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Veröffentlicht am 20.06.2021

"Was ist falsch am Hier und Jetzt?"

Marigolds Töchter
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Mir war der Roman über lange Strecken viel zu belletristisch; allerdings fand ich die meisten Figuren (Daisy z.B., Nan und Dennis) sympathisch und auch authentisch. Positiv fand ich die atmosphärische ...

Mir war der Roman über lange Strecken viel zu belletristisch; allerdings fand ich die meisten Figuren (Daisy z.B., Nan und Dennis) sympathisch und auch authentisch. Positiv fand ich die atmosphärische Stimmung, die Woolf durchaus erzeugen kann und das kleine englische Dorf (etwas sehr idyllisch, zugegeben) stellt man sich als LeserIn wie aus der Zeit gefallen vor. Suze mochte ich lange nicht besonders, sie verblüffte mich jedoch am Ende positiv.

Der Autorin ist sehr sensibel und einfühlsam eine literarische Annäherung bzgl. des Themas Demenz; besonders beginnender Demenz gelungen. Vieles war mir persönlich jedoch viel zu belletristisch und auch etwas "schöngefärbt". So kam das Thema Aggressivität oder Medikamente so gut wie gar nicht vor und was besonders in Dennis vorgegangen sein muss (ihrem Ehemann), war nicht sehr klar erkennbar. Erkennbar aber war, wie wichtig der MOMENT im Leben eines dementkranken Menschen ist - und wie wichtig die Liebe der Angehörigen ihm bzw. ihr gegenüber.
Ich hatte erst vor Kurzem eine andere Geschichte gelesen, die ins klamaukhafte abglitt. Dies kann man hier nicht behaupten und das letzte Drittel hat mich dann mit so einigen Schwachstellen versöhnen können.

In die Geschichte eingebaut ist auch eine Liebesgeschichte - Daisy kehrte nach 6 Jahren in Italien zurück und musste sich zwischen zwei Männern entscheiden. Liebe, Tod, Verlust - und auch Heimat finden sind ebenfalls Themen, die sich durch das ganze Buch ziehen: Am witzigsten fand ich Nan, die 86 jährige Mutter von Marigold - die es mit Sicherheit am Schwersten hatte, die Veränderung an ihrer Tochter akzeptieren zu können. Hier blitzte zuweilen etwas von der von mir sehr geliebten "Maggie Smith"^^

Ich vergebe 3,5 *

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Veröffentlicht am 26.04.2021

Eine in Literatur verwandelte Lebensgeschichte

Vom Aufstehen
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Helga Schubert lässt uns in ihrem autobiografischen Roman "Vom Aufstehen" durch ihr Leben in Episoden wandern; der UT lautet "Ein Leben in Geschichten". Das Buch ist (HC, gebunden) 2021 im dtv-Verlag erschienen.

Die ...

Helga Schubert lässt uns in ihrem autobiografischen Roman "Vom Aufstehen" durch ihr Leben in Episoden wandern; der UT lautet "Ein Leben in Geschichten". Das Buch ist (HC, gebunden) 2021 im dtv-Verlag erschienen.

Die Autorin nennt sich selbst eine "Formbeachterin" - und das ist sie m.E. par excellence. Ich habe selten einen solch' geradlinigen, schnörkellosen, interessanten und etwas spröde zuweilen, andererseits mit einer unglaublichen Tiefe behafteten Schreibstil gelesen, in den man sich einfinden muss, der jedoch dennoch einfach zu lesen ist.

Die "Episoden" ihres Lebens beginnen federleicht und die Szene in Großmutters Garten in der Hängematte, in der Helga Schubert als Kind in den Sommerferien las, fand ich wunderschön erzählt:

"So konnte ich alle Kälte überleben. Bis heute." (Zitat S. 10)

Und an einer großen Kälte mütterlicherseits mangelte es im Leben der Autorin nicht: Die Texte der einzelnen Lebensstationen erreichten mich mal mehr, mal weniger, da meine eigene Sozialisation so wenig mit der von Helga Schubert gemein hat: Sie war ein Kriegskind, ein Flüchtlingskind und ein Kind des geteilten Deutschland. In der DDR aufgewachsen, wurde sie Schriftstellerin und musste sich dem System anpassen (ihre politischen Äußerungen sind spärlich; finden aber dennoch kritische Worte im Roman). Relativ priviligiert, durfte sie zuweilen ins Ausland reisen, stand jedoch unter Stasi-Beobachtung und musste zuvor eine Erlaubnis einholen. Auffallend war für mich die Aussage, dass sie nach der Wende die Reiselust verlassen hat, da sie "nicht mehr um Erlaubnis fragen musste".

