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Veröffentlicht am 26.06.2021

Unerwartet langweilig

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Tatsächlich kann auch ein Roman von T. C. Boyle ein absoluter Fehlgriff sein. An einer überzogenen Erwartungshaltung kann es nicht liegen, da ich bzgl. des Verlaufs zunächst wenig Erwartungen hatte. Vielmehr ...

Tatsächlich kann auch ein Roman von T. C. Boyle ein absoluter Fehlgriff sein. An einer überzogenen Erwartungshaltung kann es nicht liegen, da ich bzgl. des Verlaufs zunächst wenig Erwartungen hatte. Vielmehr sind es der Aubau des Buches selbst, der Stil sowie die Charaktere, die mich ziemlich enttäuschten. Auch wenn es um den Schimpansen Sam geht, dem Prof. Schermerhorn die Zeichensprache versucht beizubringen, sind die meisten Szenen nicht mit Sam, sondern über Sam: Es wird über ihn geredet, gefachsimpelt, spekuliert, interpretiert und sein Leben verplant. Prof Schermerhorn hat bei seinem Projekt in erster Linie seine Karriere im Sinn, die Studentin Aimee redet sich in ihrer naiven Weltsicht ein, sich für das Wohl des Schimpansen einzusetzen - und der Besitzer von Sam denkt nur an seinen Profit. Das ist übrigens auch derjenige, der Sam zurückfordert - Sam wird nicht von irgendeiner Universität beschlagnahmt, sondern einfach von seinem Besitzer zurückgeholt. Zwar hat Sam selbst auch einige Kapitel, geschrieben aus seiner Sicht, aber die sind recht einfach gehalten und kaum emotionaler, als wenn ein Mensch die Szenen beschrieben hätte.
Platziert hat der Autor das Geschehen in die Zeit Ende der 1970er bis Anfang der 1980er. Anstrengend war seine Entscheidung, viele Szenen, besonders zum Ende hin, aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, und zwar nicht parallel, sondern man macht einen Zeitsprung zurück und erlebt das Ganze nochmal - und wenn man Pech hat nochmal. Überhaupt muss man sich auf einige nicht weiter definierte Zeitsprünge gefasst machen, wodurch man beim Lesen schnell das Zeitgefühl verliert. Wär im Buch nicht angemerkt, dass die Handlung sich innerhalb von 3,5 Jahren abspielt - ich hätte es nicht benennen können.
Ebenso anstregend waren die Charaktere: Der Professor, der erwartet, dass Frauen ihre Ziele für seine Karriere zurückstecken und bei dem ich mir nicht sicher war, ob er wirklich einen Charakter in Sam sah oder doch nur ein Objekt. Aimee in ihrer naiven und weltfremden Art, die sich für Sam hätte einsetzen können, bei der jedoch allein durch ihren Charakter bereits zu Beginn sicher ist, dass ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt sein werden. Und Sam, der mal als niedliches Haustier betrachtet wird, bis er aus Mangel als Möglichkeiten (oder fehlender Selbstbeherrschung?) zu Gewalt neigt und dann plötzlich nur noch das wilde Tier ist, bei Gefahr zum Abschuss freigegeben. Chance vertan, wirklich etwas zu bewegen. Von allen, sowohl von den Charakteren als auch vom Autor selbst.

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Veröffentlicht am 26.06.2021

Der Autor hält der Bestie Mensch den (Wasser-)Spiegel vor

Und der Ozean war unser Himmel
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Ein Spontankauf, den ich nicht bereut habe. Mich machten sowohl das Thema an sich (eine Adaption von Moby Dick) als auch die optische Ausstattung mit den vielen Bildern in blau/schwarz/weiß, teilweise ...

Ein Spontankauf, den ich nicht bereut habe. Mich machten sowohl das Thema an sich (eine Adaption von Moby Dick) als auch die optische Ausstattung mit den vielen Bildern in blau/schwarz/weiß, teilweise mit blutigem rot durchsetzt, neugierig.
In dieser fiktiven Zeit haben die Wale gelernt, ebenfalls auf Jagd zu gehen - auf Menschenjagd, nachdem die Menschen seit langer Zeit Wale jagen und abschlachten. Erzählt wird alles von einer Waldame, die einst den Walen angehörte, welche Jagd auf den teuflischen Toby Wick machten, den gefährlichsten aller Waljäger. Erzählte man sich zumindest, wobei manche ihn für den Teufel selbst, andere nur für eine Legende hielten. Auf dieser Jagd, welche Thema der Erzählung ist, lernt die Walin, sich selbst Bathseba nennend, einen Menschen kennen und beginnt, Jagd und Brutalität an sich etwas genauer zu betrachten.

