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Veröffentlicht am 28.07.2018

Locker-flockiger Jugendroman mit einem Protagonisten, der einem schnell ans Herz wächst

Love, Simon (Filmausgabe) (Nur drei Worte – Love, Simon)
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Kurzrezension mit leichten Spoilern, die länger geworden ist als erwartet.

Inhalt

Schon seit einiger Zeit tauscht der 17-jährige Simon sich mit Blue, einem Schüler seiner Schule, per Mail über seine ...

Kurzrezension mit leichten Spoilern, die länger geworden ist als erwartet.

Inhalt

Schon seit einiger Zeit tauscht der 17-jährige Simon sich mit Blue, einem Schüler seiner Schule, per Mail über seine Wünsche und Geheimnisse aus. Eines dieser Geheimnisse ist die Tatsache, dass Simon wie Blue schwul ist, er allerdings noch nicht bereit ist, sich zu outen. Eines Tages findet jedoch ein Mitschüler die Mails auf dem Schulcomputer und beginnt, Simon systematisch damit zu erpressen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Balzer & Bray / Harperteen
Seitenzahl: 336
Altersempfehlung: 12-17 Jahre
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens
Perspektive: aus weiblicher Perspektive (Cat)
Kapitellänge: mittel bis kurz
Tiere im Buch: + Es wird zwar beschrieben, dass der Protagonist früher gerne angelte, jedoch werden alle Tiere, die im Buch vorkommen (Bieber, der Hund der Familie) sehr gut behandelt und sehr geliebt.

Warum dieses Buch? Verfilmung?

Dafür gab es viele Gründe: Das Buch hat wahnsinnig gute Bewertungen, wird von einem großen Hype umrankt, beschäftigt sich mit einem interessanten Thema (besonders als angehende Lehrerin interessant) und wurde gerade verfilmt. Zum Film möchte ich übrigens gleich eines sagen: Mir hat er wirklich unheimlich gut gefallen, vielleicht sogar besser als das Buch. Ich habe Tränen gelacht, es gab aber ebenso ernste, traurige und wütend machende Momente. Daher möchte ich euch (und engstirnigen / konservativen / homophoben Menschen sowieso) den Film dringend ans Herz legen!

Meine Meinung

Einstieg (+)

Die Story startet mit dem Tag, an dem ein Mitschüler die Mails findet. Ich habe sofort in die Geschichte gefunden und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist sehr einfach, flüssig und angenehm zu lesen, wenn auch nicht besonders poetisch oder erinnerungswürdig. Becky Albertallis locker-flockige, humorvolle Art zu erzählen und die positive, fröhliche Grundstimmung im Buch machen die Lektüre zu einem kurzweiligen, unterhaltsamen Leseerlebnis (perfekt bei einem Jugendroman).

„It was like he had pulled the ideas from my head.
Like the way you can memorize someone’es gestures but never know their thoughts. And the feeling that people are like houses with vast rooms and tiny windows.“ E-Book, Position 451

Englisch (Schwierigkeit 1/3) – leicht

Wenn ihr gerade noch überlegt, ob ihr euch dieses Buch auf Englisch zutrauen könnt: Ja, definitiv – der einfache Schreibstil macht es auch WiedereinsteigerInnen leicht, der Geschichte zu folgen (das Buch eignet sich daher perfekt für Wortschatzarbeit). Mein Tipp: Auf einem E-Reader lesen, dann können die max. 2-3 unbekannten Wörter pro Seite bequem nachgeschlagen werden (meist sind sie aber auch problemlos aus dem Kontext erschließbar).

Inhalt, Themen, Botschaften, Ende & eine kleine Anekdote zum Thema Homophobie unter jungen Menschen (♥)

Abwechselnd begleiten wir Simon und erhalten Einblick in die Mails zwischen ihm und Blue; diese beiden Teile der Geschichte greifen immer perfekt ineinander und verraten uns viel über Simons Innenleben.

Der Jugendroman behandelt Themen, die für die Zielgruppe (aber auch Erwachsenen sei dieses Buch ans Herz gelegt!) relevant sind, wie Selbstfindung, Abnabelung von der Familie, Freundschaft, erste Liebe, Mobbing, Vertrauen und die Konsequenzen von Fehlern. Natürlich steht aber auch noch ein anderes wichtiges Thema im Fokus: der Umgang mit der eigenen Homosexualität und die Befürchtungen rund ums bevorstehende Outing. Ich finde es toll, dass dieses Buch verfilmt wurde, denn so erreicht es bestimmt noch mehr Menschen, fördert damit Toleranz, enttarnt Vorurteile und ermutigt und unterstützt vielleicht sogar so manche/n Betroffene/n. Denn leider werden Homosexuelle immer noch angefeindet, beleidigt oder sogar angegriffen.

Leider ist mir nämlich in letzter Zeit vermehrt aufgefallen, dass immer noch viele Jugendliche und Kinder extrem von ihren konservativen, homophoben Elternhäusern geprägt sind, dass sie nichts über das Thema wissen und bei einem Outing immer noch Angst vor Mobbing haben müssen („Du bist schwul!“ ist immer noch eine beliebte Beleidigung). Dazu eine winzige Anekdote aus dem NachhilfelehrerInnen-Alltag (ich verspreche, dass dies der einzige Bereich sein wird, indem ich das selbstauferlegte Wortlimit sprengen werde): Vor einigen Monaten gab ich einer Gruppe aus mehreren Jungen im Alter von etwa 12-14 Jahren Nachhilfe. Nachdem „schwul“ als Beschimpfung eingesetzt wurde, sagte ich: „Na, und selbst wenn er schwul wäre, wäre doch nichts dabei. Wir sind nicht mehr im Mittelalter, heute darf jeder so leben, wie es ihm gefällt und wie es ihn glücklich macht. Egal ob er Männer oder Frauen oder beides liebt.“ Erstaunt und traurig gemacht hat mich die Reaktion der Kinder: Mit schockiert eingefroren Gesichtern warfen sie sich gegenseitig unsichere, beschämte Blicke zu, als hätte ich gerade etwas absolut Entsetzliches, Schockierendes gesagt wie zum Beispiel ein derbes Schimpfwort. –> Das war mein persönlicher Facepalm-Moment in der letzten Zeit. Das alles hat sich in einer eher ländlichen Gegend abgespielt, dennoch ist die Intoleranz der Jugendlichen für mich unglaublich. Bestimmt hat noch niemand mit ihnen über das Thema gesprochen, etwaige schwule, lesbische oder bisexuelle KlassenkameradInnen haben es mit Sicherheit sehr schwer.

Die Beschäftigung mit dem Thema (es war wichtig, wurde aber nicht irgendwie übertrieben in den Mittelpunkt gerückt, sondern als natürlicher Teil von Simons Leben präsentiert) hat mir an sich gut gefallen, jedoch hätte man beim Dekonstruieren von Klischees und Vorurteilen und generell bei manchen Aspekten noch mehr in die Tiefe gehen können. Hierfür gibt es einen Stern Abzug.

Protagonist (♥)

Simon ist ein komplexer, sich selbst reflektierender, sehr sympathischer Protagonist, der mir beim Lesen durch sein großes Herz und seine authentisch geschilderten Probleme und Ängste sofort ans Herz gewachsen ist. Die meisten Jugendlichen (egal ob weiblich oder männlich) werden sich mit ihm identifizieren können, und auch ich wurde durch die Schilderungen davon, wie er sich durch den täglichen High-School-Wahnsinn kämpft, an meine eigene Schulzeit zurückversetzt.

