Wollte es hassen, hab mich stattdessen verliebt… Jahreshighlight! ♥
Das Reich der sieben Höfe – Dornen und Rosen Spoilerfreie Rezension!
Klappentext (Lovelybooks)
Als die junge Jägerin Feyre im Wald einen Wolf tötet, erscheint eine furchteinflößende Kreatur. Und verschleppt Feyre in das Reich der Fae. Bald entdeckt ...
Spoilerfreie Rezension!
Klappentext (Lovelybooks)
Als die junge Jägerin Feyre im Wald einen Wolf tötet, erscheint eine furchteinflößende Kreatur. Und verschleppt Feyre in das Reich der Fae. Bald entdeckt Feyre, dass Tamlin, ihr Entführer, ein Prinz der Fae ist. Gefangen an seinem Hof merkt Feyre, dass ihre Gefühle sich Tamlin gegenüber ändern und keine Legende, die sie je über die trügerisch schönen, mächtigen Fae gehört hat, kann das ändern. Doch was Feyre nicht weiß: Tamlin ist verflucht…
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Band 2 von 5
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel bis länger
Inhaltswarnung: Gewalt (auch gegen Frauen), Blut, Folter, explizite S+x-Szenen, Prostitution, Tod von Tieren, Tierquälerei
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: H+re (aber für beide Geschlechter), Weib
Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen (dieser Abschnitt ist inspiriert von @sassthxtic auf Lovelybooks):
- starke weibliche Hauptfigur
- Romantasy, aber mit gut durchdachtem Plot & Worldbuilding
- Liebesgeschichte: enemies to lovers (dt. von Feindschaft zu Liebe)
- Märchen-Neuerzählungen („Die Schöne und das Biest“)
- Magie und magische Wesen (Fae, Gestaltwandler:innen)
- unerwartete Wendungen
- Setting: Frühling
- Kampf gegen das Böse / David-gegen-Goliath-Geschichte
Meine Rezension
„Wenn er aus Prythian kam, wenn er irgendeine Art Fae war, dann drohten mir noch ganz andere Gefahren als die, gefressen zu werden. Wenn er ein Fae war, dann sollte ich mich umdrehen und weglaufen, so schnell ich konnte.“ Seite 9
„Das Reich der sieben Höfe“ (im Englischen oft als ACOTAR abgekürzt) gehört sicher zu den bekanntesten und gehyptesten Romantasy-Reihen auf Bookstagram, in der Blogger:innen-Szene und generell auf dem Buchmarkt. Da ich über die Jahre immer wieder auch sehr negative Rezensionen zur Reihe gesehen hatte, habe ich sie über viele Jahre bewusst gemieden. Doch heuer hat mich der Instagram-Algorithmus schließlich mürbe gemacht, der mir immer wieder Reels zu den Büchern in die Vorschläge gespült hat: Mir reichte es! Ich wollte endlich diese Reels verstehen, ich wollte endlich mitreden können! Schnell war der Entschluss gefasst, Band 1 zu lesen, und genauso schnell war eine Gruppe mit Gleichgesinnten für eine Leserunde gefunden. Das gemeinsame Lesen und Diskutieren hat großen Spaß gemacht, danke dafür!
„Was für eine verfluchte Macht besaßen sie, dass sie ihr Reich so anders gestalten konnten als wir das unsere, dass sie die Jahreszeiten und das Wetter kontrollieren konnten, als wären sie ihnen untertan?“ Seite 65
Da ich damit gerechnet hatte, dass ich das Buch generell, mindestens aber aus feministischer Sicht hassen und auf Bookstagram in meinen Storys „ironisch“ kommentieren würde, traf es mich gänzlich unvorbereitet, als ich gemerkt habe, dass es mir tatsächlich… gefällt. Denn, ja, verdammt, Sarah J. Maas KANN fesselnd schreiben – und zwar so mitreißend, dass man nur so durch die Seiten fliegt und das Buch kaum noch weglegen kann. So anschaulich, dass man alles vor sich sieht und so fantasievoll und atmosphärisch, dass man wirklich vollkommen in ihre Welt eintaucht. Die eine oder andere schöne Stelle im Buch habe ich mir sogar markiert. Ja, das „Reich der sieben Höfe“ ist keine hohe Literatur und nein, es wird keine Buchpreise gewinnen – aber das will es ja auch nicht. Was es hingegen will, nämlich über Stunden richtig gut zu unterhalten, DAS gelingt ihm wunderbar. Nun wollt ihr sicher noch eine Sache wissen: Gab es Logiklöcher? Tja, keine Ahnung! Mit einem aufgewühlten Herzen und Tränen in den Augen lassen die sich so schwer erkennen! Ihr wisst doch, wenn mich ein Buch emotional berührt, bin ich verloren!
