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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.05.2024

Ein wenig träge aber gut erzählt

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
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Inhalt:
Florence Butterfield - Florrie - blickt zurück auf ein bewegtes Leben, auf die Geschichte ihrer Familie, ihrer Freundschaften und ihrer Beziehungen. Dies tut sie mit siebenundachtzig Jahren in ...

Inhalt:
Florence Butterfield - Florrie - blickt zurück auf ein bewegtes Leben, auf die Geschichte ihrer Familie, ihrer Freundschaften und ihrer Beziehungen. Dies tut sie mit siebenundachtzig Jahren in einer wunderschönen Altersresidenz. Ein tragischer Unfall, der Fenstersturz ihrer geschätzen Heimleiterin in einer Gewitternacht, erschüttert die Bewohnenden und lässt Florrie und ihren guten Freund Stanhope nicht mehr los. War es doch kein Unfall? Und wer hatte seine Hände im Spiel?

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich von der lieben Irene vom Blog Igelabooks erhalten. Danke Irene!!
Vor allem der Anfang dieses Buches hat mich begeistert, die spannende Lebensgeschichte von Florrie hat mich unterhalten und beeindruckt und obwohl diese Geschichte fiktiv ist, schwingt beim Lesen immer auch der Gedanke mit, dass Menschen, die auf das Ende ihres Lebens zugehen, ja so viel zu erzählen hätten, wenn man ihnen nur zuhören würde.
Ein paar Längen haben mich gelangweilt, aber die Auflösung hat mich dann wieder mit dem Buch versöhnt und ich werde die Autorin auf jeden Fall im Auge behalten.

Schreibstil und Aufbau:
Einige Ereignisse in Florries Alltag lassen sie in die Vergangenheit schweifen und sie an ihre grosse Liebe, Schwärmereien, Träume, ihre beste Freundin und ihre Familie denken und so erfahren wir, welche düsteren Geheimnisse unsere Protagonistin mit sich herumträgt, welche Tragödien sie überlebt hat und welchen Menschen sie begegnet ist.
Dieser Vergangenheitsstrang hat mir persönlich sehr viel besser gefallen, als der ein wenig träge dahinfliessende Gegenwartsstrang. Auch wenn Fletcher die Figuren in der Residenz mit viel Charme, Humor und Wohlwollen beschreibt.

Meine Empfehlung:
Obwohl sich die Handlung eher gemächlich entwickelt und einem Durchhänger in der Mitte, habe ich die bewegte Lebensgeschichte von Florrie sehr gerne gelesen und war gespannt auf die intelligent verpackte Auflösung der Geschichte. Trotzdem hätte ich mir den Gegenwartsstrang ein wenig spannender und ereignisreicher gewünscht, der Vergangenheitsstrang hatte es nämlich durchaus in sich. Wer in Florries Welt eintauchen will und ein wenig Geduld hat, ist mit dieser Geschichte aber sehr gut beraten.

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Veröffentlicht am 27.05.2024

Voller Liebe und Zartheit aber auch bitterböse und humorvoll erzählt, ein Lesevergnügen

Der Zopf meiner Großmutter
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Inhalt:
Der kleine Max kommt mit seinen Großeltern von Russland nach Deutschland. Er wird von seiner Großmutter als krank und unterentwickelt angesehen und dargestellt und deshalb stets von ihr umsorgt, ...

Inhalt:
Der kleine Max kommt mit seinen Großeltern von Russland nach Deutschland. Er wird von seiner Großmutter als krank und unterentwickelt angesehen und dargestellt und deshalb stets von ihr umsorgt, behütet, gepflegt und gefüttert. Er ist ihre einzige Aufgabe und während sie sich mit dieser intensiven (aber eigentlich komplett unnötigen) Pflege ihres Enkels vor dem Frust über die neue Lebenssituation drückt, wird der Großvater still und stiller und verliebt sich neu, was die Situation aller verändert. Als alles aus den Fugen gerät, ist es ausgerechnet Max, der die Familie mit Sanftheit und Verständnis zusammenhält.