Figuren (+)

Auch die anderen Figuren sind großteils liebevoll gezeichnet, manche Figuren und ihre Beziehungen untereinander (z. B. Nora, Simons Schwester) hätte die Autorin hierbei noch genauer ausbauen / ausarbeiten können.

Spannung & Atmosphäre (+)

Es wird niemals langweilig, Becky Albertalli kreiert eine Geschichte, deren Ausgang man unbedingt erfahren will. Immer wieder gibt es positive und negative Höhepunkte in Simons Leben, bei denen ich richtig mitfühlen, mitleiden und mich mitfreuen konnte. Toll!

Humor (+)

Der Humor, der immer wieder durchkommt, ist meiner Meinung nach sehr charmant eingearbeitet und konnte mich ebenfalls überzeugen.

Love is in the Air (♥)

Die Liebesgeschichte hat mir sehr gut gefallen; man spürt, wie sich die Zuneigung von Blue und Simon immer stärker aufbaut und ist natürlich mehr als gespannt, wer sich hinter dem mysteriösen Pseudonym versteckt. Das Ende fand ich schön, vielleicht etwas zu märchenhaft (im echten Leben kann das Outing mit Sicherheit auch viel schwieriger sein, da Simon schon in einem recht modernen, toleranten Umfeld lebt), aber es brachte die Geschichte zu einem süßen, runden Ende, das mich sehr zufrieden zurückgelassen hat. Denn genau das wünscht man sich für Simon: dass er glücklich wird.

Geschlechterrollen (+)

Auch bei diesem Punkt kann die Autorin überwiegend punkten: Männer dürfen weinen und Mädchen dürfen stark und wild sein und Jungen verteidigen; Simons Mutter hat außerdem einen Job als Psychologin und wird als sehr intelligent präsentiert. Nicht gefallen hat mir die seltene Verwendung des Wortes „Bit***“, auch wenn es hierbei keine wirklich problematischen Szenen gab. Inwieweit es der Autorin gelungen ist, sich in einen homosexuellen Teenager hineinzuversetzen, kann ich vermutlich nicht wirklich beurteilen (das können nur Menschen, die selbst betroffen sind), aber ich fand ihn sehr authentisch und gut ausgearbeitet. Einen dicken Extrapunkt gibt es zudem dafür, dass auf das Thema Vielfalt und Diversität großer Wert gelegt wurde!

Mein Fazit

„Simon vs. the Homosapiens Agenda“ ist ein flüssig und locker-flockig geschriebener Jugendroman, dessen positive Grundstimmung das Buch zu einer unterhaltsamen, kurzweiligen Lektüre macht. Die Autorin erschafft eine authentische, sehr sympathische Hauptfigur, die einem schnell ans Herz wächst und kann auch mit ihren (diversen) Nebenfiguren überzeugen. Es werden Homosexualität und weitere wichtige Themen aufgegriffen und angemessen behandelt. Jedoch hätte die Autorin bei einigen Aspekten durchaus noch mehr in die Tiefe gehen dürfen. Dieses Buch sollte in jeder Schulbibliothek enthalten sein und auch besonders intoleranten / homophoben Menschen ans Herz gelegt werden. Meine Hoffnung ist, dass dieses emotionale Buch seinen kleinen Beitrag dazu leistet, dass unsere Welt eine freiere, tolerantere, friedlichere und glücklichere wird.

Leseempfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 4 Sterne
Atmosphäre: 4,5 Sterne
Spannung: 4 Sterne
Liebesgeschichte: 5 Sterne ♥
Ende: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Geschlechterrollen: +

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4 zufriedene Lilien!

Veröffentlicht am 22.07.2018

4,5 Sterne: Erfrischende, spannende Dystopie mit starker Protagonistin

Cat & Cole 1: Die letzte Generation
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Spoilerfreie Rezension


Inhalt

Die Zukunft: Menschen, Tiere und Pflanzen lassen sich mit Apps spielend leicht genetisch modifizieren. Mit einem Panel im Arm, dessen Ausläufer den ganzen Körper durchziehen, ...

Spoilerfreie Rezension


Inhalt

Die Zukunft: Menschen, Tiere und Pflanzen lassen sich mit Apps spielend leicht genetisch modifizieren. Mit einem Panel im Arm, dessen Ausläufer den ganzen Körper durchziehen, kann man sich Vampirzähne wachsen lassen, die Haarfarbe ändern, übermenschlich gut sehen und unmenschlich schnell heilen. Die großartigen technischen Errungenschaften werden jedoch von einer gefährlichen Seuche getrübt, die einen Großteil der Menschheit ausgelöscht hat. Die infizierten Körper bersten nach ein paar Tagen und setzen eine hochinfektiöse Staubwolke frei. Die Welt hofft atemlos auf einen Impfstoff – bis dahin gibt es nur einen Weg immun zu werden: indem man das Fleisch eines Infizierten zu sich nimmt. Nach dem unerwarteten Tod ihres Vaters, liegt es in den Händen von Cat, einer talentierten Hackerin, den Impfstoff zu entschlüsseln und die Menschheit zu retten…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe
Verlag: Thienemann-Esslinger
Seitenzahl: 480
Altersempfehlung: 14-17 Jahre
Erzählweise: Ich-Erzähler, hauptsächlich Präsens (& Präteritum)
Perspektive: aus weiblicher Perspektive (Cat)
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Es werden Versuche an Ratten, Affen und vielen weiteren Tierarten besprochen und für akzeptabel und notwendig gehalten, Vögel werden getötet, um mehr über sie herauszufinden. Einmal geht jemand auf die Jagd, um „Druck abzulassen“, er tötet also aus Spaß, was absolut nicht in Ordnung ist! An dieser Stelle wieder mein Verweis – für alle Menschen, denen Tierversuche ein Dorn im Auge sind – zum Verein „Ärzte gegen Tierversuche“, die teilweise schon recht erfolgreich gegen Tierversuche (die aus verschiedenen Gründen sinnlos sind) und für tierversuchsfreie Forschungsalternativen kämpfen.

Warum dieses Buch?

Der Titel klang ehrlich gesagt nach einer 0815-Dystopie (er wird dem Buch gar nicht gerecht), aber der Klappentext konnte mich schlussendlich überzeugen. Diese Geschichte klang sehr frisch und spannend, da konnte ich natürlich nicht widerstehen.

Meine Meinung

Einstieg (+/-)

Es dauerte ein paar Seiten, bis ich vollkommen in der Geschichte angekommen war. Aber spätestens nach dem zweiten Kapitel fieberte ich sehr mit Cat mit.

„Ein Atemzug ist alles, was nötig ist: ein Moment, in dem sich die Lunge mit den unsichtbar schwebenden Viruspartikeln füllt, die sich danach in jeder Zelle meines Körpers ausbreiten werden. Man bekommt Fieber; das Virus vervielfältigt sich; und zwei Wochen später explodiert man wie eine Granate, um jeden in einem Umkreis von einer Meile zu infizieren.“ E-Book, Position 103

Schreibstil (+/-)

Emily Suvada hat einen sehr angenehmen Schreibstil: Er ist flüssig, angenehm lesbar und für ein Jugendbuch im genau richtigen Maße komplex (viele Satzgefüge). Zudem gelingt es der Autorin spielend leicht, Emotionen und Spannung zu erzeugen, so dass man schon recht früh emotional sehr involviert ist. Beeindruckt hat mich auch, auf wie viele verschiedene Arten und wie intensiv die Autorin Schmerz und Angst beschreiben kann.

