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Veröffentlicht am 27.02.2023

Ein weiterer lesenswerter Japaner!

Die Maske
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Fumihiro ist das jüngste Familienmitglied der Kukis, einer der mächtigsten Familien in Japan.
Schon früh ist sein Leben von Entbehrungen gerpägt: Eine Mutter gab es nie, seine Geschwister waren alle schon ...

Fumihiro ist das jüngste Familienmitglied der Kukis, einer der mächtigsten Familien in Japan.
Schon früh ist sein Leben von Entbehrungen gerpägt: Eine Mutter gab es nie, seine Geschwister waren alle schon aus dem Haus, seinen Vater, das Familienoberhaupt, sah er selten. Dann lässt sein Vater Fumihiro eines Tages zu sich zitieren. Dieser eröffnet ihm, dass es im Kuki-Clan Brauch ist, im späten Alter von über 60 Jahren ein Kind zum Zwecke zu zeugen, dass dieses als „Geschwür“ Krieg, Leiden, Zerstörung und Schmerz über die Welt bringe. Einige Jahre später wird Fumihiro erneut von seinem Vater zu einem Gespräch zitiert, und stellt ihm Kaori vor, ein Waisenmädchen, das fortan im großen Haus der Kukis leben soll. Das Oberhaupt der Kukis prophezeit Fumihiro, dass sich die beiden anfreunden werden und Kaori eine große Rolle darin spielen wird, dass Fumihiro sein Schicksal erfüllt und zu dem Werkzeug wird, das sein Vater für ihn erdacht hat.
Zwischen den beiden entspinnt sich wider Erwarten des Vaters allerdings ein tiefes Band, das in Fumihiro den brennenden Wunsch weckt sich seinem Erzeuger mit aller Macht zu widersetzen. Fumihiro ahnt, dass er in einer Zwickmühle steckt, denn wie er sich auch entscheiden wird, er ahnt bereits, dass der eine oder der andere Ausweg eine große Konsequenz hat.

Wer die japanischen Autoren liest, kommt meist nicht umhin, sie mit dem bekanntesten und empfundenem Meister zu vergleichen, jedoch unterscheidet sich Fuminori Nakamuras Stil sehr von Haruki Murakamis. Manche Elemente wie eine gewisse Düsternis oder die Schwermut des Protagonisten überlappen sich, aber die kafkaeske Verzerrung der Realität, welche die wahrnehmenden Handelnden als Normalität wahrnehmen, gibt es bei Nakamura nicht.
Dennoch werde ich Nakamura künftig etwas verfolgen, denn „Die Maske“ hatte einen ganz eigenen Stil, und mich interessiert, was es von ihm noch Lesenswertes gibt.

Veröffentlicht am 27.02.2023

Zuckersüß!

Pardon Bonbons
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„Pardon Bonbons“ ist ein zuckersüßes Buch über den Besitzer des Bonbon-Ladens Herrn Hoi.

Herr Hoi liebt Kinder. Er behandelt jeden Kunden seines Ladens höflich, egal ob jemand viel oder wenig kauft. Herr ...

„Pardon Bonbons“ ist ein zuckersüßes Buch über den Besitzer des Bonbon-Ladens Herrn Hoi.

