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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.12.2020

Mexiko in seiner ganzen realen Härte und ein Thriller dazu

Der erste Tote
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Das auch privat verbandelte Reporterpaar Andrew und Carlos findet auf dem Rückweg von Reportagerecherchen über die Fracking-Industrie des Landes, die Geschichte spielt im touristisch ach so schönen Mexiko, ...

Das auch privat verbandelte Reporterpaar Andrew und Carlos findet auf dem Rückweg von Reportagerecherchen über die Fracking-Industrie des Landes, die Geschichte spielt im touristisch ach so schönen Mexiko, die schlimm zugerichtete Leiche eines jungen Mannes. Carlos, der taffere des Duos und zuständig für die visuellen Fakten, will noch ein paar Fotos schießen, als er von der gerade erschienenen Polizei mit robustem Körpereinsatz davon abgehalten wird. Wie sich später herausstellt, war der Tote Student und Führer einer Gruppe von Umweltaktivisten. Carlos, durch die Geschehnisse vor Ort angestachelt, will erfahren, was dahinter steckt und bezahlt dies, mit seinem Leben. Sein auch sonst eher zögerlicher Partner Andrew flieht, verängstigt und von der Trauer um seinen Freund überwäligt. Doch schon bald wird ihm klar, er muss herausfinden, was hier geschehen ist, für Carlos und auch für sich selbst.
Dieses Buch ist von einer so packenden Realität geprägt, von einer solchen Härte an echtem Leben in diesem lateinamerikanischen Land, dass einen das als Leser sehr 'mitnimmt'. Und das soll es ja auch, denn die auf dem Buchcover als Thriller ausgewiesene Geschichte ist eine vom Autor auch als solche angelegte Cronica, einer Art Dokudrama in Buchform, einer Mischung aus fiktionalem Roman und Reportage. Das ist an sich schon eine sehr interessante Sache und könnte der Geschichte noch eine Portion Spannung und Intensität mehr mit auf den Weg geben, aber in diesem Fall bremst der dokumentarische Teil die Handlung selbst etwas aus. Die beiden Teile treten sich sozusagen gegenseitig auf die Füße, was etwas schade ist, denn an sich stimmt ja alles, für sich gesehen. Aber das kommt sicherlich bei jedem Leser auch etwas anders an. Und da es sich hier um den ersten Band einer auf drei Teile angelegten Reihe handeln soll, macht es der Debütautor
Tim Macgabhann bei seiner Nummer Zwei einfach noch ein bisschen besser. Dann passt es auch für mich.

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Veröffentlicht am 06.12.2020

Texte eines Menschen, der aufrecht gelebt hat, geglaubt und gehofft

Dietrich Bonhoeffer – Die Gedichte
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Als Dietrich Bonhoeffer die Form des Gedichts für sich entdeckt, um seinen Empfindungen Ausdruck zu verleihen, seiner Verzweiflung und Fassungslosigkeit auf der einen Seite, aber auch seiner Hoffnung, ...

Als Dietrich Bonhoeffer die Form des Gedichts für sich entdeckt, um seinen Empfindungen Ausdruck zu verleihen, seiner Verzweiflung und Fassungslosigkeit auf der einen Seite, aber auch seiner Hoffnung, gerade auf uns Menschen, da ist er bereits seit über einem Jahr in Berlin inhaftiert. Es ist Juni 1944 und verzweifelt versucht er, die gewaltigen 'Umtriebe' in seinem Inneren in Worte zu fassen, mit seiner ganzen Intensität.
Dieser Band, der zehn seiner Gedichte, natürlich auch 'Von guten Mächten', im wahrsten Sinne des Wortes, einbettet in eine sehr feine, ruhige Bild- und Tonillustration, gibt Bonhoeffers Werken viel Weite, um zu wirken, für jeden Leser ganz persönlich. Und die Audio-CD mit der getragenen Stimme des Herausgebers ist keinesfalls nur Beiwerk, sondern fügt den Gedichten durchaus noch zusätzliche Facetten hinzu.
Eine sehr gelungene Darbietung von Bonhoeffers Werk.

