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Veröffentlicht am 26.07.2023

Wenn aus Fremden Freunde werden....

Unsere Stimmen bei Nacht
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"Unsere Stimmen bei Nacht" von Franziska Fischer erschien im Dumont-Verlag (HC, gebunden; 286 S., 2023) und hat mich sowohl inhaltlich als auch von der einfühlsamen und psychologisch versierten, tiefgründigen ...

"Unsere Stimmen bei Nacht" von Franziska Fischer erschien im Dumont-Verlag (HC, gebunden; 286 S., 2023) und hat mich sowohl inhaltlich als auch von der einfühlsamen und psychologisch versierten, tiefgründigen und zuweilen poetischen Erzählweise der Autorin sehr begeistert!


Worum geht's?


Gloria und Herbert; ein Ehepaar in den Mittfünfzigern, vermieten die Zimmer ihrer 3 Kinder, die inzwischen erwachsen sind und auszogen, in einer alten Berliner Villa: Dafür scheint es mehrere Gründe zu geben; zum Einen verbessern sich die Finanzen der beiden - und zum anderen kommt, was vorwiegend von Gloria gewünscht ist, mehr Leben ins Haus, das groß genug ist, um Lou, Mitte 30 und sehr oft umgezogen, Tänzerin; Jay, einen Studenten der Politikwisssenschaften sowie den von Frau und Sohn getrennt lebenden Gregor, einen Wissenschaftler und dessen Tochter Alissa (16) aufzunehmen. Herbert ging vorzeitig in den Ruhestand und hat sich in zwei Räumen ein kleines Antiquariat aufgebaut, das er weiterhin betreibt, auch wenn es kaum Laufkundschaft gibt....


Meine Meinung:


Der Roman beginnt mit dem Einzug von Lou, die mir aufgrund ihrer einfühlsamen und hilfsbereiten Art sowie ihrem Gespür für Menschen sehr sympathisch war. Sie hat eine Weile bei einer Freundin gewohnt und Gloria schien es (sie war die 34. Bewerberin für das letzte Zimmer!), dass das Zimmer und Lou zusammenpassen werden - und sie gleich einziehen konnte. Nach und nach lernt man die anderen Hausbewohner kennen; Jay, den anfangs unsicheren und scheuen, später aufgetauten und auch mal mit Lou in der Küche stehenden und kochenden Studenten, der sich durch das Angebot der Mahlzeiten gegen Aufpreis recht wohl zu fühlen scheint und auch gerne Songs schreibt und Gitarre spielt. Gregor ist der am zurückgezogensten lebende Charakter dieser Haus- und Wohngemeinschaft, Alissa wirkt eher unglücklich über die Zerfaserung der Familie, kommt aber mit dem Vater anscheinend besser zurecht als mit der dominanten Mutter, die ihr in den Ferien Nachhilfe aufbürdet und am guten Schulabschluss der Tochter mehr Interesse zeigt als an der Tochter selbst. Alissa wirkte auf mich auch in gewisser Weise überfordert, da sie ihrem Vater täglich Brote mit in die Uni gibt und somit Aufgaben verrichtet, die eigentlich nicht ihre sind.


Zaghaft nähern sich die ProtagonistInnen, die allesamt diverse Geheimnisse mit sich herumschleppen, einander an; so lernen wir Lou als sehr extrovertiert kennen; sie will dieses Mal "die Lücke besetzen, in die sie sich - vielleicht längerfristig? - einfinden kann"; ihr Lachen ist ansteckend, was dem schüchternen Jay zugute kommt und beide sich bald gut verstehen. Lou erkennt auch, dass Alissa Unterstützung braucht, das Interieur ihres Zimmers betreffend und schenkt ihr kurzerhand eine Sternendecke, die es gemütlicher macht (Alissa ist eher introvertiert und verunsichert, da eine Freundin sich von ihr abwandte, die jetzt zu den wirklich "Coolen" gehört). Gloria ist erleichtert, als sie bemerkt, dass sie durch Jay und Lou Hilfe beim Kochen erhält, ihr Mann Herbert braucht etwas länger, sich auf die häuslichen "Veränderungen" einzustellen: Er ist der konservativste Charakter, der Rituale mag und jeden Tag sein Klappschild für das Antiquariat auf die Straße stellt. Bis Jay ihm erklärt, dass er mehr Bücher verkaufen würde, wenn er auch einen online-shop hätte.