Sie lässt den Leser teilhaben an ihren Betrachtungen und Gedanken zum Winter, zur Familie, zum Älterwerden bzw. alt sein (sie ist heute 80 Jahre alt). Für die Geschichte "Vom Aufstehen" erhielt sie 2020 den Ingeborg-Bachmann-Preis und ist vollkommen zurecht nominiert für den Buchpreis der LBM.

Fassungslos folgt man dem immer wieder aufflackernden Unvermögen ihrer Mutter, ihr Kind, also die Autorin zu lieben und diese erfahrene Ablehnung und Kälte verfolgt Helga Schubert bis zum Tod der Mutter, letztendlich ist eine Aussöhnung möglich. Die Mutter wird in Streiflichtern beschrieben und was ich las, passte überhaupt nicht zu deren Gefühlskälte, die sich allerdings bei der Enkelin wiederum eher in liebevollem Umgang zeigte. Helga Schubert arbeitete als Psychologin und ich fand die Art und Weise, wie sie mit dem Stapel Briefe ihrer Mutter umging, unglaublich gut beschrieben und die Achtsamkeit dokumentierend:

"sie (die Autorin) stapelt die Briefe der Mutter unter orientalischen Tüchern wie in kostbaren farbigen Meereswellen - ihre Schatzkammer - in der sie nicht ertrinken muss, in der auch alles versinken kann" - so der Text, der mich sehr beeindruckte.

Die letzten Geschichten im Buch, in denen Helga Schubert u.a. das Älter werden bzw. alt sein beschreibt, konnten mich persönlich am ehesten erreichen, da auch ich nicht mehr ganz jung bin. Hier wurde auch deutlich, dass sie ihren Lebenspartner betreut, der nicht mehr reisen kann und man erlebt sie als liebevollen Menschen. Was mich jedoch am meisten beeindrucken konnte, ist ihre Willenskraft und ihre Unbeugsamkeit; sowohl im eigenen Leben als auch im schriftstellerischen Wirken. In den elementaren Beobachtungen ihrer Texte, die sehr authentisch und schonungslos offen auf mich wirken, gibt sie dem Leser Raum zum Nachspüren und Nachdenken. Durch die sprachliche Dichte und "Formbeachtung" ein außergewöhnlicher Lebensroman, dem auch ein außergewöhnliches Leben zugrunde liegt. Ich wünsche Frau Schubert viel Glück bei der Preisvergabe der Leipziger Buchmesse, auch wenn mich der Roman nicht in allem erreichen konnte.

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Veröffentlicht am 18.03.2021

Das Mädchen auf den Klippen

Das Mädchen auf den Klippen
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Der Schreibstil der Autorin gefällt mir, auch ist der Aufbau und die Zeitsprünge recht gelungen. Alles in allem hat es mich aber doch ein bisschen an den einzigen Schmöker von z.B. Rosamunde Pilcher (Die ...

Der Schreibstil der Autorin gefällt mir, auch ist der Aufbau und die Zeitsprünge recht gelungen. Alles in allem hat es mich aber doch ein bisschen an den einzigen Schmöker von z.B. Rosamunde Pilcher (Die Muschelsucher) erinnert sowie an die (tollen) dvd-Staffeln von "Downton Abbey" - besonders die Zeit, die Mary in Cadogan House verbrachte... einschließlich der "Klingelzüge" für die Bediensteten Einen etwas unrealistischen Beigeschmack gab das Verhalten und die statements einer Erwachsenen bei einem 8-10jährigen Mädchen, dies fand ich übertrieben und nicht stimmig bzw. real. Insgesamt lautet mein Urteil: Ein recht netter "Schmöker" mit menschlichem Tiefgang, der durchaus zu finden ist.
Von mir dafür 85 Punkte auf der Skala.

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Veröffentlicht am 27.01.2021

Mystery-Crime in den Highlands

Hinter diesen Türen
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"Hinter diesen Türen" von Ruth Ware erschien (Paperback, 2021) im dtv-premium Verlag und ist für mich eher dem Subgenre Mystery- und Grusel-Crime als ins Genre Thriller einzuordnen. Es handelt sich um ...

