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Veröffentlicht am 30.07.2021

Inhaltlich gelungener Kontrast

Unter dem Sturm
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Steckt das Böse erblich bedingt in uns? Ist es wirklich eine genetische Veranlagung? Sind Sohn und Enkel automatisch gewalttätig, weil der Vater beziehungsweise Großvater ein narzisstischer, herrischer ...

Steckt das Böse erblich bedingt in uns? Ist es wirklich eine genetische Veranlagung? Sind Sohn und Enkel automatisch gewalttätig, weil der Vater beziehungsweise Großvater ein narzisstischer, herrischer und aufbrausender Charakter ist? Ich meine Nein! Es sind doch immer auch die Umwelteinflüsse, denen wir ausgesetzt sind, die ebenfalls auf unser Verhalten einwirken, oder? Doch dieses kleine schwedische Dorf, in dem es in „Unter dem Sturm“ geht, scheint dies ganz anders zu sehen.

Christoffer Carlsson schildert in seinem Kriminalroman erschreckend ehrlich, wie Vorurteile zu einer wahren Hetzjagd auf den jungen Isak und dessen Familie werden, die weitreichende Folgen auf die gesamte Dorfgemeinschaft haben wird. Die Idee hinter diesem Roman ist einfach genial. Endlich mal ein Kriminalroman, bei dem es nicht stur um die Ermittlungsarbeit der Polizei geht. Leider konnte mich der Roman im Ganzen nicht vollends überzeugen.

Erzählt wird die Story aus zwei Perspektiven in drei zeitlichen Abschnitten, beginnend mit dem Brand 1994. Einerseits wächst Isak mit Fortschreiten der Handlung zu einem erwachsenen Mann heran. Carlsson zeichnet Isak als unsicheren, innerlich zerrissenen Charakter, der Zeit seines Lebens unter den Anfeindungen der Dorfgemeinschaft zu leiden hat. Mit ihm hebt Carlsson die Geschichte auf eine persönliche Ebene, die beängstigend schildert, was der Mordfall für die Familie des vermeintlichen Täters bedeutet. Und dieser Teil der Story ist unumstritten wirklich gelungen.

Andererseits schildert Carlsson die Geschehnisse aus der Sicht des Polizisten Vidar. Je älter dieser wird, umso kritischer steht er den Ermittlungen gegenüber und hinterfragt Ergebnisse, die er als junger Mann als gegeben hingenommen hat. Leider weisen diese Teile der Erzählung einige Längen auf. Immer wieder steht Vidars Privatleben im Mittelpunkt, das sicherlich zur glaubwürdigen Darstellung der Gesellschaftsstruktur beiträgt, mich aber streckenweise ziemlich gelangweilt hat. Hier hätte man die Handlung für meinen Geschmack gern etwas straffen können. Alles in allem gelingt es Carlsson aber, den eigentlichen Kriminalfall mit der nötigen Spannung in einem wohl durchdachten Finale enden zu lassen.

Auf sprachlicher Ebene konnte mich der Autor dann aber doch noch rundum begeistern. Mit einer klaren, berichtenden, beinahe objektiven Sprache schafft er einen gelungenen Kontrast zum inhaltlich sehr dramatisch aufgeladenen Geschehen und hebt so seine psychologische Gesellschaftsstudie auf ein wirklich hohes Niveau.

Persönliches Fazit: Mit „Unter dem Sturm“ liefert Christoffer Carlsson einen Krimi, der mit einer grandiosen Idee grundsätzlich überzeugen kann, mich allerdings aufgrund einiger Längen nicht vollends begeisterte. Trotzdem empfehle ich dieses Buch allen Krimifans, weil es eben nicht einfach um die üblichen Ermittlungsarbeiten, sondern um viel mehr geht: nämlich die Abgründe eines ganzen Dorfes.

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Veröffentlicht am 29.07.2021

Triggerwarnung wäre sinnvoll

Sturmgepeitscht
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Ich dachte wirklich, dass ich in Büchern sämtliche Themen verkraften kann, doch hier wäre ich tatsächlich gern vorgewarnt worden. Auch wenn es nicht den Teil des Buches ausmacht, sondern nur nebenher erwähnt ...

