Platzhalter für Profilbild

Rico

Lesejury-Mitglied
offline

Rico ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Rico über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Nicht überzeugend

Voran, voran, immer weiter voran
0

Ryan Bartelmay beamt uns zurück in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mitten ins aufblühende Amerika, der Nachkriegsjahre. Man kann nicht sagen, dass die Heirat mit seiner High-School-Liebe ...

Ryan Bartelmay beamt uns zurück in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, mitten ins aufblühende Amerika, der Nachkriegsjahre. Man kann nicht sagen, dass die Heirat mit seiner High-School-Liebe Diane das Landei Chic Waldbeeser besonders glücklich macht. Schon die Hochzeitsreise gerät zu einer veritablen Pleite. Immerhin wird der junge Konservenprüfer dank der Ehe zu einem passionierten Onanierer. Sein Bruder Buddy glaubt gar Chic hätte seine indische Frau bestiegen, was eine Kettenreaktion aus misslichen Ereignissen auslöst, derer Chic nie mehr so richtig Herr wird. Seine letzte Chance seinem Rentnerleben noch einmal eine Wendung zum Guten zu geben scheint ihm eng mit Mary verbunden, einer nicht mehr ganz taufrischen ehemaligen Billardspielerin, die das Leben von allen Seiten kennengelernt hat. Außer den richtigen Mann zu treffen.

Das Buch ist wahrlich unkonventionell, mit skurril anmutenden Menschen, richtig schräg, was die Handlung angeht. Genau wonach ich suche. Zu Chic Waldbeeser, dessen Vorfahren aus Deutschland ausgewandert sind, fallen mir Eigenschaften, wie Sturheit, ein gerüttelt Maß an Dummheit, Durchhaltevermögen und Naivität ein, vielleicht hat der Kerl auch eine autistische Ade, keine Ahnung welche Persönlichkeitsstruktur sich da bei ihm eingenistet hat. Chic ist auf jeden Fall ziemlich abgedreht. Das Handlungsgerüst für den Roman wurde locker zusammengezimmert, munter springt der Autor durch die Jahrzehnte, am Ende klappt diese krude Geschichte leider restlos zusammen. Bis dahin haben sich durchaus komische Passagen mit Sinnbefreiten abgewechselt. Es passiert tragisches, die Lebenswirklichkeit dahinsiechender wird ebenso gezeigt, wie die Aufbruchsstimmung einer Inderin. Allerdings fehlt es auch an vielem. Geschichtliche Ereignisse werden am Rande abgehandelt, bilden aber eine interessante Kulisse für einen traumwandlerisch sicheren Schreibstil. Da will jemand an große literarische Vorbilder anknüpfen. Mir ist da aufgrund des leicht absurden Ambientes John Irving und ja- Jeffrey Eugenides in den Sinn gekommen. Aber deren Klasse verfehlt der Autor bei weitem. Dafür bietet das Ganze zu wenig Projektionsfläche, zu wenig geschichtliche Einbettung, wirklich glaubhafte Figuren und Handlungsweisen, die einem unter die Haut gehen und im Gedächtnis bleiben. Dieses Buch kann man lesen, muss man aber nicht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Jagd

Jagd
0

Die schwedische Politik- und Medienlandschaft ist in heller Aufregung. Ingemar Lerberg- lange Zeit Anführer der konservativsten Partei im Lande ist auf grausame Weise gefoltert worden. Seine Frau Nora ...

Die schwedische Politik- und Medienlandschaft ist in heller Aufregung. Ingemar Lerberg- lange Zeit Anführer der konservativsten Partei im Lande ist auf grausame Weise gefoltert worden. Seine Frau Nora ist verschwunden. Die Polizei sucht verzweifelt nach einer Spur. Auch die Journalistin Annika Bengtzon setzt sich an die Fersen der Verschollenen Ehegattin. Als ein zweites Verbrechen geschieht. Ein Mord, an einem angeblich Obdachlosen Trinker. Die Folterspuren weisen auf denselben Täter hin. Doch wo gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten?

