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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2018

Intrigen im Sultanspalast

Der Architekt des Sultans
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Jahan, ein indischer Junge, kommt als Elefantenführer des weißen Elefantenbullens Chota an den Hof des Sultans. Istanbul, die prächtige und auch heute noch wunderschöne Stadt, hat viel zu bieten. Allerdings ...

Jahan, ein indischer Junge, kommt als Elefantenführer des weißen Elefantenbullens Chota an den Hof des Sultans. Istanbul, die prächtige und auch heute noch wunderschöne Stadt, hat viel zu bieten. Allerdings ist das Leben im Palast für den gefühlvollen Jahan aus verschiedenenGründen nicht ungefährlich. Ein finsteres Geheimnis, missgünstige Tiertreiber, eine Freundschaft mit Balaban, dem Oberhaupt einer Zigeunerfamilie und die anmutige Sultanstochter Mirimah gehören zu seinem Alltag. Und natürlich Chota, um den er sich aufopferungsvoll kümmert und der für viel Aufsehen sorgt.
Jahan schließt Bekanntschaft mit dem berühmten Hofarchitekten Sinan und wird einer von dessen vier Schülern. Er hilft mit beim Bau vieler prächtiger und berühmter Gebäude. Aber auch hier lauern Gefahren, unerklärliche Unfälle ereignen sich.
Elif Shafak breitet ein Panorama des mittelalterlichen Osmanischen Reiches aus, schildert lebendig Sitten des Alltags im Sultanat, weckt Bewunderung für die architektonischen Meisterwerke jener Zeit, die teilweise auch heute noch beeindrucken.
Leider bleiben Jahan und Sinan ein wenig blass, obwohl ständig von ihnen die Rede ist.
Trotzdem: ein sehr interessanter historischer Roman, den ich gern gelesen habe.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Wie wird man zu einer Eiskönigin?

Die Königin der Orchard Street
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Als russische Juden in bitterer Armut leben - nein, das wollen Malkas Eltern nicht und beschließen, zu einem Onkel nach Südafrika auszuwandern. Durch Trickserei aber lotst sie der Vater aber nach Amerika, ...

Als russische Juden in bitterer Armut leben - nein, das wollen Malkas Eltern nicht und beschließen, zu einem Onkel nach Südafrika auszuwandern. Durch Trickserei aber lotst sie der Vater aber nach Amerika, dem Land, in dem "...die Pflastersteine aus Gold sind und Milch und Honig in den Bächen fliessen." Ernüchtert findet sich die sechsköpfige Familie in einem Zimmer einer Mietskaserne wieder. Das verzeiht Malkas Mutter ihrer Tochter nie. Sie zwingt die Mädchen, Geld zu verdienen - sonst gibt es nichts zu essen. Malka, gerade sechs Jahre alt, geht kreativ vor: sie singt, ihre jüngere Schwester tanzt, für je einen Penny; und für einen weiteren Penny hören sie damit auf.
Als sie wieder einmal ihren Vater sucht, wird sie von einem Eiswagen angefahren und wacht in einem Krankenhaus auf. Bis zur Hüfte in Gips. Der Vater bleibt verschwunden, die Mutter verstößt das Kind: "Sie ist häßlich, ein Krüppel, nutzlos." Letztendlich nimmt der Fahrer des Eiswagens, Mr. Dinello, sie zu sich. In seinem Heim wird sie als Arbeitssklavin ausgenutzt, ungeliebt, verspottet. Trotzdem lernt sie einiges über Eisherstellung und Vertrieb.
Den Kontakt zu ihrer Familie verliert sie bald ganz und lässt sich sogar taufen. Auf einen Gehstock angewiesen, unterernährt und unscheinbar kämpft sie sich durch. Als ihr die Liebe begegnet, heiratet sie den attraktiven, aber schüchternen und stotternden Bert trotz aller Widerstände. Hinter ihrem Rücken bootet Familie Dinello sie aus und lässt sie mittellos auf der Straße stehen.
Ehrgeizig und voller Wut schafft sie sich mühevoll und mit vielen Rückschlägen ein Eisimperium und wird zu Amerikas Eiskönigin, sogar mit eigener Fernsehshow. Alles gut? Nein....
Diese Malka, umgetauft in Lilian, macht es Einem nicht leicht, sie zu mögen. Von Menschen, von denen sie geliebt werden möchte, wird sie ausgenutzt. Den, der sie liebt, brüskiert sie. Erst im Alter lässt sie ein wenig Nähe zu. Herrschsüchtig, hartherzig will sie ihr Imperium nicht nur halten, sondern immer noch vergrößern. Sie nimmt Rache, verstösst gegen Gesetze, stets misstrauisch verprellt sie ihre Mitmenschen. Einzig ihr Enkel findet Zugang zu ihr. Auf eigene Art bedankt sie sich....
"Die Königin der Orchard Street" zeigt Amerika aus der Sicht europäischer Einwanderer von 1913 bis zum Ende der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts. Glanzvolle Fassaden, Not, Elend, davon geprägte Gefühle - authentisch und nachvollziehbar; ein spannendes Buch. Gut zu lesen, beeindruckend.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Nie mehr zum Arzt