Meine Meinung:
"Baba Dunjas letzte Liebe" von Alina Bronsky hat mich vor ein wenig mehr als zwei Jahren bestens unterhalten und tief berührt und deshalb war ich ganz glücklich, ein weiteres Buch der Autorin lesen zu dürfen. Ich habe es im offenen Bücherschrank gefunden und jetzt innerhalb von wenigen Tagen verschlungen.
Besonders gut gefallen hat mir der leichte, unterhaltsame Stil, der aber immer wieder bitterböse beschreibt und spüren lässt, weshalb es Max in seiner Familie so schwer hat. Die Großmutter definiert sich nämlich ausschliesslich über ihn und seine scheinbare Schwäche, sie macht ihn zu ihrem Projekt, sie stellt sich als seine einzige Rettung dar und schränkt ihn ein, wo sie nur kann. Und trotzdem hat sie mein Mitleid geweckt, weil sich zwischen den Zeilen noch ganz eine andere Geschichte entwickelt. Eine Geschichte von einem grossen Verlust, vom Verlassen der Heimat, vom Vermissen und der Einsamkeit.
Max, der in seiner unschuldigen Sprache erzählt, wie sein Alltag aussieht und wie die Dinge sich um ihn herum entwickeln, hat es mir angetan und seine pragmatische Art passt einfach so gut in diese Geschichte. Obwohl er nicht immer versteht, was um ihn herum geschieht und was die Erwachsenen alles mit sich herumtragen, so ist er in den wichtigen Momenten für sie da und geht doch auch mehr und mehr seinen eigenen Weg.

Meine Empfehlung:
Bronsky versteht es auch in diesem Roman meisterhaft, ihre Charaktere ganz einzigartig, schrullig und anstrengend aber dennoch auch liebenswert zu skizzieren. Sie übertreibt masslos, schreibt mit Witz und Charme und lässt zugleich viel Verständnis für die kleinen und grossen Dramen im Leben ihrer Figuren aufkommen. Das kleine Büchlein empfehle ich euch sehr herzlich weiter und freue mich schon sehr auf weitere Texte der Autorin.

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Veröffentlicht am 18.05.2024

Mitten aus dem Leben gegriffen, eindringlich und sanft erzählt

Welches Königreich
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Inhalt:
Ein drückend heisser Sommer, von der Hitze und von Medikamenten aufgedunsene Körper, träge Routinen, langsam verstreichende Tage und sechs in einer Psychiatrie lebende junge Menschen. Für sie ist ...

Inhalt:
Ein drückend heisser Sommer, von der Hitze und von Medikamenten aufgedunsene Körper, träge Routinen, langsam verstreichende Tage und sechs in einer Psychiatrie lebende junge Menschen. Für sie ist jeder Tag ein Neuanfang, eine neue Chance, ein neuer Versuch. Der Schwere ihres Alltags werden zuweilen äusserst humorvolle Unterhaltungen und Gedankengänge gegenübergestellt, mitten aus dem Leben gegriffen und äusserst sensibel erzählt.

Meine Meinung:
Eigentlich wollte ich mich mit Rezensionsexemplaren zurückhalten, aber die Beschreibung sowie die äusserst kluge und ansprechende Gestaltung haben mein Interesse geweckt. Auf wenigen Seiten lässt Gråbøl ihre namenlose Erzählerin zu Wort kommen, ganz tief in die Gedanken einer Gruppe von in einer Psychiatrie lebenden Menschen blicken. Probleme beim Einschlafen aber auch die Schwierigkeit, an jedem Morgen wieder aufzustehen und neu zu beginnen, sich selber am Leben zu halten und in einen geordneten Alltag und eine Gruppe einzufügen werden eindringlich erzählt. Gråbøl springt mitten in die Szene, es gibt keine Vorgeschichte.

Aufbau und Sprache:
Gråbøls Sätze wirken wie feine, schnell dahinskizzierte Pinselstriche, die langsam ein buntes Bild erahnen lassen. Ihr Buch ist wie eine Momentaufnahme, nur wenige Tage aus einem ganzen Leben und doch stecken so viel Leben, Liebe, Schmerz, so viele Schichten und Gefühle in diesem kurzen Text. Ich bin begeistert und möchte mehr von diesem Stil, dieser Sanftheit und diesem grossen erzählerischen Geschick.

