Dexter auf Wish bestellt…
How To Kill a Guy in Ten Ways Achtung, die Rezension enthält Spoiler! Vor diesen wird im Text noch einmal gewarnt.
Inhalt
Am Tag arbeitet Millie in einem Bilderrahmengeschäft, in der Nacht verfolgt sie ihre zwei anderen „Projekte“. ...
Achtung, die Rezension enthält Spoiler! Vor diesen wird im Text noch einmal gewarnt.
Inhalt
Am Tag arbeitet Millie in einem Bilderrahmengeschäft, in der Nacht verfolgt sie ihre zwei anderen „Projekte“. Einerseits betreibt sie eine Hotline für Frauen in Not, andererseits sucht sie den Vergew+ltiger ihrer Schwester, um ihn zu töten und ihrer Schwester so endlich einen Neustart zu ermöglichen. Doch auf dem Weg dorthin stolpert sie immer wieder über andere Männer, die eigentlich auch den Tod verdient hätten (wenn es nach Millie geht). Und bevor sie sich’s versieht, hat sie den ersten Mann auf dem Gewissen…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel
Inhaltswarnung: Gewalt gegen Frauen, se+ualisierte Gewalt (bis Vergew+ltigung), M+rd, Blut, psychische Krankheiten, Suizid
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: B+tch, n+ttig
Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:
- Serienkiller*innen
- Psychopathin als Protagonistin
- Selbstjustiz
- (se+ualisierte) Gewalt gegen Frauen/Kinder im Mittelpunkt
- Folgen von Vergew+ltigung, psychische Krankheiten bis Suizid
- schwarzer Humor
- morally grey characters
- absurde Geschichten (eher over-the-top als realitätsnah)
Lieblingszitate
„Ich weiß nicht, ob du schon mal auf der Beerdigung eines Mannes warst, den du ermordet hast, aber wenn nicht, empfehle ich dir hinzugehen. Das ist eine interessante Erfahrung.“ Seite 254
„Das ist bei Frauen tief verwurzelt, dieser Drang, sich Mühe zu geben, egal wie die Umstände sind. Sie können blutend auf der Straße liegen, weil ein Sattelzug sie gestreift hat, und machen sich trotzdem Gedanken, ob sie am Morgen präsentable Unterwäsche angezogen haben.“ Seite 23
„Es ist mit nichts zu vergleichen, dieses Gefühl, wenn man an die eigene Machtlosigkeit erinnert wird. Wenn einem bewusst wird, dass schon eine dieser riesigen Hände einen ausknocken oder unerbittlich festhalten könnte.“ Seite 187
„Hast du diese Angst auch schon mal gespürt? Die Angst, wenn ein vertrauter, gewalttätiger Mann seine Aufmerksamkeit auf dich richtet?“ Seite 295
Meine Rezension
Als ich den Klappentext zu „How to Kill a Guy in Ten Ways“ gesehen und die ersten Seiten der Leseprobe gelesen hatte, war mir sofort klar, dass ich diesen Thriller lesen musste! Schließlich interessiere ich mich als Feministin sehr für das Thema „se+ualisierte Gewalt gegen Frauen“ und bin ein großer Fan von moralisch grauen Figuren und der Serienkiller-Serie „Dexter“. „Dieses Buch ist bestimmt perfekt für mich!“, dachte ich also – und sollte schon sehr bald eines Besseren belehrt werden.
Trotzdem hat es aber auch ein paar Aspekte gegeben, die ich als gelungen empfand. Besonders positiv ist mir hier der oft finstere und schwarze Humor aufgefallen, der sich meist in unangebrachten Kommentaren der Protagonistin offenbart. In einem Moment schmunzelst du, im nächsten fühlst du dich schon wieder schuldig, weil der Kommentar und dein Lachen empathielos und geschmacklos waren. Wer so etwas mag, ist hier definitiv an der richtigen Adresse! Auch den Schreibstil fand ich ganz angenehm und flüssig lesbar – auch wenn er oberflächlich bleibt und sich zu oft in unwichtigen Details verliert und dadurch in eigentlich hochspannenden Momenten immer wieder Spannung rausnimmt (und somit viel Potential verschenkt).
Leider hatte ich aber auch zwei massive Probleme mit dieser Geschichte, die mir ordentlich den Lesespaß vermiest haben und am Ende auch zur Bewertung von gerade einmal zwei Sternen geführt haben. Wer mich kennt, weiß, dass mir sicher nicht jeder Logikfehler sofort auffällt, aber was uns Eve Kellman hier bietet, ist diesbezüglich wirklich auf einem ganz neuen Level.
