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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.06.2024

Für Interessierte alternativer Beziehungsmodelle fernab von Monogamie

Freunde lieben. Die Revolte in unseren engsten Beziehungen
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Jeder dritte in Deutschland lebende Mensch kann sich eine Freundschaft+ vorstellen, und warum auch nicht? Für viele Bedürfnisse unseres Lebens haben wir unterschiedliche Menschen, mit denen wir unsere ...

Jeder dritte in Deutschland lebende Mensch kann sich eine Freundschaft+ vorstellen, und warum auch nicht? Für viele Bedürfnisse unseres Lebens haben wir unterschiedliche Menschen, mit denen wir unsere größten Geheimnisse teilen, mit denen wir gerne bestimmten Hobbies nachgehen, die wir einmal im halben Jahr sehen - da ist es doch eigentlich nur natürlich, dass wir uns nicht bei der dem Sprichwort nach schönsten Sache der Welt auf einen einzigen Menschen beschränken.

Und so setzt Ole Liebl eigentlich schon lange durch seine TikToks und Reels, aber jetzt vor allem mit seinem Buch "Freunde lieben. Die Revolte in unseren engsten Beziehungen" einen Aufruf in die Gesellschaft, der romantischen Norm mit Besitzansprüchen zu entsagen und freiere Beziehungen zu gestalten.
Liebl orientiert seine Leser:innen auch anhand seiner eigenen Erfahrungen durch freie Beziehungskonzepte, ohne dabei einen Seelenstriptease hinzulegen. All das bettet er ein in einen lesenswerten Exkurs durch die gesellschaftliche Entwicklung von Ehe, Monogamie und 150 Jahre sexuelle Kommerzialisierung.

Liebls Buch kam für mich wie gerufen, denn (spicy 🌶 detail) auch ich erkunde gerade Freundschaft+ für mich und stoße mit meinen langjährig einstudierten/gelebten Denkmustern manchmal an die Wand einer noch diffusen Vorstellung davon. Ich erprobe also gegenwärtig, was für mich funktioniert und was eher nicht. Denn so einfach wie in Gedanken, mit abgesteckten Grenzen und unter Verschluss gehaltenen Gefühlen, funktioniert es dann offenbar doch nicht, und da hat mir "Freunde lieben" geholfen, Eindrücke zu sortieren und emotionale Verwirrungen besser zu verstehen.

Veröffentlicht am 09.06.2024

Dicht und atmosphärisch!

Die Narayama-Lieder
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In einem japanischen Bergdorf ist es Brauch, dass sich die Alten in ihrem 70. Lebensjahr auf zum Narayama begeben und dort zu bleiben. Die Winter sind hart, die Alten müssen weichen für die Jungen.
Nun ...

In einem japanischen Bergdorf ist es Brauch, dass sich die Alten in ihrem 70. Lebensjahr auf zum Narayama begeben und dort zu bleiben. Die Winter sind hart, die Alten müssen weichen für die Jungen.
Nun ist es an der Zeit für die zähe Orin, noch in diesem Jahr will sie sich auf die Reise begeben. Bevor sie sich auf den Weg machen kann, muss sie noch einige Dinge erledigen. Ihrem verwitweten Sohn muss eine neue Frau gefunden werden, also lässt sie aus dem anderen Dorf eine geeignete Frau kommen. Wenn Orin doch nur noch die Zähne ausfallen würden... so kann das nicht gehen, dass man mit einem intakten Gebiss den letzten Gang zum Narayama antritt – was sollen die Leute denken?!
Hoffentlich schneit es am Tag ihrer Reise, denn das bedeutet, dass ihr Aufbruch vom Schicksal geleitet ist...

Zieht man von diesem ohnehin schon überschaubaren Büchlein den üppigen Anhang ab, kommt man auf eine Länge von knapp 80 Seiten. Übrig bleibt ein kurzes Buch, dessen Inhalt sich dicht und atmosphärisch über die eigene Vorstellungskraft legt. Ein kurzer literarischer Abstecher in das ländliche Japan – hat mir sehr gut gefallen!

Veröffentlicht am 09.06.2024

Weiter geht der Irrsinn im EU-Zirkus, äh -Parlament

Herr Sonneborn bleibt in Brüssel
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Ich wusste, dass dies ein deprimierendes Buch werden würde, und trotz des Humors hab ich lange gebraucht, es komplett durchzulesen. Dass sich der Irrsinn von Sonneborns erster Amtszzeit im Europaparlament ...

Ich wusste, dass dies ein deprimierendes Buch werden würde, und trotz des Humors hab ich lange gebraucht, es komplett durchzulesen. Dass sich der Irrsinn von Sonneborns erster Amtszzeit im Europaparlament wiederholt, wundert nicht. Allerdings fängt jetzt DIE PARTEI auch noch an ernsthaft Politik zu machen und zur stärksten Opposition gegen Vetternwirtschaft und Korruption in den EU-Hallen zu werden, wenn nicht mal mehr übergeordnete Instanzen keine Probleme in illegalen Großspenden an Altparteien erkennen, mit denen sich Industrielle und Immobilienunternehmer für sie begünstigende Gesetzgebungen erkaufen wollen.
Sonneborn zeigt auch mit seinem zweiten Buch auf, dass die Grundidee der Europäischen Union eigentlich eine ganz gute ist, wenn sich nicht so viele Abgeordnete durch egoistische Klüngelei ihrer Ressourcen bedienen würden.
Lachen und Weinen wechseln sich (wie schon beim ersten Buch) ab, mensch möchte verzweifeln über die politischen Zustände, die immer mehr zur Shitshow werden. Man kann von Sonneborn und seiner PARTEI halten, was man will, aber im Dschungel der irren Gesetze bringen sie Klarheit und Transparenz in eine Institutiton, die zunehmend weniger transparent für die Bürger:innen wird, für die sie Politik macht.