Obwohl sich der Schreibstil also eigentlich perfekt für die junge Zielgruppe eignet, hatte ich mit einem Aspekt große Probleme: Man merkt, dass sich Emily Suvada, die selbst Mathematik studiert hat, sehr gut mit den Themen Coding, Gentech und genetische Programmierung auskennt und auf viel Hintergrundwissen zugreifen kann. Teilweise sind ihre Erklärungen (die einen großen Teil des Buches ausmachen, aber niemals langweilig waren) jedoch für Anfänger viel zu ungenau. Ich kann es leider überhaupt nicht ausstehen, wenn ich etwas nur halb und nicht im Detail verstehe, weshalb mich die schwammigen Beschreibungen das ganze Buch über wahnsinnig gemacht haben. Und: Wissen Sie zufällig, was Wörter wie „geodätisch“ heißen? Das wurde nämlich beispielsweise nicht näher erklärt. Ich kann mir vorstellen, dass Jugendliche (wenn sie sich nicht gerade in diesem Bereich selbst viel Wissen angeeignet haben) hiermit noch viel größere Probleme haben werden. Hier hätte sich die Autorin besser in die Zielgruppe und generell in LeserInnen, die sich mit dem Thema nicht auskennen, einfühlen müssen.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (♥)

Emily Suvada hat in ihrer Dystopie eine faszinierende, aber auch erschreckende Zukunft erschaffen. Die Autorin hat hier ohne Zweifel eine gruselige, brutale Welt kreiert, die mich vor allem auf den ersten Seiten positiv an das tolle Videospiel „The Last of Us“ erinnert hat. Die Brutalität und Gewalt im Buch könnten für sensible Jugendliche zu viel sein, hier sollte individuell entschieden werden, ob die Geschichte geeignet ist. Jedoch ist sehr positiv anzumerken, dass die Konsequenzen von Gewalt und dem ständigen Überlebenskampf in diesem Buch (im Gegensatz beispielsweise zu „Children of Blood and Bone“ von Tomi Adeyemi) schmerzhaft deutlich aufgezeigt werden. Moralisch richtiges Handeln wird immer wieder thematisiert und steht im Fokus der Geschichte. Dieser Aspekt ist wirklich sehr gut gelungen!

Das Buch beschäftigt sich mit unzähligen verschiedenen, vor allem ernsten Themen: Es geht um Selbstfindung in einer zerstörten Welt, darum, was Familie ausmacht, um zwiespältige Gefühle, um Altruismus, Vertrauen, Überleben, das Bringen von Opfern, moralisch schwierige Entscheidungen, Schuld und noch viel mehr. Eines kann man nach dem Lesen dieses Jugendbuches mit Sicherheit nicht behaupten: dass es sich die Autorin leicht gemacht hätte oder auf Klischees zurückgegriffen hätte. Im Gegenteil – „Cat & Cole: Die letzte Generation“ ist ein Buch, das vielschichtig ist, Tiefe besitzt, und Jugendlichen einiges zutraut. Das ist schön.

Das Ende wartet noch einmal mit einer gänzlich unerwarteten Wendung auf, und obwohl ich irgendwie finde, dass dieses Buch besser als Einteiler konzipiert worden wäre, bin ich dennoch sehr neugierig und freue mich auf den Folgeband.

Protagonistin (♥)

Die starke, komplexe Protagonistin fand ich von Anfang an großartig – sie ist selbstbewusst, intelligent und wild, lässt sich nicht einschüchtern und nichts gefallen. Gleichzeitig ist sie jedoch eine mitfühlende Person mit einem Gewissen, die sich immer wieder die Frage stellt, was die richtige Entscheidung ist. Stellenweise hat mich die mutige Cat, die auch gerne mal stur ist und in ihrem Eifer übers Ziel hinausschießt, an Katniss aus den „Tributen von Panem“ erinnert (großes Lob!). Man merkt, dass die Autorin viele Liebe und Zeit in die Figurenentwicklung gesteckt hat – und das lohnt sich. Die technisch versierte Heldin hat ohne Zweifel Vorbildwirkung für Mädchen, weswegen ich dieses Buch Jugendlichen ohne ein Zögern empfehlen würde. Müsste ich Cat in fünf Worten beschreiben, würde ich sagen: „badass“, mit einem großen Herzen. Und das sind mir die liebsten Protagonistinnen.

„‘Wenn ich dich anweise, in Deckung zu bleiben, musst du mir gehorchen.‘
‚Ich nehme keine Befehle von dir entgegen‘, sage ich, als ich das Gaspedal bis auf den Boden durchdrücke.“ E-Book, Position 1955

Figuren (♥)

Die Figuren sind bis in die Nebenfiguren sehr liebevoll gezeichnet, viele davon sind wirklich sympathisch und wachsen einem schneller ans Herz, als man schauen kann. Vor allem Cole hat etwas in mir berührt, ich fand ihn mit all seinen Macken, Stärken, seiner schlimmen Vergangenheit und seinem Humor einfach wundervoll.

Spannung & Atmosphäre (+)

Auch hier hat die Autorin alles richtig gemacht: Sie hat sich einen interessanten Plot überlegt, der wirklich voller absolut (und ich meine absolut!) unvorhersehbarer Twists und Wendungen steckt, die mich vollkommen überrascht haben und oft sogar richtig baff zurückließen. Geschickt platzierte Cliffhanger ziehen zusätzlich das Tempo an und helfen, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu halten. Trotz dieser Spannung bin ich nicht immer so leicht und schnell im Buch vorangekommen, wie ich mir das gewünscht hätte. Woran das genau lag, kann ich nicht sagen, denn man hätte eigentlich kaum kürzen können, weil ziemlich viel im Buch passiert.

Die Atmosphäre ist immer wieder sehr dicht und schlägt in Sekunden von hoffnungsvoll, romantisch oder glücklich zu actionreich, traurig oder ernst um. Auch dieses Kunstwerk gelingt hervorragend.

Humor (♥)

Es gibt nicht viele lustige Stellen, aber der Humor, der immer wieder (manchmal auch unerwartet) durchblitzt, hat mir sehr gefallen.

Love is in the Air (♥)

Ja, dieses Mal tatsächlich. Zwischen Cole und Cat entwickelt sich eine der authentischsten Liebesgeschichten, von denen ich seit Langem in einem Jugendbuch gelesen habe. Auch wenn mir das Wort Liebe am Ende zu hastig in den Mund genommen wurde, so war ich dennoch sehr angetan – das Knistern, die Chemie und die langsam wachsende Zuneigung zwischen Cat und Cole drang durch die Seiten direkt bis in mein Leserherz. Ich würde mir wünschen, dass sich manche Autorin an Emily Suvada diesbezüglich zum Vorbild nehmen.

Geschlechterrollen (♥)

Man merkt, dass die Autorin eine moderne, feministische Frau ist, denn ihre Hauptfigur ist alles andere als stereotyp: Sie bricht Klischees, indem sie wild, mutig, stark, technisch hochbegabt und ziemlich „badass“ ist. Immer wieder gibt sie den Ton an, durchschaut Dinge schnell und gibt den Männern in ihrem Leben ordentlich Kontra. Doch auch Männer werden nicht in Schubladen gepresst: Sie dürfen stark sein, aber auch weinen, verletzlich, sanft und verliebt sein, können teilweise sehr gut kochen und machen den Abwasch. Emily Suvada ist definitiv eine Bereicherung für das Jugendbuchgenre, weil sie sehr sensibel mit dem Thema umgeht und so mithilft, unsere Zukunft zu einer besseren zu machen, in der sich jedes Geschlecht so entfalten darf, wie es will. Dafür ein Herz!

