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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2025

aufwühlend und intensiv

Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen
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Dieses Buch wäre beinahe an mir vorbeigegangen, weil ich anhand des Titels eine völlig andere Geschichte erwartet hatte. Doch zum Glück habe ich doch einen zweiten Blick darauf geworfen.

Eva wächst in ...

Dieses Buch wäre beinahe an mir vorbeigegangen, weil ich anhand des Titels eine völlig andere Geschichte erwartet hatte. Doch zum Glück habe ich doch einen zweiten Blick darauf geworfen.

Eva wächst in einem kleinen Dorf bei Belgrad auf, die erste Ehe, aus der ihr kleiner Sohn Mario stammt, ist unglücklich und endet früh. Sie lernt Viktor kennen, verliebt sich in den athletischen jungen Mann, der wortgewandt ist und den intellektuellen Schriftsteller gibt, aufgeklärt, feministisch und modern. Doch hinter der Fassade steckt ein hoch manipulativer, zutiefst egoistischer Charakter, der es versteht, Eva klein zu halten, zu kontrollieren und ihr Schuldgefühle einzureden. Die Situation wird schlimmer, als die beiden gemeinsam nach Deutschland gehen. Eva kommt nicht von Viktor los, obwohl Körper und Psyche rebellieren, sie lässt sich immer wieder von seiner selbstmitleidigen Art einlullen und sich von ihm etwa durch Gaslighting manipulieren. Ihre Beziehung ist ein ständiges Auf und Ab und aus physischer und psychischer Gewalt und tränenreichen Versöhnungen, die Viktor zu inszenieren versteht.

Milica Vučković schreibt in der Ich-Perspektive, direkt und unmittelbar, so dass man als Leser:in ganz nahe an Eva dran ist, fast so, als säße sie neben einem und erzählte ihre Geschichte. Hierdurch habe ich Evas Leben ganz besonders intensiv wahrgenommen, und es hat mich richtig aufgewühlt. Ich war wütend auf Viktor, wollte ihm am liebsten mal so richtig die Meinung sagen, und gleichzeitig Eva bei den Schultern packen und sie aufrütteln.

Besonders erschüttert hat mich Milica Vučkovićs Bemerkung in der Danksagung, dass der Roman großteils auf dem Lebensweg einer Freundin von ihr beruht.

Für mich war dieses Buch eine unverhoffte, aber sehr bewegende Entdeckung. Noch immer stecken sehr viele Frauen in toxischen Beziehungen, und Bücher wie dieses führen eindringlich deren Mechanismen vor Augen. Es bleibt zu hoffen, dass sie die Augen öffnen und dabei helfen, Alarmsignale frühzeitig zu erkennen und auszubrechen. Ich möchte Milica Vučkovićs Roman daher unbedingt weiterempfehlen. Gerade die Leser:innen von Lana Lux‘ „Geordnete Verhältnisse“ könnten auch „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“ sehr schätzen.

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Veröffentlicht am 28.03.2025

Eher kein Handbuch

Das Geheimnis der Wolken. Handbuch zum Lesen des Himmels
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„Das Geheimnis der Wolken“ von Vincenzo Levizzani trägt den Untertitel „Handbuch zum Lesen des Himmels“, und aufgrund dessen hatte ich ein Buch erwartet, das leicht verständlich und prägnant in die Welt ...

„Das Geheimnis der Wolken“ von Vincenzo Levizzani trägt den Untertitel „Handbuch zum Lesen des Himmels“, und aufgrund dessen hatte ich ein Buch erwartet, das leicht verständlich und prägnant in die Welt der Wolken einführt und auch als übersichtliches Nachschlagewerk dienen kann, wenn man Näheres über ein Himmelsphänomen wissen möchte. Diese Erwartung wurde nicht erfüllt.