„Wer den Teufel bekämpft, wird selbst zum Teufel.“
„Vielleicht kann ja aber nur ein Teufel einen Teufel bekämpfen“, sagte ich.
„Doch wenn dieser Kampf zu Ende ist, Bathseba“, sagte er, „bleiben dann nicht nur noch Teufel übrig?“


Erzählerisch sowie optisch einfach genial. Das Besondere ist, dass für die Wale die Wasserlinie der Abgrund ist, und was für den Menschen die Erdanziehung, ist für die Wale der Auftrieb. Entsprechend ist bei den Bildern auch der Himmel unten, das Meer oben. Die Welt der Wale ist mit ihren Städten, Erfindungen und Erlebnissen faszinierend dargestellt, die „Bedrohung Mensch“ regelrecht spürbar. Angst, Verlust, Hass und Zweifel lassen den Leser Bathsebas mutiges Abenteuer auch emotional sehr gut miterleben.
Tiefgründig in jederlei Hinsicht, spannend und emotional bewegend - ein faszinierendes Walabenteuer.

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Veröffentlicht am 16.06.2021

Junger Druide rettet magisches Dorf

Die Chroniken von Mistle End 2: Die Jagd beginnt
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Nachdem Cedrik erfahren hat, dass er ein Druide ist, gerät das magische Dorf Mistle End schon bald in Gefahr, als ein seltenes Buch aus der Bibliothek gestohlen wird. Mit dem Wissen des Buches könnten ...

Nachdem Cedrik erfahren hat, dass er ein Druide ist, gerät das magische Dorf Mistle End schon bald in Gefahr, als ein seltenes Buch aus der Bibliothek gestohlen wird. Mit dem Wissen des Buches könnten Feinde ungehindert über magische Wege eindringen und den Ort in ihre Gewalt bringen. Bei dem wagemutigen Versuch, das Buch zurückzuholen, gelangen Cedrik und seine besten Freunde Emily und Elliot zunächst nach London, wo mächtige Feinde von Mistle End leben, mit denen der dunkle Druide Crutch sich zu einem Schlag gegen Mistle End verbünden will.
Der zweite Band baut auf dem ersten auf, welchen man zum besseren Verständnis gelesen haben sollte. Diesmal weiten sich die Abenteuer des jungen Druiden Cedrik nicht nur bis nach London aus, auch in der magischen Zwischenwelt wartet bereits sein Großvater darauf, Cedrik kennenzulernen. Druide Crutch, der bereits im ersten Band einen starken Hass auf Mistle End erkennen ließ, wird immer stärker und mit ihm die Bedrohung für die Bewohner des Dorfes. Neben weiteren faszinierenden druidischen Fähigkeiten lernt Cedrik zudem neue magische Wesen kennen (das auf dem Cover abgebildete Tentakelwesen spielt hierbei eher eine bedrohliche Nebenrolle), welche mit ihren jeweiligen Besonderheiten spannend zu entdecken sind.
Auch wenn der zweite Band wieder herrlich mitreißend und vielfältig ist, haben mich die Geschwister Emily und Elliot auf ihrer ersten Tour nach London leider sehr genervt: Von Kindern, die in einem toleranten, multikulturellen Ort aufwachsen, hätt ich mir mehr Aufgeschlossenheit gewünscht als dass sie wiederholt Vorurteile gegenüber anderen Wesen von sich geben. Zudem wirkten sie im Verhalten stellenweise sehr anstregend und kindisch, schade, dass der Autor sie so dargestellt hat. Im Laufe des Romans bessert sich dies zum Glück und das Ende macht gekonnt neugierig auf die Fortsetzung rund um Druide Cedrik und das Schicksal von Mistle End.

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Veröffentlicht am 09.06.2021

Spannender Trilogie-Start mit brisanten Themen

Dark Blue Rising (Bd. 1)
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Solange sie sich erinnern kann, lebt Tabby mit ihrer Mutter Cate unter dem Radar der Behörden: Kein Telefon, keine Freunde, niemand kennt ihren Namen. Ein Zufall sorgt dafür, dass das Leben der 16-jährigen ...

Solange sie sich erinnern kann, lebt Tabby mit ihrer Mutter Cate unter dem Radar der Behörden: Kein Telefon, keine Freunde, niemand kennt ihren Namen. Ein Zufall sorgt dafür, dass das Leben der 16-jährigen plötzlich völlig auf den Kopf gestellt wird: Tabby soll als Kind entführt worden sein - von Cate! Ihre echten Eltern warten bereits darauf, ihre Tochter wieder in die Arme schließen zu können. Eine emotional unruhige Zeit beginnt für Tabby. Wem kann sie trauen? Hat Cate sie damals wirklich entführt? Und falls ja - warum? Einzig das Meer bleibt ihr als Konstante, zu dem sie eine ganz besondere Verbindung hat.

Hüte dich vor dem Kreis!

