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Veröffentlicht am 28.02.2022

Grandioser Humor und fast ein Highlight!

Als wir Tanzen lernten
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Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Cover ist ein absoluter Blickfang und der Hauptgrund, aus dem ich das Buch überhaupt erst lesen wollte. Im Fokus ist der weiße Titel vor pinken Blumen, darunter ein Tanzendes Paar. Die beiden kommen dem ziemlich nahe, wie ich mir Evie und X vorgestellt habe. Insgesamt passt die niedliche Covergestaltung super zum Inhalt!


Meine Meinung:
Als ich das Buch angefragt hatte, habe ich hauptsächlich eine süße Liebesgeschichte erwartet. Die habe ich auch bekommen, wenn auch die Beziehung zwischen Evie und X letztlich nicht der Grund ist, aus dem mir „Als wir Tanzen lernten“ so super gefällt.
Auch wenn ich sehr überzeugt vom Inhalt bin, hat es zum Highlight leider nicht ganz gereicht, was vor allem an zwei Aspekten gelegen hat.

Zum einen war mir Evie durchweg zu passiv, manchmal auch ein bisschen zu schwarzmalerisch. Während ich über letzteren Charakterzug noch hinwegsehen konnte, weil Evie vom Wesen her schlicht sehr trocken und sarkastisch ist und ihr Pessimismus gerade in puncto Liebe durchaus seine Gründe hat, habe ich schlichtweg nicht verstehen können, wieso sie ihr Schicksal nicht einfach mal selbst in die Hand nimmt.
Das fängt an mit den Visionen: Würde ich wie sie plötzlich den Beginn, den Verlauf und das Ende von Liebesbeziehungen anderer Paare sehen können, wenn diese sich küssen, würde ich das anders als Evie nicht gleich einfach akzeptieren. Vor allem würde ich aber spätestens dann, wenn es meine Freunde oder mich selbst betrifft, alles daransetzen, dass ein negatives Ende, das ich gesehen habe, nicht eintritt. Evie weiß ja nicht einmal, dass das, was sie sieht, zwingend eintreffen wird. Sie versucht aber auch nicht, irgendetwas daran zu ändern oder irgendwie dagegenzusteuern, sie nimmt es einfach hin und wartet ab, bis sich ihre Vision erfüllt.
Gerade zum Ende hin kommt es dann zu Situationen, in denen ich sie, obwohl ich sie als Protagonistin eigentlich gernhabe, nicht verstehen kann. Das Ende selbst ist dann zwar sehr passend für den Rest der Geschichte, aber man fragt sich, ob es nicht vermeidbar gewesen wäre, wäre Evie nicht durchweg so passiv gewesen.

„Wäre er ein Einrichtungsgegenstand, wäre er ein wirklich hübscher Flokati.“ (S. 25)


Der zweite Punkt, der Sophia und mir irgendwann aufgefallen ist, ist die merkwürdige Schwerpunktsetzung. Anfangs dreht sich bei Evie alles um die Visionen – sie (und der Leser) fragt sich, woher sie kommen, was sie zu bedeuten haben, und wie Evie sie wieder loswerden kann. Dann kommt sie zur Tanzschule und einige Kapitel lang begleitet man sie und X beim Tanzenlernen. Als nächstes trägt Fifi (meine Lieblingsfigur, zu ihr später mehr :D), Evie und X auf, einander besser kennenzulernen, worum sich dann die nächsten paar Kapitel drehen.
Man erwartet eigentlich als Leser, dass diese drei Motive Evie wenn auch nicht immer gleichermaßen, dann doch wenigstens irgendwie gleichzeitig beschäftigen – zum Beispiel, dass Evie und X auch während ihrer Kennenlernphase Tanzunterricht bekommen, was vor allem angesichts des anstehenden Turniers eigentlich auch logisch wäre. Dem ist allerdings nicht so: Wenn sich die Autorin mit einem der Motive beschäftigt, geraten die anderen beiden (nahezu) vollständig in den Hintergrund. Im letzten Drittel werden die drei Themen dann nacheinander quasi „abgehakt“ und es kommt zu einer relativ einfachen, für mein Empfinden zu lapidaren Lösung für jeden Konflikt.
Das finde ich insofern schade, als dass dadurch keines dieser Motive so richtig an Tiefe gewinnt.


Das klingt jetzt alles aber doch viel negativer, als ich es eigentlich meine: Sowohl Evies Passivität als auch die Schwerpunktsetzung der Autorin führen letztlich nur dazu, dass „Als wir Tanzen lernten“ nicht ganz das Highlight wird, was es hätte sein können. Denn der Rest ist absolut grandios, allem voran der Humor!
Ich habe bereits Evies trockene und sarkastische Art erwähnt, aber auch X ist sehr schlagfertig und frech unterwegs. Das macht die beiden nicht nur einzeln sehr sympathisch, auch zusammen harmonieren sie wunderbar miteinander. Die Schlagabtausche, die sie (nicht nur, aber vor allem anfangs) miteinander führen, sind sehr amüsant zu lesen!
Auch die Nebenfiguren haben alle einen tollen Humor. Bemerkenswert ist, dass jede Figur auf ihre eigene Weise Lacher beim Leser hervorruft. Vor allem Fifi, die Tanzlehrerin von Evie und X, mit ihrer herrlich direkten und unverblümten Art hat sich in mein Herz geschlichen! Zwar wirkt ihr osteuropäischer Akzent anfangs vielleicht etwas befremdlich und gewöhnungsbedürftig, aber ich denke, das liegt hauptsächlich einfach an der Übersetzung. Jedenfalls konnte ich mich schnell daran gewöhnen und mich über ihre Kommentare köstlich amüsieren.

