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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.08.2023

Lest dieses Buch besser gestern als morgen!

exit RACISM
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„Happyland“, das ist der wohlbehütete Ort, an dem alle nicht Schwarzen Menschen leben. Es ist der Ort, an dem ich als Weiße Person von den Fragen verschont bleibe, die mich ausgrenzen und zu etwas „Anderem“ ...

„Happyland“, das ist der wohlbehütete Ort, an dem alle nicht Schwarzen Menschen leben. Es ist der Ort, an dem ich als Weiße Person von den Fragen verschont bleibe, die mich ausgrenzen und zu etwas „Anderem“ machen, Fragen danach wie ich so gut Deutsch gelernt habe und woher ich denn wirklich komme.

Mit diesem Buch zieht Tupoka Ogette mich aus meinem privilegierten Happyland heraus und ermuntert mich zu rassismuskritischem Denken. Das ist auch dringend nötig, kenne ich doch die vielen unangenehmen und zuweilen sogar gefährlichen Situationen gar nicht, der sich nicht-deutsch aussehende Mitmenschen in unserem Land täglich konfrontiert sehen. Nicht nur das, Ogette zieht einen geschichtlichen Bogen durch die Historie von der Entstehung des Rassismus bis zur heutigen Zeit. Der Inhalt bietet aber sehr viel mehr, denn immer wieder im Buch finden sich QR-Codes zu Videos, um noch tiefer in die Materie einzutauchen. Dieses Buch lädt zum Mitmachen ein, denn immer wieder gibt es interaktive Passagen, die Leser:innen dazu motivieren, sich kritisch und reflektiert mit (häufig seinem eigenen) Rassismus auseinanderzusetzen.

Dieses Buch ist schmal genug, dass es immer wieder gelesen werden kann, um das Gelernte wieder aufzufrischen. Es macht sicher nicht über Nacht zu einem „besseren“ Menschen, aber es ist notwendig sich immer wieder mit sich selbst auseinanderzusetzen und die Ungleichheiten und Missstände nach und nach zu beseitigen.

Veröffentlicht am 06.08.2023

Inspirierend und hoffnungsvoll

Das Mädchen mit der lauternen Stimme
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Schon früh weiß die 14-jährige Adunni genau, was sie will: nämlich Lehrerin werden. Es war der Wunsch ihrer Mutter, dass Adunni eine gute Schulbildung erhält. Doch erst reicht das Geld nicht mehr, dann ...

Schon früh weiß die 14-jährige Adunni genau, was sie will: nämlich Lehrerin werden. Es war der Wunsch ihrer Mutter, dass Adunni eine gute Schulbildung erhält. Doch erst reicht das Geld nicht mehr, dann stirbt sie. Adunnis Vater entscheidet sich, seine einzige Tochter an den wohlhabenden Morufu zu verheiraten, um seine Geldsorgen loszuwerden. Adunni wird die dritte Ehefrau und soll dem alten Mann endlich zu einem Sohn verhelfen. Nie war das Mädchen weiter von seinem Traum entfernt, und ihr Leid wird nur gemildert durch die Güte einer ihrer Mitehefrauen. Als sie eines Tages eine der Mitfrauen begleitet, findet sie sich in einer unangenehmen und auch gefährlichen Situation wieder. Zu bleiben würde bedeuten, der Selbstjustiz des Dorfes zum Opfer zu fallen, und so flieht Adunni nach Lagos. Dort allerdings ist sie ein Niemand und wird auch als solcher behandelt.

Abi Daré hat eine inspirierende Protagonistin erdacht. Adunni möchte ein Mädchen mit einer „lauternen Stimme“ sein, die schon gehört wird, noch bevor sie etwas sagt. Ihrer aussichtslosen Situation ist sie sich bewusst, und dennoch verliert sie nie die Hoffnung, dass ihr irgendwann eine gute Bildung zuteil wird. Ihr Wunsch ist nicht nur eine Selbstheilung, sondern knüpft an die systematische Benachteiligung von Mädchen an, denen eine gute Schulbildung und damit Selbstbestimmung verwehrt wird.

