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Veröffentlicht am 04.01.2020

Spannend, befremdlich, genial!

1794
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Er kann's nicht lassen: Der vom Krieg gebeutelte Häscher Jean Michael Cardell wird mit einem neuen Fall konfrontiert. Die Mutter eines in der Hochzeitsnacht getöteten jungen Mädchens bittet den Stockholmer ...

Er kann's nicht lassen: Der vom Krieg gebeutelte Häscher Jean Michael Cardell wird mit einem neuen Fall konfrontiert. Die Mutter eines in der Hochzeitsnacht getöteten jungen Mädchens bittet den Stockholmer Stadtknecht um Unterstützung, denn sie glaubt nicht daran, dass ihr Schwiegersohn der Mörder ihrer Tochter ist. Dieser fristet nun seine Tage im Stockholmer Tollhaus. Mikkels ermittlerischer Eifer ist schnell geweckt, nur fehlt ihm sein Mitstreiter Cecil Winge, der 1793 den Tod fand. Wie es der Zufall will, trifft Cardell auf den jüngeren Bruder Cecils, der in Stockholm auf den Spuren des toten Bruders wandelt. Gemeinsam nehmen sie die Herausforderung an und ermittlen in Stockholms düsterstem Milieu.
Niklas Natt och Dag hat mit 1794 einen würdigen zweiten Teil zu 1793 geliefert. Wieder hat er es geschafft, mich in an die Abgründe des menschlichen Daseins zu führen. Wohldurchdacht schickt er seinem Kriminalfall eine Geschichte voran, an der man außer den Beschreibungen des brutalen Sklavenhandels der damaligen Zeit, ersteinmal nichts Ungewöhnliches finden kann. Doch wer schon 1793 gelesen hat, weiß, dass der Autor nichts ohne Hintergedanken schreibt. Und so entfaltet sich das Grauen sehr langsam. Es vereinnahmt den Leser sozusagen Zeile um Zeile und bricht sich dann im zweiten Teil des Buches auf unfassbare grausame Weise Bahn.
Niklas Natt och Dag ist es wie schon in 1793 gelungen, ein unaussprechlich düsteres, grausames Bild Stockholms und der damaligen Verhältnisse zu zeichnen. Trotz aller Scheußlichkeiten hat mich das 560 Seiten starke Werk bis zum Letzten gefesselt.

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Veröffentlicht am 06.12.2019

Gelungener Winterkrimi!

Winteraustern
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Die Aquitaine im Winter: Auf dem Becken von Arcachon ist das Weihnachtsgeschäft mit den beliebten Austern in vollem Gange. Was den Liebhabern dieser Delikatesse allerdings verborgen bleibt, ist die Tatsache, ...

Die Aquitaine im Winter: Auf dem Becken von Arcachon ist das Weihnachtsgeschäft mit den beliebten Austern in vollem Gange. Was den Liebhabern dieser Delikatesse allerdings verborgen bleibt, ist die Tatsache, dass unter den Austernzüchtern ein brutaler Machtkampf herrscht. Immer mehr kleine Züchter müssen dem Platzhirschen weichen. Und nächtliche Austerndiebe sorgen dafür, dass die Polizei auf dem Becken Patrouille fahren muss. Der Verdrängungskampf erreicht einen traurigen Höhepunkt, als die Söhne zweier Züchter tot aufgefunden werden.
Und hier beginnt der dritte Fall von Kommissar Luc Verlain. Der aus Paris in seine Heimat zurückgekehrte Verlain kennt sich in der Austernzüchterszene aus, da sein Vater einst selber dazu gehörte. Gemeinsam mit seinem sympathischen Team macht er sich auf, die Abgründe der einst stolzen Züchtergemeinschaft aufzuspüren.
Verlains dritter Fall "Winteraustern" ist für mich der erste Aquitaine-Krimi. Auch ohne die anderen beiden Bücher gelesen zu haben, kommt man hier auf sein Vergnügen, denn Alexander Oetker hat gut lesbare, von einander unabhängig Fälle konstruiert. Die Rückgriffe auf die vorhergehendenBücher bleiben wohltuend im verträglichen Rahmen und Luc würde ich gerne mal im richtigen Leben begegnen. Nebenbei gibt es viel über diesen Teil Frankreichs und die berühmten Arcachon-Austern zu erfahren. Mir hat Winteraustern sehr gut gefallen und die ersten beide Fälle stehen schon auf meiner Wunschliste.