Mein Fazit

„Cat & Cole: Die letzte Generation“ ist ein innovatives, erfrischendes Jugendbuch, das mit faszinierendem Worldbuilding, einem angenehmen Schreibstil und liebevoll ausgearbeiteten Figuren überzeugt. Die Atmosphäre im Buch ist dicht, die Protagonistin (die mich vage an Katniss erinnerte) ist mutig, stark und hochintelligent (und hat so Vorbildwirkung für Mädchen/junge Frauen). Zahlreiche geschickt platzierte Cliffhanger und vollkommen unerwartete Wendungen kreieren atemlose Spannung. Emily Suvada beschäftigt sich in ihrem Debüt mit ernsten Themen und scheut sich nicht davor, in die Tiefe zu gehen. Geschlechterklischees werden zudem gezielt gebrochen, und die emotionale Geschichte wartet mit einer Lovestory auf, bei der es beim Lesen kribbelt und warm ums Herz wird. Lediglich mehr, anschaulichere, verständlichere und detailliertere Erklärungen zu den Innovationen hätte die Autorin ihrer Leserschaft bieten müssen, dann wäre dieses Buch perfekt gewesen. Aber auch so ist eine wirklich gelungene Jugend-Dystopie daraus geworden!

Den zweiten Band werde ich sehr wahrscheinlich auch lesen.

Leseempfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für Dystopie-Fans!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Worldbuilding: 5 Sterne
Ausführung: 4,5 Sterne
Einstieg: 4,5 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne
Ende: 5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Geschlechterrollen: ♥ (Vorbildwirkung für Mädchen!)

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 4,5 sehr gute Lilien!

Veröffentlicht am 12.07.2018

Ermutigendes Buch mit wichtiger Botschaft: Lasst euch von niemandem aufhalten, Mädchen!

Power Women – Geniale Ideen mutiger Frauen
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Inhalt

Offiziell sind Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt, die Praxis schaut oft leider ganz anders aus. Immer noch werden Frauen beruflich benachteiligt, immer noch wird teilweise von ihnen erwartet, ...

Inhalt

Offiziell sind Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt, die Praxis schaut oft leider ganz anders aus. Immer noch werden Frauen beruflich benachteiligt, immer noch wird teilweise von ihnen erwartet, sich alleine um Kinder und Haushalt zu kümmern. Immer noch hören Mädchen: „Fußball? Mathematik? Naturwissenschaften? Das ist doch etwas für Jungs!“ In Zeiten wie diesen, in denen fälschlicherweise viele Menschen denken, der Feminismus hätte alles erreicht und werde nicht mehr benötigt, brauchen wir ein solches Buch umso mehr. Es erzählt jungen LeserInnen die Geschichten von 25 mutigen Frauen, die sich um gesellschaftliche Erwartungen an ihr Geschlecht nicht gekümmert haben, stattdessen lieber großartige Leistungen gebracht, für Bildung, Gleichberechtigung, die Umwelt oder Menschenrecht gekämpft und die Welt damit verändert haben…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Sachbuch für Kinder ab 10 Jahren
Verlag: Ars Edition
Seitenzahl: 112
Erzählweise: sachlicher Schreibstil (Sachbuch)
Tiere im Buch: +/- Es wird beschrieben, dass eine der Frauen als Kind gerne Ratten jagte (und vermutlich auch tötete).

Warum dieses Buch?

Als Feministin weiß ich, wie wichtig es ist, Kindern, besonders Mädchen, schon in einem jungen Alter zu zeigen, dass sie sich gesellschaftlichen Erwartungen nicht beugen müssen, sondern sich genauso entfalten dürfen, wie sie wollen. Um jenen unangenehmen Menschen entgegenzuwirken, die immer noch behaupten, Frauen hätte in technischen Berufen oder in den Naturwissenschaften nichts verloren, brauchen jungen Mädchen Vorbilder, die ihnen zeigen, dass sie ebenso wie Jungen alles erreichen können, wenn sie nur hart genug dafür arbeiten. Wenn also ein Buch mit dem vielversprechenden Titel „Power Women“ erscheint, muss ich es (auch als angehende Lehrerin) unbedingt lesen.

Meine Meinung

Aufbau & Einstieg (+)

„Du siehst, dieses Buch ist fabelhaft. Aber es gibt etwas, das ist noch fabelhafter.
DU.
Und jetzt blättere um, fang an zu lesen … und dann verändere die Welt.“ Einleitung, S. 7

Der Aufbau ist übersichtlich und abwechlsungsreich. Nach einer kurzen, ermutigenden Einleitung folgen die Porträts der einzelnen Frauen, die jeweils aus einer Zusammenfassung mit einer prägnanten Beschreibung der Frau (wie „ägyptische Powerfrau“ für Cleopatra), einer Kurzbiographie, einem Bild, einem kurzen Steckbrief, einem erinnerungswürdigen Zitat und einer Frage-Antwort-Rubrik bestehen, in der versucht wird, Antworten auf Probleme Jugendlicher zu geben, die denen der wichtigen Persönlichkeit entsprechen. Am Ende des Buches befinden sich noch ein Zeitstrahl, der hilft einzuordnen, wann die verschiedenen Frauen gelebt haben/leben und ein kurzer Test, der einem verrät, welcher von fünf Persönlichkeiten man am meisten ähnelt.

Inhalt (+/-)

Die 25 in diesem Buch vorgestellten Frauen sind sehr gut ausgewählt. Sie stammen aus ganz verschiedenen Epochen, das Buch behandelt sowohl Cleopatra, die 69 v. Chr. geboren wurde als auch Emma Watson, die sich als junge erfolgreiche Schauspielerin heute für Frauenrechte einsetzt. Auch verschiedenste Nationalitäten wurden berücksichtigt, Frauen aus Pakistan, Afrika, England, Polen und Japan werden thematisiert. Es handelt sich also um ein Buch, das auf Diversität großen Wert legt, dafür gibt es schon einmal einen großen Pluspunkt. Die Leistungen der weiblichen Legenden sind vielfältig und reichen von bahnbrechenden Entdeckungen in den Naturwissenschaften über friedlichen Protest gegen Rassismus bis hin zum mutigen Einsatz für Bildung und Umwelt. Jede der Frauen musste auf ihrem Weg zum Ziel gegen vielfältige Hindernissen ankämpfen, aber für jede hat sich der Kampf gelohnt. Für jedes Mädchen ist hier ohne Zweifel jemand dabei, mit dem es sich identifizieren kann. Es ist ein Buch, das Mut macht und Selbstbewusstsein verleiht. „Ihr könnt alles erreichen, was auch ein Mann erreichen kann. Lasst euch von niemandem aufhalten!“, ist die wichtige Botschaft. Dieses Sachbuch leistet vor allem deshalb einen essentiellen Beitrag, weil (auch in der Schule) oft genug noch auf die Leistungen der weiblichen Wissenschaftlerinnen und Menschenrechtlerinnen „vergessen“ wird.

