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Veröffentlicht am 15.11.2022

Potenzial nicht ausgeschöpft

Der mexikanische Fluch
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Zwar sind Bücher, deren einziger Handlungsstrang in der Vergangenheit spielen, nicht meine Favoriten, doch der Klappentext klang einfach zu gut – und so musste ich unbedingt herausfinden, was es mit dem ...

Zwar sind Bücher, deren einziger Handlungsstrang in der Vergangenheit spielen, nicht meine Favoriten, doch der Klappentext klang einfach zu gut – und so musste ich unbedingt herausfinden, was es mit dem mexikanischen Fluch auf sich hat. Zugegeben haben mich die Bewertungen der Originalausgabe auch neugierig gemacht - und hier war ich nun, gemeinsam mit Noemí in den mexikanischen Bergen.

Das abgelegene Herrenhaus erfüllt alle Erwartungen, die man an eine Familie hat, deren Reichtum Vergangenheit ist. Modriger Geruch, die Möbel mit Leintüchern abgedeckt. Die Energieversorgung lässt zu wünschen übrig. Die Tapete blättert ab, was man trotz des düsteren Lichts erkennen kann. Um ehrlich zu sein, zeigt dieses Haus den wahren Charakter der Familie Doyle: zerfressen vor Missgunst und Gram, außen hui – innen pfui.

Zwar sind auch die Figuren mit Bedacht gewählt und ihre Stärken und Schwächen sind gut aufeinander abgestimmt. Doch das gewisse Etwas fehlte. Leider blieben gerade Noemí und Catalina zweidimensional. Die eine unerschrocken, die andere verträumt. Die eine intelligent, fast durchtrieben – die andere naiv und großmütig.

Auch die Geschichte hätte gut und gerne einige Seiten kürzer sein können. Als gewiefter Leser im Horror-Genre ahnt man ziemlich schnell, worauf das alles hinauslaufen wird. Zwar war die Spannung stetig da, allein schon durch die atmosphärische Beschreibung des Settings, zwischendurch gab es aber auch einen Leerlauf und etwas Wirrwarr. In der Originalausgabe wird überschwänglich der Schreibstil gelobt, und ich weiß, dass es immer sehr schwer ist, diesen in einer Übersetzung einzufangen. Manchmal waren die Sätze etwas holprig, die Dialoge unbeholfen. Trotz aller Kritik wurde ich immer wieder in den Sog gezogen und wollte wissen, wie es weitergeht. Und hier bekommt der Horror-Fan endlich, worauf er das ganze Buch über gewartet hat.

Fazit: Mir war es von allem etwas zu viel – zu eklig, zu widerlich, zu strange. Dennoch bereue ich es nicht, diesem Werk eine Chance gegeben zu haben. Es konnte mich insgesamt gut unterhalten und ist daher eine Empfehlung wert an diejenigen, die gerne gruseligere Plots mögen und eine Vorliebe für unheimliche Häuser haben.

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Veröffentlicht am 15.11.2022

Vom Fleck weg überzeugt

Mimik
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Stellt euch vor, ihr könntet mit einem einzigen Blick in das Gesicht eures Gegenüber dessen Gedanken und Gefühle erahnen. Jedes Zucken, jedes Zwinkern, jede noch so kleine Geste verrät euch, ob ihr die ...

Stellt euch vor, ihr könntet mit einem einzigen Blick in das Gesicht eures Gegenüber dessen Gedanken und Gefühle erahnen. Jedes Zucken, jedes Zwinkern, jede noch so kleine Geste verrät euch, ob ihr die Wahrheit hört oder belogen werdet. Klingt cool? Ist es auch! Und für Hannah Herbst ein unglaublich interessanter Job in der Mimik-Resonanz. Sie ist Expertin auf diesem Gebiet und wird daher oft von der Polizei zur Aufklärung von Fällen hinzugezogen.

