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Veröffentlicht am 24.05.2020

Wirklich mal etwas ganz Anderes

Das gläserne Meer
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Zunächst einmal dies: Schon allein von der Optik her hat der Dumont-Verlag hier ein wunderschönes Buch geschaffen, das auch nach dem Lesen ein echtes Schmuckstück im Regal ist. Die Zeichnung einer beinahe ...

Zunächst einmal dies: Schon allein von der Optik her hat der Dumont-Verlag hier ein wunderschönes Buch geschaffen, das auch nach dem Lesen ein echtes Schmuckstück im Regal ist. Die Zeichnung einer beinahe märchenhaft anmutenden Landschaft, in der sogar Phönixe fliegen, zieht sich über den gesamten Buchumschlag und ziert so auch den Buchrücken. Alles ist in Weiß und Rot gehalten. Normalerweise mag ich Rottöne gar nicht, aber hier handelt es sich um ein sehr sanftes, dezentes Hummerrot. Dann ist der Roman auch noch herrlich dick und kann den Leser so eine etwas längere Zeit begleiten.
Anklänge an russische Märchen hat auch die Geschichte um die Zwillinge Jarik und Dima. In ihrem Heimatort Petroplawilsk wird ein gigantisches Gewächshaus errichtet, eben das gläserne Meer aus dem Titel. Es dehnt sich immer mehr aus, verschluckt ganze Landstriche, alle Gebäude, die zu hoch sind, werden einfach gekappt. Ununterbrochen soll es produzieren und so wird es von gigantischen Spiegeln erhellt, die nachts das Sonnenlicht aus dem All heranlenken. Dunkelheit gibt es nicht mehr, und so verschwindet nach und nach auch beinahe alle Freizeit. Nur wer daran mitwirkt, das Gewächshaus weiter zu bauen, gilt etwas. Zunächst arbeiten Jarik und Dima gemeinsam dort, bis Jarik von dem dahinter stehenden Investor, dem Miliardär Basarow, quasi entdeckt und immer weiter gefördert wird. Jarik soll den Arbeitern als Leitbild dienen und vorgaukeln, auch sie könnten den Aufstieg schaffen. Beschrieben wird Basarow bei der ersten Begegnung wie der leibhaftige Teufel, und genauso führt er Jarik, der für Frau und Kinder sorgen muss, auch erfolgreich in Versuchung.
Dima hingegen war schon immr ein Träumer. Lange Zeit interessiert er sich überhaupt nicht für Frauen, sondern lebt nur für das beinahe symbiotische Verhältnis mit seinem Bruder. Er ist dem Arbeitsdruck nicht lange gewachsen und hört eines Tages ganz auf zu arbeiten. Von da an geht sein Abstieg immer weiter, Strom und Gas werden in der gemeinsam mit der Mutter bewohnten Wohnung nach und nach abgestellt, sie leben von verdorbenen Essensresten. Alles Geld, das Dima von Jarik erhält, spart er, um davon eines Tages die Datsche ihres verstorbenen Onkels zurückzukaufen und mit seinem Bruder dort wie in Kindertagen zu leben. Eher unfreiwillig wird Dima zur Leitfigur der Revolutionäre, die zum alten Leben zurückkehren wollen, und bringt später sogar einen kleinen Teil des Glashaus-Daches zum Einsturz. Seine Verwandtschaft mit Dima wird für Jarik immer gefährlicher und er muss weitere Kompromisse eingehen, um Dima zu schützen. Doch im Grunde hat er sich längst gegen seinen Bruder und ihre Herkunft entschieden.
Der Roman wirft viele Fragen auf, die auch ich mir manchmal schon gestellt habe. Ab wann ist der Preis für den Erfolg zu hoch? Ist nicht Zeit im Grunde komplett unbezahlbar? Die Brüder stehen dabei für zwei Extreme, denn so wie Dima möchten sicher die wenigsten leben.
Nur zum Ende hin hatte die Geschichte für mich leichte Längen, ansonsten hat sie mich unerwartet gefesselt. Außerdem ist dies mal ein ganz eigener Roman, der mich wirklich an keinen anderen erinnert hat. Das Ende war mir persönlich zu offen gestalten und ich hätte mir noch mehr Märchenmotive gewünscht. Das ist aber auch die einzige Kritik. Dieses Buch werde ich in sehr guter Erinnerung behalten!


