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Veröffentlicht am 07.04.2023

Lesenswerte Geschichte

Der Spiegelkasten
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Christoph Poschenrieder hat es wieder geschafft. Mit nur wenigen Seiten zieht er mich in die Geschichte. Sein Erzählstil gefällt mir jedes Mal wieder. Er kann das Gestern mit dem Heute so gut verbinden, ...

Christoph Poschenrieder hat es wieder geschafft. Mit nur wenigen Seiten zieht er mich in die Geschichte. Sein Erzählstil gefällt mir jedes Mal wieder. Er kann das Gestern mit dem Heute so gut verbinden, dass man die ständigen Wechsel zwischen den Jahrzehnten, zwischen Krieg und Frieden atemlos verfolgt und mitfiebert.

Der geschichtliche Anteil spielt im Ersten Weltkrieg und der Autor beschreibt vieles so detailliert und deutlich, dass man Gänsehaut bekommt. Man spürt den Eifer der jungen Männer, endlich den Feind töten zu dürfen und die Angst derer, die bereits Gefechte er- und überlebt haben.

Ismar Manneberg, ein jüdisch-deutscher Offizier, steht im Mittelpunkt des geschichtlichen Parts. Er erhofft sich durch seine Teilnahme am Krieg mehr Akzeptanz und Anerkennung. Das seine Religion keine Rolle mehr spielt und die Diskriminierung endlich endet.

Auf der anderen Seite in der heutigen Zeit ist sein Neffe. Er arbeitet in einer staatlichen Behörde und durchforstet Tageszeitungen nach relevanten Informationen, die er in ein Dossier zusammenfasst. Er merkt schnell, dass seine Arbeit nicht wertgeschätzt wird und die Dossiers nicht gelesen werden. Er zieht sich immer mehr zurück und widmet sich dem Fotoalbum der Onkels. Besonders angetan hat ihn ein Bild mit einem Spielkasten darauf. Doch was ist ein Spielkasten? Im Internet findet er eine Spur.

Spannend, gut recherchiert und sehr gut erzählt. Ein Buch, was sich lohnt zu lesen.

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Veröffentlicht am 26.03.2023

Mit dem Kanu durch die kanadische Arktis

Die Klänge der Stille
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Was macht man, wenn ein Grizzly auf einen zugerannt kommt?

a) schreien und wegrennen

b) sich nicht bewegen

c) schreien, hüpfen und springen

Und was macht man, wenn ein 300kg schwerer Moschusochse ...

Was macht man, wenn ein Grizzly auf einen zugerannt kommt?

a) schreien und wegrennen

b) sich nicht bewegen

c) schreien, hüpfen und springen

Und was macht man, wenn ein 300kg schwerer Moschusochse an der Zelttür klopft?

Ich wusste es vor der Lektüre des Buches nicht, aber nun bin ich gewappnet und hoffe doch, dass ich beide Situationen nicht erleben muss. Der Autor Adam Shoalts hat sie erlebt und sehr anschaulich beschrieben. Seine ganze Kanu-Tour durch die kanadische Arktis hat mich fasziniert. Seine Ausdauer, sein Mut und die Entschlossenheit durchzuhalten. Er kämpft gegen die Kälte, gegen die Eisschollen, die auf dem Fluss sein Kanu bedrängen und auch zerstören könnten. Er paddelt mehrere Stunden unter schwersten Bedingungen (entgegen dem Strom) und stets allein. Seine Nächte sind kurz und sein Essen klang nicht lecker, eher funktional.

Ich habe mich immer wieder gefragt, woher er seine Kraft nimmt. Nur kurz erwähnt er, dass er auch körperlich an seine Grenzen geht und Schmerzen hat. Ich hatte schon (stellvertretend) beim Lesen Muskelkater.

Die Tortur hat natürlich einen Grund. Adam Shoalts will die Schönheit der Natur zeigen und das sie es wert ist, zu bewahren und zu schützen. Seine Schilderungen umfassen nicht nur die Kanutour, sondern auch sehr viele und schöne Natur- und Tierbeobachtungen. Man erfährt sehr viel über die kanadische Arktis (manchmal etwas ausschweifend) und dank der beigefügten Karte kann man den Schilderungen von Adam Shoalts auch gut folgen.

Die Bilder, in der Buchmitte, zeigen ihn sowie die Natur und die Tiere, die er getroffen hat. Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Bilder an den jeweiligen Stellen im Buch eingefügt worden wären, dann wäre die Stimmung wahrscheinlich noch greifbarer geworden.

Veröffentlicht am 07.03.2023

Erst in den Himmel, dann unter Wasser

Die Kunst, unter Wasser zu leben
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Nachdem ich schon mit Angus und Herrn Halley in den Sternenhimmel schauen durfte, ging es nun unter Wasser.

Olli Jalonen fordert wieder seine Lesenden heraus. Es ist ein historischer Roman mit vielen ...

Nachdem ich schon mit Angus und Herrn Halley in den Sternenhimmel schauen durfte, ging es nun unter Wasser.

Olli Jalonen fordert wieder seine Lesenden heraus. Es ist ein historischer Roman mit vielen Fakten aus der Geschichte, aber auch aus den naturwissenschaftlichen Bereichen. Man sollte sich für Physik, Biologie und Technik interessieren, sonst wird es schnell anstrengend und wahrscheinlich auch zu trocken.

