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Veröffentlicht am 26.10.2023

Enttäuschend, konnte mich leider weder fesseln noch berühren…

Das Mädchen, das in den Wellen verschwand
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit vielen Jahren erschüttern heftige Unwetter Minas Heimat und fordern viele Tote. Schuld ist der Meeresgott, der die Gebete der Menschen nicht mehr erhört. Jedes Jahr ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Seit vielen Jahren erschüttern heftige Unwetter Minas Heimat und fordern viele Tote. Schuld ist der Meeresgott, der die Gebete der Menschen nicht mehr erhört. Jedes Jahr wird deshalb ein Mädchen dem Meer geopfert – in der Hoffnung, den Meeresgott zu besänftigen und die Menschenwelt zu retten. In diesem Jahr soll die große Liebe ihres Bruders in die Fluten geworfen werden, doch das kann Mina nicht zulassen. Sie opfert sich selbst. In der Geisterwelt unter dem Meer angekommen, muss sie feststellen, dass auf dem Meeresgott ein Fluch liegt und sie nur 30 Tage Zeit hat, ihn zu brechen, bevor sie selbst stirbt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Blut, Gewalt, Trauer, Tod, nicht-vegane Ernährung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Märchen-Neuerzählungen
- SEHR langsames, ruhiges Erzähltempo
- stellenweise kitschiger und pathetischer Ton
- Unterwasser-Setting
- Geister und Gottheiten
- Flüche
- ein Mädchen muss die Welt retten

Meine Rezension

„‘Der Meergott ist nicht wütend, Mina. Er ist verloren. Er wartet, in seinem weit entfernten Palast jenseits dieser Welt. Auf jemanden, der den Mut hat, ihn zu finden.“ E-Book, Position 191

Wenn es um Göttinnen und Götter geht, bin ich normalerweise raus – zu wenig interessiere ich mich für diese unmenschlich starken, unsterblichen Wesen ohne richtige Probleme (don’t @ me! 😉). In diesem Fall habe ich mich dann aber doch vom Klappentext (asiatische Märchen-Neuerzählungen findet man dann doch nicht so oft auf dem deutschen und österreichischen Buchmarkt) und Cover neugierig machen und von den begeisterten Rezensionen aus dem englischsprachigen Raum mitreißen lassen. Doch war das vielleicht ein Fehler? Diese Frage kann ich im Nachhinein leider nur bejahen, denn es stellte sich schon nach wenigen Seiten heraus: Dieses Buch und ich – wir passen nicht zusammen. Deshalb habe ich heute mal wieder eine „unpopular opinion“ für euch…

Ich wünschte, ich könnte mich an dieser Stelle über Spannungseinbrüche im Mittelteil oder Ähnliches beschweren, aber die Wahrheit ist, dass für mich dieses ganze Buch ein einziger Spannungseinbruch war, ein spannungs- und druckfreier Raum, ein Vakuum. Die Wahrheit ist, dass mich die Geschichte überhaupt nie richtig fesseln und mitreißen konnte, dass ich bis zum Ende nicht richtig darin angekommen bin. Der Schreibstil ist verträumt, das Erzähltempo ist extrem behäbig und langsam (was wohl typisch für asiatische Märchen-Retellings sein soll, wie mir gesagt wurde) und die Story plätschert die ganze Zeit ohne große Höhepunkte vor sich hin. Es gab so viele Momente, die mich emotional aufwühlen hätten sollen, mich aber durch den distanzierten Schreibstil kaltließ. Bei Vorkommnissen, die mir eigentlich ein „O mein Gott!“ entlocken hätten sollen, kam von mir innerlich nur ein müdes: „Okay – und weiter?“

Ich empfand die Erzählweise als unglaublich mühsam, es gab so viele Wiederholungen und es passierte so wenig. Dazu kam der immergleiche Ablauf in der ersten Hälfte: Umgebungsbeschreibungen, „Meine Großmutter hat gesagt…“, Naturbeschreibungen, „Meine Großmutter hat gesagt…“, Umgebungsbeschreibungen, plötzlich wie aus dem Nichts extrem feindselige Dialoge, die eher zu Eniemies-to-lovers-NA-Romantasy-Geschichten gepasst hätten (?), dann wieder Beschreibungen, dann wieder die Oma und so weiter und so fort… Vor allem in der ersten Hälfte musste ich mich förmlich zwingen, Seite um Seite umzublättern – trotzdem dauerte es TAGE, bis ich einen nennenswerten Fortschritt erzielte. Ich habe immer wieder mit dem Gedanken gespielt, das Buch abzubrechen, habe mich selten so gelangweilt.

Vieles blieb mir hier auch einfach zu oberflächlich: Die ständigen Umgebungsbeschreibungen waren so nichtssagend und wenig atmosphärisch, dass das Kopfkino nicht ansprang. Die Figuren wirkten auf mich (mit wenigen Ausnahmen) so flach und unecht und uninteressant wie Pappaufsteller. Die Protagonistin, die als bester und tollster und mitfühlendster Mensch der Welt dargestellt wurde (es nervte irgendwann!) und ansonsten keine nennenswerte Persönlichkeit, keine Ecken und Kanten besitzt, war mir vollkommen egal. Dazu kamen die Liebesgeschichte, die sich zu schnell entwickelt, und die Liebesbekundungen, die sich überstürzt anfühlten, sodass ich Minas Gefühle nicht nachvollziehen und auch nicht nachempfinden konnte (auch wenn der Love Interest Potential hatte und ganz nett war). Themen wie Erwachsenwerden, Familie, Glaube, Emanzipation von gesellschaftlichen Erwartungen, Trauer und Liebe werden nicht mit der notwendigen Tiefe behandelt. Auf keiner Seite konnte ich je vergessen, dass ich hier einen konstruierten, erfundenen Roman vor mir habe – denn genau so fühlt sich dieser Text auch an. Vor allem gegen Ende wurde es mir stellenweise auch deutlich zu pathetisch und kitschig im Ton.