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Veröffentlicht am 17.05.2020

Anrührend

Ein Koffer voller Hoffnung
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Romane, die auf zwei Zeitebenen spielen, in der Gegenwart und irgendwann in der Vergangenheit, sind ja seit längerer Zeit absolut im Trend. Während in der Folge dann meist beide Geschichten relativ ...

Romane, die auf zwei Zeitebenen spielen, in der Gegenwart und irgendwann in der Vergangenheit, sind ja seit längerer Zeit absolut im Trend. Während in der Folge dann meist beide Geschichten relativ oberflächlich bleiben, war dies das erste Buch nach diesem Strickmuster, das mich ganz von sich überzeugen konnte.
Ella Sand ist gebürtige Norwegerin, schreibt aber in New York für Magazine. Ein Tragödie ruft sie zurück nach Bergen in die Heimat: Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ella empfand ihr Elternhaus als lieblos und hatte nur noch wenig Kontakt zu ihnen. Nun gilt es sich um die Beerdigung, die Firma und den Verkauf des Hauses zu kümmern. Doch wer ist die ältere Untermieterin ihrer Eltern, die sich so entschlossen in Ellas Leben drängt und ihr ihre eigene Lebensgeschichte regelrecht aufzwingt? Immer mehr wird Ella in den Sog der Erzählung der Mieterin namens Rakel Teller gezogen und mit ihr der Leser. Rakel wurde als deutschstämmige Jüdin und Ungarn geboren. Um Rakel und ihren Bruder zu retten, verschicken ihre Eltern die Kinder aus Furcht vor den Nazis mit der Nansen-Hilfe nach Norwegen. Nach und nach entfaltet sich ein ganzes Panorama aus Entwurzelung, Tragödien, aber auch auf Seiten Rakels von unbändigem Lebenswillen. Auch aus Norwegen müssen die jüdischstämmigen Kinder weiter fliehen. Rakels Bruder erlebt dies nicht mehr, er fällt einer Lungenkrankheit zum Opfer. Spät begreift Rakel, dass auch ihre Eltern nicht mehr am Leben sind.
Nach dem Krieg kehrt Rakel zurück nach Norwegen und bringt ein uneheliches Kind zur Welt, das sie in ihrer Verzweiflung weggibt. Aus ihrer Ehe mit dem norwegischen Arbeiter Ellef bekommt sie zwei Kinder, Marie und Erik. Doch Rakel bleibt eine Heimatlose und kann sich mit dem Schicksal als Hausfrau nicht abfinden. In ihrer Ehe kriselt es. Aus Angst, Ellef könne ihr bei ihrer Trennung die Kinder nehmen, flieht sie nach New York, um bei ihrer Freundin Hannah aus Kindertagen zu wohnen. Doch Hannah bleibt unauffindbar und Rakel muss sich allein durchschlagen, immer in der Furcht, Ellef könnte sie aufspüren. Dennoch gelingt es ihr, endlich zu studieren, ihren Traum von einer Anstellung als Lehrerin zu erfüllen und eine zweite Liebe zu finden. Doch noch immer gärt ihre Vergangenheit in ihr. Als sie ein Koffer mit seltener jüdischer Literatur und einem Brief eines Mitmieters aus Ungarn erreicht, dem sie als Kind sehr verbunden war, beschließt sie nach Bergen zurückzukehren. Und dort schließt sich der Kreis, denn Ellas Mutter ist das uneheliche Kind, das Rakel einst als junge Frau zur Adoption freigab.
Von Entwurzelung und von der Fähigkeit, niemals aufzugeben, weiterzumachen und neue Wurzeln zu bilden, erzählt dieses Buch auf wirklich anrührende und fesselnde Weise. Obwohl Ellas Geschichte vergleichsweise wenig Raum einnimmt, bleibt auch sie nicht blass, sondern gewinnt echte Konturen. Atmosphärisch dicht wird das Leid der aus ihrer Heimat geflohenen Kinder geschildert und wie diese noch als Erwachsene die Spuren dieser Tragödie in sich tragen.

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Veröffentlicht am 13.05.2020

Transsilvanien ohne Vampire

Das dunkle Herz der Welt
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Lange musste ich auf dieses Buch warten, aber das Warten hat sich gelohnt. Mehr als zehn Jahre hat die Historikerin Liliana Le Hingrat recherchiert, als sie eigentlich über das tatsächliche Leben von Vlad ...