Beim Lesen fühlte ich mich abwechselnd an Khaled Hosseinis „Tausend strahlende Sonnen“ und Karen Köhlers „Miroloi“ erinnert, zwei Bücher, die mir außerordentlich ans Herz gegangen sind. Auch „Das Mädchen mit der lauternen Stimme“ wird einen besonderen Platz in meiner Leseerinnerung behalten!

Veröffentlicht am 06.08.2023

Mutiger autobiografischer Manga

Meine lesbische Erfahrung mit Einsamkeit
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Kurz nach Abschluss der Oberschule beginnt Kabi Nagatas große Lebenskrise, an der sie uns mutig mit diesem Manga teilhaben lässt. Der Manga wurde zunächst anonym im Internet geteilt, bevor er gedruckt ...

Kurz nach Abschluss der Oberschule beginnt Kabi Nagatas große Lebenskrise, an der sie uns mutig mit diesem Manga teilhaben lässt. Der Manga wurde zunächst anonym im Internet geteilt, bevor er gedruckt wurde und seinen Weg auch nach Deutschland gefunden hat.
Nagata besucht die Uni nicht lange, bevor sie merkt, dass es für sie nicht der richtige Weg ist. Sie findet hier und da für eine Weile wechselnde Jobs, hält sie aber nie lange, weil sie sich nicht gut fühlt und der Arbeit fernbleibt. Nagata driftet durchs Leben und ist bald völlig richtungslos.
Sie versucht über sich zu recherchieren, herauszufinden was mit ihr nicht stimmt. Psychisch geht es ihr so schlecht, dass sich eine kahle Stelle an ihrem Kopf bildet, weil sie sich immer die Haare herauszieht, wenn sie nervös ist. Diese Stelle macht ihr auch große Sorgen, als sie schon den Mut aufbringt, sich mit ihrer Einsamkeit auf unkonventionelle Weise auseinanderzusetzen. Sie hat vor, eine queere Escort zu buchen und sich mit ihr in einem Lovehotel zu treffen. Aber ist das die Lösung zu ihren Problemen?

Ein sehr offener Manga mit ernsthaften Themen, der mich durch sein Cover und natürlich den ungewöhnlichen Titel direkt angezogen hat. Die rosa Farbe des Covers begleitet Leser:innen übrigens durch den gesamten Inhalt der Geschichte und ist eine interessante Abwechslung zum sonst üblichen Schwarzweiß.

Ich bin auf jeden Fall neugierig auf weitere Manga der, soweit mir bekannt, weiterhin anonymen Mangaka.

Veröffentlicht am 06.08.2023

#Tabuthema

Point of View
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Lucas hat ein ziemliches Problem. Er hat seinen Laptop und sein Smartphone geschrottet. Beides ist so von Viren verseucht, dass sich die Geräte nicht mehr einschalten lassen. Bei Gen Z schon eine kleine ...

Lucas hat ein ziemliches Problem. Er hat seinen Laptop und sein Smartphone geschrottet. Beides ist so von Viren verseucht, dass sich die Geräte nicht mehr einschalten lassen. Bei Gen Z schon eine kleine Katastrophe, aber bei Lucas wiegt das Problem schwerwiegender: Mit dem Verlust der Geräte ist ihm das Tor zu seinem emotionalen Druckventil genommen worden. Lucas digitaler Rückzugsort sind nämlich P0rnoseiten im Netz, auf denen er stundenlang bis spät in die Nacht nach dem Moment des allerersten Kicks sucht, den er mit 11 Jahren zuerst auf diesen Seiten erlebt hat. Aber nicht nur, dass er diese Seiten im Netz nicht mehr besuchen kann, nun drohen seine Netzaktivitäten auch aufzufliegen, denn sein Vater als IT-Fachmann besteht darauf, dass er die Geräte wieder zum Laufen bekommt. Lucas fürchtet nicht nur gewaltige Schwierigkeiten, sondern auch was seine Eltern über ihn denken werden, wenn sie den Inhalt seiner Festplatte zu Gesicht bekommen...