Besonders feministisch fand ich die Geschichte übrigens auch nicht. Ich kann nur dem zustimmen, was ich auf Goodreads in einer Rezension gelesen habe: Frauen und Mädchen treten in dieser Welt hauptsächlich als Ehefrauen, fürsorgliche Mütter und Großmütter und Bräute (eher Spielbälle) der mächtigen, kämpferischen Männer auf – auch wenn es durchaus den einen oder anderen starken Moment und ein paar coole Göttinnen gibt und wenn Geschlechterstereotype hin und wieder gebrochen werden. Aber auch hier habe ich einfach mehr erwartet.

„Ich ‚fühle‘, wie mein Wille bröckelt. Ich bin nicht wie Joon, der ein weiches Herz hat. Ich kann trotzig und grausam sein. Grimmig und nachtragend. Und all das will ich jetzt sein, damit ich den Mut nicht verliere.“ E-Book, Position 304

Doch nicht alles war an diesem Jugend-Fantasy-Roman von Axie Oh schlecht, versteht mich bitte nicht falsch – es gab sie durchaus, die kreativen Ideen (z. B. Fische, die am Himmel ihre Bahnen ziehen), die schönen, die berührenden und gelungenen Momente und magischen Formulierungen. Manche Stellen habe ich mir sogar markiert. Leider können meiner Meinung nach dadurch die gravierenden Schwächen dieses Buches in den Bereichen Spannung, Figurenzeichnung, Plot und Tiefe nicht aufgewogen werden. Deshalb gibt es von mir auch nur 2 Sterne. Ich bin durchaus bereit, dem Genre (asiatische Neuerzählungen von Sagen oder Märchen) noch eine Chance zu geben, der Autorin hingegen eher nicht. Wir zwei passen einfach nicht zusammen.

„In mir steigt sengende Wut auf, von meinem Bauch aus krallt sie sich einen Weg in die Höhe, um mir die Kehle zuzuschnüren.“ E-Book, Position 124

Mein Fazit

Das Jugendbuch „Das Mädchen, das in den Wellen verschwand“ hat leider überhaupt nicht meinen Geschmack getroffen. Es konnte mich weder fesseln noch mitreißen, noch berühren und ich konnte die Lektüre leider nicht genießen, sondern habe mich gelangweilt und durchgequält. Die guten Momente, die es durchaus gab, können für mich die großen Schwächen (Plot, Tiefe, Figurenzeichnung, Spannung) leider nicht aufwiegen. Deshalb gibt es von mir leider keine Leseempfehlung.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 2,5 Sterne
Umsetzung: 2 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 1 Stern
Ende: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Figuren: 2 Sterne
Spannung: 1 Stern
Tempo: 1 Stern
Wendungen: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir zwei Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.09.2023

Gut durchdachter, wendungsreicher Thriller, der allerdings am Anfang nur langsam ins Rollen kommt…

Das siebte Mädchen
0

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In den 90er-Jahren hat die 12-jährige Chloe ihren Vater – einen Serienmörder, der 6 Mädchen das Leben genommen hat – durch Zufall überführt, woraufhin er zu einer lebenslangen ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

In den 90er-Jahren hat die 12-jährige Chloe ihren Vater – einen Serienmörder, der 6 Mädchen das Leben genommen hat – durch Zufall überführt, woraufhin er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. 20 Jahre später ist Chloe eine promovierte Psychotherapeutin, erfolgreich, glücklich verlobt. Doch dann verschwinden plötzlich wieder Mädchen und sie wird von ihrer Vergangenheit, die sie so lange verdrängt hat, wieder eingeholt… Treibt ein Nachahmungstäter sein Unwesen oder wurde damals der falsche Mann gefasst?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens und Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: kurz bis mittel

Inhaltswarnung: Femizid, Gewalt gegen Frauen und Kinder, häusliche Gewalt, Medikamentenmissbrauch, Vernachlässigung von Tieren, Tod von Tieren, Tierquälerei, Blut, psychische Krankheiten, Suizid, selbstverletzendes Verhalten, Gaslighting, Manipulation
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Slow-Burn-Thriller
- unerwartete Wendungen
- ausgeklügelter Plot
- Trauma
- Hauptfigur, die an ihrer Wahrnehmung zweifelt
- verwandt mit einem Serienkiller
- Geschwisterliebe

Meine Rezension

„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, habe ich gelernt, und der Akt, mit dem jemand einem anderen das Leben nimmt, kann viel über diese Person aussagen. Jede Tötungsmethode ist einzigartig, wie ein Fingerabdruck.“ Seite 169

„Das siebte Mädchen“ war dieses Jahr erst mein 4. Thriller (!) – eigentlich ganz untypisch für mich. Jedenfalls haben wir jetzt aber September und mit dem Herbst bricht auch die beste Zeit zum Thriller-Lesen an. Über „Das siebte Mädchen“ hatte ich aus dem englischsprachigen Raum fast nur Gutes gehört. Neugierig hat mich hier nicht nur die Ankündigung gemacht, es verfilmt werden soll, sondern auch die besondere Ausgangssituation: die Tochter eines verurteilten Serienmörders als Protagonistin. Das ist mal eine neue Perspektive, die ich erfrischend fand.