Lange musste ich auf dieses Buch warten, aber das Warten hat sich gelohnt. Mehr als zehn Jahre hat die Historikerin Liliana Le Hingrat recherchiert, als sie eigentlich über das tatsächliche Leben von Vlad Draculea, der historischen Figur hinter Bram Stokers "Dracula", schreiben wollte. Dabei stellte sie fest, dass das bewegte Leben von Vlads Vater Vladislas Draco ebenfalls guten Romanstoff bietet, und entschied sich, zunächst über Vlads Eltern und ihre Zeit zu schreiben. Vlad selbst will sie laut Nachwort in einen weiteren Roman ins Zentrum stellen. Diesen werde ich auf jeden Fall lesen, denn "Das dunkle Herz der Welt" hat mir wirklich gut gefallen.
Überrascht hat mich zunächst der Beginn des Romans. Man wird mitten in die Geschichte geworfen, als Vladislav schon kein junger Mann mehr ist, sondern um die vierzig, verheiratet mit Vasilissa, und bereits einen Sohn, Mircea, hat. Im Grunde gefällt es mir gut, wenn man sich nicht erst endlos durch die Kindheit eines Protagonisten arbeiten muss. Hier gab es aber bereits so viele frühere historische Ereignisse, die in die Handlung des Buches hineinspielen, dass der Leser zunächst etwas Geduld aufbringen muss, bis er sich zurecht findet. Diese Geduld wird dann aber mit einer fesselnden Geschichte belohnt.
Vladiclav Draco steht in der Gunst des deutsch-römischen Kaisers Sigismund, an dessen Hof er aufwuchs. Dieser ernennt ihn daher zum Ritter des Drachenordens. Sehr passend schmückt denn auch das rote Cover des Buches ein Drachenemblem. Vladislav ist als Draculer Teil eines Diadochenkrieges um das Fürstentum der Walachei, den Draculer und Danen unter sich austragen. Anlässlich seiner Ernennung zum Ritter findet ein Turnier statt, bei dem er seinen alten Freund, den Ungar János Hunyadi, im Kampf besiegt. Unerwartet fliegt ihm dadurch die Gunst der schönen blutjungen Clara zu, auf die János ein Auge geworfen hatte. An dieser Stelle lag für mich der einzige echte Kritikpunkt des Romans: Ich fand es nicht nachvollziehbar, wie schnell die Freundschaft der beiden Männer auf Seiten János' in Neid und Missgunst umschlägt. Um Clara zu imponieren, auf die er zu diesem Zeitpunkt erst einen Blick geworfen hat, plant er sogar, falsch zu spielen und tritt im Turnier mit einer scharfen Kampfwaffe an statt einer Turnierlanze.
János ist ein äußerst zwiespältiger Charakter, das wiederum fand ich sehr gut gelungen. Er erfährt zu diesem Zeitpunkt auch, dass er ein illegitimer Sohn Sigismunds sein soll. Dass dieser ihn nie anerkennt, sondern nur fördert und für seine Zwecke einsetzt, schürt in ihm einen Ehrgeiz, der die beiden Freunde immer weiter trennt und zu erbitterten Gegnern werden lässt. Zumal Clara flieht, als sie mit János verlobt wird. Vladislav nimmt sie, nichtsahnend von der Verlobung, zu seiner Geliebten. Clara bekommt sogar einen Sohn von Vladislav, nachdem sie zwangsweise mit einem Kaufmann verheiratet wird. Die Schilderung von Gefühlen, von Liebe, bleibt hier äußerst lebensnah. So hat Vladisav trotz seiner Zuneigung zu seiner Ehefrau Vasilissa, die zwei Söhne und eine Tochter von ihm bekommt, keine Scheu, sein Leben lang Clara zu treffen und zu lieben. Vasilissa wiederum bekommt Radu, einen Sohn von einem burgundischen Ritter, der offiziell als Vladislavs dritter Sohn gilt. Wie gesagt wirkt das sehr realistisch, dennoch bleiben dem Leser dadurch die Protagonisten ein kleines bisschen fern, da mit Gefühlen so pragmatisch umgegangen wird. Das ist aber eigentlich ganz gut so, denn zum Teil geschieht ihnen Schlimmes, obwohl die Autorin Folterszenen sogar noch abgemildert hat.
Durch den ganzen Roman ziehen sich die Kämpfe um den Kaiserthron, um die Fürstentümer Walachei und Transsilvanien, den ungarischen Thron und die Türkenkriege. Die Bedrohung durch die Osmanen ist im Europa des 15. Jahrhunderts allgegenwärtig. Um sein Fürstentum und seine Familie zu schützen, sieht sich Vladislav immer wieder gezwungen, mit den Osmanen zu paktieren und sich dann wieder auf die christliche Seite zu schlagen, so dass er bald hier, bald dort, als Verräter gilt. Er selbst und sein Sohn Vlad sowie sein angeblicher Sohn Radu geraten in türkische Gefangenschaft. Zwar kann Vladislav nach langer Folter gerettet werden, doch Vlad und Radu müssen als Geiseln am türkischen Hof aufwachsen. Vor allem Vlad muss in der Gefangenschaft Schlimmes erleiden, und man ahnt bereits, wie er zu dem Mann wurde, der als "der Pfähler" in die Geschichte einging.
Mein Lieblingscharakter war eine der wenigen Figuren, die nicht auf historischen Vorbildern beruhen, der Hohepriester der heidnischen dakischen Götter, Roxolan. Mit seiner Geburt beginnt das Buch. Er ist ausersehen, Vladislav und seine Nachkommen stets zu beschützen, und bedient sich hierzu alter Magie. Dies ist aber auch das einzige übernatürliche Element, Vampire sucht man in diesem hervorragenden historischen Roman vergebens.
Die Szenen des Romans sind zum Teil relativ kurz, echte Längen konnte ich nicht feststellen. Das macht die Handlung sehr kurzweilig, aber auch etwas schlaglichtartig. Dennoch sind hier ca. 750 faszinierende Seiten zusammen gekommen.

