Die Himmelsstürmerinnen gerieten leider ins Trudeln
Unsere Hälfte des HimmelsFrankfurt 1935: Die Studentin Hanni und ihre beste Freundin Amelie haben einen großen Traum - sie sind Sportfliegerinnen, wollen aber ihr Hobby zum Beruf machen. In Berlin gibt es einen Flugzeugbauer, ...
Frankfurt 1935: Die Studentin Hanni und ihre beste Freundin Amelie haben einen großen Traum - sie sind Sportfliegerinnen, wollen aber ihr Hobby zum Beruf machen. In Berlin gibt es einen Flugzeugbauer, der auch Frauen zu Testpilotinnen ausbildet, sie bewerben sich und träumen von einer Karriere in Berlin. Doch dann verliebt sich Amelie in Hannis Fluglehrer Felix und alle hochfliegenden Träume werden plötzlich in Frage gestellt.
Kassel 1971: Lieselotte führt ein ruhiges Leben: Ihre Ehe mit Eduard plätschert im gemeinsamen Alltagstrott vor sich hin, sie führt den Haushalt und umsorgt ihren Ehemann. Doch dann bekommt sie schlimme Nachrichten aus Frankfurt, ihre Mutter Amelie hatte einen Autounfall und liegt im Koma. Obwohl das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter sehr kühl ist, steht es für Lieselotte außer Frage, dass sie sofort ihre Sachen packt und nach Hause fährt, um ihrer Mutter beizustehen. Sie will diese Gelegenheit auch nutzen, um ihr Leben und ihre Ehe zu hinterfragen.
Eigentlich fand ich den Einstieg in dieses Buch sehr vielversprechend, die Geschichte hatte durchaus Potenzial. Leider ist die Umsetzung in meinen Augen wenig geglückt, ich musste mich streckenweise zum Weiterlesen förmlich aufraffen.
Das lag zum einen daran, dass die beiden Zeitebenen in meinen Augen nicht besonders gut verknüpft sind. Die Abschnitte zu den Jahren 1935 und 1971 umfassen jeweils mehrere Kapitel und ergeben so sehr lange Passagen, die nur in dem einen oder dem anderen Zeitstrang spielen. Dadurch wird man aber viel zu lange aus dem Geschehen um die jeweils andere Protagonistin herausgerissen, so dass das Interesse daran fast verloren geht und ich an diesen Stellen auch immer versucht war, das Buch für längere Zeit zur Seite zu legen.
Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass die Autorin hier einfach zu viel wollte: Frauen in der Fliegerei, (Widerstand in der) Nazizeit, Frauenbild im Dritten Reich, Frauenbewegung in den 70ern. Alle Themen werden irgendwie angerissen, aber keines wirklich ausgeführt, weil die Romanze zwischen Felix und Amelie in den Vordergrund tritt. Unter dem Strich gibt es also leider bei keinem Thema irgendwelchen Erkenntnisgewinn auf der Seite des Lesers. Mich hatte das Thema der Fliegerinnen gereizt, das aber leider insgesamt nur auf enttäuschend wenigen Seiten im Fokus steht.
Auch die Figurenzeichnung konnte mich nicht überzeugen, die Protagonistinnen Amelie und Lieselotte verhalten sich in der Regel wenig nachvollziehbar. Amelie habe ich an keiner Stelle zugetraut, dass sie genug Biss gehabt hätte, um ihre Träume von der Fliegerei wirklich in die Tat umzusetzen. Sie läuft im Grunde immer nur ihrer Freundin Hanni hinterher und geht jeder Konfrontation oder Entscheidung aus dem Weg. Manchmal fragte ich mich sogar, ob das Fliegen überhaupt ihr Traum war, oder vielleicht doch nur Hannis. Und Lieselotte ist so phlegmatisch, dass ich ihr am liebsten in den Hintern getreten hätte, sogar die Nachforschungen zu ihrer Familiengeschichte werden an eine Geschichtsstudentin outgesourct, Lieselottes "Leistung" besteht dann darin, dass sie sich nach Wochen endlich aufrafft, sogar mal einen Blick in die zusammengetragenen Unterlagen zu werfen. Insofern ist auch ihre spätere Entwicklung hin zu neuen Ufern und einem unabhängigen Leben nicht glaubhaft.
Die Nebenfiguren sind recht stereotyp: Eduard, der gleichgültige Ehemann, der eigentlich nur geheiratet hat, um eine Haushälterin zu haben. Marga, die aufmüpfige Studentin, die Amelies harte Schale geknackt hat. Die gelangweilte alte Nachbarin, die mit Argusaugen über die Kehrwoche und die Lebensgewohnheiten der anderen Hausbewohner wacht - und so weiter. Am gelungensten war vielleicht Margas Kater Cat Ballou mit seiner Vorliebe für Gehacktes.
Wer Lust auf eine tragische Liebesgeschichte hat, hat an diesem Buch möglicherweise seine Freude. Ich hatte leider etwas anderes erwartet, eher ein Zeitporträt mit einem zielgerichteten Fokus auf die Frauen in der Fliegerei. Daher fällt bei mir "Unsere Hälfte des Himmels" eher in die Kategorie: kann man schon mal lesen, aber man verpasst wohl nichts, wenn man dieses Buch auslässt.