"Hinter diesen Türen" von Ruth Ware erschien (Paperback, 2021) im dtv-premium Verlag und ist für mich eher dem Subgenre Mystery- und Grusel-Crime als ins Genre Thriller einzuordnen. Es handelt sich um eine Geschichte, die langsam Spannung aufbaut und zahlreiche unvorhersehbare Wendungen hat. Dennoch konnte sie mich leider nicht gänzlich überzeugen.

Rowan Caine arbeitet in einer Kita in London und wird bei einer Beförderung übergangen. Da fällt ihr eine Anzeige in die Hände, die sie sehr interessiert: Eine sehr wohlhabende Familie in den schottischen Highlands sucht eine Nanny für ihre 4 Kinder im Alter von 18 Monaten, 5 und 8 sowie 14 Jahren. Die Stelle ist gutdotiert - und nach dem Vorstellungsgespräch mit Sandra Elincourt, der Mutter der Kinder, die wie ihr Mann Architektin ist und oftmals beruflich bedingt reisen muss, erhält sie einige Tage später die Zusage: Sie hat die Stelle und tritt als neue Nanny die Fahrt wenig später zur Familie Elincourt an.

Bereits am ersten Arbeitstag wird sie alleine mit den Kindern, die sie betreuen soll, zurechtkommen müssen, da beide Elternteile verreisen müssen: Das Zuhause, im Roman sehr bildhaft beschrieben, ist "ein Haus, dem eine Hälfte amputiert worden war, ersetzt durch eine Prothese aus Glas und Stahl" (S. 287) ist ein Smart Home: Alles wird durch ein Smartphone und Touchpanels gesteuert; eine Herausforderung für Rowan. Sandra Elincourt kann sich abends in die Zimmer der Mädchen einloggen, um mit ihnen zu sprechen und es entsteht ein "Überwachungsfeeling", da überall Kameras angebracht sind. Beim ersten Besuch flüstert Rowan eins der Mädchen zu, "sie solle nicht kommen, es sei zu gefährlich; die Geister mögen es nicht...."

Und so muss sich Rowan, die nicht überaus ängstlich ist und z.B. knarzende Schritte hört über ihrem Zimmer, mehr und mehr mit unheimlich anmutenden Ereignissen auseinandersetzen, die ihre Nerven strapazieren. Anvertrauen kann sie sich niemand, da sie ausser mit Jean McKenzie, die für den Haushalt sorgt, sie aber offensichtlich ablehnt und Jack Grant, der als Mädchen für alles fungiert, alleine mit den Kindern ist. Die Ereignisse spitzen sich zu und es herrscht im Haus eine gruselige Atmosphäre, Rowan erhält hasserfüllte Botschaften: Wer steckt hinter diesen Abgründen und weshalb verhalten sich die Kinder immer seltsamer?

Meine Meinung:

Die Idee zum Buch finde ich großartig: Die Geschichte beginnt mit Briefentwürfen und der Brief selbst, den Rowan aus der U-Haft schreibt, ist an einen Mr. Wrexham wie auch an den Leser gerichtet: Ein Krimi in Briefform! Die sehr mysteriösen (und gruseligen, spukhaften) Ereignisse bestimmen den Verlauf auf Heatherbrae House, so der Name des alten viktorianischen Hauses, das hyper modernisiert und zum Smart Home wurde, stark mit und wirken soghaft auf den Leser. Bereits zu Beginn steht fest, dass ein Kind ermordet wurde und Rowan die Geschichte, "wie sie wirklich war", dem Anwalt schreibt, um ihn zu bitten, sie als Strafverteidiger vor Gericht zu verteidigen. Rowan bestreitet jede Schuld und so geht es darum, den wahren Mörder zu finden.
Die Autorin legt hier viele Köder aus und führt in falsche Richtungen; die Rolle Rowans scheint selbst zuweilen etwas ambivalent, da man sich fragt, wer wirklich hinter der adretten, jungen "Supernanny" stecken mag. Die Gruselschock-Elemente sind wohlplatziert und sorgen für reichlich Spannung. Der Stil von Ruth Ware ist sehr eingängig und flüssig zu lesen, besonders hat mir die atmosphärische Dichte gefallen, mit der das Haus selbst beschrieben wurde. Das Buch hat auch Psychothriller-Elemente, da viele Figuren vielschichtig angelegt wurden und man z.B. nicht genau weiß, was man von Sandra, der Mutter der Kinder, zu halten hat oder weshalb Maddie eine derart abwehrende Haltung gegenüber der neuen Nanny hat (allerdings wechselten diese häufig, was Kinder definitiv verunsichert und sich nicht positiv auswirkt).