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Veröffentlicht am 13.05.2020

Toller Genremix

Ich bin Princess X
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Als jahrzehntelange Vielleserin freue ich mich stets, wenn ich sagen kann, dieses Buch ist mal etwas ganz anderes und erinnert mich an kein zweites. Und das kann ich über "Ich bin Princess X" mit Fug und ...

Als jahrzehntelange Vielleserin freue ich mich stets, wenn ich sagen kann, dieses Buch ist mal etwas ganz anderes und erinnert mich an kein zweites. Und das kann ich über "Ich bin Princess X" mit Fug und Recht schreiben. Der Roman hat mich ausnehmend gut unterhalten und ich habe mich stets aufs Weiterlesen gefreut. Dabei gehöre ich sicherlich nicht einmal zur Zielgruppe dieses Jugendbuches.
May und Libby sind beste Freundinnen seit Kindertagen, von dem Moment an, als sie sich Princess X gemeinsam ausgedacht haben. Libby zeichnet die Prinzessin im Mangastil mit lila Katana-Schwert, und May überlegt sich die Geschichten dazu. Doch ihre Freundschaft scheint ein jähes Ende zu nehmen, als Libby und ihre Mutter bei einem Autounfall in einen Fluß stürzen. Beide Leichen werden geborgen, Libbys allerdings unkenntlich. May kann nicht einmal die Aufzeichnungen zu Princess X retten, so schnell hat Libbys Vater das Haus ausgeräumt und verlassen.
Drei Jahre später hat May den Tod der besten Freundin noch immer nicht verwunden, als plötzlich überall in der Stadt Princess X-Aufkleber auftauchen. Zunächst glaubt May, jemand habe einfach die Unterlagen gefunden. Als sie jedoch sogar auf eine Princess X-Homepage mit Comicstrips stößt, merkt sie, dass da jemand auch sie gut zu kennen scheint. Ist Libby etwa noch am Leben?
Die Comicstrips werden direkt in den Text eingestreut, nicht einfach beschrieben. Obwohl ich schon seit meiner Kindheit keine Comics mehr gelesen habe und noch nicht mit Mangas aufgewachsen bin, habe ich mich zu meiner eigenen Verblüffung auf die gezeichneten Sequenzen richtig gefreut.
Gemeinsam mit einem neuen Freund, dem Computerkenner Trick, begibt sich Libby auf eine abenteuerliche Suche nach Libby, in dem sie den versteckten Hinweisen in der Geschichte von Princess X folgt. Realität und Fantasie greifen dabei immer wieder ineinander. So hat Princess X beispielsweise eine Dohle (englisch jackdaw) als Ratgeber, und May und Trick erhalten bald Hilfe von einem jungen Mann, der sich selbst Jackdaw nennt, kurz Jack. Dadurch bekommt die Geschichte einen märchenhaften Touch, der mir sehr gut gefallen hat. Auch das Rätsel hinter Libbys Verschwinden fand ich originell ausgedacht. Sprachlich ist der Roman keine große Literatur, sondern lebt von seinen Dialogen und ist durchaus ansprechend geschrieben. Er kommt unglaublich frisch, modern und ungewöhnlich daher, abgerundet mit einem passenden Cover im Mangastil.