„Was ist, wenn das Zuhause der Ort ist, an dem alles begann? Das Epizentrum des Erdbebens, das die Stadt bis ins Mark erschütterte? Das Auge des Hurrikans, der Familien, Menschenleben, dich zerriss? Alles, was du gekannt hattest?“ Seite 33

Aber ist „Das siebte Mädchen“ wirklich ein Must-read? Meiner Meinung nach nicht. Trotzdem ergeben die immerhin mittelmäßige erste Hälfte und das sehr gelungene, spannende letzte Viertel insgesamt einen soliden Thriller, der mich zufrieden zurücklässt.

Der Einstieg ist mir allerdings nicht wirklich leichtgefallen, da es relativ lange dauert, bis die Geschichte ins Rollen kommt. Wer also auf der Suche nach einem Thriller ist, der von Seite 1 an atemlos spannend ist und abliefert, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Erst ab Seite 138 (ich habe es mir genau aufgeschrieben) fängt der Spannungsbogen langsam an, sich aufzubauen.

Gut gefallen hat mir der einfache, aber doch anschauliche und nicht oberflächliche Schreibstil, durch den sich die Geschichte sehr schnell weglesen lässt. Besonders schön und interessant fand ich hierbei die unheilvollen Vergleiche und Beschreibungen, die oft eigentlich gar nicht zu den idyllischen Momenten passen, die die Protagonistin gerade erlebt – wie zum Beispiel der Geruch nach Verwesung, der ihr in die Nase steigt, als sie sich mit ihrem Verlobten die wunderschöne Hochzeitslocation mitten in der Natur ansieht.

Man merkt schnell, mit Chloe stimmt etwas nicht – egal wie sehr sie sich bemüht, die Fassade der glücklichen Verlobten und erfolgreichen Psychotherapeutin aufrechtzuerhalten. Ihre Vergangenheit, ihr Trauma, lauert immer in den dunklen Ecken, findet immer wieder einen Weg in ihr Leben, einen Weg, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie nimmt heimlich Beruhigungsmittel, leidet unter Ängsten (auch vor der Dunkelheit), Flashbacks (= viele Rückblenden für uns Leser:innen) reißen sie immer wieder aus der Gegenwart, wodurch eine interessante Zeitstruktur entsteht. Chloe ist eine Frau mit einem Problem – und genau das macht sie so interessant.

„Es ist die Erkenntnis, dass überall jederzeit Leichen unter meinen Füßen begraben liegen könnten, von denen die Welt da draußen nichts ahnt.“ Seite 86

Neben der angespannten Grundstimmung hat mir auch der gut durchdachte Plot gefallen, bei dem am Ende alle Puzzle-Teilchen an ihren Platz fallen und einen Sinn ergeben. Themen wie Trauma, Schuldgefühle, psychische Krankheiten und der schwierige Umgang damit, wenn sich ein geliebter Mensch als „Ungeheuer“ entpuppt, werden angemessen tiefgründig behandelt. Dabei erwarten einen als Leser:in gerade im letzten Viertel viele überraschende Wendungen, mit denen man nicht rechnet. Ähnlich wie Chloe fängt man auch an, so gut wie allen Leuten in ihrem Leben zu misstrauen, sie zu verdächtigen, Kleinigkeiten zu viel Bedeutung zuzumessen. Man weiß nicht mehr, ob man Chloes und seiner eigenen Wahrnehmung noch trauen kann. Übrigens habe ich das Hörbuch parallel gehört und fand die Sprecherin, Julia Nachtmann (der Name passt hier perfekt), mit ihrer eher tieferen Stimmfarbe richtig angenehm und überzeugend. Mir hat gefallen, dass sie jeder Figur ihre eigene Stimme und Persönlichkeit gegeben und die Dialoge sehr emotional und ausdrucksstark vorgetragen hat.

Kritisieren kann man neben dem langsamen Tempo in der ersten Hälfte sicher, dass der Thriller stellenweise trotzdem ein bisschen vorhersehbar ist (vor allem für erfahrene Leser:innen des Genres) und dass die Protagonistin thrillertypisch gegen Ende ein paar absolut unnötige, nicht nachvollziehbare Risiken eingeht, weil der Plot das verlangt. Da das in Krimis und Thrillern so häufig vorkommt, kann es mittlerweile verschmerzen.

Aus feministischer Sicht bin ich allerdings zwiegespalten: Einerseits enthält das Buch eine gebildete, beruflich erfolgreiche weibliche Hauptfigur und kritische Kommentare zu Gewalt gegen Frauen und ihren berechtigten Ängsten und Schutzstrategien, andererseits werden jugendliche Mädchen von der Autorin mit einem derartigen gruseligen Male Gaze (dt. männlichen, objektifizierenden, sexualisierenden Blick) beschrieben, wie man ihn eigentlich nur einem Mann zutrauen würde. Auch das oder andere Rollenklischee wird leider reproduziert. Zudem gibt es auch eine problematische Liebesszene, in der ein Mann eine Frau ohne Absprache plötzlich würgt, in der SIE sich aber dann bei ihm entschuldigt und sich schuldig fühlt, dass sie die „Stimmung ruiniert“ habe – statt ihm ordentlich die Meinung zu sagen, was sie eigentlich hätte tun sollen.

Mit dem extrem passenden, stimmungsvollen englischen Titel „A Flicker in the Dark“ kann der deutsche – „Das siebte Mädchen“ (ziemlich nichtssagend) – leider auch überhaupt nicht mithalten. Als düstere Verfilmung im Stil von „Gone Girl“ sehe ich bei diesem Buch allerdings trotzdem viel Potential – das könnte richtig gut werden und ich werde sicher einen Blick riskieren. Das neue Buch der Autorin („Was verborgen ist“) wartet übrigens auch schon auf meinem SUB (= Stapel ungelesener Bücher) und wird bestimmt bald seine Chance bekommen.