„Sie schnaubt abschätzig. ‚Wie heißt Spruch von Pferd und Zaumzeug?‘
‚Man soll das Pferd nicht von hinten aufzäumen‘, antwortet X.
‚Ja genau.‘ Sie nickt. ‚In diesem Fall, kümmere dich nicht um Zaumzeug, weil Pferd ist vielleicht tot.‘“ (S. 103)

Auch wie die Autorin über Listen oder Einwürfe der Protagonistin mit Tropes und Erzählmustern in Romance oder Romantasy-Geschichten spielt, während sie selbst einiges davon anwendet (was dann natürlich von Evie kommentiert wird), ist sehr charmant. Hinzu kommt der sehr umgangssprachliche und nahbare Schreibstil, und man hat „Als wir Tanzen lernten“ ruckzuck beendet.

Abschließend noch ein weiterer Aspekt, der mir an dem Buch neben dem Humor sehr gefallen hat: Es geht durchweg um das Motiv „Beginn und Ende“ (oder wie auch immer man das nennen möchte). In jedem Konflikt in „Als wir Tanzen lernten“ findet es sich wieder, und mir hat die Art, wie die Autorin es auf unterschiedlichste Weise umgesetzt hat, sehr gut gefallen.


Fazit:
Auch wenn die Schwerpunktsetzung der Autorin teils seltsam ist, was dafür sorgt, dass die Auflösung der einzelnen Konflikte am Ende eher faul als geschickt wirkt, und auch wenn Evie für mein Empfinden zu passiv ist, ist „Als wir Tanzen lernten“ ein großartiges Buch, das es, wäre es nicht um diese beiden Aspekte, sogar zum Highlight geschafft hätte.
Das hat es vor allem dem hervorragenden Humor zu verdanken, mit dem „Als wir Tanzen lernten“ glänzen kann – insbesondere durch Fifi, die Tanzlehrerin der Protagonisten. Man hat beim Lesen unheimlich viel Spaß und muss mehr als nur ein paar Mal laut auflachen. Meine beiden Kritikpunkte sorgen also bloß für einen halben Punkt Abzug, und ich gebe dem Buch wohlverdiente 4,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Eigentlich sogar besser als der Auftakt, aber das Ende enttäuscht

The Magpie Society - Aller bösen Dinge sind drei
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Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Die ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Die Aufmachung der Dilogie finde ich absolut gelungen. Beide Cover harmonieren wunderbar miteinander dadurch, dass sie vom Grundaufbau her sehr ähnlich gestaltet sind: Auf beiden Covern sieht man im Vordergrund den Titel der Dilogie „The Magpie Society“, auf dem ersten Band in lila, auf dem zweiten in orange (nebenbei: finde es toll, dass hierfür die Kontrastfarbe gewählt wurde!), im Hintergrund Elstern und die Silhouette der Illumen Hall.
Die Cover unterscheiden sich jedoch in den Details entscheidend: Während auf dem des Auftakts nur eine Elster zu sehen ist, zeigt das dieses Buches zwei, was – kennt man den Inhalt – Sinn ergibt.
Die Untertitel finde ich im Original passender (Band 1: „One for sorrow“, Band 2: „Two for joy“), aber die deutschen passen ebenfalls.


Meine Meinung:
Mir hat ja bereits der Auftakt der Dilogie bis auf wenige Kleinigkeiten sehr gut gefallen, und eigentlich könnte ich sagen, dass ich diesen Band insgesamt sogar noch viel spannender fand. Das Ende sorgt jedoch leider dafür, dass mein Eindruck von der Reihe im Gesamten nicht mehr ganz so positiv ausfällt.


Aber fangen wir erstmal mit etwas Lob an:
In meiner Rezension zum Auftakt hatte ich kritisiert, dass ich die beiden Protagonistinnen Audrey und Ivy nicht voneinander hätte unterscheiden können, wenn am Kapitelanfang nicht jeweils der Name genannt worden wäre, da der Erzählton beider Figuren für mein Empfinden viel zu ähnlich war.
Hier ist in diesem Punkt eine deutliche Steigerung zu erkennen. Zwar habe ich die Perspektiven zwischendurch durchaus immer mal wieder verwechselt, allerdings fiel es mir trotz allem insgesamt leichter, die Kapitel von Audrey und Ivy auseinander zu halten. Der Ton der beiden unterscheidet sich zwar immer noch nicht allzu sehr voneinander, aber immerhin doch so sehr, dass ab und zu wesentlich leichter erkennbar war, aus wessen Sicht nun geschrieben wurde.


Auch mit den beiden Protagonistinnen an sich konnte ich dieses Mal viel besser warmwerden als noch im Auftakt, vor allem mein Verhältnis zu Audrey hat sich stark verbessert. Sowohl sie als auch Ivy verhalten sich in meinen Augen allerdings immer noch sehr kindlich, aber das kann ich ihnen nach wie vor nicht vorhalten, da sie eben noch Teenager sind und demnach ab und zu durchaus etwas impulsiv handeln dürfen – jüngeren Leser*innen dürfte dieser Punkt bestimmt nicht so stark auffallen wie mir. Das liegt wieder einfach daran, dass ich mit meinen 22 Jahren schon aus der Zielgruppe falle.
Trotzdem kann ich nicht verschweigen, dass ich an einer Stelle auch mal genervt von den beiden gewesen bin; das liegt aber, denke ich, weniger daran, dass die Figuren im Buch noch so jung sind, sondern schlicht an fehlender Kommunikation, wovon ich per se nicht so gerne lese.
Nichtsdestotrotz sind Ivy und Audrey auch in der Fortsetzung tolle Protagonistinnen, die man gerne begleitet und in die man sich gut hineinversetzen kann!

