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Veröffentlicht am 26.08.2023

Lesenswert!

Gittersee
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"Gittersee" von Charlotte Gneuß ist ein eindrücklicher Roman über das Leben in der DDR.

Da die Erzählung häufig zwischen Träumen, der Gegenwart und diversen Erlebnissen in der Vergangenheit hin und herspringt, ...

"Gittersee" von Charlotte Gneuß ist ein eindrücklicher Roman über das Leben in der DDR.

Da die Erzählung häufig zwischen Träumen, der Gegenwart und diversen Erlebnissen in der Vergangenheit hin und herspringt, ist es manchmal nicht gleich ersichtlich, wie einzelne Passagen richtig einzuordnen sind. Auch wenn dies eine hohe Konzentration beim Lesen erfordert und eine gewisse emotionale Distanz erzeugt, so hat dieser recht spezielle Schreibstil für mich doch einen besonderen Reiz und spiegelt die durcheinanderwirbelnden Gedanken der Protagonistin Karin sehr gut wider.

Einige Dinge, die nur angedeutet wurden, hätte ich mir etwas ausführlicher gewünscht, insbesondere, was die beruflichen Tätigkeiten von Karins Eltern anging und die Geschichte des Großvaters. Dessen Vergangenheit im Krieg wurde immer wieder vage angerissen und es blieben viele Fragen offen. Der Ort Gittersee ist mir vor allem durch den jahrelangen Uranabbau und den dadurch massiv verseuchten Boden ein Begriff. Leider wird dies im Roman tabuisiert, der Begriff Uran fällt überhaupt nicht, es ist lediglich von Bergbau und dem "Schacht" als Arbeitsplatz die Rede. Nur einmal wird die Großmutter zitiert, dass "die Gegend vergiftet" sei, aber die Autorin geht nicht näher darauf ein.

Durch Karin bekam ich einen Einblick in die Lebensumstände in der DDR und die sozialistische Propaganda in der Schule. Trotzdem war ich etwas verwundert über Karins Naivität und Arglosigkeit, und auch ihr Handeln am Schluss ist bei näherer Betrachtung für mich irrational. Da ich nicht spoilern möchte, kann ich hier nicht konkreter werden.

Fazit: Ein eindrücklicher, insgesamt sehr lesenswerter Roman mit einem teils sprunghaften, aber sehr reizvollen Erzählstil.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Schwächer als die Vorgängerbände

Fräulein vom Amt – Spiel auf Leben und Tod
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"Spiel auf Leben und Tod" ist der dritte Band der Reihe um das "Fräulein vom Amt", die Telefonistin Alma Täuber, und ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Emmi.

Den kulturellen Hintergrund dieses Bandes ...

"Spiel auf Leben und Tod" ist der dritte Band der Reihe um das "Fräulein vom Amt", die Telefonistin Alma Täuber, und ihre beste Freundin und Mitbewohnerin Emmi.

Den kulturellen Hintergrund dieses Bandes bietet ein internationales Schachturnier, das 1925 in Baden-Baden stattfand, wenn auch dessen Beschreibung weniger Raum einnimmt als die ägyptischen Festivitäten in Band 2.

Gertrude, die Cousine einer Kollegin von Alma, wird tot in der Wäschetrommel einer Wäscherei gefunden. Während die Polizei von Selbstmord oder einem tragischen Arbeitsunfall ausgeht, ist Almas Kollegin überzeugt, dass mehr dahinter steckt, und bittet Alma um Hilfe. Diese stellt Nachforschungen an und findet sich bald in einem verzwickte Fall wieder, der einige Überraschungen und brenzlige Situationen bereithält.

Da der dritte Band einen in sich abgeschlossenen Fall bildet, ist es möglich, diesen ohne Kenntnis der ersten beiden Bände zu lesen. Ich würde dennoch dazu raten, die Reihenfolge einzuhalten, da immer wieder Anspielungen auf die vorigen Bände gemacht werden und auch zentralen Figuren wie Ludwig und Walter sowie einige Arbeitskolleginnen und die Familie von Alma in allen Bänden vorkommen.

Wie gewohnt bietet auch Band 3 wieder interessante Einblicke in die Lebensumstände der gehobenen Mittelschicht in den 1920er Jahren. Ausgelassene Tanzveranstaltungen zu Jazzmusik werden ebenso beschrieben wie technische Neuerungen: elektrisches Licht, erste Haushaltswaschmaschinen und Staubsauger halten  im Zuge der fortschreitenden Elektrifizierung Einzug in Privathaushalte. Auch die gesellschaftliche Situation der Frauen wird thematisiert und die politische Lage in der Weimarer Republik klingt immer wieder an. Ganz in die Atmosphäre der 20er abtauchen zu können, macht für mich immer den besonderen Reiz der Alma-Täuber-Krimis aus. Alma, Emmi, Walter und Ludwig mir ihren liebenswerten Eigenheiten sind schon fast wie alte Bekannte, die man gerne wiedertrifft.