Levizzani ist Wolkenphysiker, und dies merkt man seinem Buch auch deutlich an, da er sehr physikalisch-wissenschaftlich formuliert. Ob Sahara-Staub, Hagel, Gewitterzellen oder die Entstehung und Größe von Regentropfen - Levizzani erklärt fundiert, detailliert und ausführlich. Etwas trocken empfand ich seine Ausführungen zu den wichtigsten historischen Wolkenphysikern.

Positiv hervorheben möchte ich die zahlreichen Fotos, Diagramme und Illustrationen, die den Text sehr gut ergänzen und das Geschriebene veranschaulichen. Auch das kleine Glossar am Buchende ist hilfreich.

Wer sich eingehend mit Wolken und ihrer Physik auseinandersetzen möchte, findet hier das perfekte Buch. Wer das im Untertitel versprochene Handbuch mit Nachschlagwerkcharakter sucht, wird eher nicht fündig.

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Veröffentlicht am 24.03.2025

Gute Idee, aber schwache Umsetzung

Die Bibliothek der verborgenen Erinnerungen
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Delila „Dally“ Peteharrington ist 11 Jahre alt, POC und Tochter einer wohlhabenden Unternehmerfamilie in South Carolina. Ihr Vater ist bereits früh gestorben, und so lebt sie zusammen mit ihrer Mutter ...

Delila „Dally“ Peteharrington ist 11 Jahre alt, POC und Tochter einer wohlhabenden Unternehmerfamilie in South Carolina. Ihr Vater ist bereits früh gestorben, und so lebt sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Großvater auf einem herrschaftlichen Anwesen. Während ihre Mutter eine gestrenge Geschäftsfrau ist, die Dally mit Privatstunden in Wirtschaftslehre und einem straffen Tagesplan zu Disziplin erziehen will, damit sie später das Unternehmen leiten kann, erlebt sie mit ihrem lebensfrohen Großvater Abenteuer und schöne Stunden. Als ihr Großvater stirbt, hinterlässt er ihr eine Schatzkarte, die Dally zu einer magischen Bibliothek führt. Die Bücher dort ermöglichen den Besucher:innen Zeitreisen zu Geheimnissen aus ihrer Vergangenheit oder der Vergangenheit eines Familienangehörigen bzw. Vorfahren. Auf diese Weise begegnet Dally ihren jungen Eltern, segelt mit Urahnen auf einem Piratenschiff und erlebt Diskriminierung von POC.

Ich habe das Buch zusammen mit meinem Sohn (11) gelesen. Die Idee hinter dem Buch, durch Zeitreisen sich selbst, seine Familie und die Familiengeschichte besser zu verstehen, hat uns sehr gut gefallen. Leider empfanden wir die Umsetzung als weniger gelungen. Das erste Drittel des Buches zieht sich, und die ersten Zeitreisen sind eher langweilig, so dass die Gefahr besteht, dass die jungen Leser:innen die Lust verlieren und abbrechen. Erst mit der Fahrt auf dem Piratenschiff kommt etwas Abenteuer in die Geschichte, doch wirklich spannend wird es nicht.

Die Beispiele, anhand derer die Autorin Kekla Magoon die Diskriminierung Schwarzer Menschen zeigen möchte, fand ich für die Altersgruppe nicht gut gewählt. Ich hatte erwartet, dass eine Zeitreise auf eine Baumwollplantage führen würde oder Dally in den 50er und 60er Jahren Zeugin von Segregation im öffentlichen Nahverkehr, den Schulen, Wohngegenden, Restaurants etc. werden würde. Stattdessen wurde hauptsächlich über Rassismus gesprochen, aber keine konkrete Situation kreiert, in der eine Figur eine rassistische Erfahrung macht. Letzteres wäre für Kinder besser nachzuvollziehen.