Was für ein geniales Buch! Anfangs lernt man Tabby kennen, wie sie mit Cate zusammenlebt, ständig wie auf der Flucht. Cates Argumente für ihr gewähltes Leben kommen so nach und nach im Roman durch und waren für Tabby bisher plausibel, allerdings ist sie an einem Punkt angekommen, an welchem sie beginnt, so manches in Frage zu stellen. Bis sie duch einen Zufall dazu gezwingen wird, alles Bisherige zu überdenken. Ihre Unsicherheit, ihre anerzogene übersteigerte Skepsis anderen Menschen und Institutionen gegenüber, ist sehr gut dargestellt, ebenso der langsame Wandel von Misstrauen zu Vertrauen den eigenen Eltern gegenüber.
Ihre Verbundenheit zum Meer sowie ihre erhöhte Grundskepsis kommen Tabby allerdings einige Zeit später zugute, als sich nach und nach Hinweise häufen, warum Cate sie als Kleinkind entführt haben könnte. Als Cates Warnung „Hüte dich vor dem Kreis“ plötzlich für Tabby einen Sinn ergibt, ist es jedoch fast schon zu spät und ihr Leben in großer Gefahr.
Meiner Meinung nach hat die Autorin eine sehr gute Entscheidung getroffen, Tabby als Ich-Erzählerin zu wählen. So ist man als Leser stets auf demselben Wissensstand wie sie, erlebt ihre Gedanken und Emotionen mit und kann parallel zur Protagonistin Überlegungen anstellen und Schlüsse ziehen. Ihre zunächst etwas befremdlich wirkende Skepsis, welche Cate ihr anerzogen hat, sorgt dafür, dass sie vieles genauer betrachtet und hinterfragt, statt die Dinge als gegeben hinzunehmen. Zudem sind sämtliche Personen und Situationen sehr authentisch dargestellt und der Erzählstil selbst ist angenehm komplex, spannend und bildhaft. Die Handlung startet zwar zu Beginn mehr mit dem Fokus auf Tabbys Gefühlswelt, gestaltet sich jedoch im Verlauf des Romans als überaus vielschichtig und hat mich mit ihren Rätseln und Gefahren regelrecht in ihren Bann gesogen.
Ein sehr zu empfehlender erster Band einer Trilogie, der zwar zunächst etwas ruhiger startet, dann aber rasant an Tempo aufnimmt. Stilistisch äusserst gelungen und thematisch spannend und vielversprechend.

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Veröffentlicht am 08.06.2021

Willkommen in der Unterwelt von Detroit

Underworld Chronicles - Verflucht
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Einzelgängerin Nora weiß von der Unterwelt, der Welt der Dämonen, Vampire und Trolle, obwohl sie selbst als Mensch nicht dazu gehört. Dennoch hat sie gewisse magische Fähigkeiten wie das Lesen von Erinnerungen ...

Einzelgängerin Nora weiß von der Unterwelt, der Welt der Dämonen, Vampire und Trolle, obwohl sie selbst als Mensch nicht dazu gehört. Dennoch hat sie gewisse magische Fähigkeiten wie das Lesen von Erinnerungen bei Kontakt mit Personen und Gegenständen. Diese Eigenschaft wollen nun die Vampire für sich nutzen, um ihre entführte Artgenossin durch Noras Hilfe wiederzufinden - notfalls unter Zwang. Als eine weitere Angehörige der Unterwelt-Wesen verschwindet, mischen sich noch weitere Personen in die Suche mit ein, unter anderem ein Troll, ein Magier und ein Agent, dessen Wesen Nora nur erahnen kann.
Generell ist Nora eine sympathische und toughe junge Frau, die leider arg an ihrer Vergangenheit zu knabbern hat. Beim Lesen merkt man schnell, dass die Autoren sich an jüngeren Lesern orientiert haben. So wird öfter mal diskutiert, wer auf wen steht oder auch nicht. Zudem haben sie versucht, die Selbstbestimmung der Frau zu thematisieren, dass Frauen sich ihre Partner selbst aussuchen und Männer nicht ungefragt Besitzansprüche auf sie erheben können. Im Ansatz ganz gut, dennoch empfand ich den Punkt als äusserst fragwürdig, dass Nora im Roman die Schuld in die Schuhe geschoben wird, warum Männer meinen, sie ungefragt besitzen bzw missbrauchen zu dürfen - einfach, weil sie so eine starke Anziehungskraft auf Männer ausübt. Ahja. Das stank mir leider zu sehr nach der Ausrede, eine Frau will es ja so, weil sie Minirock trägt und entsprechend schockiert war ich von der Begründung des Verhaltens einiger männlicher Individuen im Roman. Die Charaktere, welche positiv im Roman dargestellt werden wie Troll Terrance, empfand ich als sympathisch und gut gelungen. Bei der Lösung des Entführungsfalles haperte es jedoch wiederum hier und da, vor allem, als statt wichtige Details aufzunehmen und zu verfolgen, ausgiebig in großer Runde über mögliche Besitzansprüche gegenüber Nora diskutiert wird - und dann nichts weiter, keine Datenaufnahme, obwohl bei Entführungen jede Sekunde zählt.
Eine unterhaltsame Urban Fantasy mit diversen Wesen der Unterwelt, die vom Worldbuilding recht interesssant gestaltet ist. Leider hapert es stark an der Ausseinandersetzung mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ und der Kriminalfall selbst, in den Nora hineingezogen wird, läuft nicht so ganz in sich stimmig.

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