Mein Fazit

„Das siebte Mädchen“ ist ein Slow-Burn-Thriller, der mich durch seine Langsamkeit lange Zeit nicht so richtig gefesselt, später aber dann doch noch überzeugt hat. Das lag am flüssigen Schreibstil, der unheilvollen Grundstimmung, dem Fokus auf Trauma und psychische Krankheiten, dem gut durchdachten Plot, den unerwarteten Twists und dem starken Ende. Von mir gibt eine Leseempfehlung – allerdings nur für geduldige Thriller-Fans.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 5 Sterne ♥
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Tempo: 2 Sterne
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 3 Sterne
Einzigartigkeit: 3 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2023

Wollte es hassen, hab mich stattdessen verliebt… Jahreshighlight! ♥

Das Reich der sieben Höfe – Dornen und Rosen
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Spoilerfreie Rezension!

Klappentext (Lovelybooks)

Als die junge Jägerin Feyre im Wald einen Wolf tötet, erscheint eine furchteinflößende Kreatur. Und verschleppt Feyre in das Reich der Fae. Bald entdeckt ...

Spoilerfreie Rezension!

Klappentext (Lovelybooks)

Als die junge Jägerin Feyre im Wald einen Wolf tötet, erscheint eine furchteinflößende Kreatur. Und verschleppt Feyre in das Reich der Fae. Bald entdeckt Feyre, dass Tamlin, ihr Entführer, ein Prinz der Fae ist. Gefangen an seinem Hof merkt Feyre, dass ihre Gefühle sich Tamlin gegenüber ändern und keine Legende, die sie je über die trügerisch schönen, mächtigen Fae gehört hat, kann das ändern. Doch was Feyre nicht weiß: Tamlin ist verflucht…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 2 von 5
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis länger

Inhaltswarnung: Gewalt (auch gegen Frauen), Blut, Folter, explizite S+x-Szenen, Prostitution, Tod von Tieren, Tierquälerei
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: H+re (aber für beide Geschlechter), Weib

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- starke weibliche Hauptfigur
- Romantasy, aber mit gut durchdachtem Plot & Worldbuilding
- Liebesgeschichte: enemies to lovers (dt. von Feindschaft zu Liebe)
- Märchen-Neuerzählungen („Die Schöne und das Biest“)
- Magie und magische Wesen (Fae, Gestaltwandler:innen)
- unerwartete Wendungen
- Setting: Frühling
- Kampf gegen das Böse / David-gegen-Goliath-Geschichte

Meine Rezension

„Wenn er aus Prythian kam, wenn er irgendeine Art Fae war, dann drohten mir noch ganz andere Gefahren als die, gefressen zu werden. Wenn er ein Fae war, dann sollte ich mich umdrehen und weglaufen, so schnell ich konnte.“ Seite 9

„Das Reich der sieben Höfe“ (im Englischen oft als ACOTAR abgekürzt) gehört sicher zu den bekanntesten und gehyptesten Romantasy-Reihen auf Bookstagram, in der Blogger:innen-Szene und generell auf dem Buchmarkt. Da ich über die Jahre immer wieder auch sehr negative Rezensionen zur Reihe gesehen hatte, habe ich sie über viele Jahre bewusst gemieden. Doch heuer hat mich der Instagram-Algorithmus schließlich mürbe gemacht, der mir immer wieder Reels zu den Büchern in die Vorschläge gespült hat: Mir reichte es! Ich wollte endlich diese Reels verstehen, ich wollte endlich mitreden können! Schnell war der Entschluss gefasst, Band 1 zu lesen, und genauso schnell war eine Gruppe mit Gleichgesinnten für eine Leserunde gefunden. Das gemeinsame Lesen und Diskutieren hat großen Spaß gemacht, danke dafür!

„Was für eine verfluchte Macht besaßen sie, dass sie ihr Reich so anders gestalten konnten als wir das unsere, dass sie die Jahreszeiten und das Wetter kontrollieren konnten, als wären sie ihnen untertan?“ Seite 65

Da ich damit gerechnet hatte, dass ich das Buch generell, mindestens aber aus feministischer Sicht hassen und auf Bookstagram in meinen Storys „ironisch“ kommentieren würde, traf es mich gänzlich unvorbereitet, als ich gemerkt habe, dass es mir tatsächlich… gefällt. Denn, ja, verdammt, Sarah J. Maas KANN fesselnd schreiben – und zwar so mitreißend, dass man nur so durch die Seiten fliegt und das Buch kaum noch weglegen kann. So anschaulich, dass man alles vor sich sieht und so fantasievoll und atmosphärisch, dass man wirklich vollkommen in ihre Welt eintaucht. Die eine oder andere schöne Stelle im Buch habe ich mir sogar markiert. Ja, das „Reich der sieben Höfe“ ist keine hohe Literatur und nein, es wird keine Buchpreise gewinnen – aber das will es ja auch nicht. Was es hingegen will, nämlich über Stunden richtig gut zu unterhalten, DAS gelingt ihm wunderbar. Nun wollt ihr sicher noch eine Sache wissen: Gab es Logiklöcher? Tja, keine Ahnung! Mit einem aufgewühlten Herzen und Tränen in den Augen lassen die sich so schwer erkennen! Ihr wisst doch, wenn mich ein Buch emotional berührt, bin ich verloren!