Ganz oft habe ich übrigens gehört, dass ACOTAR als „fairy p+rn“ bezeichnet wurde. Leute. Leute! Jetzt mal im Ernst! Zweieinhalb auserzählte S+x-Szenen in über 500 Seiten (E-Book) sind für euch schon P+rnographie? Dann solltet aber niemals einen Blick auf die nachmittägliche Lieblingstelenovela meiner Oma werfen. Absolut skandalös, was da abgeht! Es würde euch wahrscheinlich schockieren. Also kurz: Nein, zumindest ACOTAR 1 ist meiner Meinung nach weder Er+tik-Buch noch „Smut“-Feuerwerk noch „fairy p+rn“! Dazu kommt, dass ich von der Art, wie Sarah J. Maas weibliches Verlangen und die S+x-Szenen beschreibt, regelrecht verzaubert war: Statt den primitiven und ordinären Schilderungen, die ich erwartet habe, wird uns hier ganz kompromisslos der „Female Gaze“ (dt. weibliche Blick) serviert – mit einem Fokus auf Gesichtsregungen und Gefühle, wodurch mal einfach als Leser:in emotional total mitgenommen wird. Ich fand diese Momente jedenfalls sehr passend, sehr ästhetisch (stellenweise fast poetisch) und gar nicht unangenehm beschrieben und habe sie überraschend gern gelesen.
Im Vergleich mit der englischen Ausgabe ist mir allerdings nicht nur aufgefallen, dass stellenweise von Alexandra Ernst nicht nur freier und weniger elegant übersetzt wurde als erhofft (leider!), sondern dass auch die S+x-Szenen stellenweise leicht entschärft wurden – ganz im Gegensatz übrigens zu den ganzen Szenen voller Gewalt, Blut und Folter. Doppelmoral? Ja. Überraschend? Nicht wirklich. Gestört hat mich auch, dass Feyre, eine Frau, immer wieder z. B. als „Ernährer“ usw. bezeichnet wurde – im Englischen gibt es diese gegenderten Formen nicht, im Deutschen aber sehr wohl, und es wäre schon nett und zeitgemäß, wenn dann bei der Übersetzung auch die weibliche Form, nämlich ErnährerIN, verwendet werden würde!
Erfrischend fand ich, dass es einen gut durchdachten Plot (bei dem auch Kleinigkeiten später wichtig werden), ein gelungenes Worldbuilding und viele unerwarteten Wendungen gibt, die einen eiskalt treffen. Mir ist es nämlich auch bei Romantasy wichtig, dass die Handlung (wie hier) eben NICHT nur Beiwerk ist. Dabei ist ACOTAR sicher nicht das tiefgründigste Buch, das ihr je gelesen habt, oder das Buch, das euch zum Nachdenken bringen wird wie kein anderes zuvor – aber es behandelt Themen wie Erwachsenwerden, Emanzipation von der Familie, Liebe, Armut, Unterdrückung, Vorurteile und Freundschaft mit angemessener Tiefe.
Auch die Figurenzeichnung hat mich absolut überzeugt. Die Charaktere wachsen einem ans Herz und wirken nach einer Weile wie echte Menschen; man vergisst total, dass sie ja alle nur fiktiv und erfunden sind. Ein größeres Kompliment gibt es meiner Meinung nach für Schriftsteller:innen nicht! Die Figuren bekommen außerdem fast alle so einen unvergesslichen Auftritt, dass man sie nie mehr vergisst und es unmöglich ist, sie miteinander zu verwechseln. Feyre ist eine starke Protagonistin, die sich nichts sagen lässt, und sich im Laufe der Geschichte glaubhaft weiterentwickelt und über sich hinauswächst.
