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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.09.2020

Ein unerwartetes Juwel

Volkswagen Blues
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Ohne große Erwartungen bin ich an die Lektüre von „Volkswagen blues“ gegangen und wurde sehr positiv mit einer wunderschön erzählten Geschichte überrascht. Die Handlung ist rasch erzählt: Jack macht sich ...

Ohne große Erwartungen bin ich an die Lektüre von „Volkswagen blues“ gegangen und wurde sehr positiv mit einer wunderschön erzählten Geschichte überrascht. Die Handlung ist rasch erzählt: Jack macht sich mit seinem VW-Bulli auf die Suche nach seinem vermissten Bruder Theo. Direkt am Anfang gabelt er eine junge Tramperin aka die große Heuschrecke auf, die ihn auf seiner Reise begleitet. Die beiden fahren quer durch Nord-Amerika, unterhalten sich über das Schicksal der Indianer, besuchen Museen und suchen nebenbei nach Theo. Das war es auch schon. Was auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär erscheint, ist eine herrlich unaufgeregte, poetische Erzählung.

Was dieses Buch für mich ausgemacht hat, war ganz eindeutig sein Stil. Die Art des Erzählens, distanziert und gleichzeitig berührend. Obwohl die Hauptpersonen stets auf Abstand gehalten wurden, habe ich mich ihnen nahe gefühlt, habe gerne ihren Gesprächen gelauscht oder Museen besucht. Gerade bei Letzterem wurden die betrachteten Gemälde so eindrücklich beschrieben, dass ich sofort neugierig wurde und sämtliche Bilder ergoogelt habe.

Die Suche nach Jacks Bruder scheint nur ein Nebenaspekt zu sein, obwohl er natürlich Dreh- und Angelpunkt der Reise ist, aber auch das passt perfekt. Ich war ein bisschen besorgt, ob das Ende diesem tollen Stil gerecht werden würde und wurde auch hier in keiner Weise enttäuscht.

„Volkswagen blues“ ist ein besonderes Buch mit einer ganz eigenen Melodie, das mich ganz verzaubert hat. Ich bin wirklich froh, dass die Geschichte nun auch auf Deutsch erhältlich ist und wünsche ihm eine große Leserschaft.

Veröffentlicht am 13.09.2020

Coming-of-Age in Neapel

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
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Die dreizehn-Jährige Giovanna wächst in einem mittelständigen und kultivierten Elternhaus auf. Als sie einige Verwandte ihres Vaters kennenlernt, wird sie je aus diesem wohlbehüteten Umfeld gerissen, denn ...

Die dreizehn-Jährige Giovanna wächst in einem mittelständigen und kultivierten Elternhaus auf. Als sie einige Verwandte ihres Vaters kennenlernt, wird sie je aus diesem wohlbehüteten Umfeld gerissen, denn ihr Vater stammte ursprünglich aus einem weniger gut situierten Milieu. Fortan befindet Giovanna sich in einem Konflikt zwischen der Welt, in der sie aufgewachsen ist und dem raueren und vulgäreren Teil Neapels, in dem ihre Tante zu Hause ist.

„Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ war mein erstes Buch von Elena Ferrante. Ich muss sagen, dass ich mit wirklich hohen Erwartungen an die Geschichte gegangen bin – und ich wurde nicht enttäuscht. Was mich am meistern begeistert hat, ist Ferrantes Stil. Ihre Art zu schreiben übt einen unglaublichen Sog aus. Sie schafft tolle Bilder und erzeugt eine sehr intensive Atmosphäre, die das Neapel der neunziger Jahre sehr lebendig vor mir erscheinen lassen hat.

Das Gleiche kann ich über die Gestaltung ihrer Figuren sagen. Wir lernen ein breites Tableau an Personal kennen und fast alle sind wirklich authentisch geworden. Besonders interessant fand ich auch den Kontrast zwischen der kultivierten, mittelständigen Welt von Giovannas Familie und der deutlich schmutzigeren und dunkleren ihrer Tante. Mit der Entdeckung dieser anderen Welt kommt auch Giovannas Welt ins Wanken. Die Figur der Tante ist dabei besonders hervorzuheben, weil sie eine äußerst faszinierende und spannende Persönlichkeit darstellt, die viel dazu beiträgt, dass Giovanna ihr bekanntes Leben in Frage zu stellen.

