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Veröffentlicht am 12.05.2020

Ein Roman wie ein Labyrinth

Remember Mia
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Das ist wohl der Alptraum aller Mütter: Die sieben Monate alte Mia ist verschwunden. Dieser Alptraum ist umso unerträglicher, wenn die Mutter so wie die Hauptprotagonistin Estelle unter Amnesie leidet, ...

Das ist wohl der Alptraum aller Mütter: Die sieben Monate alte Mia ist verschwunden. Dieser Alptraum ist umso unerträglicher, wenn die Mutter so wie die Hauptprotagonistin Estelle unter Amnesie leidet, und sich sogar fragt, ob sie ihre Tochter selbst weggebracht oder ihr gar etwas angetan hat. Estelle erwacht nach einem Unfall schwer verletzt im Krankenhaus. Nicht erst seit der Geburt von Mia litt sie unter Depressionen. Dass Mia ein sogenanntes Schreikind ist, hat sie an den Rande der Erschöpfung gebracht, ebenso wie die Antidepressiva. Estelles Ehemann war beruflich längere Zeit auswärts, und selbst er traut Estelle zu, dass sie etwas mit Mias Verschwinden zu tun hat. Auch die Polizei verdächtigt Estelle. Die Ehe zerbricht und Estelle lässt sich in eine Klinik einweisen, in der ein Psychologe ihr helfen soll, ihre Erinnerung wiederzufinden. Für Estelle gibt es nur noch einen Gedanken: Sie muss Mia finden.
Auch der Leser tappt hier gespannt im Dunkeln. Erst in Rückblicken erfährt er von Estelle zum Teil traumatischer Kindheit und kann nicht umhin, Estelle ebenfalls zeitweise zu verdächtigen. Dieses Rätselraten habe ich als sehr spannend empfunden. Wenn nach etwa Dreivierteln des Romans das Geheimnis um Mias Verschwinden gelüftet wird, lässt der Spannungsbogen zwangsläufig etwas nach. Doch die Suche geht weiter, und das Buch hat mich unweigerlich bis zum Schluss gefesselt. Estelle ist eine sperrige Protagonistin, und insbesondere Übermütter dürften mit ihr gewisse Identifikationsprobleme haben. Ich selbst habe sie als sehr plastische, interessante Figur erlebt und bin ihrer Schilderung aus der Ich-Perspektive stets gern gefolgt. Raffiniert spielt die Autorin gerade zu Beginn mit Andeutungen zu Estelles Vergangenheit und lockt so das eine oder andere Mal raffiniert auf falsche Fährten.
Das schwarze Cover mit dem unscheinbaren orangefarbenen Schmetterling finde ich persönlich etwas zu einfach gehalten. Ich konnte auch keinen rechten Bezug zum Inhalt entdecken. In der Buchhandlung wäre mir der Roman nicht aufgefallen, und das wäre schade gewesen.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Einfach alles richtig gemacht

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken
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Endlich kann ich einmal wieder guten Gewissens fünf Sterne vergeben. Das tue ich am liebsten, aber leider viel zu selten. Hier gibt es aber absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, am liebsten hätte ...

Endlich kann ich einmal wieder guten Gewissens fünf Sterne vergeben. Das tue ich am liebsten, aber leider viel zu selten. Hier gibt es aber absolut nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, am liebsten hätte ich nur noch gelesen, gelesen, gelesen. Ein größeres Kompliment kann man einem Roman kaum machen.
Die sympathische Famile bestehend aus Sandy, Ben, Tochter Ivy und Hund Mac besitzt ein sehr abgelegenes Traumhaus. Das machen sich die entflohenen Sträflinge Nick und Harlan zunutze. Ihr Plan, sich dort mit allem Nötigen für die weitere Flucht auszustatten, wird durch einen heftigen Schneesturm je gestoppt. Geiseln und Einbrecher sitzen gemeinsam fest. Ein nervenzerfetzendes Psychospiel beginnt. Nach und nach enthüllt sich in Rückblenden, dass Sandy und Nick eine gemeinsame Vergangenheit teilen. Dabei schafft die Autorin das Kunststück, alle Zeitebenen gleich spannend zu gestalten. Auch sprachlich brilliert sie und findet immer wieder ungewöhnliche Metaphern. So sind Nicks Augen "wie Asche, grau, kalt und tot. Es waren die Augen eines Alptraums, aus dem man niemals erwachte." Alle Charaktere sind plastisch und unverwechselbar gestaltet. Selbst die Handlungen des Psychopathen Nick erhalten einen logischen Kontext. Das Ende hat mich persönlich hoch zufrieden gestellt. Mach ein anderer Thriller-Fan könnte sagen, die Autorin sei mit ihren Figuren noch etwas zu schonend umgegangen. Für mich war es genau so gerade noch aushaltbar.
Das Taschenbuch wird noch dadurch aufgewertet, dass es sein eigenes Lesezeichen mitbringt. Dort wiederholt sich das düstere Motiv des Covers. Auch das hat mit hervorragend gefallen.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Ironie à la Eichhörnchen