Ich lese diese Art der historischen Geschichten sehr gern, da man viele interessante Fakten und Einblicke in die damalige Forschung und Gesellschaft bekommt. Man lernt einiges dazu und erfährt sehr anschaulich beschrieben, wie anstrengend, gefährlich und kostenintensiv die Forschungen und Studien waren. Man erfährt von geheimen Absprachen, Neid und Missgunst. Der Druck mehr zu leisten, mehr zu erforschen, um der Erste zu sein, war für Herrn Halley sehr hoch. Viele Ämter blieben ihm verwehrt, weil andere Personen bessere Kontakte und Fürsprecher hatten. Frauen spielten in dieser Zeit keine Rolle in den Gremien. Sie waren für das Personal und den Hausstand zuständig. Das Forschungsfieber packte mich und zog mich durch die Seiten. Auch das Bangen um Angus, der in so manche brenzlige Situation kam, sorgte für Spannung. Angus ist erwachsen geworden und hinterfragt einige Ansichten, Arbeiten und Ansagen seines Mentors. Seine innere Unruhe und Angst, seine aufkeimende Unzufriedenheit und sein Bedürfnis nach Familie versucht er mit Gott zu klären und zu erklären. Doch es kommen immer wieder Zweifel.

Der Autor beschreibt alles so detailliert, dass man sich mittendrin fühlt. Die Charaktere entwickelten sich weiter und gingen immer mehr in die Tiefe. Wie beim ersten Teil "Die Himmelskugel" muss man sich Zeit nehmen und längere Passagen am Stück lesen. Es braucht seine Zeit bis man sich an den Sprachstil der Charaktere gewöhnt hat, aber aus meiner Sicht lohnt es sich.

Das Buch baut auf den ersten Band auf, so dass man für ein besseres Verständnis zuerst die "Die Himmelskugel" und dann "Die Kunst, unter Wasser zu leben" lesen sollte. Beide Bücher sind sind absolut lesenswert.

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Veröffentlicht am 23.02.2023

Lesenswerte Geschichte

Flamingo
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Rachel Elliott hat ein gutes Gespür für besondere Charaktere. Sie erschafft Figuren, die nicht direkt leicht zu greifen und zu verstehen sind und doch kann man sich mit ihnen in bestimmten Situationen ...

Rachel Elliott hat ein gutes Gespür für besondere Charaktere. Sie erschafft Figuren, die nicht direkt leicht zu greifen und zu verstehen sind und doch kann man sich mit ihnen in bestimmten Situationen identifizieren. Das hat die Autorin schon in ihrem Buch "Bären füttern verboten" geschafft und nun auch in "Flamingo".

Es ist eine Geschichte, die die volle Aufmerksamkeit vom Lesenden fordert. Nur mal ein paar Seiten lesen, reicht nicht aus, um in die Geschichte eintauchen zu können. Die Charaktere sind speziell und etwas verschroben und eigenwillig. Sie haben Charaktereigenschaften, die teilweise irritierend, aber auch für den Außenstehenden faszinierend sein können. Sie sind nicht leicht zu verstehen, aber je länger man sie durch die Geschichte begleitet, desto mehr schließt man sie ins Herz und man kann Stück für Stück nachvollziehen, warum sie sich so verhalten.

Die Autorin macht es den Lesenden nicht ganz so einfach, da sie neben den komplexen Charakteren auch noch Zeitsprünge und nicht direkt erkennbare Dialoge einbaut. Aber so sorgt sie für eine gute Dynamik in der Geschichte und vorallem für volle Aufmerksamkeit. Das langsame Entblättern der einzelnen Schichten, die die Gefühle und Erlebnisse der verschiedenen Figuren offenlegt, beherrscht sie gut. Es tauchen immer wieder Passagen auf, die nachdenklich und traurig stimmen, aber auch zeigen, was im Leben wirklich zählen sollte. Es ist jedoch kein trauriges Buch, sondern zeigt nur ehrlich, was im Leben alles passieren kann. Der Humor kommt nicht zu kurz und die Autorin hat mit ihren Charakteren und deren Eigenschaften ein buntes Kopfkino geschaffen, was Spaß macht.

Die Geschichte hat mich gefordert, nachdenklich werden lassen und zum Lachen gebracht. Was braucht es mehr?

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Mit dem Bus durch Paris

Nr. 91/92
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Mit Lauren Elkin durch Paris zu fahren und zu laufen, lässt den Lesenden am Pariser Leben teilhaben. In den vielen Notizen, die sie während ihrer Busfahrten mit den Linien 91 und 92 fast jeden Tag macht, ...

Mit Lauren Elkin durch Paris zu fahren und zu laufen, lässt den Lesenden am Pariser Leben teilhaben. In den vielen Notizen, die sie während ihrer Busfahrten mit den Linien 91 und 92 fast jeden Tag macht, beschreibt Lauren Elkin Kleinigkeiten, scheinbar banale Dinge und Erlebnisse mit ihren Mitmenschen. Sie konzentriert sich auf ihre Umwelt und nimmt bewusst wahr, was um sie herum geschieht. Beim Lesen bekommt man das Gefühl dabei zu sein. Neben ihr zu sitzen. Sie beschreibt ihre Gefühle und Ansichten zu dem Gesehenen und nimmt so den Lesenden mit. Es sind viele traurige, nachdenkliche und bedrückende Gedanken, aber auch kleine Notizen über die Eigenheiten der Pariser Menschen.

Es gab kleine Textstellen, die nicht aus dem Französischen übersetzt wurden. Jedoch war dies kaum störend, da es zu den jeweiligen Momenten passte. Auch wurden Tippfehler bzw. Rechtschreibfehler nicht korrigiert, was die Einträge authentischer wirken ließ.

Ich mochte das schmale Büchlein, weil es das Pariser Gefühl gut vermittelte und die ganz alltäglichen Dinge in den Mittelpunkt geschoben hat.