„Garri Kasparow, einer der besten Spieler aller Zeiten, sagte einmal über Judit Polgár: ‚Sie ist ein riesiges Schachtalent, aber sie ist nun mal eine Frau … Keine Frau kann eine lange, zermürbende Schlacht durchstehen.‘ Natürlich irrte er sich. Und we änderte seine Meinung, nachdem er 2002 zum ersten Mal von einer Frau besiegt wurde – nämlich von Judit Polgár.“ S. 92

Obwohl die Idee also ohne Frage eine großartige, dringend notwendige ist, gibt es kleinere Schwächen bei der Ausführung. Zum einen waren mir die Biographien oft zu sachlich und kurz, es wurde sehr wenig auf die Persönlichkeiten der Frauen eingegangen. Die oft nüchternen Beschreibungen ihrer Leben könnten schnell langweilig auf das Zielpublikum wirken. Hier hätte ich mir spannendere Texte gewünscht, die einen bleibenderen Eindruck hinterlassen, auf einer tieferen Ebene berühren/nachhallen und ein besseres Gefühl für die beschriebene Person vermitteln. Auch die Frage-Rubriken und den Test am Ende fand ich zwar sehr charmant und eine tolle Idee, teilweise aber etwas zu oberflächlich umgesetzt. Nicht gefallen hat mir, dass sich manche Ratschläge wiederholten und dass oft der erste Satz lautete: Was XY getan/gesagt hätte, wissen wir leider auch nicht, aber wir denken… Hier hätte man den Platz nutzen können, um bessere Antworten zu geben. Beim Test am Ende hätte ich zudem nicht nur auf die Porträts verwiesen, sondern die Persönlichkeit der Frauen noch einmal prägnant zusammengefasst, damit man auch ein unmittelbares Ergebnis erhält. Dennoch finde ich die Idee, in einem Sachbuch für Kinder/Jugendliche auch auf den Erfahrungshorizont der Zielgruppe einzugehen, das Buch so zugänglicher zu machen und mit dem interaktiven Test die LeserInnen aktiv werden zu lassen, sehr modern und gelungen. Wenn beim nächsten Buch noch ein paar Anpassungen vorgenommen werden, kann dieser Aspekt zu einer großen Bereicherung werden.

Schreibstil (+/-)

Den Schreibstil fand ich prinzipiell sehr gelungen. Er glänzt stellenweise durch Lockerheit und Humor, ist oft jedoch auch sachlich und nüchtern. Möglicherweise jedoch zu trocken und nüchtern für die junge Zielgruppe. Gut fand ich, dass unbekannte Begriffe oft sofort in Klammer erklärt wurden, nicht so gut gefallen hat mir allerdings, dass der Wortschatz an manchen Stellen für das junge Publikum nicht passend war. Was können 10-Jährige zum Beispiel mit (Fach)Worten wie „Tunneln“, „ausgebootet“ und „Bewusstseinsstrom“ anfangen, wenn sie nicht näher beschrieben werden? Hier hätte ich mir manchmal noch zusätzliche Erklärungen gewünscht.

Illustrationen (+)

Die Illustrationen sind wundervoll, farbenfroh und lebendig und decken verschiedene Kunststile ab. Nicht jede Zeichnung traf hier ganz meinen Geschmack, dennoch sind sie, objektiv betrachtet, alle sehr gelungen und zeigen die Frauen entweder in interessanten, charakterstarken Nahaufnahmen oder in aktiven, teilweise kämpferischen Posen, die sehr gut die Persönlichkeit einfangen. Und da es hier so eine große Vielfalt gibt, ist bestimmt für jeden Geschmack etwas dabei.

Geschlechterrollen & Vielfältigkeit (♥)

Da es sich hier um ein feministisches Buch handelt, das Mädchen ermutigt, Großes zu leisten und auf gesellschaftliche Erwartungen nichts zu geben, und da verschiedenste Frauen aus aller Welt vertreten sind, erhält dieses Buch hier alle Punkte! Juhu!

„All die männlichen Helden senkten ergeben das Haupt; nur die zwei Schwestern erhoben sich stolz, um das Land zu rächen.“ Vietnamesisches Gedicht aus dem 15. Jahrhundert, zitiert im Buch auf Seite 15

Mein Fazit

„Power Women“ ist ein wichtiges Buch, das Mädchen ermutigt, stark, mutig und selbstbewusst zu sein und sich von niemandem (auch nicht den gesellschaftlichen Erwartungen) aufhalten zu lassen. Dieses Buch präsentiert eindrucksvolle Vorbilder, die mit ihren großartigen Leistungen die Welt verändert haben. Der Aufbau ist sehr übersichtlich und abwechslungsreich, die Idee, auf den Erfahrungshorizont der Kinder einzugehen, wundervoll. Dennoch gibt es sowohl beim Schreibstil als auch was die Tiefe betrifft kleinere Schwächen (stellenweise eher trockene Biographien, die nicht wirklich berühren/nachhallen), die dazu führen, dass ich einen Stern abziehe. Dennoch sei dieses Buch allen Eltern, Patenonkeln/-tanten etc. und Kindern ans Herz gelegt, denen Gleichberechtigung ein wichtiges Anliegen ist (und das sollten ohnehin alle sein, denn wer würde schließlich wollen, dass ein Geschlecht benachteiligt wird?). Auch wenn das Buch also nicht perfekt ist, gibt es von mir eine Kaufempfehlung!

Empfehlung: Dringende Kaufempfehlung, besonders als Geschenk für Mädchen. Aber auch Jungen wird es nicht schaden, herauszufinden, welche tollen Leistungen diese 25 Frauen erbracht haben und dass Frauen ebenso großartig sein können wie Männer.

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Struktur: 5 Sterne ♥
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 3,5 Sterne
Illustrationen: 4,5 Sterne
Tiefe: 3 Sterne
Vielfältigkeit: ♥
Rollenbilder: ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch erhält von mir vier gute Lilien!

Veröffentlicht am 11.07.2018

Grandioses Debüt: hochspannend, atmosphärisch, emotional & tiefgründig

Der Kreidemann
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Spoilerfreie Rezension


Inhalt

Vor dreißig Jahren traf Eddie den Kreidemann auf einem Jahrmarkt. Durch ihn wurden er und seine Freunde auf die Idee gebracht, sich mithilfe von Kreidezeichnungen an ...

Spoilerfreie Rezension


Inhalt

Vor dreißig Jahren traf Eddie den Kreidemann auf einem Jahrmarkt. Durch ihn wurden er und seine Freunde auf die Idee gebracht, sich mithilfe von Kreidezeichnungen an verschiedenen Orten zu verabreden. Doch eines Tages passierte etwas Schreckliches: Die Kreidefiguren führten die jungen Freunde in einen Wald, wo sie einen furchtbaren Fund machten. Dort lag die Leiche eines jungen Mädchens. All dies ist nun viele Jahre her und eigentlich hat Eddie mit seiner Vergangenheit abgeschlossen, doch eines Tages erhält er einen mysteriösen Brief. Darin enthalten: eine Zeichnung und ein Stück Kreide… Was hat das zu bedeuten? Und hat die Vergangenheit jemals wirklich geruht?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Verlag: Goldmann
Seitenzahl: 384
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens & Präteritum
Perspektive: aus männlicher Perspektive (Ed) Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: -/+ Es wird ein Hund vergiftet, er leidet sehr und stirbt. Gleichzeitig wird das Tier jedoch umsorgt und sehr geliebt. Einmal wird erwähnt, dass ein Vogel mit einem Stein von seinem Leid „erlöst“ wird.