"Mein Job ist es, unter anderem winzige und unwillentliche Ausdrücke im menschlichen Gesicht zu analysieren, um versteckte Emotionen zu entdecken." (Zitat)

Plötzlich gerät Hannah selbst ins Visier der Polizei - so soll sie in einem Blutrausch getötet und sich dabei selbst verletzt haben. Durch eine Operation herbeigeführte Amnesie fehlt ihr allerdings jegliche Erinnerung an die Tat. Auf dem ihr vorgespielten Vernehmungsvideo erkennt sie jedoch schnell, dass sie nicht die Wahrheit sagt...

Die Story ist mal wieder ausgeklügelter denn je und entführt den Leser diesmal in das Gebiet der Körpersprache. Für mich total interessant und absolut faszinierend. Die Geschichte, die Fitzek drumherum aufgebaut hat, ist stimmig und durchweg spannend. Er bleibt seinem Schreibstil gewohnt treu und bedient sich mehrerer Handlungsstränge, die erst zum Schluss ineinander übergehen.

Dem Charakter der Hannah hat Fitzek sehr viel Tiefgang verliehen. Ich konnte mich recht schnell mit ihr als Hauptprotagonistin anfreunden und habe sie insbesondere emotional sehr gerne begleitet. Die Geschichte wird hauptsächlich aus ihrer Sicht erzählt, was mir Hannah noch nähergebracht hat. Die Nebencharaktere sind ebenfalls real und authentisch dargestellt. Mir hat es hier wirklich an nichts gefehlt.
Zuletzt konnten mich die Bücher von Fitzek ja nicht mehr so richtig packen, aber mit Mimik hat er bei mir wieder eine Punktlandung hingelegt. Er schaffte es, meine Theorien mit seinen Wendungen zum Schluss vollständig zu zerstören.

Fazit: Ein durchweg spannender Thriller, der mich wieder begeistern konnte. Vom silbernen Buchcover bin ich kein Fan, aber der Inhalt hat mich vom Fleck weg überzeugt. Ich bin #fitzekfiziert!

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Veröffentlicht am 12.11.2022

Nick und Charlie. Charlie und Nick. Awww!

Nick & Charlie (deutsche Ausgabe)
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Charlie und Nick. Nick und Charlie. Das klingt so schön, dass es einfach für immer sein muss, oder? Ich kann mir beim besten Willen keine andere Konstellation vorstellen. Die Jungs haben sich mit ihrem ...

Charlie und Nick. Nick und Charlie. Das klingt so schön, dass es einfach für immer sein muss, oder? Ich kann mir beim besten Willen keine andere Konstellation vorstellen. Die Jungs haben sich mit ihrem Charme und Witz, ihrer lockeren und teils naiven Art und all ihren Sorgen geradewegs direkt in mein Herz geschlichen.

Bereits Heartstopper Band 1 hat mich übelst gecatcht. Und mit übel meine ich übel. Ich fing an zu lesen und war auf Anhieb hooked. Da hat Alice Oseman zwei ganz zauberhafte Figuren entworfen, die man bis an sein Lebensende begleiten möchte. War also klar wie Kloßbrühe, dass ich auch alles andere, was dazu gehört, verschlingen muss.

Diese Novel setzt etwa zwei Jahre nach Heartstopper Band 1 an. Charlie ist mittlerweile 17, Nick 18 - und beide seit zwei Jahren in einer festen Beziehung. Nun, wie es bei Teens normal ist, gibt es das eine oder andere Problem. Sachen werden falsch gedeutet; Dinge gesagt, die man gar nicht so meint; man hofft darauf, dass der Andere sich meldet, kommt aber selbst nicht in die Puschen. Das übliche Drama, hier aber äußerst feinfühlig, warm und lehrreich umgesetzt. Natürlich habe ich mich hier und da wiedergefunden - schließlich war ich auch mal jung und zum ersten Mal verliebt. Witzig, dass ich heute bei manchen Passagen die Augen verdrehe und dämlich vor mich hin grinse, denn damals habe ich mich genauso prasslig angestellt wie Nick und Charlie. Und die halten uns in dieser Novel ziemlich auf Trab. Zwischendrin war das wirklich zum Fingernägelkauen, und ich hätte sie am liebsten einmal ordentlich durchgeschüttelt. Einmal vernünftige Boys to go. Zum Hieressen? Nein, zum Mitnehmen. Ab nach Hause mit euch und ... durchatmen! Sich wieder sammeln! Und dann miteinander drüber lachen, wie blöd man eigentlich war. That's life. Teenager haben's echt nicht leicht...