+++ Achtung, Spoiler ab hier! +++
Könnt ihr euch noch an Dexter erinnern – den freundlichen, sympathischen Serienkiller aus der Nachbarschaft? An den, der immer seine Tatorte mit Plastik ausgelegt hat, damit auch ja nirgends ein Tropfen Blut landet, der zu ihm zurückverfolgt werden kann? Der durchdacht, intelligent und raffiniert vorgegangen ist und nur Leute getötet hat, die es wirklich verdient hatten? Tja, Millie ist das genaue Gegenteil! Quasi wie Dexter – aber auf Wish bestellt. Sie stolpert derart stümperhaft von einem ungerechtfertigten (!) Mord in den nächsten, dass man aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr rauskommt. Dabei hält sie sich aber selbst für unglaublich genial.
Noch unkompetenter ist eigentlich nur die Polizei in diesem Buch, deren Arbeit man sich ca. vorstellen kann wie ein Kind mit verbundenen Augen, das versucht, mit einem Baseballschläger eine Piñata zu treffen, aber in die komplett falsche Richtung schlägt – und dabei noch laut Unbeteiligten von laufenden Ermittlungen erzählt. Ich sage es euch ehrlich, am Ende habe ich nur noch durchgehalten, weil ich wissen wollte, wie ABSURD und IRRWITZIG diese Geschichte überhaupt noch werden kann – und es zeigte sich, dass die Skala (leider) nach oben hin offen ist! DNA-Analysen, sorgfältige Befragungen, Handyortung, ordentliche Auswertung der Videokameras – die Polizei in diesem Buch hat noch nie davon gehört.
So kommt es auch, dass Millie mit all ihren Morden auch noch durchkommt, dass ihre Anwaltsfreundin (angeblich eine Gerechtigkeitsfanatikerin, die aber ihre Ideale von einer Sekunde auf die andere verrät, als wäre es nichts) sie bei ihrem letzten Mord praktisch noch anfeuert und dass sie dann gemeinsam alles Millies Polizisten-Boyfriend in die Schuhe schieben. Das funktioniert natürlich auch problemlos (stellt euch an dieser Stelle ein langes, intensives Kopfschütteln vor). Ich muss aber zugeben, das Ende passt wenigstens zum Rest der Geschichte und ist somit streng genommen nur konsequent – das ist allerdings nicht als Kompliment gemeint…
+++ Spoiler-Ende! +++
Mein zweites Problem war unsere liebenswürdige Protagonistin Millie. Morden kann sie ja von mir aus, aber „morally grey“ heißt für mich nicht, dass die Protagonistin einfach (menschlich gesehen) ein riesiges A-Loch ist! Sie diskriminiert am laufenden Band Leute, betreibt Slut-, Fat- und Ageshaming und lästert über alle Menschen in ihrem Umfeld – sogar ihre angeblichen Freundinnen und ihren lieben Chef. Sie nutzt alle aus, geht (buchstäblich) über Leichen Unschuldiger, ist überheblich, unsympathisch, ständig betrunken und kann weder Empathie noch Reue empfinden (außer für zwei Personen). Ihre einzigen guten Eigenschaften sind ihr Humor und ihre Liebe zu ihrer besten Freundin und ihrer Schwester. Ich fand sie stellenweise unerträglich und konnte ihr unverhältnismäßiges, irrationales und oft einfach törichtes Verhalten mit jeder Seite weniger nachvollziehen.
+++ Achtung, Spoiler ab hier! +++
Meine Abneigung ging so weit, dass ich am Ende nur noch gehofft habe, dass sie wenigstens draufgeht oder im Gefängnis landet – aber nicht einmal diese einfache Freude wird einem von der Autorin gegönnt! Ärgerlich! Aus diesem Grund bleibe ich nicht nur enttäuscht, sondern auch noch unbefriedigt zurück – die schlimmste Mischung von allen.
+++ Spoiler-Ende! +++
Aus feministischer Sicht haben mich zwar die starken, toughen, teilweise auch intelligenten Frauenfiguren überzeugt, aber das Slut Shaming und die anderen Diskriminierungsformen sind natürlich kritikwürdig.
Mein Fazit
Das war leider nichts! Leider hat „How to Kill a Guy in Ten Ways“ überhaupt nicht meinen Geschmack getroffen – dafür war die Protagonistin zu unsympathisch, der Plot zu unlogisch, die Geschichte zu oberflächlich, die Spannung für einen Thriller zu gering. Das konnten auch der flüssige Schreibstil und der finstere Humor nicht mehr retten. Von mir gibt es jedenfalls statt einer Empfehlung ein Kopfschütteln…
Bewertung (in Schulnoten)
Cover / Aufmachung: 3
Idee: 1+ ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4
Tiefe: 4
Umsetzung: 4
Worldbuilding: 3
Einstieg: 2
Ende: 5
Schreibstil: 3
Figuren: 3-4
Protagonistin: 4-5
Spannung: 3-4
Pacing/Tempo: 3
Wendungen: 3
Atmosphäre: 3-4
Emotionale Involviertheit: 4
Feministischer Blickwinkel: 2-3
Einzigartigkeit: 3
Insgesamt:
Note 4