Meine Empfehlung:
"Welches Königreich" ist nicht nur äusserst klug und eindringlich erzählt, die Autorin hat auch eine feinfühlige Sprache gefunden, welche ihre Figuren begleitet, statt sie zur Schau zu stellen. Sie springt in die Szene hinein und verlässt sie ganz lautlos wieder, lässt uns nachdenklich und berührt zurück und weckt Lust auf mehr.

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Veröffentlicht am 08.05.2024

Wichtiger Roman, der gerne drastischer hätte sein dürfen

Und alle so still
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Inhalt:
Es ist scheinbar ein Tag wie jeder andere, aber einzelne Frauen legen sich in einem stillen Protest auf den Boden. Wir sehen Ruth im Zwiespalt zwischen ihrer Verantwortung als Krankenpflegerin ...

Inhalt:
Es ist scheinbar ein Tag wie jeder andere, aber einzelne Frauen legen sich in einem stillen Protest auf den Boden. Wir sehen Ruth im Zwiespalt zwischen ihrer Verantwortung als Krankenpflegerin und ihrer persönlichen Erschöpfung, Elin, die sehr wohlhabend aufgewachsen ist und als Influencerin arbeitet und Nuri, dessen Eltern nach Österreich gekommen sind, in der Hoffnung, sich ein neues Leben aufzubauen und der sich von schlecht bezahltem Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob rettet.
Wir lesen, wie die Menschen sich einander annähern, wie unsere Hauptfiguren sich kennenlernen, wie sie zusehen, wie alles zu entgleiten droht und welche Lösungen sich vielleicht daraus ergeben könnten.

Meine Meinung:
Natürlich wusste ich, worauf ich mich in etwa beim Lesen einlassen würde, an diesem Buch kommt man ja seit Wochen nicht mehr vorbei, aber ich hatte Rezensionen und Beschreibungen bewusst bloss überflogen, um mich ganz auf das Buch einlassen zu können. Ich bin sehr gut in die Geschichte gekommen und habe vor allem Ruth sofort ins Herz geschlossen. Fallwickl hat sich ausführlich mit der Arbeit im Gesundheitssystem auseinandergesetzt und dies wunderbar in die Figur und die Beschreibungen einfliessen lassen. Ruth war es auch, die mich wirklich zu Tränen gerührt hat und deren Umgang mit der Situation mich am stärksten beeindruckt hat. Mir hat aber auch sehr gut gefallen, dass Fallwickl mit Nuri einen ebenfalls vom System benachteiligten Mann, einen Menschen mit Migrationshintergrund, der weit unter dem Existenzminimum (über-)lebt und seine Ausbildung abgebrochen hat, um Geld verdienen zu können, portraitiert. Der Roman zeigt auf, dass eben nicht nur Frauen von vorherrschenden Strukturen benachteiligt werden, sondern dass gesamthafte Lösungen uns allen helfen würden.

Sprache und Aufbau:
In gewohnt sehr detailliert und poetisch beschreibender Sprache entwickelt Fallwickl diese Geschichte und springt einfach mitten in die Szene hinein. Dies hat mir persönlich sehr gut gefallen. Wir alle wissen, was Sache ist, ein überlastetes System bricht zusammen, die Menschen, die es mit letzter Kraft zusammenhalten, brechen zusammen und eine Lösung dafür gibt es nicht oder zumindest nicht über Nacht. Nach und nach wurde die Geschichte zäh und zäher und die Dialoge wirkten für mich immer theatralischer. Hier hätte ich mir mehr Schlichtheit aber auch mehr Schlagkraft gewünscht. Ich bin aber sehr froh, dass Fallwickl dem Grundsatz treu geblieben ist, positive, von Liebe geprägte und unterstützende Beziehungen zwischen Frauen darzustellen.
Das Ende des Romans habe ich mit eher gemischten Gefühlen erwartet, wusste ich doch, dass es aus der im Roman mit den sich hinlegenden Frauen überspitzt dargestellten Situation nicht wirklich einen Ausweg geben würde. Fallwickl hat aber einen guten, sehr passenden und eher offenen Schluss für diese Geschichte gefunden und insgesamt haben mich natürlich vor allem der Inhalt, aber auch der Aufbau und die Sprache sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
Lest ihn, den feministischen Roman der Stunde. Lasst euch ein auf dieses was-wäre-wenn-Gefühl, fühlt euch getragen von weiblicher Solidarität und Liebe, von der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die zusammenspannt. Diskutiert dieses Buch, kritisiert es, wenn ihr mögt, zieht eure Lehren daraus und transportiert dann positive, unterstützende Gefühle aber auch viel Aktivismus in euer Umfeld, eure Freund*innenschaften und eure Familien.