Als sehr problematisch empfand ich, dass im Buch immer wieder das N-Wort verwendet wird. In der jeweiligen Erzählzeit wurde dieses Wort zwar im Alltag noch benutzt, dennoch sehe ich es kritisch, wenn es in einem Kinderbuch ohne weitere Erläuterung Verwendung findet. Erklärende Fußnoten oder eine Vorbemerkung bzw. ein Nachwort hätte ich mindestens erwartet, um die Kinder hier zu sensibilisieren.

Sehr konstruiert und zu bemüht wirken die erzählerischen Klimmzüge, die die Autorin macht, um auch noch LGBTQIA+-Themen unterzubringen wie Homosexualität, Transgender und Dritte Pronomen. Das erschien doch sehr aufgesetzt und mein Sohn wusste damit auch noch nichts anzufangen.
Positiv bewertet hat mein Sohn, dass das Buch immer wieder reale Alltagssituationen enthält, was er als angenehme Abwechslung zu vielen aktuellen Kinderbüchern empfand, die in einer reinen Abenteuer-Fantasywelt spielen.

Insgesamt wirkte das gesamte Buch sehr bemüht und etwas hölzern, die Geschichte kommt nicht richtig in Schwung und die Figuren bleiben blass. Das im Verhältnis zum langatmigen Beginn eher abrupte Ende empfand ich als recht unbefriedigend, zumal es zu einem Logikproblem im Zeitreisekontext führt.

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Veröffentlicht am 24.03.2025

Agentenroman zur Zeit des Zweiten Weltkriegs

Atom
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Simon Batley spionierte ab 1927 während seines Physikstudiums in Berlin mehrere Jahre für den MI5. Dieser endete in einem Desaster, und er musste Hals über Kopf Deutschland verlassen und damit auch seine ...

Simon Batley spionierte ab 1927 während seines Physikstudiums in Berlin mehrere Jahre für den MI5. Dieser endete in einem Desaster, und er musste Hals über Kopf Deutschland verlassen und damit auch seine große Liebe, die Mathematikerin Hedi. Hierauf quittierte er seinen Dienst. Ein paar Jahre später, zu Beginn des zweiten Weltkrieges, kontaktiert ihn sein früherer Führungsoffizier und will ihn erneut rekrutieren. Als Physiker und Raketenspezialist soll er bei der Aufklärung des deutschen Geheimwaffenprogramms helfen. Da Simon die Chance wittert, Hedi wiederzusehen, sagt er zu und begibt sich auf die Jagd nach der deutschen Superwaffe. Doch nicht nur die Briten, sondern auch die Amerikaner und die Russen sind hinter dem deutschen Atomprogramm her…

Als Naturwissenschaftlerin und Fan von Spionage-Thrillern hat mich „Atom“ von Steffen Kopetzky sofort angesprochen. Kopetzky verbindet in seinem Roman historische Figuren und Begebenheiten gekonnt mit fiktiven Charakteren. Man spürt beim Lesen, dass Kopetzky sorgfältig recherchiert hat, und erfährt Interessantes über das damalige Atomwaffenprogramm. Insbesondere die Geschichte um dessen Leiter Hans Kammler, General der Waffen-SS und widerwärtigen Kriegsverbrecher, war mir bisher nicht bekannt. Auch die Rivalität zwischen den Alliierten und ihren Spionageabteilungen wird eindrücklich beschrieben, von denen insbesondere gegen Kriegsende jeder seine eigenen Ziele verfolgt.