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Veröffentlicht am 10.11.2019

Glück ist eine Entscheidung

Die Kunst der guten Erinnerung
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Das Streben nach Glück und der Zustand des Glücklich seins beschäftigt die Menschheit schon seit der Antike. Generationen von Philosophen haben schon versucht herauszufinden, wie der Weg zum Glück am Besten ...

Das Streben nach Glück und der Zustand des Glücklich seins beschäftigt die Menschheit schon seit der Antike. Generationen von Philosophen haben schon versucht herauszufinden, wie der Weg zum Glück am Besten zu finden ist. In der heutigen medialen Konsumwelt wird uns oft vermittelt, dass sich mit dem Kauf des richtigen Produkts, Glück wie selbstverständlich einstellen könnte.

Wie gut, dass es Wissenschaftler wie Meik Wiking gibt. Der dänische Glücksforscher ist Gründer des ersten Instituts für Glücksforschung und berät Städte, Regierungen und Organisationen weltweit zum Thema Glück.
In seinem Buch "Die Kunst der guten Erinnerung und wie sie uns dauerhaft glücklicher macht" lässt er die Leser an der Glücks-Spurensuche teilhaben.

In Studien und Experimenten hat Wiking herausgefunden, dass Menschen in ihren Stimmungen beeinflussbar sind, wenn man sie dazu bringt glückliche Erinnerungen wachzurufen. Doch glückliche Erinnerungen setzen glückliche Momente in der Vergangenheit voraus. Wie man es schafft, dass wir uns gut erinnern können, beschreibt Wiking in den acht Kapiteln seines Buches. Eine Voraussetzung ist das Erleben mit allen Sinnen. Viele der Menschen die der Glücksforscher und sein Team befragten, nannten Naturerlebnisse als ihre glücklichsten Erinnerungen. Sonnenuntergänge am Strand, barfußlaufen auf einer Blumenwiese oder der Duft von frisch gemähtem Gras: All das sind Momente, die eine sinnliche Erfahrung verkörpern.
Genauso wichtig ist das bewusste Erleben bzw. das immer wieder Erzählen von Ereignissen. So können sich z. B. Familienerinnerungen in das gemeinsame Familiengedächtnis einbrennen.

Meik Wiking gibt viele praktische Tipps zur Praxis der guten Erinnerung. Am Ende seines Buches steht eine Ideenliste, die für jeden Monat eine Anregung für ein glückliches, erinnernswertes Jahr gibt.

Meik Wikings verknüpft Fakten mit schönen Geschichten und Bildern. Die Wichtigkeit der guten Erinnerung ist mir überaus klar geworden. Und dass man nur erinnern kann, wenn man vorher etwas erlebt hat.
Vielen Dank Maik Wiking!

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Veröffentlicht am 03.09.2019

Was von Jelena bleibt

Die Leben der Elena Silber
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Alexander Osang blickt in seinem 600 Seiten umfassenden Roman "Die Leben der Elena Silber" auf ein Jahrhundert deutscher und russischer Geschichte zurück. Im Mittelpunkt steht die Russin Jelena Krasnow. ...