Die Nebenfiguren bleiben allerdings auch in diesem Band wieder eindimensional und blass, selbst diejenigen, die für die Handlung relativ wichtig sind. Das mag wieder an der Zielgruppe liegen, aber ich finde nicht, dass Figuren blass ausgestaltet sein müssen, nur weil das Buch an Jüngere gerichtet ist. Diese Blässe führt letztlich dazu, dass die Figuren durchschaubar bleiben und Vieles sich im Vorfeld erahnen lässt.


Trotz aller Vorhersehbarkeit gilt aber auch hier wieder: „The Magpie Society“ ist spannend, Band 2 sogar noch mehr als der Auftakt! Es gibt hier weniger ruhigere Zwischenmomente, der Fokus ist noch stärker auf den Ermittlungen, Ivy und Audrey müssen sich noch mehr Hürden und unvorhergesehenen Ereignissen stellen. Die Spannungsdichte ist in „Aller bösen Dinge sind drei“ enorm hoch. Hinzu kommt, dass man zwar Vieles vorher erahnen kann, aber das Rätsel um Lola und Clover bleibt stets das: ein Rätsel. Man stellt seine eigenen Theorien auf und verwirft sie wieder, sobald Audrey und Ivy etwas Neues herausfinden, stets stellt man sich die Frage: Wer hat Lola denn nun getötet?
Das ist und bleibt ein Mysterium, ebenso wie alles rund um die Magpie Society. Das haben die beiden Autorinnen wirklich geschickt aufgebaut und den Leser in ein Chaos verstrickt, aus dem er von alleine nicht mehr herausfindet.

Jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Dort hat sich bei mir nämlich ein Verdacht eingestellt, den ich eigentlich relativ schnell wieder verworfen habe – nicht etwa, weil andere Hinweise davon weggeführt hätten, sondern aus der schlichten Hoffnung, die Autorinnen mögen doch bitte ein anderes Ende gefunden haben. Denn das, was ich da vermutet hatte, würde in meinen Augen einfach keinen Sinn ergeben und mich unbefriedigt zurücklassen. Ich würde aufgrund allem, was man bisher so erlebt hat, einfach viel mehr von der Lösung des Rätsels erwarten, als das, was sich an diesem gewissen Punkt in meinem Kopf eingenistet hat, insbesondere auch, weil es einfach nicht zu dem Eindruck passen würde, den man vor allem durch den Auftakt von der Geschichte und ihren Figuren erhalten hat.

So also meine Gedanken zu diesem Verdacht. Tja, genau dieser hat sich dann am Ende leider bewahrheitet und ich war stark enttäuscht von der gesamten Dilogie. All das Drama für diese Auflösung?
Der Weg, für den sich die beiden Autorinnen dann also entgegen meiner Hoffnungen letztlich tatsächlich entschieden haben, macht in meinen Augen das gesamte spannende Leseerlebnis und auch die eigene Rätselei zunichte, weil es einfach nicht passt.
Im Prolog zeichnet sich die Lösung rückblickend zwar durchaus ab (insofern passt es also jedenfalls dazu), aber vor allem mit Blick auf den Auftakt wirkt es schlicht so, als wäre dieses Ende nicht von Anfang an geplant gewesen und wäre im Sinne einer Schnapsidee den Autorinnen noch im Schreibprozess eingefallen. Das gesamte Verhalten einer gewissen Person vor allem im ersten Teil, aber auch noch in diesem Band widerspricht der Lösung.

Darüber hinaus führt dieser Lösungsweg dazu, dass viele Konflikte damit viel zu lapidar und „mal eben“ gelöst werden, insbesondere alle Fragen, die sich im Hinblick auf die Magpie Society im Laufe der Handlung stellen, werden meiner Meinung nach nicht zufriedenstellend gelöst. Ich hätte mir da schlicht viel mehr erhofft!


Um die Rezension noch mit ein paar netten Worten abzuschließen:
Das Setting in der Illumen Hall hat mir wieder sehr gut gefallen. Insbesondere durch die ganzen Geheimgänge wirkt die Schule wieder grandios mysteriös; zusammen mit dem englischen Regenwetter und der düsteren Grundstimmung erhält man hier ganz wunderbare dark academia-Vibes.


Fazit:
„The Magpie Society: Aller bösen Dinge sind drei“ ist eigentlich durchweg ein Pageturner, der zwar insbesondere im Hinblick auf die Figuren nicht allzu tiefgründig oder vielschichtig ist, der aber trotzdem eine enorm hohe Spannungsdichte aufweist und trotz einiger Vorhersehbarkeit fast bis zum Schluss fesseln kann.
Das Ende enttäuscht jedoch einfach nur. Es passt zum einen nicht zu dem Bild, das man vor allem durch den Auftakt von den Figuren und dem Rätsel hat, zum anderen werden viele Konflikte, insbesondere all diejenigen rund um die Magpie Society viel zu lapidar gelöst.
Ende vom Lied: Das Buch lässt einen sehr unzufrieden zurück, wodurch im Nachhinein der Eindruck der gesamten Reihe heruntergezogen wird, und ich trotz des starken Anfangs und Mittelteils wegen der letzten 30 Seiten einen ganzen Punkt abziehen muss.
3,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 13.02.2022

Von Göttern, Wikingern und blutigen Schlachten

Nordnacht
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Vielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die ...

Vielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die Cover der Reihe gefallen mir super. Im Prinzip sind sie alle identisch, bloß die Farbe des Feuers im Hintergrund und der Rabe sind verschieden. Dadurch erkennt man sofort, dass sie zusammengehören, und es ist ebenfalls sofort ersichtlich, dass es sich bei der Saga um eine High Fantasy-Reihe handelt. Das Schwert und der Rabe stellen dabei den Bezug zu den Blutgeschworenen her.
Was mir die Titel sagen sollen („Nordnacht“ – „Frostnacht“ – „Blutnacht“), weiß ich allerdings noch nicht so richtig. Sie sehen zwar toll nebeneinander aus, und die Nächte in der Saga, die im Norden spielt sind sicherlich auch frostig und blutig, aber ansonsten ist da nur wenig Verbindung zum Inhalt. Den Originaltitel des Auftaktes „The Shadow of the Gods“ finde ich viel passender.


Meine Meinung:
Wow!
Die Verlagsseite zum Buch spricht von einer „große[n] Wikinger-Fantasy-Saga“ und beschreibt „Die Saga der Blutgeschworenen“ mit „The Witcher meets Vikings“ – ich kann euch sagen: Meine Erwartungen wurden übertroffen!
Wenn man so etwas nämlich hört, erwartet man eine blutige, brutale, kalte Geschichte, die von Krieg und Schlachten erzählt und genau das bekommt man hier auch geliefert.

Vorab sollte ich deshalb vielleicht sagen, dass ich „Nordnacht“ keinem High Fantasy-Einsteiger und auch keinem Leser empfehle, der vielleicht eher zarter besaitet ist oder nicht so gerne über brutale, teils sehr grafische Kämpfe liest. Wer damit jedoch klarkommt, erhält hier einen Auftakt in eine grandiose High Fantasy-Saga, die vor allem eins ist: unfassbar gut durchdacht.


Wie intensiv sich der Autor mit seiner Welt jedoch tatsächlich befasst haben muss, wird einem erst im Nachhinein klar, denn gerade zu Anfang ist „Nordnacht“ noch sehr kompliziert.
Das fängt an mit den Orts- und Figurennamen, die an das Norwegische angelehnt und für mich als Mitteleuropäerin daher eher ungewöhnlich sind. Das und weil sie zum Teil einander sehr ähnlich sind oder aus Lauten bestehen, die ich nicht kenne, hat es mir nicht unbedingt leicht gemacht, die Figuren und Orte zu Beginn auseinander zu halten, geschweige denn, mir sie zu merken. Selbst jetzt nach 600 Seiten kann ich mitnichten alle wichtigen Figuren aufzählen. Da wäre vielleicht ein Figuren- und Ortsverzeichnis im Buch hilfreich gewesen, wobei mir die abgedruckte Karte ganz am Anfang schon vieles erleichtert hat.
Nichtsdestotrotz musste ich mich gerade beim Lesen der ersten Hälfte des Buches stärker als sonst konzentrieren. Das kreide ich dem Buch allerdings nicht wirklich negativ an, das ist eben etwas, womit man bei High Fantasy rechnen muss und was mich auch nicht sehr stört. Ich finde es allerdings durchaus erwähnenswert!


Auch und vor allem der Plot ist nicht weniger kompliziert. Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt, bei denen man sich lange nicht sicher ist, ob und inwiefern sie eigentlich zusammenhängen. Man stellt Theorien auf, rätselt, was wohl als nächstes kommen könnte, und ob in einer Perspektive vielleicht Personen oder Orte auftauchen, die man in einer anderen bereits kennengelernt hat.
Dabei bedient sich der Autor einer eigenen Welt, eines unbekannten, hochkomplexen Magiesystems und eines neu geschöpften Pantheons – allesamt angeleht an Norwegen oder die nordische Mythologie. Weil alles eben so neu und unbekannt ist, braucht man als Leser relativ lange, bis man den Überblick und auch nur ansatzweise das Gefühl hat, die Grundstrukturen verstanden zu haben, aber diese Zeit gibt einem der Autor auch.

Vor allem in der ersten Hälfte verbringt er viel mit Worldbuilding, mit Erläuterungen und Einführungen, die einem die Orientierung in der Welt der Blutgeschworenen vereinfachen. Auch wenn das Erzähltempo zu dem Zeitpunkt noch nicht besonders schnell ist, herrscht dennoch eine enorm hohe Plotdichte. Eine Schlacht jagt die nächste, es passiert sehr viel hintereinander und man wird oft von Plottwists überrascht, mit denen man so nicht gerechnet hätte und die einen zwischendurch schon sehr mitnehmen können.
Hin und wieder, gerade im Mittelteil, gibt es einige wenige Längen in der Geschichte, die sich zu diesem Zeitpunkt durchaus etwas zäh anfühlen mögen, die sich aber rückblickend betrachtet nur sehr wenig auf die gesamte Geschichte auswirken. Auch hier also: Dieser Eindruck ist für mich durchaus erwähnenswert, macht sich aber nicht sehr viel in meiner Endbewertung bemerkbar.

Das liegt vor allem an der unfassbar spannenden zweiten Hälfte: Auch wenn ich zwischendurch vielleicht mal den Eindruck hatte, dass gerade ein paar Schlachten zu viel aufeinander folgen, konnte ich mich die letzten dreihundert Seiten nur schwer von der Geschichte lösen. Die Zeit, die der Autor anfangs für das Worldbuilding verwendet, zahlt sich hier also definitiv aus, wenn so langsam alles zusammenläuft, man Verbindungen herstellt und einem immer mehr Lichter aufgehen, während man gleichzeitig keine Chance hat, auch nur das kleinste Detail zu vorherzusagen. Das ist der Punkt, ab dem sich erahnen lässt, wie komplex und wie grandios durchdacht die Saga sein wird – der Cliffhanger am Ende bestätigt dies nur noch einmal.