Veröffentlicht am 30.11.2020

Österreichisch schräg, humorig, mit ordentlich Schmäh und schon auch noch Krimi

Die Djurkovic und ihr Metzger
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Dies ist mein erster Metzger und so habe ich ja noch etwas 'Schonfrist', um mit meiner Begeisterung ganz oben im Fanolymp dieser Reihe anzukommen. Ich denke, mehr wie die Hälfte des Weges habe ich schon ...

Dies ist mein erster Metzger und so habe ich ja noch etwas 'Schonfrist', um mit meiner Begeisterung ganz oben im Fanolymp dieser Reihe anzukommen. Ich denke, mehr wie die Hälfte des Weges habe ich schon geschafft.
Der Metzger ist eigentlich Restaurator und nach 13 Jahren herrlich wilder Ehe soll es für ihn nun zum Traualtar gehen, mit seiner Danjela. Eine richtig große Hochzeit ist geplant, was ja so gar nicht sein Ding ist. Und so kracht es dann auch ordentlich zwischen den beiden und Metzger wird mal eben aus der gemeinsamen Wohnung ausquartiert, zwecks 'Danjela macht das schon mit der Vorbereitung'. Und dann, tatsächlich stehen die beiden Liebenden in der Kirche und es kann eigentlich losgehen. Doch da marschiert seine 'noch nicht Angetraute' einfach hinaus aus dem Gotteshaus und vorbei ist's, erst einmal. Der Metzger ist sprach- und absolut fassungslos, dröhnt sich erstmal ordentlich zu und dann macht er sich ans Ermitteln, in ganz eigener Sache. Danjela muss es für ihn getan haben, um ihn zu beschützen und jetzt wird er dasselbe für sie tun und sie retten, aus was und vor wem auch immer.
Das Ganze wird ein absolut schräger, mich im Guten wie manchmal auch im Schlechten erheiternder Ritt, einmal rauf und runter, durch jede Menge Leichen, die Mafia, Clans und Co und so viel Skurrilität, wie es, das meine ich voller Hochachtung, nur die Österreicher hinbekommen.
Es hat gedauert, aber langsam kam der Spaß an dem, was da als Kriminalroman durch das Universum flog. Und am Ende angekommen bin ich, hoffe ich zumindest, jetzt mit den richtigen Vibes versehen und so gewappnet für den nächsten Metzger, der dann, sollte dieser tatsächlich wieder heil aus dem Schluss der Geschichte herausgekrabbelt sein, doch wohl irgendwann bei mir anklopfen wird.

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Veröffentlicht am 30.11.2020

Nostalgische 'Backfisch'-Geschichte, mehr wie erwachsenentauglich

Der Trotzkopf
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Der Trotzkopf, in der eigenen Kindheit beheimatet als Buch und auch als Fernsehserie, ist wieder da, in einer gekürzten Fassung, gelesen von Heike Makatsch. Und diese macht das richtig gut. Sie ist für ...

Der Trotzkopf, in der eigenen Kindheit beheimatet als Buch und auch als Fernsehserie, ist wieder da, in einer gekürzten Fassung, gelesen von Heike Makatsch. Und diese macht das richtig gut. Sie ist für den Hörer sehr bald diese Ilse, diese Tochter aus gutem Hause, die in ihrer 'natürlichen Lebendigkeit' dem Vater und auch der Stiefmutter, die wirklich alles tut, um diese mit ehrlicher Zugewandtheit zu lenken, über den Kopf wächst. Und so bleibt nur eine Lösung, die Zuführung in ein Mädchenpensionat. Eigentlich hat Ilse vor, sich dort von Anfang an all den doofen Regeln zu verweigern, doch als sie dann sowohl von der Lehrerschaft wie auch von den anderen Mädchen mit so viel Freundlichkeit und Herzenswärme aufgenommen wird, fällt ihr das doch sehr schwer. Und schon sehr bald wird aus dem trotzigen ungestümen Kind eine verständige einsichtige junge Heranwachsende. Sie holt ihre Defizite in den verschiedenenen Fächern auf, hat bald eine wirklich allerbeste Freundin und erlebt auch Trauriges in ihrem neuen Zuhause auf Zeit.
Ein sehr nostalgisch angehauchtes Wiederhören bietet diese Neuaufbereitung der schon so viele Generationen erfreuenden Geschichte. Man nimmt dies alles heute schon etwas anders war als noch in Kindheitstagen, aber als von Erinnerungen getragenes Hörvergnügen auf alle Fälle eine Freude.