Ich dachte wirklich, dass ich in Büchern sämtliche Themen verkraften kann, doch hier wäre ich tatsächlich gern vorgewarnt worden. Auch wenn es nicht den Teil des Buches ausmacht, sondern nur nebenher erwähnt wird, so hat es mich doch sehr berührt.

Unsere beiden Hauptantagonisten Hauke und Dennis lieben es, Videos zu drehen, die ein wenig speziell sind. Dabei schrecken sie vor keinerlei Gefahren zurück und nehmen keine Rücksicht auf Schäden oder Kommentare der Internetnutzer. Darunter befindet sich auch ein Video mit dem Namen "Bitches vs Hundewelpen". Mir war trotz des Titels nicht klar, was genau ich mir darunter vorstellen soll. Kurz gesagt: Tierquälerei. Der kleine Welpe wurde auf brutale Art und Weise misshandelt, und der Autor hat es wirklich sehr genau beschrieben. Mir sind beinahe die Tränen gekommen, dabei bin ich sonst wirklich nicht nah am Wasser gebaut. Es wäre schön gewesen, wenn diese Beschreibung herausgefallen wäre, denn es hat mich tatsächlich vom Rest des Buches ein wenig abgelenkt.

Hauke und Dennis sind beide sehr gut herausgearbeitet und man kann wunderbar hinter die Psyche der beiden blicken. Wobei man merkt, dass Dennis der Rudelführer ist und Hauke ihm bloß aus Angst und auch aus Respekt vor der jahrelangen Freundschaft folgt.

Die Hauptcharaktere sind der Journalist Jan und die Fotografin Charlotte. Meiner Meinung nach hätte man die beiden besser beschreiben können. Ich hätte mir Rückblicke gewünscht, damit ich den Charakter der jeweiligen Person besser verstehen kann. Da es sich um einen abgeschlossenen Band innerhalb einer Reihe handelt, wäre dies, gerade für mich als Einsteiger, wünschenswert gewesen. Aber so hat es sich eher angefühlt, als würde emotional nur an der Oberfläche gekratzt.

Auch die Geschichte an sich hat leider geschwächelt. Trotz des guten Schreibstils, der leicht und flüssig war, und der relativ kurzen Kapitel, wollte nicht so recht Spannung bei mir aufkommen. Es hat sehr lange gedauert, bis überhaupt einmal etwas Erwähnenswertes passiert ist. Mir ist es lieber, wenn Spannung direkt von Anfang an vorhanden ist. Ungefähr zur Hälfte des Buches hat der Plot angezogen und mich ein wenig mehr gefesselt. Auch einige überraschende Wendungen wurden eingebracht, die man so anfangs nicht erwartet hätte. Das Ende kam überraschend und plötzlich und hat mich ein wenig die Startschwierigkeiten vergessen lassen.

Persönliches Fazit: Zusammenfassend war es mehr ein guter Kriminalroman, als ein Thriller. Dennoch konnte mich das Buch zum Ende hin überzeugen und ich empfehle es daher gern an Krimi- und Thrillerfans weiter.

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Veröffentlicht am 27.07.2021

Tolle Plotidee, es haperte an der Umsetzung

Gefährliche Angst
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Hattest du schon mal einen Albtraum?

Ich nehme an, dass wir alle diese Frage mit Ja beantworten können. Zum Beispiel aufgrund von Ereignissen und Erinnerungen, die wir über unsere Träume verarbeitet haben. ...

Hattest du schon mal einen Albtraum?

Ich nehme an, dass wir alle diese Frage mit Ja beantworten können. Zum Beispiel aufgrund von Ereignissen und Erinnerungen, die wir über unsere Träume verarbeitet haben. Manchmal haben wir vielleicht auch Dinge geträumt, mit denen wir so nichts anfangen konnten. Dennoch haben uns diese Träume ziemlich aufgewühlt, oder? Und nun stellt euch vor, dass jemand diese Albträume herausfindet und sie mit anderen Menschen nachstellt - ob diese nun wollen oder nicht. Bis zum Tod.