Eine sehr interessante und vielschichtige, wie auch sympathische Figur ist Gloria, die Neuem gegenüber offen ist und eine alte Bürde mit sich trägt. Beim Ausmisten kommen sich Lou und Gloria im Dialog näher und eine Überraschung wartet auch auf den Leser, die ich mir sehr gut als eine Fortsetzung dieses Beziehungsromans mit feinen und leisen Untertönen vorstellen könnte! Die Themen sind sehr vielschichtig und es machte mir Freude, stets 'zwischen den Zeilen' lesen zu können; das Ankommen Lou's zu verfolgen, die Tatsache, dass die anfängliche Fremdheit einer permanenten Annäherung der ProtagonistInnen folgen sollte, gefiel mir sehr. Da ich selbst einen Teil meines (jungen) Lebens in WG's lebte, hatte ich auch einen direkten - und sehr positiven - Bezug zum Thema Zusammenwohnen.


Fazit:


Ein wunderschöner Roman, in dem es der Autorin mit Bravour, auf berührende Weise und stellenweise tiefpoetisch gelingt, zu beschreiben, wie es den WG'lerInnen gelingt, sich gegenseitig zu helfen; Altes, Verkrustetes mehr und mehr aufzubrechen, sich Mut zuzusprechen und auch Hoffnung zu geben. Allen, die tiefgründige und sehr niveauvolle Unterhaltung, gewürzt mit Empathie und psychologischem Feingefühl lieben, kann ich eine absolute Empfehlung aussprechen. Auch könnte es ein Roman sein, der SeniorInnen Hoffnung gibt, MitbewohnerInnen zu finden, die leerstehenden Zimmern in viel zu groß gewordenen Häusern - und damit auch ihrem eigenen Leben - womöglich wieder neues, mitmenschliches Leben einhauchen könnten. Zu wünschen wäre dies sehr!

Ich vergebe mit einem dankeschön an Franziska Fischer und an den Dumont-Verlag für schöne Lesestunden 5*.

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Veröffentlicht am 26.06.2023

Fionas Vermächtnis

Das Rosencottage
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"Das Rosencottage" von Constanze Wilken erschien (tb,2023, 506 Seiten) im Goldmann-Verlag, München und ist bereits der 7. Roman einer meiner LieblingsautorInnen in diesem Genre, den ich wieder einmal mit ...

"Das Rosencottage" von Constanze Wilken erschien (tb,2023, 506 Seiten) im Goldmann-Verlag, München und ist bereits der 7. Roman einer meiner LieblingsautorInnen in diesem Genre, den ich wieder einmal mit Begeisterung gelesen habe: C. Wilken versteht es, den Leser von Beginn an in die Geschichte hineinzuziehen und den Spannungsbogen wie auch die Authentizität in ihren Romanen bis zum Schluss oben zu halten:


Inhalt:


Kirsty Paterson, Tochter einer reichen Architektenfamilie und auch 'schwarzes Schaf', da sie als Einzige in der Familie nicht profitorientiert handelt, sondern eher ihren Talenten (z.B. dem Malen von Landschaftsbildern) und ihrem Herzen folgt, erbt zur Überraschung aller das Cottage auf der malerischen Insel Tiree, die zu den Inneren Hebrideninseln Schottlands gehört und für Kirsty schöne Ferienmomente mit Fiona, ihrer Großmutter, bedeutet: Doch mit dem Erbe stellt Fiona ihr nach deren Tod auch eine Aufgabe: Kirsty soll herausfinden, was aus Livie McMillan, ihrer Freundin aus der Kindheit auf Tiree, geworden ist. Der Kontakt der beiden Freundinnen war kurz vor dem 2. Weltkrieg Mitte der 30er Jahre abgebrochen....

