? - Die Geschichte kann ja nur gut werden! Ich bin froh, dass der ein Bekannter auf Instagram mir „Peanut Jones und die Stadt der Bücher“ nahegelegt hat.

Bei Peanut läuft, gelinde gesagt, alles gerade richtig scheiße: Ihr Vater hat vor einem Jahr die Familie verlassen und seitdem hat ihr großer Bruder Leo sich zu einem mürrischen Einsiedlerkrebs entwickelt. Zudem musste Peanut auf eine neue Schule wechseln, auf der Genauigkeit und Geradlinigkeit jede Kreativität töten.
Ihrem traurigen Alltagsleben entflieht Peanut, indem sie unablässig malt. Bereits ihr Vater hat Peanut immerzu Bilder auf Post-its gemalt, die sie wie einen Schatz in einer eigens dafür von ihrem Paps gebastelten Kiste hütet. Eines Tages findet Peanut in genau dieser Kiste ein Geheimversteck, das einen Bleistift hütet. Der Graphit dieses ganz besonderen Bleistifts öffnet Peanut den Weg in die Stadt Chroma, einen erschaffenen und gemalten Ort, an dem die Zeit anders vergeht. Eigentlich hofft sie, dass der Bleistift sie zu ihrem Vater führt, denn dass er freiwillig verschwunden ist, glaubt Peanut nicht mehr, doch sie erfährt von einer Bewohnerin Chromas, dass die Stadt und ihre Kreativität von einem farbenzerstörenden Bösewicht bedroht wird. Gemeinsam mit Little-Bit und ihrem Schulkameraden Rockwell stürzt sich Peanut auf ins Abenteuer.

Warum hab ich so lange damit gewartet, dieses humorvolle und genial illustrierte Kinderbuch zu lesen? Weiß ich nicht, aber jetzt kann es mir eigentlich nicht schnell genug gehen, den zweiten und anschließend dritten Band aus der Feder von Rob Biddulph in die Finger und vor die Augen zu bekommen! Besonders Little-Bit mit ihrer forschen und manchmal vorlauten Art hat es mir angetan, und ich fiebere mit, ob die Geschwister ihren Vater endlich finden werden. Eine himmelhochjauchzende Buchempfehlung von mir!