Im neuen Thriller von Andrea Reinhardt geht es nicht nur um Albträume, sondern auch darum, was sie mit einem machen. Darum, wie sehr Betroffene unter ihnen leiden und was sie bereit sind zu tun, um sie loszuwerden. Die Plotidee gefiel mir richtig gut, denn man setzt sich automatisch auch mit zwischenmenschlichen und gesellschaftskritischen Aspekten auseinander. Schlechtträumende, die ihren Alltag kaum noch allein bewältigen können, werden oft von ihrem sozialen Umfeld ausgegrenzt. Wie gesagt, die Idee an sich hatte mein Interesse geweckt. Es haperte allerdings etwas an der Umsetzung. Die Autorin hat es nicht geschafft, die Spannung konstant aufrechtzuerhalten. Tatsächlich konnte ich immer wieder Seiten überspringen, die sich für mich wie Kaugummi zogen, und hatte nicht das Gefühl, etwas dadurch verpasst zu haben.

Mit Marcel und Kim wurden zwei Charaktere erschaffen, die grundsätzlich gut miteinander harmonieren, alleinstehend allerdings ziemlich langweilig und oft unrealistisch daherkommen. Ich konnte nur wenige Handlungen und Gedankengänge nachvollziehen. Die meiste Zeit über war mir schleierhaft, warum beispielsweise Marcel dermaßen ausgelaugt und nervlich am Ende wirkte. Womöglich bezog sich die Autorin auch auf die Ereignisse im vorigen Teil, was für mich ein Problem darstellt, denn nicht jeder wird diesen gelesen haben.

Das Zusammenspiel aller Figuren sowie die schlussendliche Auflösung waren für meinen Geschmack zu verworren und kompliziert konstruiert, sodass es der Authentizität keineswegs guttat. Manchmal ist weniger eben mehr.

Dass der Nachname eines Protagonisten zwischendrin einfach wechselte und einige Rechtschreib- und Grammatikfehler zu finden waren, hebte meine Stimmung nicht sonderlich.

Persönliches Fazit: Wer eine solide Thrillerlektüre für zwischendurch sucht, kann es gern mit diesem Buch versuchen. Vielleicht schaut ihr erst in die Leseprobe und entscheidet euch dann.

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Spannend, beklemmend, wow!

The Nothing Man
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Mit "The Nothing Man" begehen wir zwei Pfade: die des Opfers und die des Täters.

Eve Blacks Familie wurde Opfer des irischen Serienmörders Jim Doyle alias The Nothing Man. Anfangs versucht Eve noch mit ...

Mit "The Nothing Man" begehen wir zwei Pfade: die des Opfers und die des Täters.

Eve Blacks Familie wurde Opfer des irischen Serienmörders Jim Doyle alias The Nothing Man. Anfangs versucht Eve noch mit allen Mitteln, ihre wahre Identität zu verbergen, doch dann stellt sie sich der Realität und schreibt ein Buch. Über alles, woran sie sich erinnern und was sie über Doyle in der Presse finden kann. Mit Hilfe des damaligen Ermittlers Edward Healy, recherchiert sie in alle erdenklichen Richtungen und kontaktiert sogar weitere Überlebende. All dies tut sie mit der Absicht, dem Nothing Man endlich ein Gesicht geben zu können. Und offenbar findet sie Gehör, denn ihre Geschichte wird prompt zu einem Bestseller. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Jim Doyle auf dieses Buch aufmerksam wird. Wie besessen klebt er an jeder einzelnen Zeile, verfolgt seine eigene Geschichte und die seiner Opfer. Schockiert über Eves Optimismus, ihn fassen zu können, fasst er einen folgenschweren Entschluss: Sie muss sterben.

Auf den Leser warten hier jede Menge Nervenkitzel und explosive Ereignisse, die einmal mehr vor Augen führen, wie gefährlich es ist, ins Visier der falschen Person zu geraten. Ich möchte gewiss nicht mit Eve tauschen! Die Vorstellung, beobachtet zu werden, ist die eine Sache, aber wenn jemand tatsächlich versucht, mir nahe zu kommen,...