Die Nussknacker-Bande
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Dieses Buch für Kinder ab 9 Jahren hat mir auch als Erwachsene großen Spaß gemacht. Schon in Kindertagen war ich ein Eichhörnchen-Fan und habe sie bei jedem Friedhof-Besuch nicht nur gefüttert, sondern ...

Dieses Buch für Kinder ab 9 Jahren hat mir auch als Erwachsene großen Spaß gemacht. Schon in Kindertagen war ich ein Eichhörnchen-Fan und habe sie bei jedem Friedhof-Besuch nicht nur gefüttert, sondern wollte auch immer vergebens eines mit nach Hause nehmen. Nun einmal ein von einem Eichhörnchen erzähltes Buch zu lesen, war wirklich ein Vergnügen. Kinder können hier nicht nur lernen, was Ironie ist (wenn nämlich ein Eichhörnchen sagt: "Mein Freund der Habicht", sondern auch, was für große Auswirkungen menschliches Verhalten auf die ahnungslose Tierwelt hat. Auch der Wert der Freundschaft kommt nicht zu kurz. Eichhörnchen Jed wird von einem Habicht entführt, kann aber in einiger Entfernung von seinem Zuhause entkommen. Dort entdeckt er, wie Menschen mit Maschinen die Strommasten von Bäumen freischneiden. Zwar versteht er nicht, was es damit auf sich hat, begreift aber, dass er zurückfinden muss zu seinem Volk, dem durch die Menschen Gefahr droht. Ohne sein Wissen machen sich seine Freunde Chai und Tschk Tschk auf die Suche nach ihm. Die drei Eichhörnchen erleben viele spannende, teils auch lustige Abenteuer. Die putzige Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind eine nette Ergänzung.

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Veröffentlicht am 03.05.2020

Schatten über Berlin

Die Attentäter
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Antonia Michaelis gehört zu meinen drei deutschen Lieblingsautorinnen. Ich liebe ihre poetische, bildgewaltige Sprache und die oft beinahe märchenhafte Atmosphäre in ihren Bücherm; eine Art magischer Realismus, ...

Antonia Michaelis gehört zu meinen drei deutschen Lieblingsautorinnen. Ich liebe ihre poetische, bildgewaltige Sprache und die oft beinahe märchenhafte Atmosphäre in ihren Bücherm; eine Art magischer Realismus, in dem sich Fantasie und Wirklichkeit vermischen.

Hier hat sie sich eines äußerst aktuellen Themas angenommen, der Bedrohung durch Attentäter des IS. Im Vordergrund steht allerdings die Beziehung zweier junger Männer, die sich seit Kindertagen kennen, Alain und Cliff. Aufgewachsen im selben Mietshaus, stammen sie jedoch aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Alain hat ein liebevolles Elternhaus bei einem Musiker und einer Galeristen. Cliffs Vater ist Alkoholiker, seit ihn Cliffs Mutter Cemre, eine Türkin, der Karriere wegen verlassen hat. Cliff liebt und hasst seine Mutter zugleich, kann nicht aufhören, sich nach ihr zu sehnen, wird jedoch immer wieder zurückgewiesen. Nach einem Abstecher durch die rechte Szene wird er zum gläubigen Moslem, radikalisiert sich später und schließt sich sogar dem IS an. Halt findet er nirgends oder nur für Momente, bei Alain und der gemeinsamen Freundin Margarete. Dass sich Alain und Cliff allerdings auch sexuell von einander angezogen fühlen, kann Cliff nicht akzeptieren. Immer tiefer gerät er in einen Strudel aus Selbsthass, Gewalt und der Sehnsucht nach Erlösung. Als er nach seiner brutalen Ausbildung durch den IS traumatisiert in die Heimatstdt Berlin zurückkehrt, beschleicht Alain und Magarete ein furchtbarer Verdacht: Plant Cliff einen Anschlag, oder will er ihn verhindern?