T.R.O.J.A. Komplott
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Schöne Idee - nicht mehr zum Arzt müssen, Nanobots im Körper erfassen Krankheiten, können heilen.....Jeder hat sie implantiert bekommen, medizinische Diagnose, nötige OPs; alles easy. Da kann doch niemand ...

Schöne Idee - nicht mehr zum Arzt müssen, Nanobots im Körper erfassen Krankheiten, können heilen.....Jeder hat sie implantiert bekommen, medizinische Diagnose, nötige OPs; alles easy. Da kann doch niemand etwas dagegen haben.... Na gut, zuviel ungesunde Lebensweise wird bestraft, aber das ist doch im Interesse aller, die Gesundheitskosten sind ja sonst nicht mehr in den Griff zu bekommen. Sieht man ein, besonders wenn man ein 21-jähriger, ehrgeiziger Amerikaner ist, der zum Special-Agent ausgebildet wird und für sein Vaterland eintreten will. Dumm nur, dass er und große Teile der Bevölkerung nicht wissen, was mit den Nanobots noch möglich ist: lückenlose Überwachung und Kontrolle. Keine Selbstbestimmung. Und: Programmierung auf Krankheit/Tod missliebiger Personen, ständige Aufenthaltsortung, Blick durch die AUGEN der "Zielperson" auf die Umgebung.....Horrorvorstellung. Wozu? Natürlich geht es -wie immer- um Macht und Profit. Dafür geht man über Leichen.
Nun wieder zu Nico. Beglückt, nach Schwierigkeiten doch als Agent eingesetzt zu werden, geht es bald zu seinem ersten Auftrag. Eine junge Frau soll ihn zu einer Zielperson, die die Regierungschips deaktivieren kann, führen. Anschließend Liquidierung.
Beta, eine junge Frau mit unkonventionellem Lebensstil, hat ihre eigenen Probleme. Auf sie wurde ein Mordanschlag verübt, Geld und Wohnung hat sie nicht mehr, eine Nachricht zwingt sie, sich auf einen gefährlichen Weg zu begeben. Eine Begegnung Nico /Beta ist vorprogrammiert. Und bringt Action, viele Überraschungen, Erkenntnisse.
Sehr spannend geschrieben, supergut zu lesen, ich hab das Buch in einem Rutsch verschlungen. Ganz zum Schluss leichte stilistische Schwächen, aber trotzdem: ein tolles Leseerlebnis.
Erschreckend realistisch, was Wissenschaft zu leisten vermögen könnte, besonders in den falschen Händen. Machtlos die Unwissenden. Bewunderswert die engagierten Akteure. Besonders wichtig: Aufklärung und Transparenz, Mut, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Situation.