Wie bereits angeschnitten, wird „Nordnacht“ aus drei Perspektiven erzählt: aus der Sicht von Orka, von Elvar und von Varg.

„‚Furcht an sich ist nichts Schlechtes‘, fuhr Orka fort. ‚Wie kannst du tapfer sein, wenn du keine Furcht empfindest?‘“ (S. 182)

Alle drei könnten unterschiedlicher nicht sein, aber man kann sich trotzdem wunderbar in jeden einzelnen von ihnen hineinversetzen. Sie werden allesamt angetrieben von verschiedenen Beweggründen, haben jeder etwas anderes erlebt und wurden auf unterschiedlichste Art und Weise von ihrer Vergangenheit und ihren Mitmenschen geprägt.
Die größte Entwicklung der Drei durchgemacht hat meiner Meinung nach allerdings Varg. Er beginnt als fliehender Sklave, der zwar durchaus weiß, dass er im Faustkampf nicht gerade unfähig ist, der aber sein wahres Potenzial noch nicht kennt. Er wird zu Beginn einzig vom Schwur seiner Schwester gegenüber angetrieben und lernt dann auf seinem Weg die Blutgeschworenen als Freunde kennen.
Vergleicht man den Varg, den man am Ende vor sich hat, mit demjenigen, den man am Anfang kennenlernt, dann scheinen Welten dazwischenzuliegen, ohne dass diese Entwicklung unglaubwürdig oder unnatürlich erscheinen würde.
Orka und Elvar dagegen haben sich zwar auch genug verändert, jedoch sind sie anders als Varg im Wesentlichen gleichgeblieben, ohne dem Buch jetzt vorwerfen zu wollen, seine Protagonisten würden sich nicht weiterentwickeln.

Die Nebenfiguren hingegen bleiben größtenteils blass, aber auch hier kann ich dem Buch nicht viel mehr als insgesamt einen halben Stern abziehen, weil „Die Saga der Blutgeschworenen“ eben nicht hauptsächlich von seinen Figuren getragen wird sondern von der Welt an sich. Der Fokus liegt auf den Schlachten und auf den Wegen der drei Protagonisten – hätte der Autor auch die Nebenfiguren noch stärker beleuchtet, wäre „Nordnacht“ am Ende vermutlich entweder viel zu langatmig und zu sehr ohne roten Faden, oder so überladen mit Informationen, dass man der Handlung nicht mehr groß folgen kann.
Wenn ich also sonst immer sehr darauf achte, dass die Figuren gut ausgearbeitet und mehrdimensional sind, ist es hier sehr gut, dass sich der Autor auf die drei Protagonisten beschränkt hat.


Fazit:
„Nordnacht“ ist ein unglaublich starker Auftakt, der mit einigen wenigen Längen im Mittelteil und eher flachen Nebenfiguren zwar winzige Schwächen hat, der aber trotzdem im Gesamten einfach nur beeindruckt.
Vor allem die Komplexität der Welt, ihres Pantheons und ihres Magiesystems kann überzeugen – zusammen mit den drei Protagonisten schafft der Autor gerade in der zweiten Hälfte eine Plotdichte, die so hoch ist, dass man es beim Lesen kaum schafft, Luft zu holen.
Angesichts dieser Komplexität und auch der Brutalität der Schlachten würde ich „Die Saga der Blutgeschworenen“ jedoch weder High Fantasy-Einsteigern empfehlen noch Personen, die mit vielen blutigen Szenen nicht so gut klarkommen. Für mich war es ein wahres Wikinger-Fest und ich kann die Fortsetzung kaum erwarten!
4,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 04.02.2022

Bisschen trashy, kaputte Figuren, spannender Auftakt!

Black Roses
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Vielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die ...

Vielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Die Cover der Reihe finde ich wunderschön! Sie haben zwar nicht allzu viel mit dem Inhalt zu tun (es sind halt Blumen), aber das ist bei Romance ja nichts Neues und stört mich auch nicht weiter. Sie sind Hingucker im Regal und harmonieren wunderbar miteinander, das reicht mir schon!
Der Titel macht zwar durchaus irgendwie Sinn, aber hier haben wir wieder das Thema mit englischem deutschen Titel: Warum wird nicht einfach der Originaltitel übernommen? „Blacklist“ macht inhaltlich sogar noch viel mehr Sinn. Irgendwann erklärt mir das vielleicht mal einer.


Meine Meinung:
Vorab: Wer tiefgründige Romance oder eine niedliche Lovestory wünscht, wird hier nicht fündig. Vom Vibe her ist „Black Roses“ vergleichbar mit den Serien Gossip Girl oder Dynasty, vielleicht ein bisschen extremer, aber etwa genauso trashy.

Auch wenn man hier also keine Tiefgründigkeit erwarten kann, heißt das nicht, dass das Buch oberflächlich ist oder keine heiklen Themen behandelt, im Gegenteil:
Sowohl Adair als auch Sterling sind beide sehr kaputte Figuren, die bisher beide kein leichtes Leben hatten und mit ihren Erlebnissen auf nicht gerade gesunde Art und Weise umgehen. Sie neigen beide zu (selbst-) zerstörerischem Verhalten. Daher kann man beim Lesen ihre Handlungen nicht unbedingt immer gut nachvollziehen, Vieles ist vielleicht auch etwas überzogen oder zu dramatisch, aber trotzdem passt es zu den beiden und in ihre Welt. Ihr Verhalten ist also nicht immer nachvollziehbar, aber trotzdem glaubhaft!