Das Ende ist sehr offengehalten, aber das ist kein Manko – zum einen passt es perfekt zum Inhalt, eine Auflösung aller Konflikte wäre erstaunlicherweise sogar unbefriedigender gewesen und gleichzeitig lässt es Raum für eine mögliche Fortsetzung.

Alles in einem hat mir dieser Coming-of-age-Roman sehr gut gefallen und ich werde mich demnächst nun auch Ferrantes Neopolitanischen Saga zu wenden.

Veröffentlicht am 29.07.2020

Erschreckend, fesselnd und intensiv - unbedingt lesen!

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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Die 17-jährige Moonbeam gehört zu den wenigen Überlebenden nach der Brandkatastrophe auf dem Gelände der Gotteslegion. Moonbeam ist in der sektenartigen Gemeinschaft aufgewachsen und kennt die „äußere“ ...

Die 17-jährige Moonbeam gehört zu den wenigen Überlebenden nach der Brandkatastrophe auf dem Gelände der Gotteslegion. Moonbeam ist in der sektenartigen Gemeinschaft aufgewachsen und kennt die „äußere“ Welt kaum. Nach der Katastrophe landet sie in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo sie mit Hilfe eines Psychologen die schrecklichen Erlebnisse aufarbeiten soll. Gleichzeitig ist auch ein FBI-Agent bei den Gesprächen dabei, denn Moonbeam weiß mehr dazu, wie es zwischen der offenen Schießerei zwischen Polizei und den Gotteslegionären gekommen ist, als sie anfangs zugeben will. Doch nach und nach öffnet sie sich…

Ich hatte zwar schon hohe Erwartungen an das Buch, aber ich muss sagen, dass diese noch bei Weitem übertroffen wurden! Moonbeams Geschichte hat mich sehr gefesselt und berührt. Will Hill gelingt es unglaublich gut, den Leser in ihre Gedanken mitzunehmen und ich habe noch nie derart eindrücklich erleben können, wie schwer es sein muss, gegen jahrelang indoktrinierte Ansichten anzukämpfen. Das war wirklich toll und allein deshalb lohnt es sich, dieses Buch zu lesen!

Besonders interessant fand ich auch den Aufbau des Buches. Dabei wechselt sich die Vergangenheit mit der Gegenwart ab. Ausgehend von Moonbeams Gesprächen mit Psychiater und Agent erleben wir die Geschehnisse in der Gotteslegion mit und nähern uns so Stück für Stück der großen Katastrophe. Gleichzeitig bekommt man durch eine Gruppentherapie in der Gegenwart auch die Entwicklung der anderen Überlebenden mit. Das ist teilweise erschreckend und hart, aber immer respektvoll und sensibel erzählt.

Moonbeams Geschichte kann ich wirklich nur wärmstens weitererzählen. Es ist kein Buch zum Wohlfühlen, sondern zum Weiterdenken und das hat mir sehr gut gefallen. Selten konnte ich so fremde Gedanken, so intensiv erleben – unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 28.05.2019

Herrlich unaufgeregt und einfach nur echt

Siebzehnter Sommer
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Angie hat die Schule abgeschlossen und verbringt den letzten Sommer zu Hause bei ihrer Familie, bevor sie in eine andere Stadt zieht, um aufs College zu gehen. Ausgerechnet jetzt lernt sie den Mädchenschwarm ...

Angie hat die Schule abgeschlossen und verbringt den letzten Sommer zu Hause bei ihrer Familie, bevor sie in eine andere Stadt zieht, um aufs College zu gehen. Ausgerechnet jetzt lernt sie den Mädchenschwarm Jack näher kennen und die beiden verlieben sich. Obwohl sie wissen, dass ihnen nicht viel Zeit zu zweit bleiben wird, wird der Sommer zu einem der schönsten ihres Lebens.