Kirsty stellt sich dieser Aufgabe und lässt den Leser miträtseln, welchem Schicksal Livie damals entgegenging und auch nachspüren, wie karg und hart das Leben auf der kleinen Insel vor 100 Jahren gewesen sein muss. Was Fiona ihr verheimlichte, war die Tatsache, dass das Cottage an Finlay Stewart, einem Autor mit Schreibblockade, der dort in der Ruhe und Abgeschiedenheit wieder in den Schreibfluss kommen möchte, vermietet wurde: Fortan müssen die beiden ungleichen Mieter sich das Cottage teilen, was nicht ohne Spannungen, aber auch Schmunzeln bleiben sollte, da Finlay zwar ungehobelte Manieren hat und dem Trinken frönt, aber auch ein Genussmensch ist und für sein Leben gerne kocht. So recherchieren beide mehr und mehr gemeinsam, was aus Livie geworden ist und machen hierbei auch unliebsame Erfahrungen.... Wird es Kirsty gelingen, die Jugendfreundin ihrer Großmutter ausfindig zu machen?


Meine Meinung:


Die Autorin versteht es auch hier wieder, den Leser schon zu Beginn (der Prolog ist sehr dramatisch) zu fesseln und das Leseinteresse zu wecken: Der Roman findet auf zwei Zeitebenen statt, zum einen vor fast 100 Jahren und zum anderen in der Gegenwart; hier wird - für C. Wilken Romane symbolisch - Historie mit einer spannenden Geschichte und sympathischen ProtagonistInnen verwoben, wodurch ein schön zu lesender, authentisch wirkender Roman entsteht, den ich sehr gerne gelesen habe. Erschreckend war zuweilen in der Vergangenheit die Düsterkeit und Bitternis der beschriebenen Ausweglosigkeit von Frauen, die prügelnden, gewalttätigen Ehemännern schutzlos ausgeliefert waren und es kein Entrinnen gab: Ausser Paddy, der Lieblingsbruder von Livie McMillan, gibt es in dieser Familie nur Männer, die sich mit Fäusten auseinanderzusetzen wussten; allen voran Vater Donald, der die Familie auf brutale Weise tyrannisierte und kriminelle Wesenszüge trug.

Auf Kirsty wartet eine wahre Odyssee, die sie bis nach Mull führt, um etwas über das Schicksal von Livie herauszufinden und die Suche nach Spuren gestaltet sich stets (auch für den Leser) sehr spannend, so begegnet man Inselpfarrern, einer redseligen Küsterin, einem alten verbitterten Mann und dessen nichtsnutzigem Neffen, aber auch einer profitorientierten Familie, die letzten Endes einsieht, dass die Erbin des Cottages dieses wohl nicht verkaufen wird, um eine Ferienanlage auf der Insel zuzulassen.

Mitleid hat man mit dem Inselarzt, der in der Vergangenheit lieber die Insel verlassen hat als noch mehr (nicht nachweisbaren) Schaden durch einen cholerischen, gewalttätigen und herrschsüchtigen Mann auf sich zu nehmen, der zeitlebens (vermutlich besonders nach dem 1. Weltkrieg, an dem er teilnahm) ein Trinker und Schläger war.

Der Roman beinhaltet jedoch auch zwei Liebesgeschichten: Eine in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, die andere in der Gegenwart, die sich auch erst nach und nach abzeichnet, was jedoch köstlich zu lesen - und letztendlich auch stimmig ist: So freut man sich mit den Charakteren, leidet jedoch auch mit ihnen, wenn sie unfair und brutal behandelt werden; Paddy war mir in dieser Hinsicht auch sehr sympathisch und ihm hätte ich einen Job und eine Ausbildung zum Piloten sehr gewünscht. Finlay Stewart wirkt anfangs sehr abstoßend, jedoch hat die Schreibblockade auch einen Grund, den er erst nach längerer Zeit mit Kirsty teilen kann.