Warum dieses Buch?

Das Cover hat mich im ersten Moment ziemlich abgeschreckt. Ein typischer 0815-Thriller dachte ich, erst die begeisterten LeserInnen-Meinungen haben mich einen erneuten Blick auf dieses Buch werfen lassen. Und das war eine sehr, sehr gute Entscheidung…

Meine Meinung

Einstieg (♥)

Dieses Buch hat mich vom ersten Wort an begeistert. Der Buchbeginn ist unheimlich und ich befand mich sofort mitten in der Geschichte, konnte mitfiebern und mitfühlen. Schon lange ist mir der Einstieg nicht mehr so einfach und angenehm gelungen.

Schreibstil (♥)

C. J. Tudor hat einen wundervollen Schreibstil, der mich in seinen Bann gezogen hat. Die Autorin ist eine talentierte Geschichtenerzählerin, die einen sofort auf eine Reise in Eds Welt mitnimmt. Es scheint unglaublich, dass man hier ein Debüt vor sich hat. So angenehm und flüssig, so präzise und gelungen zeigt sich die Sprache. Die Sätze wirken routiniert, und obwohl das Buch stellenweise relativ dialoglastig ist, wird der Schreibstil niemals banal oder oberflächlich. Im Gegenteil – C. J. Tudor hat hier einen Thriller voller Tiefe, Spannung und Emotionen geschaffen, der genau jene Leute ansprechen sollte, die auch von diesem Buchgenre mehr erwarten als bloße Spannung. Die Sprache ist angenehm komplex, enthält wundervolle Beobachtungen menschlicher Verhaltensweise und enthält faszinierende, „weise“ Wahrheiten.

„Wenn unsere Welt eine Schneekugel wäre, war dies der Tag, an dem irgendein Gott vorbeigeschlendert kam, sie einmal kräftig durchschüttelte und wieder hinstellte. Und nachdem Schaum und Flöckchen sich gesetzt hatten, war nichts mehr wie zuvor. Nicht genau wie zuvor. Durchs Glas mag es genauso ausgesehen haben wie vorher, aber im Inneren war alles anders.“ Seite 9

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (♥)

Endlich: Der Stephen King für alle, denen Stephen King zu sehr ausschweift, wurde publiziert. Tatsächlich weist das Buch einige Parallelen mit dem dicken Wälzer „Es“ auf, wie sogar vom Autor selbst beobachtet wurde, jedoch wirkt es keinesfalls wie eine Kopie. Hauptsächlich betrifft dies den Erzählstrang, der sich mit Eds Kindheit im Jahre 1986 beschäftigt: Eine Gruppe Freunde macht eine furchtbare Entdeckung, die sie auch in der Gegenwart (2016) immer noch nicht ganz losgelassen hat. Die Autorin zeichnet ein authentisches Porträt des Lebens in den 80ern, lässt wie in „Es“ ein Mädchen Teil der Gruppe sein. Auch die umheimliche Atmosphäre erinnert ans genannte Werk – „Es“ habe ich aber damals nach ca. 200 Seiten abgebrochen, weil mir King zu ausschweifte. Wer also immer schon King-Stimmung erleben wollte, aber auf weniger Seiten, der sollte definitiv zu diesem Prachtexemplar von einem Thriller greifen.

Aber auch der zweite Handlungsstrang in der Gegenwart weiß zu überzeugen. Es ist sehr interessant zu sehen, was aus Ed und seinen Freunden geworden ist. Vor allem dem Protagonisten der Geschichte haben die 30 Jahre, die vergangen sind, nicht gutgetan: Er hat ein Alkoholproblem, wirkt verloren und planlos, fühlt sich so älter als manch 75-Jähriger. Mehr als einmal wünscht man sich unbedingt, dass er endlich das Glück findet.

In „Der Kreidemann“ wird nicht brutal drauflosgemetzelt – nein – der Thriller zeichnet sich oft durch ruhigere Töne aus, nimmt sich Zeit für seine Figuren und ernsten Themen wie Schuld, Familie, Angst, Liebe, Missbrauch und Gewalt (und der Umgang damit in den 1980ern), Einsamkeit und die oft schrecklichen Konsequenzen von eigentlich gut gemeinten Handlungen. C. J. Tudor erschafft einen Thriller, der ein tiefgründiges, rundes Ganzes ergibt und der mir fast perfekt erschien. Lediglich die Auflösung konnte mich nicht vollkommen überzeugen, dennoch lässt die Autorin im Anschluss das Buch sehr emotional und wirkungsvoll enden.

Protagonist & Figuren (♥)

Die Figuren sind wahnsinnig interessant und liebevoll gezeichnet, man merkt, dass die Autorin hier viel Zeit und Mühe investiert hat. Sie erschafft komplexe, komplizierte Personen mit Eigenheiten, Macken und Geheimnissen, die von ihrer Vergangenheit gezeichnet wurden. Dabei sind die Charaktere stets authentisch, handeln nachvollziehbar und sind meist auch ziemlich sympathisch. Das Figuren-Ensemble, das aus vielen verschiedenen Persönlichkeiten besteht, ist bis in die Nebenfiguren einzigartig, dreidimensional und sehr gelungen. Ich wünschte, es gäbe mehr Thriller wie diesen!

Spannung & Atmosphäre (♥)

Atemlose Spannung wird man in diesem Thriller nur teilweise finden, dafür aber immer eine unheilvolle, atmosphärisch dichte Grundstimmung, die über der Kleinstadtidylle liegt und die LeserInnen ständig darauf warten lässt, dass etwas Schlimmes seinen Lauf nimmt. Diese psychologische Spannung wird schon am Anfang aufgebaut und von der Autorin bis zum gelungenen Schluss gehalten. Unerwartete Wendungen und gut platzierte Cliffhanger sorgen für Neugier und so manchen Gänsehaut-Moment. In Eds Geschichte gibt es viele traurige, ernste, schockierende, aber auch viele schöne Momente: Intensive Freundschaften und erlebnisreiche Sommertage kennzeichnen seine Kindheit. Und weil die Figuren so echt wirken, gelingt es der Autorin spielend leicht, bei ihren LeserInnen große Emotionen zu wecken.

Geschlechterrollen & Diversisät (-/+)

Der einzige Bereich, bei dem das Buch nicht ganz bei mir punkten konnte. Zwar gibt es durchaus auch in Eds Kindheit starke Frauen (Nicky, die Mutter), die sehr erfolgreich oder selbstbewusst sind. Auch entspricht Nicky keinen Rollenstereotypen, ebenso dürfen auch Männer weinen, weniger erfolgreich sein als die Ehefrau, kochen und backen. Jedoch blitzt vor allem im früheren Erzählstrang immer wieder durch, was von Frauen erwartet wurde/wird und statt der weiblichen Form wird gerne die männliche benutzt (Idiot, Freund). Andeutungen, dass Männer nur als Singles kochen müssten (weil das in einer Beziehung ja dann selbstverständlich die Frau zu übernehmen hat, furchtbar!) und dass Kochen Frauenarbeit sei, haben mir nicht gefallen, spiegeln aber wohl sehr treffend die Einstellungen der damaligen Zeit wider, weswegen ich hier nicht so streng bin. Auch das Wort „Schlam**“ wird mehrmals benutzt, leider auch von Kindern, dazu werden auch „politisch unkorrekte“ Beleidigungen abgefeuert, die sich auf Menschen mit psychischen Krankheiten, auf Homosexuelle und auf Minderheiten beziehen. Auch dies spiegelt aber wohl die damaligen Einstellungen wider und ich denke, dass dies auch deutlich gemacht werden sollten (durchaus mit einem kritischen Hintergedanken).

