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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.05.2023

Urkomisch und einfach toll!

Genial normal
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Seit ich "Grüner wird's nicht" gelesen habe, bin ich ein großer Fan von William Sutcliffe, und so war ich sehr gespannt auf "Genial normal".

Der 15jährige Sam zieht mit seinen Geschwistern Ethan und ...

Seit ich "Grüner wird's nicht" gelesen habe, bin ich ein großer Fan von William Sutcliffe, und so war ich sehr gespannt auf "Genial normal".

Der 15jährige Sam zieht mit seinen Geschwistern Ethan und Freya und seinen Eltern aus dem Örtchen
Stevenage in ein nobles Londoner Viertel, nachdem seine Eltern zu Reichtum gekommen sind. Während sich seine Mutter auf einen Selbstfindungstrip begibt, finden sich die Kids auf der "Die Nord­-London­-Akademie für Begabte und Talentier­te" wieder, einer alternativen privaten Schule für Kinder aus reichem Hause. Während seine künstlerisch und musisch interessierten Geschwister dort schnell Anschluss finden, bleibt der Sam unter den ziemlich exzentrischen Kids ein Außenseiter und wünscht sich in sein altes Leben zurück. Eher zufällig landet er beim Vorsprechen fürs Schultheater, und eine turbulente Zeit beginnt.

William Sutcliffes Schreibstil ist einfach urkomisch und voller herrlich trockenem Humor. Den Ich-Erzähler Sam, einen aufgeweckten, rundum normalen und mit seiner Durchschnittlichkeit zufriedenen Jungen, muss man einfach gern haben. Sams Familie und seine Mitschülerinnen und Lehrerinnen werden wunderbar spitz beschrieben, und ich habe mich selten bei einem Jugendbuch so köstlich amüsiert. Trotz vieler Seitenhiebe gegen pseudo-elitäre alternative Schulformen, die sich der Erweckung des inneren Selbsts verschrieben haben, entdeckt auch Sam dort neue Fähigkeiten an sich, entwickelt sich weiter und geht gestärkt aus der Situation hervor.

Ein spritziger, erfrischender, dynamischer und sehr lustiger Jugendroman, den ich unbedingt weiterempfehlen möchte - ganz klar 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 16.05.2023

Deutschland nach der Kapitulation

Heul doch nicht, du lebst ja noch
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Mit "Heul doch nicht, du lebst ja noch" setzt sich Kirsten Boie mit der Zeit unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges auseinander. Auch wenn dieser Roman inhaltlich nichts mit dem Vorgänger "Dunkelnacht" ...

Mit "Heul doch nicht, du lebst ja noch" setzt sich Kirsten Boie mit der Zeit unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges auseinander. Auch wenn dieser Roman inhaltlich nichts mit dem Vorgänger "Dunkelnacht" zu tun hat, so ähneln sich die Bücher nicht nur im Coverdesign, sondern auch hinsichtlich ihres Erzählstils. Beide behandeln einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen und sind aus der wechselnden Perspektive von 13 - 15jährigen Teenagern im zerbombten Hamburg geschrieben.

Kirsten Boie erzählt durch die Hintergründe der einzelnen Kinder von den verschiedenen Verletzungen und Traumata, die die Jugend nach 1945 mit sich trug. Kinder von Opfern des Regimes  und Geflüchtete treffen auf Kinder von Mitläufern und Tätern, die in der nationalsozialistischen Ideologie erzogen wurden und in dieser noch teilweise gefangen sind. Gemeinsam müssen sie einen Weg finden, miteinander zu leben und aufeinander zuzugehen.