Dieser emotionale Jugendroman nimmt sich eines absolut tabuisierten Themas an und verdient deshalb wesentlich größere Resonanz. Durch den kostenlosen Zugang zu visuellem Material, der Unwissenheit der Eltern darüber, was ihre Kinder eigentlich so am Smartphone oder Computer treiben werden die meist männlichen Konsumenten immer jünger. Heute sehen sich P0rnos schon Kinder an, meist in einem Alter, in dem sie noch nicht einmal eine andere Person geküsst haben. So sind diese Filme häufig der erste Zugang zu Sexualität. Die sexuelle Sozialisation durch den Konsum solcher Medien führt zu großer Unsicherheit.
So ergeht es auch Lucas im Roman. Durch das ihm vermittelte Frauenbild weiß er nicht, wie er sich den Mädchen, die er mag, nähern soll. Lucas' Leidensdruck wird so groß, dass er sich immer mehr zurückzieht, dass am Ende nur professionelle Hilfe als Ausweg scheint.

Dieses Buch sollte als Lektüre im Unterricht behandelt werden!

Veröffentlicht am 06.08.2023

Acht Frauen an Stationen ihres Lebens

Miss Kim weiß Bescheid
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„Miss Kim weiß Bescheid“ thematisiert die Geschichten verschiedener Frauen an unterschiedlichen Stationen ihres Lebens. Das Buch vereint aktuelle Themen wie Hasskommentare im Netz, Kontakte während der ...

„Miss Kim weiß Bescheid“ thematisiert die Geschichten verschiedener Frauen an unterschiedlichen Stationen ihres Lebens. Das Buch vereint aktuelle Themen wie Hasskommentare im Netz, Kontakte während der Covid-Pandemie, Wünsche und Fremdbestimmung im Alter, Gaslighting und noch einige mehr. Manche dieser Geschichten fand ich typisch asiatisch, wie bestimmte Aspekte in der Erzählung über einen Jungen , der in der Schule einem Mädchen unter den Rock fotografiert. Andere der Kurzgeschichten sind generell, wie jene über den Vater, welcher von heute auf morgen das Sparkonto leerräumt und die Familie verlässt; diejenige über eine Schriftstellerin, die Hasskommentare im Netz regelmäßig anzeigt oder eine Liebe zwischen einer Schülerin und einem Schüler mitten im Lockdown, die aufgrund sozialer Ungleichheiten nicht die Möglichkeit haben weiterhin Kontakt zu halten.
Die einzelnen Geschichten lassen sich zügig weglesen, was Cho Nam-Joos Stil zu verdanken ist, in den man sich problemlos einfindet. Besonderen Eindruck haben auf mich zwei Stories gemacht. Ein in Briefform gestalteter Abschied einer jungen Frau auf den Heiratsantrag ihres Freundes, dem sie psychische Manipulation, Einschüchterung und ständiges „Kleinmachen“ ihres Charakters vorwirft. Die andere Kurzgeschichte, die ich besonders lesenswert fand, handelte vom Wunsch einer älteren Frau, ihren eigenen Bedürfnissen zu folgen und sich nicht für die Betreuung ihres kleinen Enkelsohns von der Tochter einspannen zu lassen.
So unterschiedlich die einzelnen Geschichten sind, ist ihnen gemein, eine Art von Bedauern in ihnen vereint zu haben.

Das Buch ist durchaus lesenswert, steht für mich aber hinter Cho Nam-Joos Knallerwerk „Kim Jiyoung, geboren 1982“ zurück, das auf mich einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, an den ihr Zweitwerk nicht anknüpfen kann (was aber auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass ich eigentlich keine Liebhaberin von Kurzgeschichten bin).