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Veröffentlicht am 26.11.2020

Dengler im Politsumpf der Wohnungswirtschaft und dann ist da noch etwas

Kreuzberg Blues
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Dengler, den Stuttgarter Privatermittler und ehemaligen BKA-Mann verschlägt es diesmal nach Berlin. Mehr zufällig begleitet er seine Freundin Olga dorthin, nachdem deren Freundin Silke, völlig aufgelöst, ...

Dengler, den Stuttgarter Privatermittler und ehemaligen BKA-Mann verschlägt es diesmal nach Berlin. Mehr zufällig begleitet er seine Freundin Olga dorthin, nachdem deren Freundin Silke, völlig aufgelöst, mitten in der Nacht bei ihr anruft und sie bittet, zu kommen. Deren Tochter, der kleinen Lena, wurde eine Fingerkuppe abgeknabbert, von einer Ratte und das Baby musste im Krankenhaus versorgt werden. Wie konnte so etwas passieren, wer hat die Ratte in dem Hochhausblock, in dem Silke wohnt, dort ausgesetzt. Für die Leute aus der Siedlung ist klar, das muss Kröger gewesen sein. Kröger Immobilien ist der Vermieter dieser zum jetzigen Zeitpunkt eher niederpreisigen Wohnungen. Aber das soll sich bald ändern und ganz klar, die 'einfachen' Mieter müssen raus. Dengler versucht, die Sache aus einer eher neutralen Perspektive zu betrachten, doch als er selbst Zeuge einer weiteren Kröger-Aktion wird, die Fenster im ganzen Haus sollen ausgebaut und die neuen, es ist mitten im Winter, dann erst Wochen später angeliefert werden, ist ihm klar, er muss sich kümmern. Und dazu will er als erstes einmal ein persönliches Gespräch mit dem Chef des Unternehmens, Sebastian Kröger, führen, was gar nicht so leicht ist und Dengler muss dafür ganz schön tricksen. Das Ergebnis dieses Gesprächs ist dann eher überraschend, denn Dengler, guter Ruf, gute Verbindungen, soll die Rattenaktion für die Krögerseite aufklären, die wollen es nämlich nicht gewesen sein.
Ein Kriminalroman, der, genau wie sein Hauptprotagonist, Dengler selbst, eher ruhig und strukturiert daherkommt und einen trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb sofort mit hineinzieht in diese Welt der Not 'des kleinen Mannes', in diese so präzise Realität der Berliner Wohnungsnotsituation. Und man ist beeindruckend nah dran, an dem machtvollen politischen Über- und auch Unterbau, an dessen Ende, ganz klein, dann diese absolut nicht fiktive menschliche Hoffnungslosigkeit steht. Und einen geschichtlichen Diskurs der neueren deutschen Geschichte bekommt man dann auch noch geboten Dabei fragt man sich, ist das nun beste Erzählkunst, der Handlung eben dieser Geschichte geschuldet oder ist das alles einfach, erschreckend echt. Es kommt einem zumindest so vor.
Dieses Buch war mein erster Dengler, und ich muss sagen, dieser Kriminalroman, der so viel mehr ist wie nur Krimi, hat mich umgehauen. Sehr lesenswert!

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