Leider konnte mich dieses Mal der Fall nicht so richtig fesseln. Er erschien mir doch arg konstruiert, und die Auflösung war nicht sehr überzeugend. Die Handlung zerfaserte zusehens, und mir fehlte eine gewisse Stringenz. Auch das teilweise recht kopflose Verhalten von Emmi und Alma störte mich, und einzelne Szenen insbesondere gegen Ende empfand ich als unglaubwürdig. Ich hatte den Eindruck, dass das Autorinnenduo hier einen besonders kniffligen Fall schaffen wollte und sich hierbei aber zunehmend verzettelte. Insgesamt blieb ich nach der Lektüre mit einem unzufriedenen Gefühl zurück.

Für mich leider der bisher schwächste Band der Reihe, und ich hoffe, dass Teil 4 wieder an die frühere Qualität anknüpfen kann.




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Veröffentlicht am 26.08.2023

Nordirland zur Zeit der IRA

Übertretung
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Da ich mir unter dem Titel "Übertretung" zunächst nichts vorstellen konnte, wäre ich an diesem Buch beinahe vorbeigegangen. Glücklicherweise habe ich doch einen Blick auf den Klappentext geworfen, der ...

Da ich mir unter dem Titel "Übertretung" zunächst nichts vorstellen konnte, wäre ich an diesem Buch beinahe vorbeigegangen. Glücklicherweise habe ich doch einen Blick auf den Klappentext geworfen, der mich aufgrund der Thematik des Nordirlandkonfliktes sehr ansprach.

Nordirland 1975: Die IRA und protestantische Milizen sorgen für Angst und Schrecken, Bombenanschläge und Attentate sind an der Tagesordnung. Cushla Lavery ist 24 Jahre alt, katholisch und Lehrerin an einer katholischen Grundschule in einem Vorort von Belfast. Der Schüler Davy aus einer ärmeren katholisch-protestantischen Mischfamilie, der in der Klasse gemobbt wird, ist ihr besonders ans Herz gewachsen, und sie unterstützt seine Familie in einer Notlage. Nach Schulschluss kümmert sich Cushla um ihre alkoholkranke Mutter Gina oder hilft ihrem Bruder Eamonn im Pub der Familie. Eines Abends kommt ein Mann in den Pub, zu dem sich Cushla sofort hingezogen fühlt, trotz des großen Altersunterschieds. Michael Agnew ist Protestant, Prozessanwalt und verheiratet, und Cushla beginnt mit ihm eine Affäre, die ihr Leben nachhaltig verändert.

Der Autorin Louise Kennedy gelingt es, die beklemmende Atmosphäre im Nordirland der 1970er Jahre eindrücklich und lebendig einzufangen. Bombenanschläge, Strassensperren und Polizeikontrollen gehören zum Alltag, die Konfessionszugehörigkeit prägt jeden Winkel des gesellschaftlichen und sozialen Lebens, und kleinste Abweichungen - ein unüberlegtes Wort, eine falsche Route auf dem Heimweg, Hilfsbereitschaft gegenüber den "falschen" Menschen - können lebensbedrohliche Folgen haben. Hierin (und auch  durch den Originaltitel "Trespasses") erklärt sich auch der Titel - sichtbare wie unsichtbare Grenzüberschreitungen können fatal sein.

Der Roman zeigt, wie Cushla und ihr Umfeld inmitten des Terrors versuchen, ein normales Leben zu führen, und auch, wie sehr die ständige Bedrohungslage zur Normalität geworden ist. Besonders deutlich wird dies, wenn die Autorin die Unterrichtsstunden schildert, die mit den "Nachrichten" beginnen, und bei denen die 7jährigen Schüler und Schülerinnen ganz selbstverständlich über Attentate, Anschläge und militante Gruppierungen sprechen. Als Katholikin erlebt Cushla Schikanen durch die Polizei, wird Zeugin von Argwohn, Hass und Ausgrenzung und muss selbst immer wieder sowohl unverhohlene als auch unterschwellige verbale Provokationen erdulden.

Die Geschichte um Davy und seine Familie ist mir sehr nahegegangen, und ich habe mit ihnen richtig mitgelitten. Etwas zwiegespalten bin ich bezüglich der Beziehung zwischen Cushla und Michael, da mich der Altersunterschied von 30 Jahren doch sehr gestört und auch etwas abgestoßen hat. Michael blieb mir als Figur bis zum Schluß unsympathisch, und die Anziehung, die er auf Cushla ausübte, war mir unverständlich.

Ich habe durch den Roman einiges über die damalige Situation und das Lebensgefühl in Nordirland erfahren, und war fast traurig, als das Buch zuende war. Ich hätte über einige Figuren gerne noch mehr erfahren, doch auch der Schluß hat, so wie er ist, einen besonderen Reiz. Ein wirklich
tolles Debüt, das ich auf jeden Fall weiterempfehlen möchte.

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Veröffentlicht am 26.08.2023

Leider eher schwach

Kommissar Jennerwein darf nicht sterben
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Ich hatte von Jörg Maurers Jennerwein-Reihe bereits viel Gutes gehört, allerdings bisher noch keinen Band gelesen. "Jennerwein darf nicht sterben" ist bereits der 15. Fall für Kommissar Hubertus Jennerwein, ...