Fazit:


Ein sehr atmosphärischer, zu Herzen gehender Roman mit historischen Elementen der schottischen Hebrideninsel Tiree, der Familiengeheimnisse und Historie sehr authentisch verbindet und mit sehr sympathischen HauptprotagonistInnen aufwartet. Der Spannung von der ersten Seite an bis zum Schluss gewährleistet und den ich aufgrund der authentisch dargestellten Geschichte sehr gerne gelesen habe. Ich empfehle ihn absolut gerne weiter - wie auch die Wales-Reihe der Autorin - an LeserInnen, die Spannung, Stimmigkeit, Tiefgang, aber auch einen Schuss Romantik und wunderschöne Landschaften und Inseln mögen; darüber hinaus für Geschichte und Familiengeheimnisse 'empfänglich' sind ;) Hier würde ich in diesem Falle beherzt zugreifen! 5*

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Veröffentlicht am 16.06.2023

Ein wahrgemachter Traum in schwierigen Zeiten

Ein Garten voller Bücher
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"Ein Garten voller Bücher" von Alba Donati erschien (HC, geb., 2023, 271 S.) im Berlin Verlag und umfasst in Tagebuchform 6 Monate und damit den Beginn ihrer eröffneten kleinen Buchhandlung in Lucignana ...


"Ein Garten voller Bücher" von Alba Donati erschien (HC, geb., 2023, 271 S.) im Berlin Verlag und umfasst in Tagebuchform 6 Monate und damit den Beginn ihrer eröffneten kleinen Buchhandlung in Lucignana in der nördlichen Toskana gelegen; einem kleinen Bergdorf mit 180 Einwohnern....


Inhalt:


"Es ist nur ein Holzhäuschen in einem Garten - aber Alba Donatis Begeisterung für Literatur und LeserInnen machte etwas ganz Besonderes daraus. Ein halbes Jahr lang dürfen wir miterleben, wie sie und ihre FreundInnen trotz der Pandemie diesen Traum wahr machen. Und für alle, die gerade eine Italienreise planen: Ja, dies ist eine wahre Geschichte - fahren Sie nach Lucignana und besuchen Sie die vielleicht kleinste und bestimmt charmanteste Buchhandlung der Welt."

(Quelle: Buchrückentext des Verlags)


Meine Meinung:


Das Verlags'outfit' des Buches; das wunderschöne Cover, weist auf die Hauptakteure des in Tagebuchform geschriebenen Romans hin: Bücher, eine Buchhändlerin und ein Garten in der Toskana. Alba Donati, die Inhaberin, hat sich diesen Traum in schwierigen Pandemiezeiten mittels Crowdfunding und viel Optimismus in einem kleinen Bergdorf, in dem sie aufwuchs, erfüllte, führt die Leserschaft durch sechs Monate, die nicht immer einfach waren.


Durch die Tagebucheinträge sind die Kapitel kurz und gut zu lesen; man begegnet einigen Familienangehörigen wie der über 100jährigen Mutter, Allesandra, die Alba hilft, diese zu pflegen; einem skurrilen Engländer, der in der Nähe wohnt, einigen Freundinnen, LeserInnen und einer Großnichte, die sehr introvertiert ist und seit ihrer Mithilfe in der Buchhandlung bei Alba regelrecht aufblüht. Jedes Kapitel bzw. Tagebucheintrag endet mit einer Bestellung (was mich sehr an Shaun Bythell erinnerte, dessen "Tagebuch eines Buchhändlers" ich teils köstlich fand und sehr mochte) und gibt so dem geneigten Leser die Möglichkeit, sich hier zahlreiche Inspirationen zu holen. Während Bythell's Tagebuch skurril und oftmals lustig zu lesen war, fand ich hier leider keinen ebenso intensiven Zugang, da mir viele Gedankengänge der Autorin fremd sind und ich mich nicht mit der Inhaberin und Hauptfigur des Buches identifizieren konnte: So erscheint es mir z.B. unwahrscheinlich, dass es eine "ideale Leserin" gibt. Selten, jedoch gab es sie, las ich auch poetische Sätze, die mir durchaus gefallen haben.