„Jagd“ ist der Titel des Romans. Ich hatte über weite Strecken eher das Gefühl mich auf einer gemütlichen Kaffeefahrt zu befinden. Dazu kommt eine mühselig zusammengezimmerte Geschichte, die von der Schweden Tristesse durchzogen wird, die seinesgleichen sucht. Annika Bengtzon kämpft an allen Fronten, der abgelegte Ex führt seinen Armstumpf spazieren, die neue Familie will Annika am liebsten loswerden und ihr Chef wird von einem Blogger denunziert. Ich muss ganz ehrlich sagen manches an dem Buch nicht verstanden zu haben. Wozu diese Nebenkriegsschauplätze, die viel Spannung nehmen? Das Ende fand ich einfach unglaubwürdig, die Lösung verursacht bei mir lediglich ein Schulterzucken. Was ich generell mag ist der Schreibstil von Liza Marklund und in der Bloggeridee steckte auch einiges Potenzial, das leider auch ziemlich kläglich verschenkt wurde. Bestenfalls Stangenware.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Rainbow

Eleanor & Park
0

Rainbow Rowells Roman “Eleanor & Park" entführt den Leser zurück in die achtziger Jahre. Die Zeit meiner eigenen Jugend, ganz nebenbei gesagt. Park, ein Halbkoreaner, der zwischen Anpassung und Selbstbewusstsein ...

Rainbow Rowells Roman “Eleanor & Park" entführt den Leser zurück in die achtziger Jahre. Die Zeit meiner eigenen Jugend, ganz nebenbei gesagt. Park, ein Halbkoreaner, der zwischen Anpassung und Selbstbewusstsein aufbauen pendelt, hört in der amerikanischen Provinz die Musik von U2 und The Smith im Schulbus. Die Kopfhörer, die er dabei trägt erlösen ihn von der Dumpfbackigkeit und Aggressivität seiner pubertierenden Schulkameraden. Die Musik ist eine sichere Zuflucht, ein Ort in der Park Intelligenz, Offenheit und Liebe findet, während er sich über einen Comic beugt, um die Zeit des wenig erbaulichen Schulalltags mit Träumen zu überbrücken. Das Auftauchen der rothaarigen Eleanor ist echte Herausforderung für ihn. Denn Eleanor gilt in der Schule als total uncool, auf keinen Fall will Park, der aufgrund seiner asiatischen Wurzeln von den Schulkameraden an den Rand gedrängt wird, etwas mit Eleanor zu tun haben. Er sieht seine eh schon fragile Außenseiter-Position in Gefahr. Doch schon bald frisst sich das pummlige Mädchen in sein Herz. Dabei ist Eleanor kein Mädchen für den Laufsteg, dafür hat sie das Herz auf dem rechten Fleck und hat einen klugen Verstand. Und den braucht sie auch, um sich gegen einen durch geknallten Stiefvater zu wehren oder einer Mutter, die bei Männern Sicherheit sucht und Verachtung findet, die sie nur zu gerne an die Tochter weiterleitet.

Um es gleich vorwegzunehmen. Ich war sehr angetan von diesem Roman. Es hat einfach alles, was Lesen seit jenen achtziger Jahren für mich zum Erlebnis macht. Musik und Bücher können Leben retten, weiß die Autorin. Eleanor & Park atmet Klugheit. Hier wird gelebt, geliebt, gehasst, hintertrieben und ums nackte seelische Überleben gekämpft. Und dass mit einer Leichtigkeit, die den Leser staunen lässt. Eine vergangene Zeit taucht wieder vor den Augen auf, all das kann man riechen, schmecken, sehen, fühlen und hören. Eleanor und Park machen interessante Entwicklungen durch, die auf eine besondere Weise enden. Das Teil strotzt nur so von treffsicheren Dialogen und kleinen Weisheiten über das menschliche Dasein. Dramaturgisch ist der Roman raffiniert aufgebaut, mich hatte der Text sofort an der Angel und ließ mich dann auch nicht mehr los. Was auch an dem typisch amerikanischen Erzählstil liegt, der alles Überflüssige aus dem Text verbannt und sich ganz auf das Wesentliche konzentriert. Die Essenz zweier Liebender zu vermitteln. Dabei geizt Eleanor und Park mit knalligen Effekten und setzt vielmehr auf Authentizität und einen erfrischend unspektakulären Handlungsablauf. Die Normalität birgt schon Schrecken genug. Der Roman mag sprachlich sicher einen Tick mehr auf Frauen zugeschnitten sein. Aber kann das verdammt noch einmal ein Manko sein? Zum Teufel, nein. Ein toller Roman, der bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen hat!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Leider nichts für mich!