Der Autorin gelingt es mit ihrem einzigartigen Erzählstil, den Leser ins Geschehen zu integrieren und ihn an die Geschichte zu fesseln. Man springt zwischen Erzählweisen aus Opfer- und Tätersicht sowie zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, erfährt alles, was man über die Taten des Nothing Man wissen muss. Man darf Kapitel aus Eves Buch lesen und Doyle dabei über die Schulter schauen, wie er jene selbst liest. Stets hat man das Gefühl, als sei man mittendrin, man fiebert und bangt mit, erfreut sich über jeden noch so kleinen Lichtblick und leidet bei jeder Sackgasse mit.

Catherine Ryan Howard bedient mit ihrer Geschichte auch das wachsende Interesse an True Crime und der Faszination an Serientätern, obwohl ihr Werk fiktiv ist. So hebt sich für mich ein Satz über Serientäter besonders hervor:

Zitat, S. 263: "Sie müssen es nicht tun, sie wollen es. Es gibt einen Unterschied zwischen Drang und Zwang".

Persönliches Fazit: Ein durchweg überzeugender und gelungener Thriller, der weniger auf Blut, dafür mehr auf Spannungselemente, unterschwellige Beklemmungsgefühle und Besessenheit setzt. Wow! Dies wird definitiv nicht mein letztes Buch dieser grandiosen Schriftstellerin gewesen sein. Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 19.07.2021

Spannend und beklemmend!

Eskalation
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Kennst du das? Du fährst nachts im Dunkeln eine einsame Landstraße entlang und dann taucht ein Auto hinter dir auf. Bleibst du cool, oder machst du dir vor Angst in die Hose? Ich gehöre zur zweiten Kategorie, ...

Kennst du das? Du fährst nachts im Dunkeln eine einsame Landstraße entlang und dann taucht ein Auto hinter dir auf. Bleibst du cool, oder machst du dir vor Angst in die Hose? Ich gehöre zur zweiten Kategorie, und „Eskalation“ hat diese Angst noch deutlich verschärft.

Dina Martin verschwindet nach einem Treffen mit ihrer Freundin spurlos. Was ist ihr passiert? Als auch noch ein toter Polizist auftaucht, nimmt die Story ordentlich an Fahrt auf. Immer wieder wurde ich auf eine falsche Fährte geführt und trieb hilflos durch ein Labyrinth aus Angst und Schrecken. Nora Benrath hat es geschafft, mich mit ihrem Thriller vollkommen in den Bann zu ziehen. Schon die ersten Kapitel hatten es in sich und trieben den Adrenalinpegel nach oben, aber trotzdem steigerte die Autorin die Spannung immer weiter voran. Zeit zum Luftholen blieb kaum!

Zitat Pos. 1606:
„Er hatte sie nicht bekommen. Er ärgerte sich gewaltig, dass ihm die blonde Schnepfe entkommen war. Sein Handeln kam nicht aus dem Nichts. Sie war perfekt gewesen. Doch er hatte gedacht, dass sie sich kooperativer zeigen würde. Wenn sie glaubte, dass er sie verschonen würde, hatte sie sich getäuscht. Er würde sie bekommen! So ein Verhalten würde er sich nicht gefallen lassen.“

Der Schreibstil der Autorin gefiel mir sehr gut: flüssig, lebendig und ohne viel Fachchinesisch. Ich bin problemlos durch die Story gerauscht und hatte einige spannende Lesestunden.

Das Ende hat mich noch einmal völlig umgehauen, denn auf diesen Abschluss war ich partout nicht vorbereitet. War tatsächlich mal eine schöne Abwechslung, nicht schon frühzeitig zu wissen, wie alles ausgeht.

Persönliches Fazit: Mit „Eskalation“ hat Nora Benrath einen spannenden Thriller geschrieben, bei dem ich durch meine Angst hart an die Grenzen gekommen bin. Ich hoffe sehr auf weitere Bücher der Autorin, denn schon dieses war absolut lesenswert. Die Story war mal etwas anderes für mich und zeigte mir, wie leichtfertig man eigentlich mit seiner Handynummer umgeht.

Thriller- und Krimilesern kann ich das Buch wärmstens empfehlen.

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