Die magisch angehauchten Elemente stehen in diesm Buch weniger im Vordergrund als in anderen Romane der Autorin, sie beschränken sich auf das Motiv des geflügelten Engels, den Cliff oft in Alain zu sehen meint und von dem er sich nicht wieder auf die helle Seite ziehen lassen möchte.

Das Buch hat mich stark bewegt. Als gebürtige Berlinerin, die jeden Tag mit der Bahn zur Arbeit nach Berlin fährt, kenne ich die Unsicherheit, die mich und andere seit einiger Zeit dabei befällt. Man staunt, dass es Berlin noch nicht getroffen hat. Der Roman enthält soviel Lokalkolorit, vor allem bei der Suche nach Anschlagzielen, dass er beängstigend real wirkte.

Zum Schluss überschlagen sich die Ereignisse. "...sie gleiten den Uniformierten durch die Hände wie Eidechsen, wie Fische, wie giftiges Quecksilber, fallen zu Boden und vermehren sich zu tausend Tropfen, die in alle Richtungen davonkugeln und sich wiederum weitervermehren." Mir persönlich war das Ende etwas zu hastig erzählt, auch wenn ich Teile schon eine Weile vorausgeahnt habe. Den Weg, den Margarete für sich wählt, konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Ingesamt bleibt Magarete als dritte der Ich-Erzähler/innen am blassesten, ein Gefühl, dass Magarete auch selbst zum Ausdruck bringt. Zum Ende hingt bricht die Autorin mit dem althergebrachten Autoren-Grundatz, nie innerhalb eines Kapitels die Perspektve zu wechseln, in besonders schneller Folge. Etwas weniger wäre hier für mich mehr gewesen. Da es sich aber wie gesagt um eine meiner Lieblingsautorinnen handelt, meckere ich hier natürlich auf sehr hohem Niveau. Insgesamt habe ich den Roman genossen.

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Veröffentlicht am 03.05.2020

Rosshimmel

Das Haus am Himmelsrand
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Auf dem Buchrücken bezeichnet die Autorin Corinna Bomann den Roman von Bettina Storks als echten Pageturner. Das Buch hat mich zweifellos gut unterhalten, aber so weit wie Frau Bomann würde ich nun nicht ...

Auf dem Buchrücken bezeichnet die Autorin Corinna Bomann den Roman von Bettina Storks als echten Pageturner. Das Buch hat mich zweifellos gut unterhalten, aber so weit wie Frau Bomann würde ich nun nicht gehen. Dazu hat mich wohl die Protagonistin Lizzy, verwöhnte Tochter aus reichem Hause, nicht genug gepackt bzw. sie war mir einfach nicht sympathisch genug. Jemand der mit 37 außer mal auf Honorarbasis kaum gearbeitet hat, die Promotion immer wieder auf Eis legt und sich bei Geldproblemen noch in diesem Alter an Eltern oder Großeltern wendet, ist mir persönlich einfach total fern. Lizzy hat eine achtjährige, ebenso verwöhnte Tochter und ihren Freund und Vater der Tochter mal eben aus einer Sommerlaune heraus betrogen. Dass ihr das Freund Tom im nächsten Jahr immer noch nachträgt und nun selbst eine Liebelei beginnt, kann sie partout nicht verstehen. Lizzy hat für mich erst durch den Auftrag ihres Großvaters sympathischere Züge erkennen lassen. "Sorge für Gerechtigkeit," trägt er ihr auf dem Totenbett auf. Warum vermacht er ausgerechnet das geliebte Gut Rosshimmel in den Vogesen an zwei Wildfremde? Immer tiefer taucht Lizzy in die Familiengeschichte ein, die nicht so rühmlich ist wie erwartet, bis zurück in finstere NS-Zeiten. Was hatte der Großvater an den jüdischstämmigen Erben wieder gutzumachen? War er gar mitschuldig an der Deportation seines ehemaligen Geschäftspartners, hatte er sich daran noch bereichert? Lizzy lässt nicht locker, und ein bisschen süffisant muss ich als Vertreterin der arbeitenden Bevölkerung sagen, sie hat ja auch die Zeit dazu! So findet Lizzy nicht nur die wahren Schuldigen und deren Motive, sondern auch eine neue Liebe, was gleichzeitig als späte Versöhnung zwischen Schädigern und Geschädigten gesehen werden kann.
Der Stil der Autorin hat mir durchaus gefallen, ihre Protagonistin ist mir aber trotz allem fremd geblieben.

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