Nur wer fällt, lernt fliegen
0

Anna Gavalda ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt im Literaturbetrieb. Ihre Bücher verkaufen sich europaweit wie frische Croissants an der Champs Elysee und ich habe der Autorin den Erfolg gegönnt, ...

Anna Gavalda ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt im Literaturbetrieb. Ihre Bücher verkaufen sich europaweit wie frische Croissants an der Champs Elysee und ich habe der Autorin den Erfolg gegönnt, weil mich die Kurzgeschichtensammlung „Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet“ von ihren Fähigkeiten überzeugt hat. Damals fand die Shortys frech, witzig und frisch in ihrer Unbekümmertheit, die nichts von der abgehobenen Sprache ihrer bisweilen ebenso abgehobenen französischen Schriftstellerkollegen hatte. Aus diesem Grund habe ich mich auf Ihr neues Buch gefreut. Der Nobelpreis-sammelnde Hanser Verlag steht bei mit ebenfalls hoch im Kurs. Zudem klang der Klappentext verlockend. Was sollte da noch schief gehen? Eine kurze Leseprobe ließ gutes erahnen. Meine Vorfreude beim Aufschlagen de Buches war dementsprechend groß. Was ich nun gelesen habe ist eine schriftstellerische Bankrotterklärung. Das 188 Seiten starke Buch kommt nach etwa 90 Seiten in die Gänge (da setzte übrigens meine Leseprobe ein) um dann vierzig Seiten später wieder steil abzufallen. Gleich zu Beginn verheddert sich die Gavalda bei dem vielversprechenden Versuch Spannung aufzubauen, indem sie weder ihre Protagonisten, noch das Geschehen ernst nimmt. Billie, eine junge Frau, laut der Autorin aus dem Prekariat, stürzt mit ihrem schwulen Freund Franck beim Wandern in den Cevennen in eine Bergspalte. Franck liegt verletzt an Ihrer Seite. Eigentlich wirklich eine formidable Möglichkeit Interesse zu wecken. Wenn Billie nur nicht so grenzdebil losplappern würde und jede Spannung von vornherein im Keim erstickt. Ich spüre da keine Sorge elendig zu verrecken, zu verdursten, kein Aufbäumen, meinetwegen auch Humor. Nichts von alledem. Nun gut, dachte ich. Das Buch ist kein Thriller, nicht einmal ein Krimi. Die Gavalda macht in Literatur. Und das bedeutet, dass sie den dramatischen Augenblick dazu nutzt, um uns über die Vergangenheit der beiden Protagonisten aufzuklären.

Allerdings tut sie das, in einem unerträglichen Plapperton, als säße sie gemütlich vor dem Café de France rührt ihren Café au lait mit dem Löffel um. Überhaupt, diese unglaubwürdige Erzählstimme… Ich kann sie eher einer Frau zu ordnen, die die ENA in Paris absolviert hat, als einer Frau, die aus den armen Schichten der Bevölkerung stammt. Die Autorin schreibt nicht aus ihrer Billie heraus. Sie hat auch keine Ahnung, wie solche Leute ticken und schreibt Empathie befreit viel lieber im Stil einer Tratsch und Klatsch Reporterin, die gleich noch zur Galeries Lafayette muss, um eine farblich passende Tischdecke zum Abendessen zu kaufen. Und was ist eigentlich die Geschichte? Franck ist schwul, natürlich künstlerisch begabt und sein Vater ebenso natürlich ein fürchterlicher Reaktionär. Billie ist hauptsächlich arm, geht manchmal anschaffen, hat aber einen inneren Kompass, der über alles Schlimme zielsicher hinweg führt. Die beiden lernen sich bei einer Theateraufführung kennen, anschließend gehen sie getrennte Wege, bis sie sich widerfinden und nicht mehr voneinander lassen können. Das klingt interessant, einer Amour Fou gleich. Ist in der Realität aber unglaublich zusammengestümpert und gähnend langweilig erzählt. Der Roman versinkt knietief im Kitschmorast, so tief greift Anna Gavalda in die Klischeekiste.