Da ist Traute, die Glück im Unglück hatte, ihre Familie wurde von den Bomben verschont, die Eltern leben noch und sind gesund. In ihre kleine Zweizimmerwohnung wurde jedoch eine vierköpfige Flüchtlingsfamilie aus Ostpreußen einquartiert, alles ist beengt, Essen und Hygieneartikel sind knapp. Hermann war früher HJ-Führer, er hat die Ideologie der Nazis verinnerlicht. Sein Vater hat im Krieg beide Beine verloren, ist ständig auf Hermanns Hilfe angewiesen und lässt seine Wut und Verzweiflung an Herrmann und seiner Mutter aus. Und da ist Jakob, ein jüdischer Junge, der seine gesamte Familie verloren hat, in den Trümmern Hamburgs versteckt haust und noch gar nicht weiß, dass der Krieg zu Ende ist. Auch Max und Adolf haben ihre Familiengeschichte, die von Flucht, Verlust und Todesangst erzählt.

Kirsten Boie greift in dieser Geschichte viele verschiedene Probleme im Nachkriegsdeutschland unmittelbar nach der Kapitulation auf und macht diese durch die jugendlichen Protagonistinnen greifbar und erlebbar. Insbesondere durch Jakob lernen die Leserinnen einiges über das Schicksal jüdisch-deutscher Mischfamilien und den Repressionen, denen diese ausgesetzt waren. Die Figur des Hermann macht deutlich, wie tief verankert die Nazi-Ideologie in den Köpfen der Kinder war, die durch die Hitlerjugend von klein auf indoktriniert wurde. Auch die Ressentiments gegenüber den Flüchtlingsfamilien aus den Ostgebieten werden erwähnt und der Opportunismus vieler Deutscher im Blick auf die Entnazifizierung.

In der Fülle an Themen, die die Jugendlichen repräsentieren, liegt auch eine kleine Schwäche des Buches, da es mitunter etwas konstruiert wirkt und die Figuren dadurch an Authentizität verlieren.

Insgesamt jedoch ein sehr lehrreiches, interessantes und zum Nachdenken anregenden Jugendbuch, das die vielfältigen gesellschaftlichen und sozialen Probleme aufzeigt, vor denen  Deutschland nach dem Ende des 2. Weltkrieges stand.

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Veröffentlicht am 16.05.2023

Herausragendes Jugendbuch

Dunkelnacht
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"Dunkelnacht" von Kirsten Boie befasst sich mit einem Kriegsverbrechen, das gegen Ende des 2. Weltkrieges wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner im bayerischen Penzberg verübt wurde. Der Untergang ...

"Dunkelnacht" von Kirsten Boie befasst sich mit einem Kriegsverbrechen, das gegen Ende des 2. Weltkrieges wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner im bayerischen Penzberg verübt wurde. Der Untergang Hitlerdeutschlands ist absehbar, die Kapitulation steht bevor, der Befehl der verbrannten Erde ist ausgegeben, die Amerikaner sind auf dem Vormarsch. In diesen entscheidenden und unsicheren Stunden treffen der Mut, die Hoffnung und die Entschlossenheit einiger weniger Bürger auf fanatische Nazis, Opportunisten und Menschen, die sich als "reine Befehlsempfänger" von jeder Verantwortung freisprechen. So kommt es, dass grausame Morde verübt werden, ohne dass jemals ein Mörder hierfür belangt wird.

Die Novelle richtet den Blick auf die sog. Endphasenverbrechen des zweiten Weltkrieges, ein Thema, das insbesondere in der Jugendliteratur kaum behandelt wird. Boie erzählt die Ereignisse in kurzen Kapiteln aus wechselnder Perspektive der fiktiven Teenager Gustl, Marie und Schorsch. Abgesehen von den drei Jugendlichen sind alle anderen Personen real, auch die Namen der Täter und Opfer, und die Geschehnisse sind historisch verbürgt und sorgfältig recherchiert.

In einem ausführlichen Nachwort geht Kirsten Boie auf ihre Recherchen und die Gerichtsprozesse gegen die Verantwortlichen ein, die allesamt freigesprochen wurden.

Der knappe, beobachtende, straffe Schreibstil der die relative kurzen Novelle ist zunächst ungewohnt, aber letzlich seine große Stärke: Er lässt viel Raum für eigene Fragen und Reflexionen - wie konnten die Bewohner danach je wieder zusammen leben? Wie geht man mit der Schuld um, wenn juristisch nie eine echte Aufarbeitung stattgefunden hat? Und wie würden wir selbst handeln in einer vergleichbaren Situation?

