Paradies
Ein anderes ParadiesDie angehende Künstlerin und mittellose Charlotte begegnet im Internat St. Anne der wohlhabenden Julia Buchanan. Durch einen Zufall werden die beiden ziemlich verschiedenen jungen Frauen so etwas wie beste ...
Die angehende Künstlerin und mittellose Charlotte begegnet im Internat St. Anne der wohlhabenden Julia Buchanan. Durch einen Zufall werden die beiden ziemlich verschiedenen jungen Frauen so etwas wie beste Freundinnen. Julias Familie gehört zur amerikanischen Oberschicht, die Männer dieses edlen Clans streben nach Senatorenposten und dem Präsidentenamt. Die Frauen suchen auf Cocktailpartys Abwechslung von ihrem harten Millionärsalltag oder finden beim Segeln Sinnstiftung. Charlotte schafft es mit Charme und Offenheit in diesen illustren Kreis aufgenommen zu werden. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Familie großes Interesse an der begabten Charlotte zeigt. Denn Julia Buchanan hat gerade ihre Schwester durch einen Autounfall verloren und braucht eine Schulter, die sie stützt. Charlotte rutscht in diese Rolle, wie Aschenputtel in den Schuh und verliebt sich sogleich in Sebastian Buchanan.
Chelsey Philpot schildert die Ereignisse aus Charlottes Sicht. Der Beginn des Buches ist hervorragend erzählt, ganz in amerikanischer Erzähltradition, flüssig zu lesen und emotional packend, immer zwischen Handlung und Gefühlen pendelnd. Die Situation im Internat, die beginnende Freundschaft zu Julia, der Sprung in eine völlig neue Welt für Charlotte, die sich bis dahin ganz ihren familiären Sorgen und künstlerischen Interessen gewidmet hat, kommt gut rüber. Julia Buchanan führt sie in eine neue Welt ein, die Charlotte fasziniert, was durchaus glaubhaft, aber auch etwas oberflächlich rüber kommt. Mit zunehmender Dauer treten ohnehin immer mehr die Schwächen des Romans zutage. Die anfangs so großartig angekündigten Buchanan Charaktere bleiben für mich reine Behauptung. Da fehlt es an Figurentiefe und lange Zeit auch an dramatischen Höhepunkten, die sich dann doch noch auf den letzten fünfzig Seiten zielsicher aneinanderreihen und die Geschichte spektakulär auflösen. Unnötig fand ich übrigens das kokettieren der Autorin mit dem Romanklassiker „Der große Gatsby.“ Zu sehr geht „Ein anders Paradies“ im Wohlfühlpark harmoniesüchtiger Frauenliteratur spazieren, dass dieser Vergleich angemessen wäre. Überhaupt geht mir Chelsey Philpot ein wenig zu lax mit ihrer Geschichte um. Da wäre noch mehr drin gewesen. Denn Charlotte ist gerade dabei eine sehr selbstbewusste und kluge Frau zu werden. Ihre interessante Persönlichkeit hätte einen stärkeren Widerpart oder sonstige Widerstände gut vertragen. Besonders positiv sind mir der leicht spröde Erzählton und das lebhafte Internatsleben aufgefallen. Alles in allem ist so ein modernes Märchen entstanden, das Liebe und Tragik auf berührende Weise verbindet. Ein gutes Buch mit leichten Schwächen!