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Veröffentlicht am 07.05.2024

Spannend und tiefgründig

Das Nachtfräuleinspiel
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TW: Vergewaltigung, emotionale und körperliche Gewalt, auch an Kindern

Inhalt:
Liane van der Berg ist Vorzeigemutter und Ehefrau, gefeierte Psychologin und Familientherapeutin sowie erfolgreiche Buchautorin ...

TW: Vergewaltigung, emotionale und körperliche Gewalt, auch an Kindern

Inhalt:
Liane van der Berg ist Vorzeigemutter und Ehefrau, gefeierte Psychologin und Familientherapeutin sowie erfolgreiche Buchautorin und Fernsehfrau. Doch dies ist nur das Bild, das sie von sich in den Medien und in ihrem Umfeld abgeben will. Eines Tages erhält sie einen rätselhaften Brief und weitere Szenen aus ihrer Vergangenheit scheinen sich plötzlich wieder in ihr Leben zu schleichen. Jemand treibt ein böses Spiel mit ihr und sie muss dieser Person unbedingt auf die Schliche kommen, bevor alle ihre sorgsam gehüteten Geheimnisse ans Tageslicht kommen.

Meine Meinung:
Anja Jonuleit hat mich im April kontaktiert und weil ihre Nachricht so lieb und aufmerksam formuliert war, wollte ich ihre Bücher unbedingt kennenlernen und habe mir "Das Nachtfräuleinspiel" ausgesucht und dazu auch gleich noch ihren neusten Roman "Kaiserwald" bekommen.
Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie sehr ich die Protagonistin verabscheut und das Buch gleichzeitig gemocht habe, Jonuleit beweist hier wirklich ein Händchen für ihre Figuren, aber auch eine grossartige Recherchearbeit. Sie verknüpft geschickt eine Sage mit einem Karnevalsbrauch und einer tragischen Familiengeschichte. Vor allem im Bereich der Pädagogik hat sich die Autorin mit der viel kritisierten Festhaltetherapie und der Waldorfschule befasst und einige entsprechende Szenen in ihre Geschichte einfliessen lassen. Im Nachwort geht sie noch einmal ausführlich sowohl auf den Karnevalsbrauch als auch auf ihre Recherchen zur Pädagogik ein.

Schreibstil und Aufbau:
Während wir es anfangs mit einem rätselhaften Brief und einer vermeintlich harmlosen älteren Dame zu tun haben, tauchen wir mit jedem Kapitel tiefer in das Leben einer nach aussen hin glücklichen Familie ein und lüften Geheimnis um Geheimnis. Ausserdem wird die Geschichte immer spannender und bedrohlicher. Wer steckt hinter den böswilligen Anschlägen auf Liane van der Berg? Wo wird diese Geschichte noch hinführen? Vor allem am Ende konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen und auch wenn sich irgendwann abzeichnete, worauf alles hinauslaufen würde, hat mich auch der Schluss sehr überzeugt.

Meine Empfehlung:
"Das Nachtfräuleinspiel" hat mich mit seiner tiefgründigen Geschichte überrascht und gefesselt und ich bin froh, dass sich Anja Jonuleit bei mir gemeldet hat, ich werde sicher bald weitere Bücher der Autorin lesen und "Kaiserwald" liegt ja bereits schon hier. Herzliche Leseempfehlung!

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