Das Ende der Geschichte mit vielen Wendungen war einerseits wenig berechenbar und durchaus spannend, andererseits für meinen Geschmack jedoch etwas konstruiert: Unverständlich blieb mir die Rolle eines Familienmitglieds, die sehr wohl hätte erahnen müssen, was sich hinter der "perfekten Fassade" tatsächlich abspielte... So war ich mit der Lösung auch nicht einverstanden, da ich sie für sehr weit hergeholt halte. Erläutern kann ich dies nicht näher, da ich sonst zu viel verraten würde. Rezensionen sind ja immer eine subjektive Buchbesprechung - und ich bin sicher, dass "Hinter diesen Türen" vielen LeserInnen besser gefällt als es bei mir der Fall war. Gute Krimiunterhaltung und ein interessantes Setting in einer der schönsten Gegenden Europas wird jedoch, gepaart mit spannender Unterhaltung, auf jeden Fall geboten. Von mir gibt es 3,5 Sterne und 82° auf der "Krimi-Couch".

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Veröffentlicht am 25.11.2020

Die Gouvernante

Teatime mit Lilibet
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"Teatime mit Lilibet" von Wendy Holden erschien (HC, gebunden) 2020 im List-Verlag. Die Autorin, selbst Journalistin, zeichnet hier den Weg der einstigen Gouvernante Marion Crawford nach und gibt einen ...

"Teatime mit Lilibet" von Wendy Holden erschien (HC, gebunden) 2020 im List-Verlag. Die Autorin, selbst Journalistin, zeichnet hier den Weg der einstigen Gouvernante Marion Crawford nach und gibt einen kleinen "Einblick" hinter die Kulissen - oder die "Glaswand" der britischen Royals von den 30er bis Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Crawford oder von der königlichen Familie Crawfie genannt, als Hauslehrerin die beiden Prinzessinnen Elizabeth (Lilibet) und Margaret unterrichtet.

Eigentlich war das berufliche Ziel von Marion Crawford, einer jungen angehenden Lehrerin aus Edinburgh, die sozial benachteiligten Kinder in den Slums zu unterrichten und somit für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Doch ihre Mentorin erkennt (Marion ist ihre beste Schülerin) ihre Fähigkeiten und so begibt sich Marion nach London, um der Bitte der Herzogin von York, der Mutter von Lilibet und Margaret, zu entsprechen und die beiden kleinen Prinzessinnen (Lilibet ist 7 Jahre alt; geboren 1926) in den verschiedensten Fächern zu unterrichten. Was anfangs als ein "Probemonat" bei den Royals angedacht war, sollte viele Jahre andauern, obgleich Marion Crawford einige Male ernsthaft versuchte, ihre (sehr begehrte) Stelle im englischen Königshaus zu beenden (letzteres wurde besonders durch die Mutter der Prinzessinnen immer wieder vereitelt mit dem Hinweis, "man brauche sie").

Somit führt uns der Roman in die königlichen Schlösser Balmoral, wohin sich Queen Elizabeth II noch heute im frühen Herbst gerne zurückzieht; auch in den Kensington Palace, nach Piccadilly 145, London - und in den Buckingham Palace. Auch viele einflussreiche Politiker und Adelige sowie reiche Familien kreuzen den Weg des Lesers; die königliche Familie selbst, zwei der Mitford-Schwestern, deren politische Ansichten weit auseinandergingen, die Kennedy's, Chamberlain und Winston Churchill, der eine wichtige Rolle für Großbritannien im 2. Weltkrieg spielen sollte. Es ist - abgesehen von den sehr üppigen Schilderungen der Feste, Bälle und Zeremonien, der Krönung (1937) und der Abdankung von Prinz Eduard, dem Onkel von Lilibet, wodurch ihr Vater König von England wurde, ein interessanter Spaziergang durch die (oftmals für die Völker Europas jedoch auch leidvolle) Geschichte des 20. Jahrhunderts; speziell der von Großbritannien, das gesellschaftliche Umbrüche verkraften musste und der Adelsstand einem gewissen Niedergang folgte.