Dabei machen Adair und Sterling es einem nicht immer leicht, wenn sie umeinander herumtänzeln oder Entscheidungen treffen, die man selbst vielleicht nicht treffen würde, aber gerade dieses Umeinanderherumgeschleiche, dieser schmale Grat zwischen Hass und Liebe, auf dem beide wandeln und das mutual pining ist das, was den Suchtfaktor von „Black Roses“ ausmacht. Adair und Sterling sind eine dunkle Version von Romeo und Julia, eine treffende Verwirklichung des enemies to lovers-trope.

„Die Sonne hat die Erde nie gebraucht.“ (S. 64/310 im ebook)

In Rückblenden erlebt man zwischendurch, wie die beiden sich vor fünf Jahren kennen- und liebengelernt haben, und während mich solche Szenen oft aus Geschichten rausreißen, haben sie hier in meinen Augen zur Spannung mit beigetragen. Es sind zwischen Vergangenheit und Gegenwart zwar nur fünf Jahre vergangen, aber der Kontrast zwischen beiden Zeitlinien könnte nicht größer sein: Während die Beziehung der beiden in der Gegenwart hauptsächlich von Hass geprägt ist, finden sich in den Rückblenden die meisten süßen Szenen. Man fragt sich, was zwischen den beiden passiert ist, dass sich ihre Beziehung so gravieren verändert hat. Das hält ans Buch.

„Etwas Unglaubliches passiert. Sie legt den Kopf in den Nacken, ihr rötliches Haar gleitet über den weichen Ledersitz, sie öffnet den Mund und lacht. Es ist wie ein Regenbogen nach einem Gewitter. Vogelgezwitscher an einem schönen Tag. Ein wundervolles Geräusch.“ (S. 57/310 im ebook)


Zwischendurch allerdings hat die Autorin mich ein wenig verloren. Im Mittelteil passiert zeitweise nichts Neues, man hat das Gefühl, dass der Konflikt in die Länge gezogen wird, und die Protagonisten und damit die Handlung drehen sich im Kreis. Das ist ein wenig schade, aber letztlich auch nicht so dramatisch, als dass ich mehr als einen halben Punkt dafür abziehe. Die positiven Aspekte an dem Buch überwiegen und die Spannung zu Beginn und vor allem zum Schluss machen den langen Mittelteil mehr als wett!

Fazit:
Vor allem die beiden kaputten Figuren, die zu (selbst-)zerstörerischem Verhalten neigen und deren Handlungen man zwar nicht unbedingt nachvollziehen kann, aber die deshalb nicht weniger greifbar sind, konnten mich überzeugen! Zwischendurch flacht der Spannungsbogen zwar etwas ab und die Handlung tritt ein wenig auf der Stelle, aber im Großen und Ganzen ist „Black Roses“ ein starker Auftakt, dessen Fortsetzung man nach diesem Ende nur schwer abwarten kann.
4,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 18.01.2022

Inhaltlich völlig am Thema vorbei!

Der Chip
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Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das Cover gefällt mir ganz gut; es ist eine Platine, der Titel „Der Chip“ ist buchstäblich der Chip. Es ist sofort erkennbar, dass es sich hierbei um eine dystopische Geschichte handelt, in der technologischer Fortschritt eine Rolle spielt.


Meine Meinung:
Vorab kann ich zunächst einmal ganz klar sagen: Sowohl das Cover als auch vor allem der Klappentext wecken falsche Hoffnungen, denn die Problematik eines solchen Chips, um die es hier gehen soll, spricht der Autor so gut wie gar nicht an.

Natürlich wird beim Lesen deutlich, dass von dem Chip und der KI „Brain“ Gefahren ausgehen: Die Individualität und Freiheit des Einzelnen wird für das „große Ganze“ aufs Spiel gesetzt. Damit hinterfragt Theisen technischen Fortschritt und stellt den Leser vor die Frage, was er bereit wäre, dafür aufzugeben.
Allerdings geschieht all dies nur am Rande. Tatsächlich geht er nämlich kaum auf die Problematik ein. Die Bedrohung ist da, aber sie wird nicht aufgebaut oder weiterentwickelt, es wird nicht einmal ansatzweise erklärt, was in den letzten zehn Jahren auf der Erde passiert ist – lediglich, dass die durchschnittliche Erderwärmung den Schwellenwert von 2° C überschritten hat, wird angeschnitten –, wie es zur Entwicklung der KI gekommen ist, oder wie der Chip in der gesamten Menschheit verbreitet wurde. Erwähnungen von Elon Musk, Mark Zuckerberg oder dem Bitcoin sollten wohl eine Verbindung zur Gegenwart herstellen, sorgen stattdessen aber viel mehr dafür, dass der Eindruck eines verzweifelten und vor allem unausgereiften Versuchs an Gesellschaftskritik entsteht.


Eine andere Sache sind die „Unknown“, quasi Rebellen: Ihre Existenz wird angesprochen, man hätte so viel spannende Handlung mit ihnen erreichen können, aber für die Geschichte wesentlich sind sie nicht und man fragt sich, weshalb sie dann überhaupt erst erwähnt werden.
In all diesen Fragen bleibt der Leser im Dunklen, das Worldbuilding ist also praktisch nicht vorhanden.