Ganz oft habe ich übrigens gehört, dass ACOTAR als „fairy p+rn“ bezeichnet wurde. Leute. Leute! Jetzt mal im Ernst! Zweieinhalb auserzählte S+x-Szenen in über 500 Seiten (E-Book) sind für euch schon P+rnographie? Dann solltet aber niemals einen Blick auf die nachmittägliche Lieblingstelenovela meiner Oma werfen. Absolut skandalös, was da abgeht! Es würde euch wahrscheinlich schockieren. Also kurz: Nein, zumindest ACOTAR 1 ist meiner Meinung nach weder Er+tik-Buch noch „Smut“-Feuerwerk noch „fairy p+rn“! Dazu kommt, dass ich von der Art, wie Sarah J. Maas weibliches Verlangen und die S+x-Szenen beschreibt, regelrecht verzaubert war: Statt den primitiven und ordinären Schilderungen, die ich erwartet habe, wird uns hier ganz kompromisslos der „Female Gaze“ (dt. weibliche Blick) serviert – mit einem Fokus auf Gesichtsregungen und Gefühle, wodurch mal einfach als Leser:in emotional total mitgenommen wird. Ich fand diese Momente jedenfalls sehr passend, sehr ästhetisch (stellenweise fast poetisch) und gar nicht unangenehm beschrieben und habe sie überraschend gern gelesen.

Im Vergleich mit der englischen Ausgabe ist mir allerdings nicht nur aufgefallen, dass stellenweise von Alexandra Ernst nicht nur freier und weniger elegant übersetzt wurde als erhofft (leider!), sondern dass auch die S+x-Szenen stellenweise leicht entschärft wurden – ganz im Gegensatz übrigens zu den ganzen Szenen voller Gewalt, Blut und Folter. Doppelmoral? Ja. Überraschend? Nicht wirklich. Gestört hat mich auch, dass Feyre, eine Frau, immer wieder z. B. als „Ernährer“ usw. bezeichnet wurde – im Englischen gibt es diese gegenderten Formen nicht, im Deutschen aber sehr wohl, und es wäre schon nett und zeitgemäß, wenn dann bei der Übersetzung auch die weibliche Form, nämlich ErnährerIN, verwendet werden würde!

Erfrischend fand ich, dass es einen gut durchdachten Plot (bei dem auch Kleinigkeiten später wichtig werden), ein gelungenes Worldbuilding und viele unerwarteten Wendungen gibt, die einen eiskalt treffen. Mir ist es nämlich auch bei Romantasy wichtig, dass die Handlung (wie hier) eben NICHT nur Beiwerk ist. Dabei ist ACOTAR sicher nicht das tiefgründigste Buch, das ihr je gelesen habt, oder das Buch, das euch zum Nachdenken bringen wird wie kein anderes zuvor – aber es behandelt Themen wie Erwachsenwerden, Emanzipation von der Familie, Liebe, Armut, Unterdrückung, Vorurteile und Freundschaft mit angemessener Tiefe.

Auch die Figurenzeichnung hat mich absolut überzeugt. Die Charaktere wachsen einem ans Herz und wirken nach einer Weile wie echte Menschen; man vergisst total, dass sie ja alle nur fiktiv und erfunden sind. Ein größeres Kompliment gibt es meiner Meinung nach für Schriftsteller:innen nicht! Die Figuren bekommen außerdem fast alle so einen unvergesslichen Auftritt, dass man sie nie mehr vergisst und es unmöglich ist, sie miteinander zu verwechseln. Feyre ist eine starke Protagonistin, die sich nichts sagen lässt, und sich im Laufe der Geschichte glaubhaft weiterentwickelt und über sich hinauswächst.

Tamlin mochte ich als Love Interest (zumindest in diesem ersten Band), obwohl da die Meinungen in unserer Leserunde sehr auseinandergingen und es zu leidenschaftlichen Diskussionen kam. Warum? Tamlin ist sehr sensibel und kein Mann, der hart durchgreift – im Gegenteil, er wird eher passiv und duckt sich, wenn er Druck ausgesetzt ist, aber er hat ein gutes Herz. Gerade das gefiel mir an ihm, weil es mal nicht diese toxische, sondern eine andere Art von Männlichkeit war. Ich konnte sein Verhalten immer nachvollziehen und er tat mir auch leid, denn ein guter Anführer für seinen Frühlingshof ist er sicher nicht. Ich habe allerdings immer ein Herz für die Außenseiter und die Menschen (oder auch Fae), die Fehler machen – also auch für ihn. Eine feministische Analyse lässt mich ebenfalls insgesamt zufrieden zurück, denn es gibt nicht nur eine starke weibliche Protagonistin, die sich auf viele verschiedene Arten durch das Buch kämpft, sondern auch eine mächtige, extrem furchteinflößende Bösewichtin, die gerne einmal die typischen Geschlechterrollen umkehrt und versucht, Fae-Männer in ihr Bett zu zwingen.

Einen halben Stern Abzug gibt es trotzdem, und zwar dafür, dass man gerade am Anfang auf das eine oder andere Klischee trifft und manche negativen Figuren (besonders Feyres undankbare Familie) so überzeichnet werden. An einigen Stellen war es mir auch ein bisschen „too much“ (dt. zu viel) – zu schwülstig, zu pathetisch, zu dramatisch, zu sehr „in your face“. Für Subtilität war da leider wenig Platz. Allerdings wird das im Laufe des Buches dann besser. Mein Hauptkritikpunkt und absoluter Fremdscham-Moment war aber diese komische „Jungfrauen-Zeremonie“ (um nicht zu spoilern, werde ich nicht näher darauf eingehen). Einfach nur cringe und unangenehm – das hätte man sich echt sparen können! Auch Rhysand, der in diesem Band als Antagonist auftritt, leistet sich ziemlich toxisches Verhalten. Den Großteil davon konnte ich ihm verzeihen, als er seine Motive enthüllte, aber zweimal waren seine Handlungen absolut unnötig und grausam (einmal packt er Feyres verletzt Hand, um ihr Schmerzen zuzufügen und ein Argument zu gewinnen, einmal küsst er sie übertrieben grob). Deshalb steht er jetzt im 2. Band (den ich bereits begonnen habe und gerade mit großer Freude lese) bei mir auch „unter Beobachtung“. Jetzt kann er zeigen, wie er wirklich ist und so manches wiedergutmachen – oder auch nicht. Jetzt gibt es jedenfalls keine Ausreden mehr!