Ich hatte von Jörg Maurers Jennerwein-Reihe bereits viel Gutes gehört, allerdings bisher noch keinen Band gelesen. "Jennerwein darf nicht sterben" ist bereits der 15. Fall für Kommissar Hubertus Jennerwein, der ihn aus dem wohlverdienten Erholungsurlaub direkt in einen kniffligen Fall rund um das Thema KI (Künstliche Intelligenz) führt.

Auch wenn die Geschichte immer wieder kleine Anspielungen auf frühere Bände enthält, bin ich problemlos in die Geschichte hineingekommen.

Allerdings musste ich schnell feststellen, dass dieser Krimi leider überhaupt nicht meinen Geschmack trifft. Den Figuren und der Handlung fehlt es an Tiefe und Glaubwürdigkeit, und die Geschichte ist sehr langatmig. Die Exkurse um die Legende vom Teufel im Beichtstuhl haben mich eher genervt und gelangweilt, und die Haupthandlung rund um die Firma Mikado Solutions und Künstliche Intelligenz ist sehr ausschweifend erzählt und gleichzeitig völlig unglaubwürdig und abstrus. Die Art und Weise, wie hier KI thematisiert wird, erweckt für mich nicht den Eindruck, als hätte der Autor hier fundiert recherchiert, sondern eher ins Blaue hinein phantasiert. Hinzu kommen leider auch grobe Schnitzer in der Logik (Widersprüche in den Sicherheitsvorkehrungen und der Überwachung bei Mikado Solutions) und den zeitlichen Abläufen (so sucht der "Isländer" eine Besenkammer im Hotel auf, um einen dort abgestellten Gegenstand zu holen, doch während er den kurzen Weg von der Küche dorthin zurückzulegt, vergeht in der Parallelhandlung um Jennerwein ein ganzer Abend samt Nacht!). Der Autor packt zudem zu viele Nebenhandlungen in die Geschichte, die unausgegoren, wenig durchdacht und streckenweise regelrecht absurd wirkt. Wenn man nach der Lektüre die gesamte Geschichte und das Verhalten von Herrn Lim von Mikado Solutions in Gedanken noch einmal durchspielt, bleibt die Logik völlig auf der Strecke.

Für mich leider ein enttäuschender Roman, sowohl hinsichtlich der Handlung als auch der Figurenzeichnung, und ich werde diese Reihe nicht weiter verfolgen.

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Veröffentlicht am 23.08.2023

Spannender Krimi, aber historisch etwas dünn

Die Kälte der Mur
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Ich lese sehr gerne historische Krimis, und so ließ ich mich von Gudrun Wieser in "Die Kälte der Mur" ins späte 19. Jahrhundert in die Steiermark entführen. Der Gendarm Wilhelm Koweindl sieht sich darin ...

Ich lese sehr gerne historische Krimis, und so ließ ich mich von Gudrun Wieser in "Die Kälte der Mur" ins späte 19. Jahrhundert in die Steiermark entführen. Der Gendarm Wilhelm Koweindl sieht sich darin mit einer besonders kniffligen Ermittlung konfrontiert. An den Ufern der Mur werden Leichenteile von Frauen angeschwemmt. Zur Lösung des Falls sucht er Rat bei der Hauslehrerin Ida Fichte, deren scharfen Verstand er schätzt und der er auch ansonsten sehr zugeneigt ist. Alsbald tragen sich im Haushalt der Familie, bei der Ida in Stellung ist, merkwürdige Dinge zu, und Wilhelm und Ida haben einen Verdacht...

"Die Kälte der Mur" ist nach "Jenseits der Mur" der zweite Band im Ida Fichte und Wilhelm Koweindl. Auch wenn die Fälle in sich abgeschlossen sind und ich den zweiten Band ohne Kenntnis des ersten problemlos lesen konnte, ist es dennoch ratsam, zunächst Band 1 zu lesen, da immer wieder Anspielungen auf den ersten Fall vorkommen und man dort auch erfährt, wie sich Ida und Wilhelm kennengelernt haben.

Ida und Wilhelm waren mit sofort sympathisch, ebenso der Probegendarm Leopold. Der Schreibstil ist angenehm und passt sehr gut zum historischen Hintergrund der Geschichte. Ich habe mit den beiden mitgefiebert und mitgerätselt, und der Fall blieb spannend bis zum Schluß.

Was mir bei dem Roman etwas fehlte, war der zeitgeschichtliche Hintergrund. Ich mag es sehr, wenn die Krimihandlung eingebettet ist in politische, wirtschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Zusammenhänge und ich nebenbei etwas über die Zeit erfahre, in der der Krimi spielt. Das ist hier leider nicht der Fall, und so wirkt die Geschichte als Ganzes etwas dünn. Auch über die damals üblichen kriminalistischen Methoden erfährt man leider nichts.

Fazit: Ein unterhaltsamer Krimi mit interessanten Wendungen und sympathischen Protagonist*innen, dessen historischer Kontext noch etwas stärker ausgearbeitet sein dürfte.

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