Wenn die Entwicklung der Erde bis zum Jahr 2032 ausgelassen und ausschließlich auf die aktuellen Schwierigkeiten des Chips, und welche Wirkungen er auf die Bevölkerung momentan hat, eingegangen würde, könnte ich damit ja noch leben – ein Buch muss nicht unbedingt alle Fragen beantworten, Manches kann auch der Fantasie des Lesers überlassen sein. Aber das spricht der Autor, wie gesagt, eben auch nicht an. Man fragt sich, welche Bereiche des Lebens die KI einsehen und kontrollieren kann, welche Auswirkungen dies bspw. auf die Gesellschaft oder die (Welt-) Politik hat, oder wie der Alltag aussieht, aber diese Fragen werden nicht beantwortet; der Fokus bleibt auf der Schule und den Schülerinnen. Die KI wird nur immer wieder am Rande erwähnt, das Interesse des Lesers wird nicht befriedigt.

Stattdessen fragt man sich, ob der Autor seine Geschichte wirklich durchdacht hat. So wird zum Beispiel gesagt, dass „Brain“ alles sehen könne, aber trotzdem kann sich Kim nachts scheinbar unbemerkt über den Campus bewegen.
Diejenigen, denen noch kein Chip implantiert wurde, müssen ein Stirnband tragen, das einen Sensor – denke ich? So ganz wird auch das nicht erklärt – hat, mit dem die KI über die Person Daten sammeln und sie quasi überwachen kann. Wenn eine Person dann ein fremdes Stirnband trägt, ruft sofort jemand aus dem Headquarter von „BrainVision“, der Firma, die die KI programmiert hat, aus dem Silicon Valley an und hält der Person eine Predigt. Wenn jedoch Kim stattdessen stundenlang ohne Stirnband herumläuft, wird sie nur von den Lehrern nach dem Grund gefragt, aber andere Konsequenzen hat ihr Verhalten nicht.
So ganz passt das also alles nicht zusammen, und das sind nur zwei Beispiele.


Auch anderweitige Logikfehler finden sich im Buch: So befinden sich Kim und Levin gegen Ende des Buches in einer Verfolgungsjagd in einem Lüftungsschacht – die Szene ist genauso absurd, wie sie hier klingt; das Ganze hat ein bisschen an eine schlechte, konstruierte Hommage an „Kim Possible“ erinnert –, in dem es, wie man es sich auch vorstellt, so eng ist, dass beide sich auf dem Bauch robbend fortbewegen müssen – nur um dann ein paar Seiten weiter im selben Lüftungsschacht in eine Quasi-Prügelei verwickelt zu werden, wo Kim nicht nur genug Platz hat, jemandem ins Gesicht zu treten (das ginge mit viel Mühe ja auch noch im Liegen), sondern auch, sich auf allen Vieren zusammenzukrümmen?
Ein Logikfehler der anderen Art: Es wird an einer Stelle von der „uralten PlayStation 7“ gesprochen. Das Buch spielt 2032, die aktuelle Version der PlayStation ist die 5, die ca. zehn Jahre vor dem Zeitpunkt der Handlung erschienen ist. Rechnet man die Veröffentlichungszyklen der PlayStation hoch, ist es zwar gut möglich, dass 2032 eine 7 existiert, aber die ist dann noch relativ neu und eben nicht „uralt“. Für den Plot ist das jetzt nicht weiter wichtig, aber es fällt eben doch auf, dass das nicht zuammenpasst.
Ich könnte noch weitere Beispiele nennen, aber das würde die Rezension sprengen.


Ähnlich störend und angesichts der Tatsache, dass viel Wichtiges ausgelassen wurde, sind im Übrigen Szenen, die nicht nur in dem Moment des Lesens sondern auch im Nachhinein völlig irrelevant für die Geschichte sind.
So liest man zum Beispiel an einer Stelle, wie Kim früh morgens in der Kantine ihr Frühstück isst, dabei eine (im Übrigen seltsame, von Werwölfen mit Karies handelnde – wozu die Info??) Serie schaut, dann wieder auf ihrem Zimmer ins Bett geht und für weitere zwei Stunden schläft. Was hat diese Szene mir gebracht? Genau: nichts.

Oder es werden Details angesprochen, die im jeweiligen Moment vielleicht wie Foreshadowing wirken, die aber im Nachhinein gar nicht mehr aufgegriffen werden und so einfach sinnlose Infos sind, die die Handlung nicht weiter voranbringen. Am prägnantesten aufgefallen sind mir da der Käfer an der Weide, der gleich an zwei unterschiedlichen Stellen von verschiedenen Figuren erwähnt wird, und die Sache mit dem Skarabäus, der gleich seiner Bedeutungslosigkeit irgendwann doch tatsächlich einfach so verschwindet (was die Protagonistin übrigens zwar sogar merkt, ihr aber offenbar völlig egal ist).


Ebenso unwichtig: Die Häufigkeit, mit der die Protagonistin duschen geht oder einfach nackt ist. Erstmal: Wer geht bis zu dreimal am Tag duschen?
Zweitens: Wieso muss das erwähnt werden, wenn es für die Handlung in dem Moment völlig irrelevant ist?
Drittens: Warum ist Kim, eine
Fünfzehnjährige*, wohlbemerkt, so häufig nackt oder fast nackt?
Mir ist bereits zu Anfang aufgefallen, dass der Autor, wenn er seine Figuren – die Jungen wie auch die Mädchen, vor allem aber seine Protagonistin – beschreibt, sehr körperfixiert schreibt. Im Laufe der Geschichte kommt es dann immer wieder zu Situationen, in denen man beim Lesen den Eindruck bekommt, der Autor habe ein irgendwie verschobenes Verhältnis zur Nacktheit, so oft, wie Kim sich auszieht, und zwar nicht nur dann, wenn sie duschen geht (dann aber auch).

Am sinnfreisten ist mir die Szene in Erinnerung, in der sie bei Levin im Zimmer ist und sich draußen Lehrer ankündigen, die wissen wollen, wer warum im Nebenzimmer eingebrochen ist. Levin befiehlt ihr daraufhin sich auszuziehen und sich in ihr Bett zu legen. Okay, man könnte denken, sie soll so tun, als wäre sie mit ihm zusammen gewesen. Das an sich ist nicht ungewöhnlich, wenn auch je nach Sichtweise vielleicht ein bisschen unpassend für Figuren in ihrem Alter. Sie versteckt sich dann aber völlig unter der Decke, nicht einmal ihr Kopf ist für die Lehrer zu sehen – das hätte sie aber doch genauso gut angezogen tun können! Wieso ist es dann wichtig zu erwähnen, dass sie sich auszieht???

Weder in dieser noch in allen anderen Szenen, in denen Kim nackt ist (oder duscht), ist das für die Geschichte in irgendeiner Weise notwendig, schonmal gar nicht in Anbetracht ihres Alters!


Solche Situationen erschweren jedenfalls das Lesen, das ohnehin schon durch den wirren, teils zusammenhangslosen Schreibstil des Autors nicht angenehm ist.
Nicht nur, weil er Vieles schlicht nicht erklärt, fällt es einem oft schwer, der Handlung zu folgen, sondern weil er stets von Höcksken auf Stöcksken kommt. Er legt auf den 200 Seiten durchgehend ein viel zu rasantes Erzähltempo an den Tag und springt von einem Punkt zum anderen, ohne dass man beim Lesen nachvollziehen kann, wie es denn jetzt genau dazu gekommen ist. Für das gesamte Buch wäre es wohl gut gewesen, wenn Theisen mindestens 100, vielleicht sogar eher 200 Seiten mehr geschrieben hätte, auf denen er Handlungsstrukturen, die Hintergründe der Welt oder auch die Protagonisten erklärt und ihnen auch die Zeit gibt, sich zu entwickeln.


Denn das fehlt dem „Chip“ ebenfalls: Figuren, die greifbar werden, die man nachvollziehen kann, die sich entwickeln. Am stärksten fällt das natürlich bei der Protagonistin Kim auf, die man wohl am besten mit „Fähnchen im Wind“ beschreiben kann. Sie wechselt vor allem zu Beginn fast durchgängig die Seiten, ändert gefühlt alle drei Sekunden ihre Meinung über „BrainVision“, Julian oder Levin. Dann plötzlich wird sie von jetzt auf gleich von der Mitläuferin zur Rebellin, entliebt sich mir nichts, dir nichts von ihrem aktuellen Freund Julian, weil sie sich Hals über Kopf in Levin verliebt hat.
In all dem ist wirklich NULL Entwicklung zu sehen, es passiert alles einfach ohne Vorwarnung. Dementsprechend wenig kann man ihre Handlungen und ihr Verhalten dann natürlich nachvollziehen.

Das beschränkt sich leider nicht nur auf Kim, auch die anderen Figuren sind ähnlich ohne Substanz. Die Jugendlichen werden ausnahmslos rückgrat- und meinungslos dargestellt, leicht manipulierbar, mit instabilen, fast schon bipolar anmutenden Emotionen. Keiner der Schüler hat wirklich einen greifbaren Charakter, im Gegenteil kann man sie alle ohne Weiteres in bestimmte Schubladen stecken, und in genau den gleichen Schubladen denken sie auch.
Es ist wohl kennzeichnend für die Relevanz der Figuren, dass ich durchweg Schwierigkeiten hatte, mir die Namen der Figuren sind. Wie unwichtig vor allem alle Nebenfiguren hier sind, ist anscheinend auch dem Autor bewusst, da mittendrin eine Figur tatsächlich einfach nicht mehr da ist, weil sie genauso aussehe, rede und sich kleide wie eine andere Figur. Ähm…???

Auch die Erwachsenen bleiben nicht greifbar und austauschbar. Am meisten enttäuscht bin ich von Kims Opa, der durchaus das Potenzial gehabt hätte, sich zu einer spannenden, mächtigen Figur zu entwickeln. Ähnlich wie auch die Problematik um den Chip und die KI wird er aber bis zum Schluss nicht zum Zentrum der Handlung; in Erzählungen ist er zwar da, aber er trägt nichts Wesentliches bei, bis er am Ende dann als deus ex machina auftaucht und alle Probleme mit einem metaphorischen Fingerschnippen löst und dann ist das Buch zuende und alles ist gut. Hm ja, enttäuschend oder?



Fazit:
„Der Chip“ war ein Flop, so klar muss ich das hier sagen. Der Klappentext verspricht eine spannende Verschwörung, eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit technischem Fortschritt und ein dystopisches, düsteres Setting.
Was man bekommt, ist stattdessen eine seltsame Internatsgeschichte mit einer extrem wankelmütigen Protagonisten und ähnlich instabilen Nebenfiguren, einem völlig verschobenen Fokus auf für den Plot irrelevante Dinge statt der eigentlichen Problematik, unausgereiftes bis gar nicht vorhandenes Worldbuilding, insgesamt eine wirre Handlung, der man nur schwer Folgen kann, und schließlich eine für ein Jugendbuch, in dem die Protagonistin selbst erst 15 Jahre alt ist, völlig unangemessene Häufigkeit an sinnloser Nacktheit.
Die Idee hinter „Der Chip“ ist super, die Umsetzung aber unterirdisch. Es gibt ganz wohlwollende 1/5 Lesehasen mit Tendenz nach unten.

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