Mein Fazit

Meine Grundeinstellung dem Buch gegenüber war am Anfang alles andere als wohlwollend, ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich es hassen würde – doch dann hat mich die Autorin mit jedem Satz mehr um den Finger gewickelt und sich immer mehr in mein Herz geschrieben. War da vielleicht Fae-Magie im Spiel? Wer weiß das schon! Jedenfalls hat mich der erste Band des „Reichs der sieben Höfe“ auf ganzer Linie überzeugt. Er hat mich gefesselt, emotional berührt und viele Stunden lang wunderbar unterhalten. Den Hype hat sich Sarah J. Maas aus meiner Sicht redlich verdient. Für mich war ACOTAR 1 jedenfalls ein Jahreshighlight! Da draußen schwirren ja so viele Rezensionen und Meinungen herum – emotionale Liebeserklärungen und leidenschaftliche Hassreden –, vielleicht ist es an der Zeit, dass auch ihr euch endlich euer eigenes Bild macht. Und wer weiß, vielleicht erwartet den einen oder die andere von euch ja auch (wie mich) eine positive Überraschung?

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4,5 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne ♥
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 4,5 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.09.2023

Sprachlich überzeugende, eindringliche Einblicke in Obsession und Depression

Idol in Flammen
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Für die psychisch kranke Schülerin Akari ist ihr J-Pop-Idol Masaki ihr einziger Lebensinhalt – alles, was zählt. In über 20 Ordnern hat sie feinsäuberlich alles transkribiert, ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Für die psychisch kranke Schülerin Akari ist ihr J-Pop-Idol Masaki ihr einziger Lebensinhalt – alles, was zählt. In über 20 Ordnern hat sie feinsäuberlich alles transkribiert, was der Sänger je gesagt hat – der Rest ihres Zimmers versinkt im Chaos. Als plötzlich berichtet wird, dass Masaki einen Fan geschlagen haben soll, bricht für sie eine Welt zusammmen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präsens
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: keine Kapitel, durchgehender Text

Inhaltswarnung: Gewalt gegen Kinder, psychische Krankheiten, Depression, Suizidgedanken, Obsession, Messie-Syndrom, toxische Eltern-Kind-Beziehung, Essstörung, sich übergehen, Leistungsdruck
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- psychische Erkrankungen im Fokus
- Schulsetting
- ruhige Bücher
- deprimierende Grundstimmung
- Fankultur
- J-Pop
- soziale Medien
- Leistungsdruck
- toxische Eltern-Kind-Beziehung

Meine Rezension

„Mein Idol steht in Flammen. Er soll einen Fan geschlagen haben. Noch ist kein einziges Detail bekannt.“ E-Book, Position 22

Bei „Idol in Flammen“ hat mich vor allem das erfrischend andere Thema interessiert, über das ich noch nie zuvor ein Buch gelesen hatte. Als Jugendliche war ich selbst ein großer Fan von Bands wie „Mumford & Sons“ und „Panic! at the Disco“ – die obsessive Fanliebe vieler K-Pop-Fans konnte ich trotzdem nie richtig nachvollziehen. Von Rin Usami erhoffte ich mir daher einen Einblick in eine fremde Welt.

Doch konnte mich dieser Roman in Novellenlänge (unter 130 Seiten) denn überzeugen? Hier kann ich euch versichern: Ja, das konnte er – auch wenn er stellenweise ganz anders war als erwartet. Denn: Es gibt sie zwar, diese Einblicke in die obsessive Fankultur – Akaris J-Pop-Idol ist der Mittelpunkt ihres Lebens (oder „ihre Wirbelsäule“, wie sie es ausdrückt). Das zeigt sich folgendermaßen: In über 20 Ordnern hat sie feinsäuberlich alles transkribiert, was ihr großes Vorbild je gesagt hat. Auf einem Blog analysiert sie jeden seiner Auftritte im Detail. Sie überlegt sogar, aus seiner Handschrift eine neue Schriftart zu kreieren. Jede DVD von ihm kauft sie sich dreimal, ihr ganzes Geld, das sie mit ihrem Nebenjob verdient, investiert sie in Fanartikel und CDs – und in der Zeitung liest sie nicht einmal ihr eigenes Horoskop, sondern das von Masaki. Ihre ganze Existenz ist auf ihr Idol ausgerichtet, beruht praktisch darauf.