Positiv empfand ich die unglaubliche Ausdauer, die Geduld und den Optimismus Donatis, diese Idee einer Buchhandlung in einem Garten umzusetzen - und das noch in Pandemiezeiten in Italien, das besonders von der Covidlage betroffen und lange in Zonen eingeteilt war. Davor ziehe ich den Hut; gefallen haben mir auch ihre feministischen Züge, gab sie doch vor allem Schriftstellerinnen einige Regale mehr, weil sie jahrhundertelang schweigen mussten. Auch mochte ich ihr Ritual, am Morgen stets zuerst nach den Pflanzen zu sehen; Bücher- und Gartenliebe schließen sich fürwahr nicht aus.


Dennoch fiel es mir hier eher schwer, der zuweilen zusammenhanglosen Handlung zu folgen; Menschen tauchen oft schemenhaft auf, ein genaueres Bild konnte ich mir jedoch nicht von ihnen machen. War die Leidenschaft einer Buchhändlerin zu sehen, sah ich jedoch auch eine recht knallharte Geschäftsfrau, die viele Jahre zuvor im Verlagswesen arbeitete. Dennoch muss ich ihr eine große Kreativität zuschreiben, denn es gibt sicher nicht viele Buchhandlungen, die auch selbstgestrickte Strümpfe mit Zitaten z.B. von Jane Austen im Sortiment haben dürften (eine Frau aus Israel deckte diesen Bereich ab).


Fazit:


Leider drängte sich hier der Vergleich zu einem anderen Buch (siehe oben) für mich auf, das mir aufgrund der Skurrilität und des Humors wesentlich besser gefallen hat als "Ein Garten voller Bücher" von Alba Donati. Hier langweilte ich mich immer wieder und fand vieles Beschriebene recht bedeutungslos, die Offenheit sehr gemäßigt und nur bis zu einem gewissen Grad vorhanden. So schön die Idee (und meinen Respekt zur Umsetzung dazu in einem kleinen Bergdorf!); der Roman konnte mich dennoch nicht erreichen. Daher von mir knappe 3* auf der Werteskala. Scusa!

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Veröffentlicht am 30.05.2023

Die Pharmacie Littéraire en route - oder auch: unterwegs zu sich selbst

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
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"Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" aus der Feder der wundervollen Schriftstellerin Nina George ist gewissermaßen der Anschluss an "Das Lavendelzimmer", das vielen bekannt sein dürfte und weltweit Anerkennung ...

"Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" aus der Feder der wundervollen Schriftstellerin Nina George ist gewissermaßen der Anschluss an "Das Lavendelzimmer", das vielen bekannt sein dürfte und weltweit Anerkennung fand (eins meiner Lieblingsbücher). Der Roman erschien bei Droemer Knaur (HC, gebunden, 2023,München, 379 Seiten) und reiht sich auf wunderbare Weise in die mir bekannten "Bücher über Bücher" - und auch Menschen - Reihe ein. Ich würde empfehlen, "Das Lavendelzimmer" zuerst zu lesen, zwingend notwendig ist es jedoch nicht, um auch dieses Buch für Bibliophile (und solche, die es noch werden wollen) sehr empfehlen zu können!


Monsieur Perdu lebt seit 3 Jahren mit Catherine, einer leidenschaftlichen Bildhauerin, im Süden Frankreichs. Perdu ist leidenschaftlicher Buchhändler, der Bücher und Menschen, die zusammenpassen, liebend gerne zusammenbringt und an einem Buch gegen Seelenleiden schreibt; das er "Die große Enzyklopädie der kleinen Gefühle" nennen wird und dessen Einträge man im Romanverlauf verfolgen - und oftmals darüber schmunzeln kann. Lulu, sein Bücherschiff, hat er seinen Freunden gegeben; doch losgelassen hat ihn weder Schiff noch der eigentliche Ankerplatz in Paris nicht, wie man feststellen kann: So beschließt er nach über 4 Jahren, über die Champagne, die Marne und die Seine wieder seine "Pharmacie Littéraire" in Paris anzusteuern. Auf dem Weg, auf dem Max ihn begleitet, Freund von Perdu und Victoria (der Tochter von Manon, falls man den Vorgänger kennt) und werdender Vater, passieren natürlich viele unvorhergesehene Dinge und wir lernen einige sehr liebenswerte Menschen auf dieser Reise kennen:


Da ist Cuneo und Samy, die Perdu halfen, "Lulu" wieder flott zu bekommen und beste Freunde sind, ebenso wie Max und Victoria; Ella, die lange im Verlagswesen tätig war und Pauline, ihre zuerst recht mürrische 16jährige Nichte (eine meiner Lieblingsfiguren im Roman); Dominique, später "Oma Dommi" genannt und der kleine Theo, dem es die Sprache verschlagen hat und dem Perdu sehr gerne helfen möchte, sie wiederzufinden; die Eltern von Perdu - Lirabelle und Joaquin - sowie Emile, ein Hafenbrigadier, der sich heimlich wünscht, wieder Bücher zu lesen und seinen Vorgesetzten, LeRoy im Grunde nicht ausstehen kann.


Meine Meinung:


Wie in all' ihren Büchern, nimmt Nina George ihre Leserschaft von der ersten Seite an mit ("Liebe auf den ersten Satz" - ein Zitat aus dem Roman, die es wirklich gibt!) und man ist als literarische "Mitreisende" oftmals gefangen von der zauberhaften Wortakrobatik, die die Autorin bis zur Perfektion beherrscht (wenn sie z. B. von der Allesmöglichkeit spricht). LektorInnen sind für sie "Co-Bildhauer des Wortgesteins"; viele teils poetische und philosophische Betrachtungen zu allen Facetten des literarischen - und auch realen Lebens liest man erstaunt, verzaubert von der sprichwörtlichen Sprachdynamik: Stilistisch ist der Roman ein Lesegenuss, es sind schöne Sätze oder Worte zu Büchern und Menschen zu finden, die nur George so auszudrücken vermag. (Erinnerungsdiamanten, z.B.) Der Stil ist poetisch, atmosphärisch, auch mal kritisch (Handy-Nutzung und das direkte Gespräch, das verloren zu gehen droht), zuweilen herzerwärmend und auch mal schnodderig in der Sprache (alle naslang) sowie humorvoll. Anderes regt zum Nachdenken an oder zum Innehalten, z.B.


"Ein Buch richtet sich stets an das Innere, stellt Fragen und lebt mit dem Lesenden in die Antworten hinein" (Zitat S. 277).


Die Themen sind so vielfältig wie das Leben selbst (Freundschaft, Liebe, Ängste, Heimat, gutes Essen, Lieben und wieder lieben lernen, Loslassen können, Optimismus, Gedankenreisen, Älterwerden u.v.m.). Auch werden viele bekannte Romantitel und AutorInnen genannt, die BücherfreundInnen bekannt sein könnten - oder es noch werden.


Fazit:


Der Roman ist eine Wohlfühllektüre auf hohem Niveau und gleichzeitig eine Schiffs- und literarische Reise mit Lulu vom Süden Frankreichs zurück nach Paris, wo ein Fest gefeiert werden sollte, das unterstreicht, dass es auch eine Reise zu sich selbst für Monsieur Perdu gewesen ist: Gemeinsam mit FreundInnen versteht er, nun angekommen in seinem Leben, dieses gebührend zu feiern! Ein Chapeau von mir für die unglaublich schön zu lesende "Wortakrobatik" der Autorin und eine Empfehlung sowie 4* am Literaturhimmel!


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Veröffentlicht am 29.05.2023

Hawthorne ermittelt - diesmal auf Alderney

Wenn Worte töten
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"Wenn Worte töten" (A line to kill im Originaltitel) von Anthony Horowitz erschien (2023, HC, geb., 329 S.) im Insel-Verlag. Es ist der dritte Kriminalroman, in dem der frühere Scotland-Yard-Inspector ...