Die Autorin empfiehlt dieses Buch ab 15 Jahren, und ich empfinde dies aufgrund der grausamen Thematik und des Schreibstils, der eine gewisse Reife des Lesers erfordert, als sehr passend. Ich könnte mir die Novelle sehr gut in einer 9. oder 10. Klasse als Schullektüre vorstellen und möchte es jedem empfehlen - ein wichtiges, erschütterndes und hervorragend geschriebenes Buch gegen das Vergessen und ein Denkmal für die Opfer in Penzberg.

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Veröffentlicht am 13.05.2023

Packende Klimadystopie mit bissigem Humor

Blue Skies
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Cooper, der leidenschaftliche Insektenforscher, will in Kalifornien zur Rettung der Welt beitragen, auch seine Mutter Ottilie versucht, sich klimabewusst zu verhalten und stellt die Ernährung schon mal ...

Cooper, der leidenschaftliche Insektenforscher, will in Kalifornien zur Rettung der Welt beitragen, auch seine Mutter Ottilie versucht, sich klimabewusst zu verhalten und stellt die Ernährung schon mal auf Insekten als Fleischersatz um. Die Tochter Cat interessiert sich in ihrem Strandhaus in Florida vielmehr für ihre Followerzahlen auf Instagram und legt sich als schickes Accessoire eine Tigerpython zu, während ihr Freund Todd als Bacardi-Botschafter von einer Verkaufsparty zur nächsten jettet. Das Schicksal stellt die Familienmitglieder auf harte Proben, und schon bald verändert sich die Welt um sie herum unwiderruflich...

"Blue Skies" ist eine Klimadystopie mit großer Dürre und sengender Hitze in Kalifornien und Überflutungen und Starkregen in Florida, gepaart mit erbarmungslosen Stürmen. Mit tiefschwarzem Humor und herrlich ironisch bissig entwirft Boyle eine düstere Gesellschaftssatire. Es wird viel getrunken, um die Gleichgültigkeit zu betäuben, die Langeweile zu ertragen und die Realität auszublenden. So unterschiedlich Cat und Cooper sind, sind sie beide mit ihrem Leben überfordert, orientierungslos und selbstsüchtig.
Boyles direkter und nüchterner Schreibstil gefiel mir sehr, und auch wenn ich zu allen Protagonist*innen emotional auf Distanz geblieben bin, hat mich das Buch durch die illusionslos-scharfe Zeichnung der Hauptcharaktere und die Beschreibung der klimatischen Veränderungen sowie deren Einfluss auf die Tierwelt richtig gepackt.

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Veröffentlicht am 13.05.2023

Hochinteressant

Die Jagd auf das chinesische Phantom
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In "Die Jagd auf das chinesische Phantom" begeben sich die bekannten Investigativjournalisten Bastian Obermayer, Christoph Giesen, Frederik Obermaier und Philipp Grüll auf die Spur des Waffenhändlers Karl ...

In "Die Jagd auf das chinesische Phantom" begeben sich die bekannten Investigativjournalisten Bastian Obermayer, Christoph Giesen, Frederik Obermaier und Philipp Grüll auf die Spur des Waffenhändlers Karl Lee. Gemessen am Rechercheaufwand, sind die greifbaren Erkenntnisse eher vage. Dennoch ist das Buch sehr lesenswert, da es auf erschreckende Weise zeigt, wie hilflos die westlichen Welt den Machenschaften skrupellosen Waffenschiebern und Geldwäschern gegenübersteht. Wirtschaftliche, geostrategische und politische Interessen stehen konsequenter nationaler und internationaler Strafverfolgung im Weg.

Trotz des vermeintlich trockenen Themas liest sich das Buch sehr flüssig und spannend, und gibt einen interessanten Einblick in die mühevolle und an Rückschlägen reiche Arbeit von Investigativjournalisten.  Es zeichnet ein eindrucksvolles und klares Bild von den wahren Interessen Chinas und den Gefahren, die uns von der Allianz zwischen China, Iran und Russland drohen.

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