„Ich finde es nicht richtig, nur verheiratet zu sein, wenn es gerade gut läuft, und so halte ich es auch mit meinem Dasein als Fan, also tippe ich: “ E-Book, Position 61

Doch das alles ist eben nur die eine Hälfte des Buches, denn Akari ist auch: psychisch krank. Was genau sie hat, wird nicht näher thematisiert, nur dass es zwei Diagnosen gibt, dass sie ihre Medikamente abgesetzt hat und Termine mit Psychotherapeut:innen schwänzt, weiß man. Ihr Zimmer versinkt im Chaos, ihre schulischen Leistungen sind im Keller, ihre Mutter gibt ihr ständig das Gefühl, dass sie eine Belastung und Versagerin ist und nie genug sein wird. Masaki ist demnach das Einzige in ihrem Leben, das Akari Sinn, Kraft und Antrieb gibt. Deshalb bricht auch ihre Welt zusammen, als ein Shitstorm über ihm niedergeht und berichtet wird, dass er angeblich einen Fan geschlagen haben soll. Obwohl ich nur 2 Tage an diesem Roman gelesen habe, hat er mich nicht kaltgelassen, sondern mich richtig runtergezogen und deprimiert. Man fiebert mit Akari mit, wenn es zum Beispiel um die Beliebtheitswahl geht, aber man durchlebt mit ihr eben auch diese Abwärtspirale, in der sie sich befindet. Wer sich psychisch gerade nicht stabil fühlt, sollte dieses Buch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Auch als Lektüre für den Urlaub kann ich es nicht empfehlen, weil es das Potential und die Macht hat, euch nachhaltig die Stimmung zu ruinieren. Für mich selbst war es jedenfalls eine Erleichterung, als ich die letzte Seite umgeblättert hatte und mich wieder anderen, fröhlicheren Lektüren zuwenden konnte.

„Sie wechselt ihre Gesichtsausdrücke wie Emojis und spricht nur in knappen Sätzen. Bei ihr wirkt das nicht falsch oder aufgesetzt, vermutlich will sie sich selbst bloß so stark wie möglich vereinfachen.“ E-Book, Position 38

Ansonsten hat mir „Idol in Flammen“ von Rin Usami, die 2020 mit nur 21 Jahren in Japan den rennomierten Akutagawa-Literaturpreis als jüngste Preisträgerin der Geschichte (!) gewann, aber wirklich gut gefallen. Ich mochte den einfachen Schreibstil mit den kreativen Metaphern (ich habe mir viele schöne Stellen rausgeschrieben!) und den seltsamen Beobachtungen, ich mochte es, dass ernste Themen wie Leistungsdruck, Depression, das Leben in einer toxischen Familie, Fankultur und Obsession relativ tiefgründig behandelt werden, und auch die beklemmende, lähmende Atmosphäre, die beim Lesen durch Akaris von Passivität geprägtes Leben aufkommt, hat mich überzeugt. Zudem war mir die Protagonistin sympathisch, ich konnte mich gut in sie hineinversetzen und mit ihr mitfühlen, ihr Verhalten war für mich nachvollziehbar. Aus feministischer Sicht gibt es ebenfalls nur Kleinigkeiten auszusetzen (wie z. B., dass man ausschließlich Männer in Führungspositionen antrifft), ansonsten überzeugt das Buch mit seinem „Female Gaze“ (dt. weiblichem Blick) und den vielfältigen, starken Frauenfiguren.

„Beim Schwimmen ist mir das nie aufgefallen, aber vom Rand aus wirkt das Wasser, das über dem gefliesten Wasser Wellen schlägt, irgendwie schleimig. Nicht Schmutz oder Sonnencreme, sondern etwas Abstrakteres, Fleischähnliches scheint sich darin aufzulösen.“ E-Book, Position 59

Doch warum ist „Idol in Flammen“ trotzdem kein Lieblingsbuch geworden? Das liegt vor allem daran, dass sich der Mittelteil streckenweise etwas gezogen hat. Es passiert einfach zu wenig, es gibt dort einen gewissen handlungstechnischen und das Tempo betreffenden Stillstand. Fans ruhiger Bücher wird das nicht stören, aber mir war das nicht genug Spannung. Dass viele Dinge auch offen bleiben und man als Leser:in genauso wenige Antworten wie Akari auf drängende Fragen bekommt, ist zwar realistisch, aber ließ mich auch unbefriedigt zurück. Bei den Nebencharakteren hätte ich mir zudem eine etwas tiefergehende Figurenzeichnung und mehr Farbe gewünscht. Das Ende wird polarisieren – ich selbst fand es etwas inkonsequent, aber ich kann damit leben.

Mein Fazit

„Idol in Flammen“ ist ein Roman, der interessante und tiefgründige Einblicke in obsessive Fankulturen und den Alltag mit einer unbehandelten psychischen Krankheit gibt. Sprachlich und thematisch hat er mir wirklich gut gefallen. Nicht unterschätzen sollte man hier allerdings, wie negativ sich diese Geschichte aufs Gemüt schlagen kann. Durch den Mangel an Spannung und Tempo im Mittelteil ist das Buch hauptsächlich etwas für Liebhaber:innen ruhiger Geschichten mit einem Fokus auf das Innenleben der Figuren. Für mich ist „Idol in Flammen“ ein Roman, den man durchaus lesen kann, den man aber nicht unbedingt gelesen haben muss.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 4 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 3 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Tempo: 3 Sterne
Wendungen: 3 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.08.2023

4,5 Sterne: Auch im Jahr 2023 immer noch eine brandaktuelle und fesselnde Schullektüre!