Übrigens hält die beiden auch nichts und niemand jemals davon ab eine traute Zweisamkeit, schwuler Mann, arme Frau, zu leben. Ich habe den ganzen Roman den Konflikt nicht gefunden, in dem die zwei sich befinden sollen. Insgesamt also ein Konstrukt für die Brigitte lesende Mittdreißigerin mit Hang zu Minderheiten und das internationale Feuilleton, die das angebliche Anliegen der Autorin womöglich löblich finden und den gesellschaftlichen Fortschritt, um die Ecken kommen sehen, wenn sich Gleichgeschlechtlichkeit anstelle von Familientristesse setzen darf. Alles an diesem Buch zielt auf Wirkung ab, auf den Verkauf von möglichst vielen Büchern. Anna Gavalda kennt ihre Leser besser, als die Menschen, von denen sie erzählt. Bonjour Tristesse!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Perpi

Dreimal schwarzer Kater (Roussillon-Krimi 1)
0

Inspecteur Gilles Sebag liebt Kaffee, seine Frau Claire und den Sommer im Roussillon, solange ihn die Arbeit verschont. Was in einem Krimi naturgemäß nicht lange der Fall ist. In Argeles sur Mer wird eine ...

Inspecteur Gilles Sebag liebt Kaffee, seine Frau Claire und den Sommer im Roussillon, solange ihn die Arbeit verschont. Was in einem Krimi naturgemäß nicht lange der Fall ist. In Argeles sur Mer wird eine Tote aufgefunden, außerdem verschwindet eine junge Frau. Ist es ein Zufall, dass beide Frauen aus den Niederlanden stammen? Und wie passen diese Puzzleteilchen zu dem Abtauchen eines Taxifahrers in Perpignan? Gar nicht, denkt Giles zunächst. Überdies macht ihm seine Frau Sorgen. Es scheint, sie hätte sich einen neuen Mann geangelt. Hat er Claire vernachlässigt, soll er über einen kleinen Seitensprung großzügig hinwegsehen oder seiner Angetrauten eine Szene machen? Gilles gerät mächtig ins Schwitzen. Woran auch ein karrieregeiler Kollege aus Paris Schuld trägt. Es dauert eine ganze Weile, bis Gilles versteht im Mittelpunkt eines perfiden Spiels zu stehen, dessen Opfer in einem Versteck um sein Überleben zittert.

An „Dreimal Schwarzer Kater“ ist alles solide. Die Sprache ist gut abgehangen. Gilles Sebag ist ein durchaus interessanter Ermittler mit Beziehungsproblemen, alle Menschen in diesem Buch wirken lebensecht. Die Konstruktion ist kein großer Wurf, aber mit Abstrichen gelungen, denn das Ende läuft relativ brav und vorhersehbar aus. So richtig aus den Socken gehauen hat mich der Roman zwar nicht. Aber Langeweile kam auch selten auf. Dazu ist das Buch einfach zu-ich schrieb es schon- solide gemacht. Der Autor versteht sein Handwerk, baut geschickt südfranzösischen Handlungsorte ein, in denen man gerne Urlaub machen würde. Nur fehlt es am besonderen Kick, einem Dreh, der diesen Krimi aus der Erscheinungsflut von Spannungsliteratur heraushebt. So bleibt ein etwas fader Geschmack ordentliche Durchschnittsware gelesen zu haben.