Mein Fazit

Endlich: Der „King“ für alle, denen Stephen King zu sehr ausschweift! „Der Kreidemann“ weist Parallelen zu „Es“ auf, ist jedoch keinesfalls eine Kopie. Er ist ein Thriller für all jene, denen atemlose Spannung eben nicht reicht, sondern die auch bei diesem Genre Emotionen, Tiefe und liebevoll gezeichnete Figuren brauchen, um glücklich zu werden. Der Schreibstil ist ebenso wundervoll, und auch wenn der eher ruhige Thriller weniger auf ausufernde Brutalität als auf knisternde psychologische Spannung setzt, so sorgen unzählige unerwartete Wendungen und gut platzierte Cliffhanger dafür, dass es niemals langweilig wird. Beim Lesen kann man gar nicht glauben, dass es sich hierbei um ein Debüt handeln soll! Ich fühlte mich erstklassig unterhalten, habe mitgefühlt und mitgefiebert und nun bleibt mir nur, der „Sunday Times“ zuzustimmen und ihr Zitat etwas umzuändern: Wenn Sie dieses Jahr nur einen Thriller lesen – lesen Sie diesen!

Betrachtet das nächste Buch der Autorin als gekauft, denn ich habe in C. J. Tudor eine neue Lieblingsautorin für mich entdeckt.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Worldbuilding: 5 Sterne
Ausführung: 5 Sterne ♥
Einstieg: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonist: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne ♥
Ende: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Geschlechterrollen: +/-
Tiefgründig!

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien und ein Herz

Dieses Buch bekommt von mir 5 Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.07.2018

Ernüchterung - Buch mit Stärken und Schwächen, Hype nicht nachvollziehbar

Children of Blood and Bone
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Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Orïsha blühte früher vor Leben und Magie. Doch irgendwann wurde dieses Geschenk der Götter von einigen gierigen Magiern missbraucht. König Saran setzte ...

Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Orïsha blühte früher vor Leben und Magie. Doch irgendwann wurde dieses Geschenk der Götter von einigen gierigen Magiern missbraucht. König Saran setzte daraufhin alles daran, auch die letzten Maji zu vernichten. Doch durch einen Zufall fällt Zélie eine magische Rolle in die Hände, und auf einmal scheint es möglich, dass sie gemeinsam mit ihrem Bruder und der aus dem Königshaus fortgelaufenen Prinzessin die Magie zurückbringen kann. Doch wird Zélie es rechtzeitig schaffen? Mächtige Feinde sind der kleinen Reisegruppe jedenfalls dicht auf den Fersen…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 der „Children of Blood and Bone“-Reihe, der Folgeband soll 2019 erscheinen
Verlag: FISCHER FJB
Seitenzahl: 624
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präsens & Präteritum
Perspektive: abwechselnd aus weiblicher und männlicher Perspektive (Inan, Amari, Zélie) Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: -/+ Fische werden gefangen und gegessen, Großkatzen, die als Reittiere genutzt werden, sterben einen grausamen Tod im Krieg und in Schlachten. Gleichzeitig aber auch sehr liebevoller Umgang der Figuren mit ihrem Reittier Nailah, das auch immer wieder gerettet und nie zurückgelassen wird.

Warum dieses Buch?

Das Buch der noch sehr jungen nigerianisch-amerikanischen Autorin Tomi Adeyemi umrankt bereits jetzt ein riesiger Hype in den USA, neuartig und bereichernd sollte es sein – mit einer wichtigen Message. Die Geschichte wird bereits verfilmt. Für mich eine unwiderstehliche Ausgangslage, die natürlich mehr als neugierig machte!

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg gelingt einfach und angenehm, was zum Teil auch am Schreibstil liegt. Am Anfang war ich vom Weltenentwurf sehr begeistert, auch die Figuren mochte ich auf Anhieb. Die Vorfreude stieg.

„‘In jener schicksalhaften Nacht kannte König Saran kein Erbarmen‘, fährt Mama Agba fort. ‚Er nutzte die Hilflosigkeit der Maji und schlug zu.‘“ E-Book, Position 284

Inhalt, Themen & Botschaften (+/-)

Die frische Grundidee und die erfundene magische Welt der Autorin sind sehr vielversprechend. Zudem fand ich die afrikanischen Einflüsse und die Mythologie sehr interessant und habe gerne über die verschiedenen Traditionen, über die Sprache und über die einzelnen Gottheiten und Gaben gelesen. Über das eine oder andere Klischee, über teilweise fehlende Tiefe, über Szenen oder Handlungsmotive, die man so schon hundertmal in anderen Werken gelesen hat, sollte man allerdings hinwegsehen können, wenn man mit dieser Geschichte ein paar schöne Stunden erleben möchte.

Die Message, die der Geschichte zugrunde liegt, konnte mich dafür absolut überzeugen. Es gibt Parallelen zur heutigen Realität (leider!), aber auch zu den dunkelsten Kapiteln der Menschheit. Die Wut, die beim Lesen spürbar wird, wird hinten im Buch durch Anmerkungen der Autorin erklärt. Mit allem, was sie sagt, hat sie ohne Zweifel recht, und der Abschluss des Buches, ihr Appell an die Menschheit, Ungerechtigkeiten nicht einfach hinzunehmen und wegzuschauen, löst (im Gegensatz zu den knapp 600 Seiten davor) Gänsehaut aus:

„[…] doch dieses Buch soll eine Aufforderung sein, Unrecht nicht einfach hinzunehmen. […] Wir alle sind Kinder von Blut und Bein.
Und genau wie Zélie und Amari haben wir die Macht, etwas gegen das Böse in unserer Welt zu tun.
Viel zu lange sind wir in die Knie gezwungen worden.
Erheben wir uns.“ E-Book, Anmerkung der Autorin, Position 7400

Etwas problematisch zu sehen ist die Brutalität des Buches, die empfindsame Jugendliche ab 14 Jahren überfordern könnte. Hier werden Menschen verbrannt, gefoltert, eiskalt ermordet. Auch wenn die Geschichte fiktional ist, könnte man davon ableiten, dass eine gesellschaftliche Veränderung nur mit Gewalt möglich ist. Als schwierig betrachte ich auch die Tatsache, dass schlimmste (selbst ausgeübte) Gewalt viel zu schnell verziehen wird und auch die Folgen nicht ausreichend thematisiert werden. Andererseits befinden sich die Maji (mit Magie beschenkte Menschen) im offenen Krieg, für sie geht es um Leben und Tod. Die Brutalität und die vielen Kollateralschäden sind so zumeist (nicht immer) in gewisser Weise verständlich.

Schreibstil (+/-)

Der Schreibstil ist prinzipiell gut gelungen. Er ist sehr einfach und flüssig zu lesen, ist anschaulich, enthält treffende, schöne Vergleiche und schafft es wundervoll, dass die Emotionen der Figuren bei den LeserInnen auch ankommen. Für die vielen unbekannten Wörter hätte ich mir jedoch ein Glossar gewünscht, da ich mehrmals Worte in einer Suchmaschine nachgeschlagen habe, weil einige nicht ausreichend erklärt wurden. Positiv aufgefallen ist mir, dass bei den Reittieren standartmäßig das generische Femininum verwendet wurde. Vor allem Letzteres ist durchaus als revolutionär zu betrachten.