Die Welle: Bericht über einen Unterrichtsversuch, der zu weit ging. (Ein Buch, das vor rechter Propaganda und blindem Gehorsam warnt)
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Ein junger, engagierter Geschichtelehrer will seinen Schüler*innen mit einem Experiment zeigen, wie es sich anfühlt, in einer faschistischen Gesellschaft zu leben. Doch ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Ein junger, engagierter Geschichtelehrer will seinen Schüler*innen mit einem Experiment zeigen, wie es sich anfühlt, in einer faschistischen Gesellschaft zu leben. Doch schon bald muss er sich fragen, ob er überhaupt noch die Kontrolle über seine immer größer werdende Bewegung hat…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche und männliche Perspektive
Kapitellänge: kurz

Inhaltswarnung: Gewalt (auch Gewalt gegen Frauen), Mobbing, Gehirnwäsche
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: --- ♥

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):

- ethische und philosophische Fragestellungen
- soziale Experimente
- Geschichte
- Politik
- starke weibliche Hauptfigur
- Setting Schule

Meine Rezension

„‚Wie konnten sich denn die Deutschen ganz ruhig verhalten, während die Nazis massenweise Menschen abschlachteten, und dann behaupten, sie hätten von alledem nichts gewusst?‘“ Seite 21

Obwohl die 1981 erstmals erschiene „Welle“ sicher eine der beliebtesten Klassenlektüren überhaupt ist, habe ich es irgendwie geschafft, sie trotz Germanistik- und Lehramtsstudium bis jetzt zu umgehen. Nun, da ich selbst Deutschlehrerin bin, wollte ich natürlich endlich mitreden können und herausfinden, ob das Buch auch heute noch gut mit 13-/14-Jährigen gelesen werden kann.

„‘Nach dem Krieg haben viele Nazis versucht, ihr Verhalten damit zu erklären, dass sie nur Befehle ausgeführt hätten und dass jede Weigerung ihr eigenes Leben gefährdet hätte.‘“ Seite 23

Überzeugt die „Welle“ auch im Jahr 2023 noch aus pädagogischer Sicht und, vor allem, hat sie mich auch persönlich überzeugt? Hier kann ich guten Gewissens auf beide Fragen mit einem deutlichen Ja antworten. Obwohl das Jugendbuch mittlerweile mehr als 40 Jahre alt ist, hat es von seiner Aktualität nichts eingebüßt – gerade in einer Zeit, in der sich die Neuen Rechten verführerischer, volksnaher, moderner präsentieren als je zuvor und in denen rechte Parteien wie die AFD und FPÖ bei Wahlumfragen erschreckend hohe Prozentzahlen erreichen. Die Aufklärung über die NS-Zeit (und die Gefahren von rechtem Gedankengut) und unsere Erinnerungskultur sind auch heute noch unglaublich wichtig, vielleicht sogar wichtiger denn je.

„‘Das ist keine Enschuldigung. […] Sie hatten doch ihre eigenen Augen und ihren eigenen Verstand. Sie konnten selber denken. Niemand befolgt doch blind solche Befehle!‘“
‚Genau das haben sie aber getan‘, wiederholte Ben.“ Seite 23

Dabei überzeugt das Jugendbuch nicht nur mit seiner Kürze von unter 200 Seiten (wodurch auch Lesemuffel nicht eingeschüchtert werden und eine genaue Nachbesprechung möglich ist) sondern auch mit seinem schnörkellosen, aber sehr fesselnden Schreibstil, den tiefgründigen Themen und den ethischen Fragen, die immer wieder gestellt werden. Ständig passiert etwas, das (noch dazu auf einer wahren Begebenheit basierende!) Experiment gerät immer weiter aus dem Ruder; es fällt leicht, bei dieser spannenden Geschichte mitzufiebern. Ein weiterer Pluspunkt dieser Klassenlektüre sind mit Sicherheit die überraschend starken und intelligenten Frauenfiguren, deren Darstellung auch heute noch als zeitgemäß zu betrachten ist, und die Beziehungen auf Augenhöhe (z. B. gerecht aufgeteilte Hausarbeit beim Lehrer:innen-Ehepaar Ben und Christy). In meiner Klasse kam das Buch übrigens auch sehr gut an! Auch Unterrichtsmaterial gibt es dazu genügend, was die Begleitung (die ist bei diesem Buch auf jeden Fall notwendig!) für Lehrpersonen vereinfacht.

„‘Vergiss es! Es ist einmal geschehen, und die Welt hat etwas daraus gelernt. Es wird nie wieder geschehen.‘“ Seite 32

Für 5 Sterne hat es dann aber trotzdem nicht gereicht, denn ich hätte mir einfach von allem noch ein bisschen mehr gewünscht: mehr Seiten, mehr Tiefe, mehr Zeit für die Figurenzeichnung. Manche Entwicklungen gingen mir dann vor allem in der zweiten Hälfte einfach zu schnell. Mir ist zwar klar, dass es sich hier um ein Jugendbuch handelt, aber etwas mehr könnte man den Teens meiner Meinung nach durchaus zutrauen. Die Verfilmung habe ich übrigens auch mit meiner Klasse angeschaut – sie hat sehr polarisiert. Ich persönlich kann damit wenig anfangen, weil nicht nur die Namen gewechselt, sondern auch sonst (zu) viel geändert wurde. Statt auf Buchtreue wird hier auf Drama, billige Schocks und mehr Gewalt gesetzt, was mich leider schlussendlich enttäuscht hat. Wenigstens gibt eine vergleichende Analyse von Buch und Film dadurch viel her.

Mein Fazit

Auch im Jahr 2023 ist „Die Welle“ noch brandaktuell, spannend und regt zum Nachdenken an – das sagt auch meine Klasse. Auch die moderne Darstellung der starken weiblichen Figuren ist gelungen – lediglich etwas mehr Seiten und Tiefe hätte ich mir noch gewünscht. Von mir gibt es jedenfalls eine Leseempfehlung – sowohl fürs jugendliche Zielpublikum als auch für Lehrpersonen.

Bewertung

Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 5 Sterne ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonist:innen: 4 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Spannung: 5 Sterne ♥
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 4 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Feministischer Blickwinkel: 4 Sterne
Einzigartigkeit: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

☆★☆★,5 Sterne

Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Sterne!

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere