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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.08.2022

Ein Mensch erlebt 'Berührungen' und ist sich dessen sehr bewusst

Intimitäten
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Eine Frau, sie hat keinen Namen in dieser Geschichte, erzählt aus ihrem momentanen Leben, den feinen Verästelungen und Gefühlen in ihrem inneren Sein, den Empfindungen mit anderen und von dem, was sie ...

Eine Frau, sie hat keinen Namen in dieser Geschichte, erzählt aus ihrem momentanen Leben, den feinen Verästelungen und Gefühlen in ihrem inneren Sein, den Empfindungen mit anderen und von dem, was sie beschäftigt, privat und vor allem in ihrem Beruf.
Nachdem sie nichts mehr an ihr altes Zuhause, New York, bindet, der Vater ist gestorben und die Mutter in ihre alte Heimat zurückgekehrt, nimmt sie am interntionalen Gerichtshof in Den Haag eine Stelle als Dolmetscherin an. Irgendwie wurzellos sucht sie privat nach einem Halt, einem Zuhause und die findet es in Adriaan. Doch dieser ist noch verheiratet. Um seine Angelegenheiten zu regeln bzgl. der Scheidung von seiner Frau, reist er nach Lissabon zurück und sie bleibt allein, mit einem Gefühl von Zurückgelassenheit und der Unwägsamkeit, ob ihre Beziehung eine Zukunft hat. Vor diesem Hintergrund wird ihre Arbeit zu einem noch wichtigeren Teil ihres Lebens. Ein afrikanischer Ex-Präsident, der sich für seine Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hat, ist die Person, den sie als Dolmetscherin während des Prozesses begleiten soll. Ihre Arbeit hier, dass was sie hört, kommunizieren soll, neutral, unbeeinflusst, ohne Wertung, es verlangt ihr viel ab und sie beginnt, die Dinge zu reflektieren, ausgedehnt, was durch die instablie Lage ihres Privatlebens noch weit sensibler, zweifelnder erfolgt. Sie benennt die Intimität, die entsteht, zwischen ihr und diesem Mann, rein beruflich natürlich, aber doch erschreckend klar, die Intimität dadurch, sein Sprachrohr zu sein, eine Fortführung seines Denkens und seiner Manipulationen. Und es gibt auch Intimität in Form von Nähe, wenn die Situation es erfordert, ihm die Worte ins Ohr zu flüstern, gesteuert?, manupuliert, ebenfalls durch ihn?
Diese Geschichte, dieses Anteilnehmen lassen der Ich-Erzählerin an ihren innerlich ausgetragenen Kämpfen, ihrer Gefühlswelt, so präzise und intensiv immer im richtigen Maß, um als Leser sozusagen an ihren Lippen zu hängen, das ist ganz groß. Hier passiert eigentlich so wenig und doch so viel, atemberaubend durch den Schreibstil der Autorin transportiert. Mich hat dieses Buch sehr mitgenommen. Es ist ein besonderes Buch, auf seine Art einzig und unbedingt lesenswert.
Ich kann es nur empfehlen.

Veröffentlicht am 26.08.2022

Ein bisschen wie 'Des Kaisers neue Kleider', aufgebauscht und doch sehr nackt

Ich verliebe mich so leicht
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Manchmal sind ja eher schmal gehaltene Bücher wahre Schätze, Kleinode mit literarischer Exklusivität, die einem regelrecht ans Herz wachsen und ein besonderes Plätzchen im Bücherregal finden. Zumindest ...

Manchmal sind ja eher schmal gehaltene Bücher wahre Schätze, Kleinode mit literarischer Exklusivität, die einem regelrecht ans Herz wachsen und ein besonderes Plätzchen im Bücherregal finden. Zumindest im Ansatz ging meine Erwartung bei dieser Geschichte in diese Richtung, zumal dem Buch im Vorfeld doch schon ein beachtliches Maß an sehr wohlwollender Aufmerksamkeit zuteil wurde. Doch es kam anders.
Die Geschlechterrollen sind ausgewogen verteilt, pari pari gibt es hier 'Held' und 'Heldin'. In Paris hattten die beiden, er um einiges älter wie sie, ein leidenschaftliches Verhältnis. Dass sie in eine feste Beziehung eingebunden ist, war bekannt. Und nun sitzt der inzwischen eher als abserviert anzusehende Mann im Flugzeug nach Schottland, um sie dort zu überraschen. Sie wird sich sicher freuen, ihn zu sehen, das redet er sich zumindest ein. Als sie sich dann treffen, gibt sie ihm eindeutige Signale, dass so etwas wie Liebe nie im Raum stand und dass sie seinen Besuch lästig und sehr daneben findet. Und so setzt sich der auf dem Hinweg noch von Liebesflügeln getragene Mann erneut ins Flugzeug und macht sich, dieses Mal deutlich niedergedrückt, aber noch nicht hoffungslos, auf den Weg, zurück nach Hause.
Das ist die Geschichte, eine kleine Episode im Leben zweier Menschen. Sprachlich gibt es hier nichts auszusetzen, dem Humor ist der Autor reichlich zugetan und manchmal wird regelrecht mit Worten jongliert. Aber irgendwie ist die Motor nicht richtig durchgestartet, es geht doch um die Liebe und wenn man das Gefühl hat, jetzt ist der Anfang für eine gute Geschichte gemacht, ist die Fahrt auch schon zu Ende.
Mir hat das einfach nicht gereicht. Aber vielleicht kann man ja in diesem Fall auch sagen, die Erwartungen nicht zu hoch setzen, dann klappts auch mit dem Lesen.

Veröffentlicht am 25.08.2022

Eine ganz eigene Patchworkfamilie, die sich erst spät findet

People Person
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Ich wusste es nicht. Wenn man auf eine People Person trifft, ist das meistens ein sehr nette Begegnung, freundlich, gut gelaunt, seinem Gegenüber zugewandt, Hilfsangebote und schon fertige Planungen für ...

Ich wusste es nicht. Wenn man auf eine People Person trifft, ist das meistens ein sehr nette Begegnung, freundlich, gut gelaunt, seinem Gegenüber zugewandt, Hilfsangebote und schon fertige Planungen für demnächst schon inklusive. Doch das findet dann nie statt, denn Verantwortung, Arbeit, feste Termine, das ist nicht ihr Ding. Wichtig sind nur sie selbst und wonach ihnen gerade ist. Cyril Pennington, fünf Kindern von vier Frauen, ist ein solches Exemplar und sich ändern und gar in irgendeiner Weise Sorge für seine große Familie zu tragen, das fällt ihm im Traum nicht ein. Seine Kinder Nikisha, Danny, Dimple, Lizzies und Prynce würden sich das zwar wünschen, aber Kontakt gibt es, auch untereinander, so gut wie nicht. Doch dann braucht eine von ihnen, Dimple, Hilfe und sie wendet sich an ihre Geschwister. Man trifft sich, ist empört, geht die Sache gemeinsam an und greift der jungen verunsicherten Frau unter die Arme. Und, die fünf können es selbst kaum glauben, da wächst tatsächlich etwas heran, was sie bisher noch nie erfahren haben, Familie. Zusammenhalt, Gemeinsamkeit, Dinge, die man teilen kann, ob in Freude oder im Leid, und auch ihre Mütter sind daran beteiligt. Der Vater, er fehlt, aber manchmal muss man Dinge akzeptieren und sie für sich abschließen, damit da Platz ist für, in diesem Fall, eben diese bunte Patchworkfamilie der ganz eigenen Art.
Dies ist eine sehr erfrischende, humorvolle Geschichte, mit einer so lebendigen Sprache, dass es einfach Spaß macht, hier hereinzuschauen und sich zu erfreuen an dem Geschehen, den Turbulenzen und einfach an diesen so unterschiedlichen Menschen, die alle richtig sympathisch rüberkommen. Und der passende Teil 'nicht so lustig' ist auch mit dabei.

Man wird hier wirklich gut unterhalten.

Veröffentlicht am 24.08.2022

Zwei Schwestern erheben ihre Stimme und die Welt der Plantagenarbeiter, frei sein ist anders

Die Stimme meiner Schwester
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Früher waren die Arbeiter auf den großen Plantagen Brasiliens Sklaven. Dann, Ende des 19.Jahrhunderts wurden sie in die Freiheit entlassen und nahezu nichts hat sich geändert. In einem dieser, von ehemaligs ...

Früher waren die Arbeiter auf den großen Plantagen Brasiliens Sklaven. Dann, Ende des 19.Jahrhunderts wurden sie in die Freiheit entlassen und nahezu nichts hat sich geändert. In einem dieser, von ehemaligs Leibeigenen, bewohnten Dörfern leben die siebenjährige Bibiana und ihre ein Jahr jüngere Schwester Belonisia. Beim Herumstöbern finden sie ein Messer, das ihrer Großmutter gehört und verletzten sich daran, beide. Eine der Geschwister wird danach nie mehr sprechen können und so übernimmt die andere dies für sie. 30 Jahre werden wir die beiden Schwestern, vielleicht auch gerade durch ihre enge Bindung gestärkt, auf ihrem kämpferischen Weg, der Auflehnung gegen die rechtlosen Zustände ihrer dörflichen Gemeinschaft gegenüber den Großgrundbesitzern, begleiten. Und auch das Aufbegehren gegen die inneren Macht- und Gesellschaftsstrukturen innerhalb ihrer kleinen Gruppe ist ein Teil dieses Weges, ihres Lebens. Und dieses ist vor allem geprägt von Brutalität und Grausamkeit. Die realen Verhältnisse, in denen die so hart arbeitenden Menschen leben müssen, unfassbar und trotzdem lassen sie die Dinge geschehen, arbeiten stoisch weiter, zu müde und voller Angst, denn einst waren die Zeiten noch schlimmer und das weiß man noch gut. Und dann ist da noch die versteckte Hoffnung, dass am Ende ein besseres Leben steht, für die nächsten Generationen ihrer Familie.
Der Autor hat sich entschlossen, diese von ihm u.a. für seine Doktorarbeit erforschten Verhältnisse der Landarbeiter Brasiliens, den Nachkommen der Menschen, die ihr Leben hier als Sklaven fristeten, in Form eines fiktiven Romans zu veröffentlichen mit zwei Hauptprotagonistinnen, die uns Leser zwingen, hinzusehen. Das erklärt auch die direkte Art, das ungeschönte Benennen, den klaren schnörkellosen Schreibstil des Autors, der selbst einige Jahre mit den Landarbeiteren in ihrer dörflichen Gemeinschaft gelebt hat.
Dieses Buch, Wohlfühlunterhaltung bietet es nicht. Manchmal ist es fast schmerzhaft und man muss sich zwingen, sich nicht abzuwenden und sich der Realität dieser Geschichte bewusst zu sein. Aber letztendlich hält man es aus und liest weiter, weil man gar nicht anders kann.

Sehr zu empfehlen.

Veröffentlicht am 23.08.2022

Ein bisschen wie den Nil hinunterfahren, nach Agatha-Christie-Manier

Die Passage nach Maskat
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1929, die 'Champollion' verlässt Frankreich und macht sich auf den Weg in den Orieet. An Bord des Ozeanriesen eine illustre Gesellschaft unterschiedlicher Menschen, die alle ihr eigenes Süppchen kochen ...

1929, die 'Champollion' verlässt Frankreich und macht sich auf den Weg in den Orieet. An Bord des Ozeanriesen eine illustre Gesellschaft unterschiedlicher Menschen, die alle ihr eigenes Süppchen kochen und ihre Pläne sind nicht immer von positiver Natur. Unter ihnen die Kaufmannsfamilie Rosterg, zu der auch Tochter Dora gehört. Sie wird von ihrem Ehemann, dem Fotojournalisten Theodor Jung begleitet, für den diese Seereise eine persönlich sehr große Herausforderung ist, da damit ein Trauma aus seiner Zeit im 1.Weltkrieg verbunden ist. Dazu kommt, das ihm Doras Familie eher ablehnend gegenüber steht. Und der Prokurist der Firma, er hat ihn schon vorab bedroht, da er selbst ein Auge auf Tochter und Firma geworfen hat. Was dann passiert, für Jung ein Albtraum, denn plötzlich ist Dora unauffindbar. Und auf seine Nachfrage tragen alle großes Erstaunen zur Schau und behaupten, Dora wäre doch nie auf dem Schiff gewesen. Jung schwankt zwischen Zweifeln am eigenen Verstand und der sich immer mehr verstärkenden Erkenntnis, das dies hier ein abgekartetes Spiel ist und sollte er bis zur Anlandung in Maskat die Dinge nicht aufgeklärt haben, wird man ihn als Doras Mörder von Bord führen. Die Uhr tickt.
Dieses ein bisschen an Agatha Christie und ihren 'Tod auf dem Nil' erinnerndes Szenario, es hat, gerade unter diesem Aspekt durchaus seinen Reiz. Die Geschichte, zusätzlich sehr angenehm mit orientalischem Flair ausgebettet, ist sehr leicht und angenehm zu lesen. Spannung hat sie auch und am Ende erwartet man natürlich den großen Showdown, die sicherlich recht verästelte Aufklärung dieses bösen Spiels. Und gerade hier schwächelt es ein wenig. Eine komplett schlüssige Lösung, das gehört einfach dazu bei einem Kriminalroman, der irgendwie schon im Fahrtwasser der großen Agatha Christie unterwegs ist. Und da gilt auf alle Fälle: ermittelt, kombiniert, gelöst und dann nonchalant vorgetragen. Hecule Poirot lässt grüßen.
Eine Krimigeschichte, die am Ende etwas zu offen daherkommt, für mich.
Aber trotzdem sehr unterhaltsam und angenehm zu lesen.