Herr Hoi liebt Kinder. Er behandelt jeden Kunden seines Ladens höflich, egal ob jemand viel oder wenig kauft. Herr Hoi bietet auch jedem Kunden seines Ladens gratis seine Eigenkreation an, das Pardon Bonbon.
Eines Tages kommt eine Gruppe Kinder in seinen Laden, eines der Kinder fragt ihn, ob Herr Hoi seinen Vater gesehen habe. Er verneint dies, bietet dem Kind aber ein Pardon Bonbon an, woraufhin die ganze Gruppe welche nimmt. Fortan kommen die Kinder öfter in seinen Laden und stellen Herrn Hoi Fragen, bei denen er aber nicht weiterhelfen kann. Jedesmal gehen die Kinder mit Pardon Bonbons wieder. Herr Hois Sohn scheltet seinen Vater, ob er denn nicht merke, dass die anderen Kinder ihn immer dann bestehlen würden, wenn er gerade mit dem einen Kind in ein Gespräch vewickelt ist. „Doch“, ist Herr Hois Antwort. Eines Tages bietet Herr Hoi dem fragenden Kind an, dass sie ruhig mehr mitnehmen sollen, ein Bonbon würde bei ihm wohl nichts bewirken. Darauf fragt das Kind, was die Bonbons denn bewirken sollen. Herr Hoi antwortet ihm, dass das Essen eines Pardon Bonbons bewirke, dass man sich für etwas Unrechtes entschuldigen wolle. Die Gruppe der Kinder verschwindet, und Herr Hoi sah sie nie wieder.
Eines Tages, als Herr Hoi schon sehr alt ist, erhält er einen Brief. Der Absender sagt ihm nichts. Auf dem Bild ist eine Zeichnung und ein einzelnes Wort: Pardon. Darauf weiß Herr Hoi von wem der Brief stammt.

Ich habe mich so gefreut, als mein Bilderbuch endlich angekommen ist! Das Buch ist wirklich wertig und die Seiten schön griffig. Das Cover ist stellenweise mit einer kupfernen Prägefolie versehen. Das Buch fasst sich sehr schön an, es hat eine warme, kartonartige Oberfläche.
Die Zeichnungen sind sehr liebevoll und heimelig gestaltet, so dass ich mich zwischen den einzelnen Seiten sehr wohlgefühlt habe.

Veröffentlicht am 27.02.2023

Kein gutes Blitzgewitter

Berlin Alexanderplatz
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Döblins „Berlin Alexanderplatz“ gehört zu einer der wenigen Lektüren, die ich vorzeitig beendet habe. Ich weiß, das Werk wird als wichtig angesehen und zeichnet eine Großstadt- und damit Gesellschaftskritik ...

Döblins „Berlin Alexanderplatz“ gehört zu einer der wenigen Lektüren, die ich vorzeitig beendet habe. Ich weiß, das Werk wird als wichtig angesehen und zeichnet eine Großstadt- und damit Gesellschaftskritik der Weimarer Jahre, aber mich hat der ganze Stil und die Montagetechnik sehr unruhig gemacht und einen wirklichen Lesefluss nicht ermöglicht. Die Gedanken des Franz Biberkopf, aus dessen Sicht der Roman geschrieben ist, springen innerhalb von Sekunden hierhin und dorthin und sorgen für eine literarische Reizüberflutung, die wohl zwar den reellen Reizüberfluss nachstellen soll, mich jedoch ständig verwirrt hat.

Auf das Buch muss man sich einlassen können und längere Leseepisoden ermöglichen können. Ich habe etwa auf der Hälfte bei Seite 200 aufgegeben. Vielleicht probiere ich es irgendwann nochmal mit diesem Buch. Für Pendler-Leser, die sich 20 Minuten in Bus oder Bahn setzen, ist es absolut nichts.

Veröffentlicht am 27.02.2023

Weibliche Satire der 1920er Jahre

Das kunstseidene Mädchen
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„Das kunstseidene Mädchen“, das ist Doris; jung, lebenshungrig, und ihr steht die Welt offen, meint sie, nachdem sie ihre Stelle im ihr provinziell anmutenden Köln im Büro kündigt, nachdem ihr Chef ihr ...