Wendy Holden beschreibt also das Leben, den Alltag (und auch einige Intrigen) innerhalb "der Glaswand", des Palastes und fängt hierbei die Gefühle von Marion Crawford ein, die aus einfachen Verhältnissen stammt und all der Pracht erst einmal staunend gegenübersteht. Einerseits verfolgte sie andere berufliche Ziele, andererseits schließt sie schon bald besonders die ältere Prinzessin, Lilibet, sehr ins Herz und erhält auch von den Mädchen und der royalen Familie selbst eine gewisse Zuneigung. Diese erschweren es Marion Crawford, nach einigen Jahren die Royals zu verlassen und ihre Tätigkeit als Gouvernante zu beenden - was sich zum Teil als Tragik für sie selbst lesen lässt, denn sie verzichtet auf vieles - und es gibt auch Enttäuschungen, mit denen zu leben muss. Ivy, eine Bedienstete und Freundin von Marion, rät ihr zu einer Beziehung "innerhalb der Glaswand", da alles andere unmöglich ist. So sind ihre Erfahrungen mit Männern eher negativ und sie fühlt sich oftmals einsam. Einzig die Liebe zu den Prinzessinnen, die sie wie eine zweite Mutter beschützt, macht vieles wieder wett....

Sie versucht, den Mädchen einen Bezug zum ganz normalen Leben der BürgerInnen Englands zu geben; die sogenannte "Operation Normal", die sich jedoch als sehr schwierig gestaltet und oft von einem Privatdetektiv begleitet wird. Die Zwänge des Palasts sind durchaus spürbar und auch Marion kann dies nicht grundlegend verhindern. Dennoch fährt sie mit den Prinzessinnen U-Bahn, besucht ein Kino und macht einen Ausflug in einen Park, was die Mädchen sehr erfreut. Mrs. Knight, die alte Nanny der beiden, hat für solcherlei Dinge kaum etwas übrig und verkörpert das restringente Verhalten des alten Hochadels, wo sich bestimmte Dinge (wie z.B. Spielkleider) nicht geziemen. Die Autorin beschreibt auch die andere Seite der sozialen Schichten, die in konträrem Gegensatz zum Leben im Palast stehen: Millionen Arbeitslose, Hungermärsche, Hunger und auch Elend, das im Lande grassiert. Marion Crawford ist lange Zeit hin- und hergerissen, ob es ihre wirkliche Berufung ist; Anfang 20, als sie ihre Stellung bei Hofe antritt - und fast 40, als Lilibet Prinz Philip von Griechenland heiratet (und wie man weiß, noch heute Prinzgemahl von Elizabeth II. ist - sie stolze 94, Prinz Philip 99 Jahre alt). Aber sie ist loyal und - selbst kinderlos geblieben - überwiegt ihre Liebe gegenüber den Prinzessinnen immer wieder in der Entscheidung, zu gehen - oder zu bleiben.

Der Stil von Wendy Holden ist eingängig zu lesen; jedoch fand ich viele Beschreibungen sehr langatmig, sich wiederholend und inhaltlich etwas ausufernd, so dass es nach einiger Zeit ermüdete. Auch die Schriftgröße des Romans ist sehr klein, was die Lesefreundlichkeit leider etwas mindert. Ausser einigen Nebensächlich- bis hin zu Nichtigkeiten habe ich zumindest erfahren können, dass "Lilibet" als Kind bereits sehr willensstark war; ein hohes Empathievermögen, besonders gegenüber Tieren hatte; einen fast zwanghaften Ordnungssinn (Sicherheit gebend) und Uniformen mochte.
Es fehlen genauere Angaben über Wahrheit und Fiktion, wobei sich der Roman jedoch an reale historische Begebenheiten weitgehend hält. Auch basiert der Roman auf dem Buch von Marion Crawford selbst ("The Little Princesses"), dessen Inhalt mich noch mehr interessieren würde. Denn die Gouvernante ist eine tragische Figur: Sie hatte eine sehr wichtige Aufgabe im Königshaus der Windsors zu erfüllen - und darüber ihre Lebenswünsche und ihr eigenes Glück hinten angestellt, sich den Wünschen besonders der Königinmutter gebeugt. Zeitgeschichtlich muss man diese Entscheidungen Marions jedoch auch im Beginn der Zeit sehen, zu der es Frauen überhaupt erst möglich war, ihren Unterhalt selbst zu verdienen und sich zu emanzipieren. Letzteres ist Marion Crawford auf jeden Fall gelungen, ich habe nur den betroffenen Eindruck, dass es ihr nicht gedankt wurde.

Für LeserInnen, die sich für Her Majesty, Queen Elizabeth II und der Kindheit der beiden Prinzessinnen im Hause Windsor interessieren und mehr über Marion Crawford, der Gouvernante von Lilibet und Margaret erfahren möchten, kann ich das Buch bedingt empfehlen. Gänzlich überzeugt hat es mich leider nicht, daher von mir knappe 3,5 *

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