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Veröffentlicht am 13.05.2020

Faszinierender Digby

Digby #01
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Ich liebe die Jugendbücher von Oetinger. Daher habe ich mich über den Gewinn dieses Buches wirklich gefreut. Sehr gern hätte ich auch sogar volle fünf Sterne vergeben, was nicht so oft vorkommt, denn ich ...

Ich liebe die Jugendbücher von Oetinger. Daher habe ich mich über den Gewinn dieses Buches wirklich gefreut. Sehr gern hätte ich auch sogar volle fünf Sterne vergeben, was nicht so oft vorkommt, denn ich habe mich stets aufs Weiterlesen richtig gefreut. Aber die Optik soll ja auch mit bewertet werden, und ich muss es leider sagen: In der Buchhandlung hätte ich diese Buch komplett übersehen. Dabei kann ich nur das Taschenbuch-Leseexemplar bewerten, das ich bekommen habe. Tatsächlich kommt das Buch wohl zunächst in einer gebundenen Variante heraus. Dann macht es sicherlich einen hochwertigeren Eindruck. Darüber kann ich aber nur mutmaßen. Die mir vorliegende Variante ist sehr unscheinbar mit Passbild-artigen Fotos von einen Mädchen und einem Jungen, die weder der Beschreibung im Roman noch meiner Vorstellung von der jungen Ich-Erzählerin Zoe und ihres Freundes Digby entsprechen. Auch den eingestreuten Spruch "Why so serious?!" kann ich überhaupt nicht mit der Handlung in Verbindung bringen.
Die Geschichte selbst und die Erzählweise haben mich aber restlos überzeugt und besitzen gewohnte Oetinger-Qualität. Vor allem Zoe und Digby sind plastische Charaktere fernab von den Abziehbild-Protagonisten, die man selbst in Erwachsenen-Romanen oft finden kann. Digby selbst ist so herrlich skurril und witzig, dass ich mich bis zum Schluss nicht entscheiden konnte, ob ich Zoe eine Romanze mit Digby wünsche oder mit ihrem Schwarm, dem sympathischen Footballspieler Henry, der aber eigentlich nicht zu haben ist... Da es jedoch glücklicherweise Nachfolgebände geben wird, bleibt diese Frage ohnehin offen.
Digbys Schwester ist als kleines Kind entführt worden, was ihn nicht nur traumatisiert hat, sondern noch immer beschäftigt. Daher lässt ihn auch das Verschwinden der jugendlichen Marina nicht kalt. Gemeinsam mit Zoe und Henry beginnt er zu ermitteln, und ist dabei durch seine ungewöhnlichen Methoden der Polizei oft voraus. Digbys Zuhause ist mehr als fragwürdig, aber auch Zoe hat mit Eltern-Problemen zu kämpfen. Ihre oft
überforderte Mutter fand ich liebenswert und originell geschildert. Sie versucht noch in ihrem Leben als Geschiedene Fuß zu fassen, während Zoes Vater seine Ehefrau gegen ein jüngeres "Modell" ausgetauscht hat. Er wirkte sehr unsympathisch und daher ein wenig eindimensional. Da er aber nur eine sehr kleine Nebenrolle spielt, fiel das nicht ins Gewicht.
Zwar kann das Rätsel um Marina gelöst werden (nebenbei werden sogar noch andere Verbrechen aufgedeckt), aber das Verschwinden von Digbys Schwester bleibt ein Rätsel. Nachfolgebände werde ich auf jeden Fall lesen, nicht nur deswegen, sondern weil mir Zoe, Digby und Henry mit ihren witzigen Dialogen wirklich schnell ans Herz gewachsen sind.

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