Zitat: "Er riecht immer noch nach Nick. Nach zu Hause." - Awwww! Bitte sagt mir, dass jetzt vor eurem inneren Auge kleine rosa Wölkchen aufploppen. Bei mir tun sie's nämlich.

Überrascht war ich davon, dass es hier ziemlich textlastig war. Irgendwie hatte ich damit gerechnet, wie in Heartstopper Band 1 mit coolen Bilden überflutet zu werden. Hier gab es auch welche, aber nur vereinzelt.

Schon wieder konnte mich Alice Oseman vom Fleck weg bestens unterhalten und mir wundervolle Leseminuten bescheren. Danke sehr!

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Veröffentlicht am 11.11.2022

Intelligent konstruierter Comic

Made in Korea - Eine Graphic Novel
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Was unterscheidet uns Menschen von künstlicher Intelligenz?

In Made in Korea, Jeremy Holts neuer Comicserie zusammen mit dem Illustrator George Schall, hat das Konzept der Identität eine neue Bedeutung ...

Was unterscheidet uns Menschen von künstlicher Intelligenz?

In Made in Korea, Jeremy Holts neuer Comicserie zusammen mit dem Illustrator George Schall, hat das Konzept der Identität eine neue Bedeutung bekommen, da künstliche Intelligenz als normal und alltäglich bezeichnet wird und einige Kinder nicht mehr aus Fleisch und Knochen bestehen.

Der Comic dreht sich um ein Paar, das in Conroe, Texas lebt und keine leiblichen Kinder bekommen kann. Nachdem Bill und Suelynn gesehen haben, wie gut ihre Freunde mit ihrem adoptierten Proxy zurechtkommen, denken sie darüber nach, selbst einen als Familienmitglied aufzunehmen.

Zeitgleich knackt der Programmierer Chul, für das Unternehmen Wook-Jin Industries tätig, einen Code, der bahnbrechend ist - und gefährlich, sollte er in die Hände der Falschen geraten. Aus dem Grund packt er den Code in ein Proxy und schickt das 9-jährige KI-Kind nach Texas.

Der Plot erinnert ein bisschen an Pinocchio und weist einige Parallelen auf. Der Autor hat sich u.a. mit der Frage befasst, was es bedeutet, Eltern zu sein. Wie schwierig es sein kann, seine eigene Identität zu finden, einen Platz in der Welt. Wir werden mit grundlegenden Dingen konfrontiert bezüglich Ethik, Moral und wissenschaftlicher sowie technischer Fortschritt. Dabei konzentriert sich der Kern der Story auf Jess, einen Androiden, dem die Fähigkeit gegeben wurde, emotional zu wachsen. Von ihrem Schöpfer weggeschickt, um den Code zu schützen, der sie einzigartig macht. Dabei werden so viele zwischenmenschliche Aspekte aufgewirbelt, dass man ordentlich ins Grübeln gerät. Insbesondere weil Jess immer mehr menschliche Züge aufweist. Made in Korea ist manchmal erschreckend gewalttätig. Umso mehr, weil Jess davon so beunruhigt ist. Gewalt ist ihr zuwider, und sie versteht nicht, warum die Menschen absichtlich Konfliktsituationen provozieren. Warum sie andere beispielsweise erschießen und warum sich vieles um Kapitalismus zu drehen scheint. Während Science-Fiction und künstliche Intelligenz die großen Genre-Schirme sind, unter die Made in Korea fällt, ist es in erster Linie eine Geschichte über Adoption und die Schwierigkeiten, sich selbst zu finden, wenn man nirgendwo hinpasst. Made in Korea lässt die Leser raten, wohin es als nächstes gehen wird, indem es konventionelle Genre-Grenzen überwindet

Die Illustrationen des Künstlers George Schall sind ein kleines Schmankerl. Kleine Details wie die dreieckige Dachbodenbibliothek der Evans bestechen durch ihre schlichte, geometrische Schönheit. Schalls Artwork passt nahtlos zu Holts tonalen Verschiebungen. Beide haben eine spannende Serie geschaffen, die der Frage nachgeht, was es bedeutet, in einer Welt zu leben, in der Eltern nicht mehr biologisch mit ihren Kindern verwandt sind. Allein das wäre schon eine Rechtfertigung für den Kauf dieses Comics.