„Das kunstseidene Mädchen“, das ist Doris; jung, lebenshungrig, und ihr steht die Welt offen, meint sie, nachdem sie ihre Stelle im ihr provinziell anmutenden Köln im Büro kündigt, nachdem ihr Chef ihr sexuelle Avancen angetragen hat. Doris möchte aber nicht das Liebchen eines alten Knackers sein, sondern sich ihre Liebschaften selbst aussuchen. Und vor allem eins: Ein Glanz sein und als Star gefeiert werden.
Durch ihre Mutter erhält sie eine Stelle in einem Theater, und durch die Flunkerei, sie hätte ein Verhältnis mit dem Regisseur, wird ihr ein wenig Respekt der Theatergruppe zuteil. Einen Auftritt ergattert sie sich dadurch, dass sie eine Konkurrentin im Theater auf der Toilette einsperrt und fortan ihren Satz sprechen darf. Dass sich ihre Daseinsberechtigung im Theater einzig auf die Annahme stützt, sie sei dem Regisseur nahe, ist sich Doris im klaren darüber, dass ihre Zeit dort begrenzt ist. Als sich dann ihre verflossene Liebe Hubert ausgerechnet an dem Tag für ein Treffen ankündigt, als sie nur in einem nicht vorzeigbaren Regenmantel im Theater ist, stiehlt sie kurzerhand einen Pelzmantel, den Feh, der sie ab sofort immer begleiten wird, und trifft sich mit Hubert. Die Zusammenkunft der beiden ist ernüchternd, und da sich Doris mit dem Diebstahl die Rückkehr ins Theater verbaut hat, entscheidet sie sich nach Berlin zu gehen, das für sie der Inbegriff eines aufregenden Lebens und ihre größte Chance ein Glanz zu werden, darstellt.

In Berlin wohnt sie zunächst bei einer Bekannten, und durch ihre offene und laszive Art ergeben sich auch dort schnell erste Kontakte zu Männern, die Doris aber leider nie dorthin führen, wo sie hin will. Sie kann die Männer sehr gut einschätzen und durchschauen, und dies kommentiert sie oftmals so, dass es dem Leser etwas zwischen einem Grinsen und einem lauten Lachen entlockt. Als Beispiel:“Er hätte auch Geist. Und Grundsätze: Männer dürfen und Frauen dürfen nicht. Nun frage ich mich nur, wie Männer ihr Dürfen ausleben können ohne Frauen? Idiot.“ Trotz dieser Raffinesse in Sachen Männer fehlt es ihr an wirklicher Bildung, sie kommt über die Wahrnehmung als junges, liebenswertes Dummchen mit viel Erotik nicht hinaus. Weil Doris in Berlin nicht arbeiten kann, da sie fürchten mus bei einer Anmeldung von der Polizei für den gestohlenen Feh zur Verantwortung gezogen zu werden, ist sie immer auf Hilfe von außen angewiesen. Sie lebt erst bei einer Bekannten, freundet sich mit einer Prostituierten an, hat wechselnde Männerbekanntschaften und verliert irgendwann das Dach überm Kopf und ist obdachlos. Die Annäherungen Karls, der obdachlos ist und in einer Gartenlaube wohnt, lehnt sie in ihrem restlichen Stolz ab. Da wird sie von Ernst aufgelesen, der die müde und unterernährte Doris mit zu sich nach Hause nimmt. In der Nacht und den ersten Tagen vermutet Doris einen Perversen, der sich an ihr vergehen will, aber Ernst macht keine Anstalten ihr sexuell näher zu kommen, obgleich er sich Doris ansonsten nahe fühlt. Es stellt sich heraus, dass er seiner einstigen Liebe nachtrauert und schlicht nicht alleine sein will. Doris, die sich bietende Situation erst zu ihren Vorteilen nutzend, überwindet ihre anfängliche Abneigung gegen ihn, den sie erst als Waschlappen wahrnimmt, und entwickelt irgendwann Gefühle für Ernst, die jedoch nicht erwidert werden. Durch einen Umstand wird ihr klar, dass sie Ernst nie komplett für sich gewinnen können wird. Sie hat für sich aber gelernt, dass es keinen Glanz braucht, um sich gut und geliebt zu fühlen. Sie ergreift ihre letzte Chance nach Karl, der sie doch früher schon gewollt hat, und macht sich auf die Suche nach ihm.

Der Roman verwendet eine sehr anschauliche und blumige Sprache. Ernst beispielsweise betitelt sie als ihr Grünes Moos, weil er eine Stimme hat, die sie an ein solches erinnert. Irmgard Keuns Wortschaffungen sind aber immer aufschlussreich und erzeugen in ihrem Leser ein unverwechselbares Bild. Keun hat mit Doris einen komplizierten Charakter geschaffen, da sie in Männerdingen so bewandert zu sein scheint, in tieferer Ebene die Männer jedoch nicht für sich halten kann. Ihre Gewitztheit, so bewundernswert sie auch scheint, ist letzten Endes eine Bauernschläue, die vor wirklicher Bildung nicht standhalten kann. Es ist eben nur Kunstseide, keine echte Seide.