Veröffentlicht am 31.05.2018

Die Welt ist zu laut

Still Chronik eines Mörders
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Karl Heidemann wird mit einem übersensiblen Gehör geboren. Geräusche des täglichen Lebens, die schrille Stimme seiner Mutter, sogar der eigene Herzschlag bereiten ihm unglaubliche Schmerzen; er schreit ...

Karl Heidemann wird mit einem übersensiblen Gehör geboren. Geräusche des täglichen Lebens, die schrille Stimme seiner Mutter, sogar der eigene Herzschlag bereiten ihm unglaubliche Schmerzen; er schreit nahezu unaufhörlich. Erst als sein Vater bemerkt, dass er nur abgeschottet unter der Erde Ruhe findet, ihm Baby- und Kinderzimmer im Keller einrichtet, verstummt er, verfällt in Schweigen. Seine Mutter, nicht beliebt im Dorf, bekommt Depressionen, lässt sich vom großzügig Medikamente verschreibenden Arzt trösten. Dieser wiederum verlässt sie an ihrem Geburtstag und wendet sich ihrer Freundin zu. Just an diesem Tag spricht Karl ein einziges, verhängnisvolles Wort. Er sieht, wie Frieden bringend, beruhigend und Schmerz verschwinden lassend der Tod sein kann. Darin sieht er ein Geschenk, dass er mit Mensch und Tier teilen möchte. Menschliche Verhaltensweisen nur aus gehörten Geräuschen deutend, nahezu isoliert, entwickelt er seine eigenen Wertvorstellungen. Trösten will er einsame, verlassene, verlassen werden könnende oder unglückliche Menschen. Auf seine Art.
Thomas Raab hat ein unglaublich faszinierendes Buch geschrieben. Karls Gedankenwelt so darzustellen, dass man dessen Gefühle und seine Beweggründe als für ihn völlig logische und gütige Handlungen erkennt, ist eine starke Leistung. Schockierend der erste Satz: "Der Tag, an dem Karl starb, war ein guter Tag." Dieser Satz bleibt beim Lesen immer im Hinterkopf. Und wird fragwürdig. Und doch wahr?
Mit Unglauben verfolgt man Karls Weg und weiß, das kann kein gutes Ende finden. Wer hat Schuld?

Veröffentlicht am 31.05.2018

Erfülltes Leben mit Tourette

Sechs Millionen Kekse im Jahr
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Alle Achtung vor Jessica Thom, genannt Touretteshero. Diese sympathische, lebenslustige junge Frau hat das Tourette-Syndrom in stärkster Ausprägung und ist dennoch aktiv und lebensbejahend. Sie erklärt ...

Alle Achtung vor Jessica Thom, genannt Touretteshero. Diese sympathische, lebenslustige junge Frau hat das Tourette-Syndrom in stärkster Ausprägung und ist dennoch aktiv und lebensbejahend. Sie erklärt ohne Selbstmitleid, wie sich ihre Krankheit äußert, wie ihre Umwelt damit umgeht und welche Gefühle sie dabei bewegen. Ein Jahr lang protokolliert sie gewissenhaft ihr Leben.
Vieles war neu für mich, z.B., wie sich Touretter selbst verletzen, wie oft Tics auftreten können, welche Einschränkungen sie hinnehmen müssen. Beleidigende und unüberlegte Äußerungen erschweren täglich den Alltag.
TH berichtet sachlich und humorvoll. Sie hat gelernt, sich ihren Zustand einzugestehen, Hilfen anzunehmen, selbst Verbesserungen anzustreben. Besonders gern arbeitet sie mit Kindern, die sie unvoreingenommen fragen und wie selbstverständlich mit ihr agieren.
Ein starkes Buch mit Hinweisen auf Videos mit Jess auf Youtube, die das Verständnis für diese unheilbare Krankheit noch mehr vertiefen. Sollte gelesen werden.