Alexander Osang blickt in seinem 600 Seiten umfassenden Roman "Die Leben der Elena Silber" auf ein Jahrhundert deutscher und russischer Geschichte zurück. Im Mittelpunkt steht die Russin Jelena Krasnow. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für ihren Enkel Konstantin Stein, der die Geschichte und Geschichten seiner Familie in seinen eigenen Lebenskontext bringen möchte.
Alles bginnt mit dem Tod von Jelenas Vater, dem Revolutionär Viktor Krasnow. Als dieser 1905 von Zaristen getötet wurde, beginnt Elenas Flucht aus ihrer Heimatstadt Gorbatow an der Oka. Viele Stationen wird Jelena passieren in ihrem Leben, bevor sie am Ende in Berlin leben wird. Eine Heimat allerdings wird sie nie wieder finden. Sie heiratet in den zwanziger Jahren den deutschen Ingenieur Robert Silber. Dieser ist allerdings sehr oft abwesend, so dass sie die vier Töchter alleine groß zieht. In den Wirren um das Ende des Zweiten Weltkrieges verschwindet Robert für immer. Das Rätsel um seinen Verbleib wird für Jelena immer bestehen bleiben. Im Laufe ihres Lebens wird Jelena von Elena zu Lena, um dann als Baba zu sterben. Ihre Leben hat sie dann gelebt, in ihren Töchtern und Enkelkindern aber lebt ein Teil der russischen Geschichte weiter. Diese versucht die zweite Haupfigur in "Die Leben der Elena Silber", ihr Enkel Konstantin zu entwirren, um Klarheit über sein Leben zu gewinnen.
Konstantins und Elenas Geschichten finden auf unterschiedlichen zeitlichen Ebenen statt. Sie bewegen sich quasi aufeinander zu, bis Kostja am Ursprung seiner und Elenas Geschichte angekommen ist.
Immer wenn ich beim Lesen dachte, dass es mir wohl bald zu langatmig werden würde, hat Alexander Osang wieder für Überraschendes gesorgt. Am Besten hat mir Konstantin gefallen, der nicht selten in humorvoller Weise sein Leben mit seinen Eltern, Tanten, Cousins und Cousinen schildert. Wer große Familiengeschichten mag, wird in diesem Herbst nicht um "Die Leben der Elena Silber" drumherumkommen.

Veröffentlicht am 03.09.2019

Mein Sommerhighlight

Der Gesang der Flusskrebse
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Kya ist sechs Jahre alt, als sich ihre Mutter mit einem Koffer in der Hand, ohne Abschied zu nehmen, aus ihrem Leben davonmacht. Auch ihre älteren Geschwister sind schon vor dem gewalttätigen Vater und ...

Kya ist sechs Jahre alt, als sich ihre Mutter mit einem Koffer in der Hand, ohne Abschied zu nehmen, aus ihrem Leben davonmacht. Auch ihre älteren Geschwister sind schon vor dem gewalttätigen Vater und dem trostlosen Leben in den Sümpfen North Carolinas geflüchtet. Allein auf sich gestellt (auch der Vater wird irgendwann spurlos verschwinden) lernt Kya zu überleben. Mitten in der Natur, mit wenigen Kontakten zu anderen Menschen wird sie erwachsen. Nicht gewohnt mit Menschen umzugehen, fällt sie auf jemanden herein, der sie letztendlich nur ausnutzt. Man leidet mit Kya in jeder Lebensphase mit und freut sich auf der anderen Seite auch über jede ihrer wunderschönen Momente in der Natur.
"Der Gesang der Flusskrebse" wirkt noch lange nach. Selten habe ich ein so fesselndes Hörbuch gehört. Auf sehr gefühlvolle Weise wird hier sowohl eine Geschichte vom Erwachsenwerden, eine präzise Naturschilderung, als auch ein spannender Krimi zugleich beschrieben. Als Extra gibt es dann noch die Liebesgeschichte zwischen Kya und dem Federjungen.
Das Hörbuch wird großartig gelesen von Luise Helm. Mühelos trifft sie den richtigen Ton für die unterschiedlichen Akteure.
Der Gesang der Flusskrebse ist mein Sommerhighlight. Man merkt, dass die Autorin Delia Owens Zoologin ist: Sie teilt ihr wunderbares Wissen mit dem Hörer/Leser in einer poetischen Art und Weise, die an keiner Stelle langweilt. Also: absolute Empfehlung für "Der Gesang der Flusskrebse".