"Wenn Worte töten" (A line to kill im Originaltitel) von Anthony Horowitz erschien (2023, HC, geb., 329 S.) im Insel-Verlag. Es ist der dritte Kriminalroman, in dem der frühere Scotland-Yard-Inspector und jetzige Privatermittler Hawthorne seinen (gewohnt zuweilen recht witzigen) Auftritt hat: Die Besonderheit hier lag für mich darin, dass Hawthorne, also eine Romanfigur, hier personalisiert wurde und mit dem Autor auf eine literarische Reise geht, die plötzlich zu einer mörderischen wird:


Beide (der Autor und Hawthorne) erhalten eine Einladung zum Literaturfestival auf Alderney, der kleinen Kanalinsel, die friedlich ist und auf der es nie zuvor einen Mord gab: So fliegt man mit den beiden gemeinsam auf die Insel; erlebt stellenweise die Lesungen und Vorträge mit und kann sich ein Bild von den weiteren Schriftstellern machen, die hier angetreten sind; teils mit schweren Koffern in der Hoffnung, viele Bücher zu verkaufen: Da sind Marc Bellem, ein TV-Koch, der auf Kalorien pfeift und Deftiges zubereitet mit seinem neuen Buch und der Assistentin Kathryn, die er für kleines Geld kurz zuvor anheuerte. Da ist der Inselhistoriker Elkin und die französische Lyrikerin Maissa Lamar sowie die Kinderbuchautorin Anne Cleary, die kürzlich eine üble Scheidung hinter sich brachte. Weiterhin gibt es die "blinde Seherin" (Buchtitel 'Blind Sight, Dark Sight' etc., mit der wir später eine Séance erleben sollen. Sponsor des Festivals ist der Inselmäzen Charles le Mesurier, der steinreich ist und sich eine Villa in der Nähe alter Bunkeranlagen aus dem 2. Weltkrieg hat bauen lassen: Er hat seine Finger überall im Spiel und seine Frau Helen gibt dieses nach Gusto beim Shoppen in Paris und sonstwo gerne wieder aus: Eine neue Stromtrasse spaltet die Inselbewohner; auch hier will Charles, dass diese gebaut wird, da er sich Profit davon verspricht; andere sind sehr dagegen, da sie mittels Umspannwerken etc. die Insel verschandeln würde - und was noch schlimmer ist, direkt über einem Massengrab aus dem 2. WK verlaufen soll, in dem auch so mancher Großvater der Inselbewohner seine letzte Ruhe fand.


Bei der Party in der Villa von Charles, die sich dem Literaturfestival anschließt und zu der alle eingeladen sind, kommt es zum Eklat: Charles wird übel zugerichtet und mausetot von seiner Ehefrau Helen gefunden: Der kriminalistische Spürsinn von Hawthorne und dem Autor sind geweckt: Motive finden sich zuhauf, da Charles ein menschliches Ekelpaket gewesen ist, das sein Geld im Online-Glücksspiel machte und selbst über Leichen ging: Doch wer von den Anwesenden hat das plausibelste Mordmotiv?


Dies gilt es nunmehr herauszufinden und die Überlegungen und Nachforschungen der beiden erinnern stark an einen unaufgeregten aber dennoch spannenden 'crime noir' à la Sherlock Holmes oder Agatha Christie: Immer wieder gleitet einem beim Lesen ein Schmunzeln ins Gesicht, da der Schlagabtausch zwischen Hawthorne (der sich selten in die Karten gucken lässt und z.B. ungern mit anderen speist) und dem Autor zuweilen gnadenlos - und sehr witzig ist. Genau dies macht den atmosphärischen und eher ruhig gehaltenen Schreibstil von Horowitz für mich aus; der es auch an weiteren Leichen (und Rätselhaftem) nicht mangeln lässt.


Fazit:


Eine witzige Kriminalromanidee, bei der die Buchfigur Hawthorne personifiziert wird und gemeinsam mit dem Autor ein Literaturfestival besucht, das einen mörderischen Verlauf auf einer sonst sehr friedlichen Insel nimmt: Es ist nicht der stärkste Kriminalroman in der Reihe "Hawthorne ermittelt" für mich, jedoch absolut lesenswert für Krimifans, die einen ruhigen Handlungs- und Spannungsaufbau lieben - ebenso wie kriminelle, wahre, gesellschaftliche Hintergründe, die auch hier zu denken geben. Von mir erhält "Wenn Worte töten" 3,5 * und ich freue mich bereits auf Neues von Anthony Horowitz!

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