Die Oleanderfrauen
Die OleanderfrauenIch hatte von Teresa Simon noch keine Romane gelesen und muss vorab anführen, dass ich sowohl stilistisch als auch vom Romaninhalt her mehr als begeistert bin!
"Die Oleanderfrauen" von Teresa Simon erschien ...
Ich hatte von Teresa Simon noch keine Romane gelesen und muss vorab anführen, dass ich sowohl stilistisch als auch vom Romaninhalt her mehr als begeistert bin!
"Die Oleanderfrauen" von Teresa Simon erschien 2018 als tb im Heyne-Verlag und erfüllt, ja übertrifft sogar alle Erwartungen, die man als Leser im Klappentext findet und sich für das Buch entscheidet: Es geht um Liebe, um Familiengeheimnisse, um den Nationalsozialismus als dunkelstes Kapitel der deutschen Geschichte, um die Vorkriegsjahre und das Leid, das der 2. Weltkrieg über Familien brachte; aber auch um Standesunterschiede und Kaffee und um die Stadt Hamburg in der Vorkriegszeit. Desweiteren geht es auch um Freundschaft über Generationen hinweg und um das gemeinsame Lüften von Geheimnissen. Schließlich umfasst es auch noch die literarische Motivation, das im Leben zu tun, was einem wirklich wichtig ist und den eigenen Fähigkeiten entspricht, was man am Beispiel von Jule in ihrem "Strandperlchen"-Café entdecken kann - und last but not least: Vom Glück, das trotz aller Unbill immer im Leben auftauchen kann....
Der Roman verflicht zwei Handlungsstränge sehr gekonnt miteinander: In der Vergangenheit (1936) lernt man Sophie Terhoven, die Tochter eines Hamburger Kaffeebarons, kennen - die sich in Hannes, den Sohn der Köchin Käthe Kröger, schon als Kind verliebt hat - und die trotz aller Standesdünkel zu ihrer Liebe steht. Obgleich sie ein sorgloses Leben führt, steht sie den aufziehenden "Braunhemden" kritisch gegenüber, die im Roman sehr treffend in der Figur des SS-Obersturmbannführers Hellmuth Moers gezeichnet wird: Was hat es mit diesem Mann auf sich und warum lässt er sich nicht abschütteln, auch wenn er ein alter Freund ihres Vaters ist?
Im Handlungsstrang der Gegenwart begegnet man Jule - die ihr Geschichtsstudium abbrach, um endlich das zu tun, wozu sie sich "berufen" fühlt: Sie eröffnet ein kleines Café, das Strandperlchen und hat noch eine weitere Idee: Durch ihr Projekt "Ich schreibe dir dein Leben" lernt sie Johanna Martens kennen, eine pensionierte und sehr sympathische Lehrerin, die auf dem Dachboden ein altes Tagebuch findet und mit angehaltenem Atem zu lesen beginnt... Später sollte sie sich damit an Sophie wenden, die ihr hilft, das Dunkel in der Familiengeschichte zu enträtseln: Das Tagebuch schrieb niemand anders als Sophie Terhoven, die im Jahre 1943 ein Mädchen zur Welt brachte, inmitten der fürchterlichen Kriegswirren und Bombardierungen Hamburgs, die in dieser Zeit auf die Stadt niedergingen...
Der Roman entwickelt durch brillante Erzählweise und Stil der Autorin eine regelrechte Sogwirkung, der man sich anhand der Spannung, die bis zum Schluss bestehen bleibt, schwerlich entziehen kann: Die Romanfiguren und auch der zeitliche und politische Kontext, in dem sie sich bewegen, sind so authentisch, emotional und bildhaft dargestellt, dass man sich durch die atmosphärische Dichte, die hinzukommt, jenes Geschehen so gut vorstellen kann, als ob man es miterlebt. Dies ist für mich eine große Kunst, die nicht jeder Autor beherrscht. Sehr gut gefallen hat mir der gut recherchierte Hintergrund des Lebens in der Vorkriegs- und Kriegszeit, der die Gleichschaltung, die Diskriminierung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung nicht ausspart, die Lebensgefahr, unter der Homosexuelle im Dritten Reich standen sowie auch die politischen Ereignisse, denen sich die Menschen stellen mussten.
Sowohl Sophie in der damaligen schweren Zeit als auch Jule sind charakterstarke und toughe Frauen, die das beste aus ihrer jeweiligen Situation machen. Im historischen Nachwort lernt man einiges über Kaffee und der Bedeutung der Hansestadt Hamburg als Umschlagplatz ("Speicherstadt"), über die Verfolgung der Homosexuellen im NS-Regime und die Bombardierungen Hamburgs, was den Roman als einen Teil der Zeitgeschichte werden lässt: Der Autorin ist an einer Aufarbeitung der Traumatisierungen und des Nationalsozialismus gelegen und sieht diesen Roman als Beitrag dazu: Ich kann nur sagen, dass dies meiner Meinung nach sehr gelungen ist!
Fazit:
Ein sprachlicher wie auch inhaltlicher "Hochkaräter" voller Spannung in einer schweren Zeit dunkelster Geschichte, aber auch der Gegenwart, der mit einer bewegenden und ebenso berührenden Familiengeschichte einhergeht. Besser hätte man die Geschichte wohl kaum schreiben können; ein Chapeau der Autorin und 5* sowie 96° auf der "Histo-Couch" von mir sowie ein Dank für die tolle Begleitung in einer Leserunde!