Tamlin mochte ich als Love Interest (zumindest in diesem ersten Band), obwohl da die Meinungen in unserer Leserunde sehr auseinandergingen und es zu leidenschaftlichen Diskussionen kam. Warum? Tamlin ist sehr sensibel und kein Mann, der hart durchgreift – im Gegenteil, er wird eher passiv und duckt sich, wenn er Druck ausgesetzt ist, aber er hat ein gutes Herz. Gerade das gefiel mir an ihm, weil es mal nicht diese toxische, sondern eine andere Art von Männlichkeit war. Ich konnte sein Verhalten immer nachvollziehen und er tat mir auch leid, denn ein guter Anführer für seinen Frühlingshof ist er sicher nicht. Ich habe allerdings immer ein Herz für die Außenseiter und die Menschen (oder auch Fae), die Fehler machen – also auch für ihn. Eine feministische Analyse lässt mich ebenfalls insgesamt zufrieden zurück, denn es gibt nicht nur eine starke weibliche Protagonistin, die sich auf viele verschiedene Arten durch das Buch kämpft, sondern auch eine mächtige, extrem furchteinflößende Bösewichtin, die gerne einmal die typischen Geschlechterrollen umkehrt und versucht, Fae-Männer in ihr Bett zu zwingen.
Einen halben Stern Abzug gibt es trotzdem, und zwar dafür, dass man gerade am Anfang auf das eine oder andere Klischee trifft und manche negativen Figuren (besonders Feyres undankbare Familie) so überzeichnet werden. An einigen Stellen war es mir auch ein bisschen „too much“ (dt. zu viel) – zu schwülstig, zu pathetisch, zu dramatisch, zu sehr „in your face“. Für Subtilität war da leider wenig Platz. Allerdings wird das im Laufe des Buches dann besser. Mein Hauptkritikpunkt und absoluter Fremdscham-Moment war aber diese komische „Jungfrauen-Zeremonie“ (um nicht zu spoilern, werde ich nicht näher darauf eingehen). Einfach nur cringe und unangenehm – das hätte man sich echt sparen können! Auch Rhysand, der in diesem Band als Antagonist auftritt, leistet sich ziemlich toxisches Verhalten. Den Großteil davon konnte ich ihm verzeihen, als er seine Motive enthüllte, aber zweimal waren seine Handlungen absolut unnötig und grausam (einmal packt er Feyres verletzt Hand, um ihr Schmerzen zuzufügen und ein Argument zu gewinnen, einmal küsst er sie übertrieben grob). Deshalb steht er jetzt im 2. Band (den ich bereits begonnen habe und gerade mit großer Freude lese) bei mir auch „unter Beobachtung“. Jetzt kann er zeigen, wie er wirklich ist und so manches wiedergutmachen – oder auch nicht. Jetzt gibt es jedenfalls keine Ausreden mehr!
Mein Fazit
Meine Grundeinstellung dem Buch gegenüber war am Anfang alles andere als wohlwollend, ich war mir sogar ziemlich sicher, dass ich es hassen würde – doch dann hat mich die Autorin mit jedem Satz mehr um den Finger gewickelt und sich immer mehr in mein Herz geschrieben. War da vielleicht Fae-Magie im Spiel? Wer weiß das schon! Jedenfalls hat mich der erste Band des „Reichs der sieben Höfe“ auf ganzer Linie überzeugt. Er hat mich gefesselt, emotional berührt und viele Stunden lang wunderbar unterhalten. Den Hype hat sich Sarah J. Maas aus meiner Sicht redlich verdient. Für mich war ACOTAR 1 jedenfalls ein Jahreshighlight! Da draußen schwirren ja so viele Rezensionen und Meinungen herum – emotionale Liebeserklärungen und leidenschaftliche Hassreden –, vielleicht ist es an der Zeit, dass auch ihr euch endlich euer eigenes Bild macht. Und wer weiß, vielleicht erwartet den einen oder die andere von euch ja auch (wie mich) eine positive Überraschung?
Bewertung
Cover / Aufmachung: 3 Sterne
Idee: 4 Sterne
Inhalt, Themen, Botschaft: 4,5 Sterne
Umsetzung: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne ♥
Einstieg: 3 Sterne
Ende: 4 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 4 Sterne
Figuren: 5 Sterne ♥
Spannung: 5 Sterne ♥
Tempo: 4 Sterne
Wendungen: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne ♥
Feministischer Blickwinkel: 4,5 Sterne
Einzigartigkeit: 4 Sterne
Insgesamt:
☆★☆★,5 Sterne
Dieses Buch bekommt von mir viereinhalb Sterne!