Erinnern tut gut
Weißt du noch? Ein Bilderbuch vom AbschiednehmenMichael Engler und Laura Bednarski: Weißt du noch? Ein Bilderbuch zum Abschiednehmen
Die Geschichte des Igels, des Eichhörnchens und der Haselmaus, die ihren Freund Eichelhäher suchen, der sich als verstorben ...
Michael Engler und Laura Bednarski: Weißt du noch? Ein Bilderbuch zum Abschiednehmen
Die Geschichte des Igels, des Eichhörnchens und der Haselmaus, die ihren Freund Eichelhäher suchen, der sich als verstorben herausstellt, zeichnet ganz gut den Weg der Trauer nach: Erst will man es nicht wahrhaben. Über die weiteren Seiten wird die Ahnung langsam zur traurigen Gewissheit. Die Freunde ahnen vorher schon die Wahrheit, denn sonst würden sie nicht schon Erinnerungen über den Eichelhäher in der Vergangenheitsform miteinander teilen, aber sie (ver-)suchen erst mal alles ab. Sie hoffen, dass sie sich täuschen.
Die Geschichte ist lang genug, um das Suchen und die herankriechende Trauer beim Lesen nachzuempfinden. Der Höhepunkt ist der leere sonnenbeschienene Stein im Sonnenuntergang, auf dem der Eichelhäher immer saß. Da begreifen sie endlich.
Und auch der Leser versteht, denn das Bild erinnert an den leeren Steintisch aus C.S. Lewis „Der König von Narnia“, auf dem der mächtige Löwe ermordet wurde. Und das Bild erinnert auch an das steinerne Grab, aus dem Jesus auferstanden ist. So ist das Bild gleichzeitig ein hoffnungsvolles (Anklänge zur Wiederauferstehung) und gleichzeitig eins der unwiederbringlichen Leere: Der Eichelhäher ist weg.
Dann setzt Dunkelheit ein. In der Geschichte ist es die Nacht, die hereinbricht, aber es ist auch die Trauer über den Tod ihres Freundes, die die Tiere erleben.
Für mein Empfinden kommt dann der Ruf „Er ist doch noch da!“ zu früh. Die Haselmaus hat die Frage gestellt, ob sie den Eichelhäher wiedersehen werden. Ich finde, die Trauer muss erst durchlebt werden, bevor etwas Neues entstehen kann. Geschichten und Erinnerungen ersetzen nicht die lebendige Gegenwart und Anwesenheit eines geliebten Wesens.
Was dann wieder schön ist: der Ort zum Trauern, wo sich die Tiere versammeln und sich Geschichten erzählen. Wichtig wäre gewesen, noch klar er zu machen, dass zwischen dem Nachtbild mit dem Uhu und dem darauffolgenden Bild mit den lachenden Erinnerungen Zeit vergangen ist. Das Buch fing im Frühling an, und am Ende ist es Herbst, aber das fand ich erst bestätigt, als ich zurückblätterte und auf der ersten Seite las „ein frischer Frühlingswind“. Das hätte erzählerisch klarer herausgestellt werden sollen, denn in einer Nacht lässt sich Trauer nicht abarbeiten.
Persönlich finde ich die Bilder zwar farblich schön symbolisch und evokativ umgesetzt, aber die Tiere sehen für meinen Geschmack alle ziemlich ähnlich aus; die drei Freunde haben alle die gleichen Augen und die gleichen Pfoten und Beinform.
Dem Realitätstest, echte Trauer zusammen mit einem Kind das Buch durchzuschauen, habe ich das Buch noch nicht unterzogen.