Leider konnte mich der Roman trotz allem nicht recht fesseln. Merkwürdigerweise kommt zu keinem Zeitpunkt echte Spannung auf, die Geschichte wirkt zuweilen zäh und langatmig erzählt und die Figuren bleiben seltsam blass, so dass ich das Buch immer wieder für ein paar Tage zur Seite legte. Die private Liebesgeschichte zwischen Simon und Hedi empfand ich als eher störend und unglaubwürdig, so wie mir die gesamte Figur der Hedi recht künstlich erschien. Teilweise wunderte ich mich über kleine Ungenauigkeiten. So wird der Siren Suit von Winston Churchill im Buch als kragenlos und mit Knopfleiste beschrieben (Teil 3, Kapitel 2), während alle bekannten Bilder Churchills berühmten Sirenenanzug mit Kragen und Reißverschluss zeigen. Auch die Beschreibung des Abschusses einer Aggregat4-Rakete ist in meinen Augen weniger gelungen. Um dem Leser ein Bild davon zu vermitteln, hätte der Antrieb etwas genauer erläutert werden müssen, was in zwei bis drei zusätzlichen Sätzen allgemeinverständlich möglich gewesen wäre. Insbesondere dürfte vielen nicht geläufig sein, dass es sich beim „T-Stoff“ um den damals verwendeten Begriff für Wasserstoffperoxid handelt.

Insgesamt hatte ich mir von diesem Roman etwas mehr versprochen.

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Veröffentlicht am 22.03.2025

Die geniale Reihe geht weiter!

Birds of Paris – Der verborgene Turm
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Nachdem mein Sohn (11) und ich Band 1 und die kostenlose Prequel verschlungen hatten, warteten wir mit großer Vorfreude auf Band 2. Léa und ihre Federsucher-Freunde, die Straßenkinder Roux, Ari, Alex und ...

Nachdem mein Sohn (11) und ich Band 1 und die kostenlose Prequel verschlungen hatten, warteten wir mit großer Vorfreude auf Band 2. Léa und ihre Federsucher-Freunde, die Straßenkinder Roux, Ari, Alex und Coralie, liefern sich mit den Vogelfängern einen spannenden Wettlauf bei der Suche nach dem Markt der Wunder. Zudem wartet auf Léa eine große Herausforderung, die sie mitten ins Hauptquartier der Vogelfänger bringt…

Da Band 2 nahtlos an den ersten Band anschließt, sollte man diesen unbedingt zuvor gelesen haben, auch wenn die Autorin geschickt immer wieder erklärende Rückgriffe auf Teil 1 einstreut. Gerade, wenn man diesen schon vor etwas längerer Zeit gelesen hat, sind diese kleinen Erinnerungshilfen sehr praktisch. Kathrin Tordasi erzählt lebendig und sprachgewandt, und mein Sohn und ich konnten sofort wieder in das magische und geheimnisvolle Paris der Schimmervögel und Glanzwerker abtauchen.

Während in Band 1 Erwachsene kaum eine Rolle spielten, so wird nun das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern näher thematisiert. Kathrin Tordasi schreibt hierbei sehr einfühlsam und glaubwürdig und zeigt, dass es auch bei besten Absichten auf beiden Seiten zu schmerzhaften Missverständnissen kommen kann. Generell kommt der Gefühlsebene der Charaktere bei „Birds of Paris“ eine sehr große Bedeutung zu: Was bedeutet es, als Straßenkind zu leben, früh, zu früh, Verantwortung übernehmen zu müssen? Und wie wirkt es sich auf ein Kind aus, wenn es nirgendwo verwurzelt ist und nie gelernt hat, Freundschaften zu schließen? Selbstzweifel, Unsicherheit, die Suche nach der eigenen Identität, Freundschaft, Verantwortung, der Wunsch nach Zugehörigkeit und die Angst vor Zurückweisung spielen daher für Léa und die Federsucher-Kinder eine zentrale Rolle, die sehr tiefgründig und glaubwürdig ausgearbeitet ist. Man spürt, dass diese Thematik der Autorin ein wichtiges Anliegen ist, und gerade sehr stille und introvertierte Kinder dürften sich hier wiederfinden.

Die Kernhandlung von Band 2 findet ein abgeschlossenes Ende, und doch schließt das Buch mit einem Cliffhanger, der neugierig auf die Fortsetzung macht.

Fazit: Die Reihe „Birds of Paris“ gehört für uns zu besten Kinderbuchreihen ab 10 Jahren, und wir empfehlen sie rundum weiter!

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