Veröffentlicht am 09.06.2024

Hervorragend recherchiertes Sittenporträt!

Berlin Rosalie
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Das „Rosalie“ ist ein Edelbordell in Berlin Kreuzberg. Es ist der Arbeitsort von Julia und Christin. Tagsüber leben die beiden zusammen in einer WG, abends arbeiten sie im Rosalie. So wie dutzende andere ...

Das „Rosalie“ ist ein Edelbordell in Berlin Kreuzberg. Es ist der Arbeitsort von Julia und Christin. Tagsüber leben die beiden zusammen in einer WG, abends arbeiten sie im Rosalie. So wie dutzende andere Frauen.
Dem Bordell voran steht Gisela, eine reife Frau, die es perfektioniert hat, die Lust der Männer zu Geld zu machen. Doch Gisela ist nicht nur Geschäftsfrau, sie ist in ihrem Metier auch für ihre faire Art bekannt. So kommt es, dass sie Olga befreit, die unter falschen Versprechen für eine lukrative Arbeit nach Deutschland gelockt wurde. Die Frau aus Osteuropa ist der Besitzerin des Edelbordells dankbar, doch statt in ihre Heimat zurückzukehren und die traumatischen Erfahrungen zu vergessen, arbeitet sie nicht nur von nun an für Gisela, sie spezialisiert sich in Richtung Seualassistenz. Ihre Arbeit mit behinderten Männern, die ohne Olga ihre seuellen Bedürfnisse nicht realisierten könnten, erfüllt Olga mit dem Gefühl, der Gesellschaft einen relevanten Dienst zu leisten.
Berührt von der Geschichte Olgas bieten Christin und Julia ihr an, mit in die WG zu ziehen. Tagsüber zu Hause, abends und nachts im Rosalie.
Der Wind dreht sich, als das Rosalie erst einzelnen Menschen und schließlich der Bürokratie ein Dorn im Auge wird. Die Frauen müssen sich überlegen, ob jede für sich alleine streitet oder alle zusammen kämpfen.

Zunächst einmal vielen Dank an Frank Ewald für das Rezensionsexemplar! Ich war sehr neugierig, wie ein Mann das Thema Sxarbeit verarbeiten würde. Ich finde es wirklich gut recherchiert. Allein dass das Thema Sxualbegleitung aufgegriffen wird, war schon bemerkenswert, aber auch, dass der Autor die spezielle Besteuerung von S*xworkerinnen geschildert hat oder über Anmeldeverfahren Bescheid wusste, zeigt, dass er bei Frauen im Gewerbe recherchiert hat. Dem Buch liegen wahre Begebenheiten zugrunde, und auch wenn ich manche Sätze manchmal seltsam fand (als wären die Protagonist:innen alle eher aus „einfachem Hause“, ist die Story auf jeden Fall ein gutes Porträt in einen Bereich, in den es sonst wenig Einblicke gibt.

Veröffentlicht am 06.05.2024

Großer Fan der Reihe!

Boys Run the Riot 2
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Um ihr neu gegründetes Label weiter voranzutreiben, suchen sich Ryo, Jin und Itsuka Jobs, denn sie brauchen Geld für ihr Projekt. Ryo versucht einen Aushilfsjob zu finden, bei dem er der Junge sein kann, ...

Um ihr neu gegründetes Label weiter voranzutreiben, suchen sich Ryo, Jin und Itsuka Jobs, denn sie brauchen Geld für ihr Projekt. Ryo versucht einen Aushilfsjob zu finden, bei dem er der Junge sein kann, als der er sich fühlt. Doch das gestaltet sich als gar nicht so leicht für ihn, der im Körper eines Mädchens geboren wurde. Als er endlich eine Stelle findet, bei der er akzeptiert wird, lernt er eine Kollegin kennen. Ihre Art nervt Ryo zunächst stark, doch sie könnte eine wirklich gute Freundin werden. Doch dann gibt es einen Zwischenfall, bei dem Ryo wieder auf sein angeborenes Geschlecht reduziert wird, und ihm ist danach, die Arbeit einfach hinzuwerfen. Stattdessen konzentriert Ryo sich wieder auf das gemeinsame Label. Um Boys Run The Riot groß rauszubringen, hat Jin eine Kampagne mit einer erfolgreichen Bloggerin organisiert. Und dann missbraucht ausgerechnet die Person, von der er sich wirklich verstanden fühlt, Ryos Vertrauen und outet ihn in seinem gesamten Umfeld...

Der zweite Band der Boys-Run-The-Riot-Reihe war ein klitzekleines bisschen dünner als der erste, doch nicht weniger intensiv. Ryo muss sich mit Menschen auseinandersetzen, die den Umgang mit einer transidenten Person nicht gewöhnt sind und ihn deshalb mehr als nur in Verlegenheit bringen. Wieder und wieder kommt er in Situationen, in denen sein gerade aufgebrachtes Vertrauen ins Wanken gerät und grundlegendes Misstrauen der einzige Weg scheint, sich gegen Enttäuschungen zu wappnen. Ryo ist ein so liebenswerter und relatable Charakter, ich liebe die Reihe richtig und freue mich auf den dritten von vier Bänden!