Jedoch hat die eigentlich angenehme Sprache auch ihre Schwächen. Zum einen wirkt der temporeiche Schreibstil, der beinahe nur aus Hauptsätzen und Hauptsatzreihen besteht, immer wieder unruhig und abgehackt. Auch hat man das Gefühl, dass man dem jugendlichen Zielpublikum eigentlich viel mehr zutrauen könnte. Und zuletzt war ich sehr genervt über die ständigen Ausrufe „Ihr Götter!“ und „Ihr Himmel!“. Leider wurden diese Ausrufe derart überstrapaziert, dass ich nicht verstehe, warum die Wiederholungen nicht vom Ursprungsverlag ausgemerzt wurden. Ich war jedenfalls davon sehr genervt.

ProtagonistInnen, Figuren & Beziehungen (+/-)

Auch hier gab es bei mir gemischte Gefühle: Prinzipiell sind die Figuren gut gelungen, erhalten ihre Stärken und Schwächen und haben alle ihr kleines Päckchen an Sorgen und finsterer Vergangenheit zu tragen. Jedoch konnte ich die Handlungen der Figuren nicht immer nachvollziehen, manchmal fehlte sowohl hier als im Grundgerüst der Geschichte die Logik. Beispiel: Ständig wird die Zeit, in der die HeldInnen einen wichtigen Ort erreichen können, praktischerweise nach hinten verschoben. Ständig heißt es dann: Wenn wir JETZT losgehen, können wir noch rechtzeitig dort sein. Und warum nimmt man sich die Zeit, noch gemütlich einem Fest beizuwohnen, wenn einem gefährliche Feinde auf den Fersen sind, wenn es um jede Minute geht und wenn von einem die Rettung des ganzen Volkes abhängt? Tja, ich weiß es auch nicht! Fragt am besten Zélie und ihre Gefährten.

Zudem sind die Figuren nicht immer sympathisch. Zélie kann bisweilen sehr impulsiv (dabei dumm) und gemein sein, bringt durch ihr Verhalten einmal sogar ein ganzes Dorf in größte Gefahr (Stichwort: unlogischen Verhalten), verzeiht einem attraktiven Jüngling ziemlich schnell, dass er unzählige Menschenleben auf dem Gewissen hat. Über Inan möchte ich am liebsten gar nicht reden. Er war schwer greifbar und austauschbar, seine ständigen Meinungsänderungen haben mich fast in den Wahnsinn getrieben. Diese Antipathie, die sich zwar bei Zélie immer mehr legte, war vermutlich auch der Grund dafür, dass ich nicht so mitfühlen und mitfiebern konnte, wie ich wollte. An manchen Stellen war mir egal, was mit den Figuren passierte, ich hätte leider nicht mit der Wimper gezuckt, wenn sie gestorben wären.

Interessanterweise konnten mich die Nebenfiguren oft viel mehr begeistern. Sie erschienen mir dreidimensionaler und weniger formelhaft. Wundervoll fand ich beispielsweise den mysteriösen Roën – hier hätte ich sehr gerne noch viel mehr erfahren.

Love is in the Air (-)

Die Entwicklung der zentralen Liebesgeschichte (die zweite Lovestory fand ich glaubwürdiger) ging mir trotz einiger durchaus gelungener (aber auch klischeehafter) Szenen viel zu schnell und sendet fragwürdige Botschaften an die junge Leserschaft. Richtiges Kribbeln habe ich nicht gespürt, auch wenn sich die Autorin ohne Frage viel Mühe gegeben hat. Aber die ganzen Toten, die der Love Interest auf seine Schultern geladen hatte, konnte ich (im Gegensatz zu manchen anderen Leuten) dann doch nicht ganz vergessen.

Spannung & Atmosphäre (-)

Hier bin ich zwiegespalten, auch wenn die negativen Aspekte für mich überwogen haben. Einerseits gibt es durchaus sehr spannende Stellen, tolle, actionreiche Kämpfe und manche unerwartete Wendung, andererseits ist vieles eben auch sehr vorhersehbar, viele Wendungen können daher (trotz gut gesetzter Cliffhanger) nicht überraschen. Das letzte Viertel des Buches war wieder spannend, hier konnte ich das Buch dann auch schwerer aus der Hand legen, aber vor allem im Mittelteil zog sich die Geschichte für mich sehr. Ich bin nur sehr langsam und weitergekommen, hätte stellenweise am liebsten abgebrochen. Weniger Seiten, weniger kleine Höhepunkte (die Autorin hat sich sehr viel für ihre Geschichte vorgenommen) und mehr große, die ordentlich aufgebaut werden, hätten dem Buch ohne Frage gutgetan.

Geschlechterrollen (♥)

Hier kann die Geschichte ohne Frage punkten. Die Autorin benutzt das generische Femininum –die männlichen Tiere sind großzügigerweise mitgemeint. Zudem sind die Frauenfiguren sehr rebellisch, kriegerisch und stark. Sie lassen sich absolut nichts gefallen, wehren sich, sind frech und wild und mutig. So muss das in einem Jugendbuch sein (Vorbildwirkung!). Und: Die Männer, die oft doch noch recht klassisch dargestellt werden (Krieger, Sportler, hart, versuchen, die Mädchen zu beschützen), dürfen immerhin weinen. Dafür gibt es einen dicken Pluspunkt!

„Mut kann im Verborgenen wachsen, sagte sie damals. Tapferkeit in der Dunkelheit erblühen.“ E-Book, Position 342

Mein Fazit

„Children of Blood and Bone“ ist ein Debüt mit vielen guten Ansätzen und viel Potential, das jedoch leider nicht so genutzt werden konnte, wie ich mir das gewünscht hätte. Der Schreibstil ist einfach, aber auch abgehackt, die diversen Figuren sind prinzipiell gut ausgearbeitet, aber auch klischeehaft, teilweise unsympathisch und handeln stellenweise sehr unlogisch. Die Liebesgeschichte besitzt zwar durchaus ihre schönen Momente, sendet aber durch die Vorgeschichte der Liebenden eine mehr als fragwürdige Botschaft an die jungen LeserInnen. Was die Spannung betrifft, war das letzte Viertel sehr gelungen, in der Mitte kam ich jedoch nur sehr langsam und zäh voran. Positiv fand ich die Message der Autorin, ihren Aufruf, endlich bei Ungerechtigkeiten nicht mehr tatenlos zuzusehen und das frische, magische, afrikanisch beeinflusste Worldbuilding. Auch mit den starken Frauenfiguren und der Verwendung des generischen Femininums (zumindest bei den Rittlingen) konnte das Buch bei mir punkten. Daher mein Urteil: „Children of Blood and Bone“ ist ein Buch mit Stärken und Schwächen, das aus einem wichtigen Antrieb heraus geschrieben wurde und eine wichtige Botschaft enthält. Den Hype kann ich aber leider nicht verstehen.

Ob ich den Folgeband lesen werde, ist noch nicht entschieden. Sehr gespannt bin ich allerdings auf die Verfilmung.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Worldbuilding: 4,5 Sterne
Ausführung: 3 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
ProtagonistInnen: 3 Sterne
Nebenfiguren: 4 Sterne
Atmosphäre: 3,5 Sterne
Spannung: 2,5 Sterne
Liebesgeschichten: 2-3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2-3 Sterne
Geschlechterrollen: ♥

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3 ernüchterte Lilien!