Fazit: Ein intelligent konstruierter Comic über Familie und Identität, der nachdenklich stimmt und einige Kontroversen der Menschlichkeit beleuchtet.

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Veröffentlicht am 11.11.2022

Herausfordernde, düstere Story

L'état Morbide Gesamtausgabe
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L'état Morbide. Der krankhafte Zustand. Der unausbalancierte Akt zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit. Die letzte Station für verlorene Seelen. Ein Haus in Brüssel, Sainte Catherine, das der Comiczeichner ...

L'état Morbide. Der krankhafte Zustand. Der unausbalancierte Akt zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit. Die letzte Station für verlorene Seelen. Ein Haus in Brüssel, Sainte Catherine, das der Comiczeichner Charles gerade besichtigt und für die Zuflucht hält, die er gesucht hat. Dort will er zu sich selbst finden, sich von der Muße küssen lassen und sein neues Projekt fertigstellen. Was eignet sich besser für eine makabre Story als ein düsteres, heruntergekommenes Gebäude? Doch je mehr sich Charles mit diesem beschäftigt, desto mehr wird er in etwas hineingezogen, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.

Zitat Seite 17:
"Eine Wohnung spiegelt manchmal die Leute wider, die in ihr leben."

Zugegeben: Aus dieser Story bin ich nicht ganz schlau geworden. Sie war mir an manchen Stellen zu abwegig und verworren, kaum greifbar, und trotzdem hat sie mich an die Seiten gefesselt. Ob es nun an den düsteren Bildern lag, die den Horror des Grundthemas widerspiegelten, oder weil ich wissen wollte, was mir der Autor mit seinem Werk sagen wollte, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht war es alles. Plus die Tatsache, dass ich öfter den Kopf schüttelte, weil ich eine Szene wieder nicht verstanden habe. Schon klar, es geht um den Wahnsinn. Darum, dass ein Künstler sich in etwas verliert. Ich kann nur die einzelnen, ziemlich skurrilen Figuren, die wie Mitspieler in einem grauenerregenden Kabinett wirken, und deren Rollen nicht zuordnen. Kann nicht das große Ganze deuten. Irgendwie fühlt es sich an, als hätte man mich in die Luft katapultiert und dort vergessen. Verwirrt und überfordert. Was aber nicht bedeutet, dass der Autor etwas falsch gemacht hat. Tatsächlich finde ich es sogar gut, wenn mich eine Story zum Nachdenken bringt. Ich muss weder alle Charaktere mögen noch den Plot durchschauen. Am Ende muss sich eben alles schlüssig fügen. Okay, das war hier nicht ganz der Fall. Dafür ploppten noch zu viele Fragezeichen über meinem Kopf auf. Aber wie ich eingangs schon erwähnte, wurde ich gut unterhalten. Letztendlich ist es das, was für mich zählt.

Der Ton ist rau, rotzig, und auch Humor und Sarkasmus sind stillistische Elemente, auf die der Autor gerne zurückgreift. Dadurch wird die Story merklich aufgepeppt und die Spannungsspirale angekurbelt. Sowieso ist diese Graphic Novel sehr textlastig. Wer Sprachblasen lieber als eine Art Randnotiz bzw. Unterton haben möchte, könnte hier womöglich etwas überrumpelt werden.

Fazit: In drei Akten wird uns eine schaurig-düstere Geschichte über Wahnsinn und Wirklichkeit erzählt. Eine herausfordernde Horror-Novel mit vielfältigen Illustrationen, die gut unterhält.

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