Zur Ausstattung des Ullstein-Hardcovers möchte ich gerne noch anmerken, dass es ein wunderschönes Bändchen ist. Das Format ist in der Länge kleiner als eine ausgestreckte Hand und fand daher sogar in meiner Jackentasche platz. Das schwarz-weiße Cover entfaltet seine ganze reizende Wirkung erst mit dem pinkfarbenen Schriftzug. Die Ausstattung beinhaltet ein Lesebändchen in tiefrosa, ebenso ist das Kapitalband in derselben Farbe gehalten. Es handelt sich hierbei wirklich um eine schicke kleine Ausgabe!

Veröffentlicht am 27.02.2023

Gänsehaut

Der Mitternachtspalast
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Nachdem uns ein noch unbekannter Erzähler im Buch begrüßt, werden wir mitten in die Geschichte geworfen: Ein Mann läuft rastlos durch das abendliche Kalkutta und versucht den Verfolgern zu entkommen, denen ...

Nachdem uns ein noch unbekannter Erzähler im Buch begrüßt, werden wir mitten in die Geschichte geworfen: Ein Mann läuft rastlos durch das abendliche Kalkutta und versucht den Verfolgern zu entkommen, denen er zwei Säuglinge entrissen hat, um sie in Sicherheit zu bringen. Ein Fluch in menschlicher Gestalt ist hinter den Kindern her, und der Mann schafft es gerade rechtzeitig, die beiden in Sicherheit zu bringen, doch der Fluch wartet nur darauf sich zu passender Gelegenheit entfalten zu können.

Sechzehn Jahre später begegnen wir einem der beiden Kinder erneut und werden mit seinem bisherigen Leben im Waisenhaus vertraut gemacht. Wir lernen seine Freunde kennen, die eine kleine Geheimgesellschaft gegründet haben, die "Chowbar Society". Musketierisch mit „Einer für alle und alle für einen“ lässt sich die Freundschaft der Kinder am besten beschreiben. Wir begegnen der Gesellschaft dieser Kinder zu einem denkwürdigen Ereignis: Traditionell mit sechzehn Jahren werden Waisenkinder als Erwachsene in die Welt entlassen. Die Mitglieder der Chowbar Society wissen, dass sich in wenigen Tagen ihre Wege trennen werden. Doch die Ereignisse wollen es, dass die Gruppe der Kinder sich auf eine letzte gespenstische Jagd durch das geheimnisvolle Kalkutta zusammentut. Gemeinsam begeben sie sich auf eine phantastische und bisweilen gänsehautbereitende Reise, um Kalkutta von seinem tragischsten Fluch zu befreien.

So richtig Fantasy ist es nicht, aber rein Roman auch nicht. Carlos Ruiz Zafón hat mit „Der Mitternachtspalast“ eine nebulöse Gruselgeschichte geschaffen, die mich sehr in ihren Bann gezogen hat. Ganz so gruselig ist sie allerdings nicht.
Die Orte, welche sich durch Zafóns Worte enthüllen, sind prunkvoll auch in ihrem Verfall. Den Mitternachtspalast, den Bahnhof und das Anwesen des Ingenieurs hat der Autor so schön gezeichnet, dass meine Vorstellung den kraftvollen Worten nur folgen musste. Einen Kritikpunkt habe ich allerdings: Auch, wenn das Ende nicht gänzlich vorhersehbar ist, fand ich den bösen Verfolger doch recht einseitig. So sehr mich die Geschichte auch gefesselt hat, fand ich die Auftritte dieser dunklen Figur zu wenig bedrohlich. Der Bösewicht kommt nicht gut an, der seine Pläne in epischer Breite vor seinen Widersachern ausbreitet, seinen Worten aber nicht die Taten folgen lässt, die seiner Macht Wahrheit zollen. Nichts desto trotz eine wunderbare Geschichte!