"Siebzehnter Sommer" gilt in den USA als ein Kultbuch und nachdem ich es jetzt gelesen habe, kann ich sagen, zurecht! Angie hat so einen bezaubernden Erzählstil, dass man beim Lesen ganz hingerissen ist. Ich muss zugeben, dass die Beschreibung der Geschichte für mich erst ein bisschen kitischig klang, aber das Buch ist einfach alles andere als kitschig und der Klappentext wird dieser bezaubernden Geschichte einfach nicht gerecht. Die Liebesgeschichte wird mit einem unglaublich echten Ton erzählt, unglaublich unaufgeregt und einfach nur echt. Ganz, ganz toll!! Es gibt wunderbare Beschreibungen wie sich die Vegetation über den Sommer verändert, selten habe ich die Beschreibung von Tomaten so genossen wie hier. Die Autorin ist eine unglaublich gute Beobachterin.

Es gibt keine Action in diesem Buch, die Liebesgeschichte ist ruhig, ich möchte fast schon sagen, plätschert dahin, aber das ist keinesfalls negativ gemeint. Sie ist einfach unglaublich realistisch. Auch die Beziehung zwischen Angie und Jack ist geprägt von kleinen Szenen und Beobachtungen, die einfach nur toll sind. Der Klappentext klingt so dramatisch, aber der Geschichte geht fast jede Dramatik ab, dafür ist Angie viel zu abgeklärt. Was mich beim Klappentext auch gestört hat, ist die Ankündigung, dass Angie sich zwischen der Liebe und der Freiheit entscheiden müsse - das stimmt einfach überhaupt nicht. Angie ist eine junge, emanzipierte Frau - lasst euch von dem Text nicht abschrecken.

Wie man vielleicht gemerkt hat, bin ich begeistert von diesem wunderbar unaufgeregten und echten Buch und kann es nur wärmsten empfehlen. Mir hat es ein paar sehr schöne Lesestunden bereitet.

Veröffentlicht am 02.04.2019

Zwischen Cafés, Literatur und Politik

An den Ufern der Seine
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"An den Ufern der Seine" erzählt von dem künstlerisch intellektuellen Millieu im Paris der 1940er/50er Jahre, das sich vor allem am linken Ufer der Seine abspielte. Die auftretenden Personen sind vor allem ...

"An den Ufern der Seine" erzählt von dem künstlerisch intellektuellen Millieu im Paris der 1940er/50er Jahre, das sich vor allem am linken Ufer der Seine abspielte. Die auftretenden Personen sind vor allem Literaten - Koestler, Sartre, de Beauvoire, Camus, etc. - und Künstler, wie Picasso. Wir begleiten sie in ihrem Arbeitsalltag, auf Lesereisen, in Cafés und Bars, in ihre Hotels und Wohnungen, lernen etwas über ihre Beziehungen untereinander und ihr Privatleben. Es ist ganz erstaunlich, wie eng das Geflecht hier ist und wer alles wen kannte und mit wem befreundet war, bzw. nicht. Alles spielt sich vor dem Hintergrund der Kriegs- bzw. Nachkriegsjahre ab.

Als ich das Buch zu lesen begann, hatte ich überhaupt keinen Bezug zum Paris der 1940er/50er Jahre. Ein paar Namen - Sartre oder de Beauvoire - kannte ich zwar, aber damit hörte es auch schon auf. Folglich hatte ich ein bisschen Bedenken, ob ich dem Buch so gut würde folgen können, aber alles, was mir an Vorwissen fehlte, wurde im Text erklärt. Zu Beginn des Buches gibt es noch eine Chronik und ein Personenverzeichnis zur besseren Orientierung, aber das hätte ich noch nicht einmal benötigt.

Die Autorin erzählt unglaublich lebendig und spannend. Obwohl es ein Sachbuch ist, habe ich mich an keiner Stelle gelangweilt, das Erzählte war niemals trocken, sondern immer sehr anschaulich. Ihr ist es gelungen, vor meinen Augen ein sehr lebendiges Paris der damligen Zeit heraufzubeschwören.

Ich muss sagen, dass ich richtig viel gelernt habe, beim Lesen und meine Lektüreliste um ein vielfaches angewachsen ist, weil ich so viele neue Autoren kennengelernt habe, auf die ich sehr neugierig bin. Das ist vielleicht das einzige Problem des Buches - dass es so spannend ist, dass man am liebsten an tausend Punkten gleichzeitig weiterlesen und recherchieren möchte, aber mir zumindest dafür leider die Zeit fehlt :)

Für alle Geschichts- und Literaturinteressierte kann ich sagen, es lohnt sich definitiv "An den Ufern der Seine" zu lesen. Ganz klare Empfehlung!!