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Veröffentlicht am 06.03.2022

Brisantes Thema, nicht nur sprachlich gut umgesetzt

connect
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Die junge Ava scheint ein erfolgreiches Leben als Werbetexterin zu führen. Sie verdient gut, hat Freunde und eine schöne Wohnung, Dinge, an denen in der europäischen Gesellschaft der Erfolg eines Lebens ...

Die junge Ava scheint ein erfolgreiches Leben als Werbetexterin zu führen. Sie verdient gut, hat Freunde und eine schöne Wohnung, Dinge, an denen in der europäischen Gesellschaft der Erfolg eines Lebens festgemacht wird. Doch so glücklich wie man meinen möchte, ist Ava dabei gar nicht. Sie fühlt sich ausgebrannt und hat das Gefühl, im Leben keinen Schritt mehr weiter zu kommen. An diesem Punkt ihres Lebens trifft sie auf Lina, eine ehemalige Studienkollegin, die ihr eine Alternative zu ihrem bisherigen Leben zeigt. Connect: Meditation, Bewusstseinsübungen, das Abgrenzen vom ungesunden westlichen Lebensstil. Begeistert widmet Ava immer mehr und mehr Zeit Connect, verliert dabei allerdings immer mehr und mehr den Bezug zu ihrem bisherigen Leben. Bei Familie und Freundinnen schrillen die Alarmglocken. Denn sie sehen in Connect eine Sekte, aus deren Fängen es gilt, Ava zu befreien, die diesen Versuchen allerdings wenig dankend ablehnt.

Die Autorin arbeitet in ihrem Buch ein äußerst wichtiges Thema auf, nämlich in wie weit das Gesellschaftsbild der Westlichen Welt den Mensch als Individuum ausblutet, und welche Alternative Gesellschaftsszenarien es gibt. So war ich während des Lesens für die Ideen, die Connect verbreitet, recht anfällige, hielt während der Lektüre immer wieder inne und horchte in mich hinein, reflektierte das Gelesene im Bezug auf mein eigenes Leben. So beinhaltet vor allem das erste Drittel des Buches im Hinblick auf Veränderungen, die man im eigenen Alltag machen könnte viele interessante Anregungen. Schleichend zieht sich aber über das Buch der Wandel hin zu einer Sekte, die mit aller Kraft versucht, ihre Anhängerschaft zu kontrollieren. Dabei gibt es aber wie gesagt keine eindeutige Linie in der Beschreibung von Connect, die überschritten wird, und bei der man diese nun deutlich als Sekte bezeichnen könnte. Man bekommt beim Lesen nur mehr und mehr ein beklemmendes Gefühl, je weiter die Geschichte voranrückt. Die Wahrnehmung von Connect hin zur Sekte ist sehr authentisch dargestellt, was auch auf die Protagonist:innen zutrifft. Mir gefällt sehr, dass Ava nicht dieser typische Maincharakter ist, vollgepumpt mit Eigenschaften, die sie sympathisch erscheinen lassen sollten. Sie strahlt eine Ruhe aus, auf die man sich gerne einlässt und ist mit ihren Problemen wirklich sehr Nahe am heutigen Menschen gebaut. Dazu kommt noch der tolle sprachliche Stil der Autorin, der einen sanft durch die Geschichte leitet und begleitet. Denn immer wieder gibt es äußerst poetische Stellen, an denen man beim Lesen gerne innehält.

Rundum ist das Buch gelungen und für mich eine sehr große Leseempfehlung, vor allem, da sich hier mit einem äußerst brisanten Thema kritisch auseinandergesetzt wird, ohne dabei einseitig zu wirken.

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Veröffentlicht am 23.02.2022

Porträt einer Legende

Tell
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Mit seinem neuen Roman rollt Joachim B. Schmidt die Geschichte des Wilhelm Tell neu auf und verpasst ihr ein anderes, moderner anmutendes Antlitz, als er jemals zuvor hatte. So entsteht ein Porträt dieser ...

Mit seinem neuen Roman rollt Joachim B. Schmidt die Geschichte des Wilhelm Tell neu auf und verpasst ihr ein anderes, moderner anmutendes Antlitz, als er jemals zuvor hatte. So entsteht ein Porträt dieser schweizer Legende, die den unbeugsamen Helden in ein viel menschlicheres Licht rückt.

Ich war wirklich auf das Erscheinen des Buches gespannt, da ich sehr gerne neu aufgerollte, um- und neu erzählte Geschichten aus dem Fundus der Allgemeinkenntnis lese, vor allem, wenn sie einen literarisch poetischen Mantel bekommen. In dieser letzten Hinsicht konnte mich der Autor auch wirklich begeistern. Stilistisch findet man beim Lesen kurze Sequenzen mit immer neuen Perspektivwechseln vor, die die Handlung und die Protagonist:innen in ein immer neues Licht rücken, dieses verändern, Tell eine immer neue Facette bescheren. So war mir dieser anfangs noch nicht besonders sympathisch, doch mit jeder neuen Information über seinen Charakter und sein bisheriges Leben, die die Leserschaft immer häppchenweise präsentiert bekommen, veränderten sich meine Empfindungen ihm gegenüber und ich begann ihn immer mehr zu verstehen, sein Geisteswesen nachzuvollziehen und ihn auch zu bewundern. Auch die Atmosphäre der Geschichte wurde vom Autor sehr präzise ausgearbeitet. Das Setting, die Alpen, das Dorf und der Tell-Hof werden sehr gut greifbar und ein unglaublich starkes Bild entsteht, dass sich wunderbar in die Geschichte einfügt. Einzig und alleine die Handlung war es, die mich nicht an allen Ecken und Enden vollends abholen konnte. Der auf dem Klappentext versprochene Blockbuster blieb meiner Meinung nach aus. Zwar war die Handlung durchaus spannend und es entwickelte sich mehr und mehr eine Sogwirkung, allerdings muss ich sagen, dass es mir manchmal zu schnell ging, Passagen der Geschichte zu flott an mir vorbeiflogen und diese keine richtige Tiefe entwickeln konnten.

Damit währe aber auch schon der einzige Kritikpunkt abgehandelt, denn Sprache und Stil des Buches konnten mich komplett für sich einnehmen.

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Veröffentlicht am 10.02.2022

Debüt in Form von Kurzgeschichten

Damenbart
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Sarah Pines legt mit diesem Buch eine Sammlung von Erzählungen vor, denen eine melancholische Grundstimmung und Frauen in ihren mitt-Dreißigerjahren zugrunde liegen. Beziehungen bzw. deren Ende und und ...

Sarah Pines legt mit diesem Buch eine Sammlung von Erzählungen vor, denen eine melancholische Grundstimmung und Frauen in ihren mitt-Dreißigerjahren zugrunde liegen. Beziehungen bzw. deren Ende und und sich verändernde Lebensumstände sind es, mit denen die Leserschaft hier konfrontiert wird.

Zwar bin ich ein Fan von Kurzgeschichten bzw. Erzählungen, allerdings weiß ich mittlerweile, dass ich diese immer mit Vorsicht genießen muss. Denn nicht immer ist der beschränkte Rahme gut genug genutzt worden, um eine Botschaft klar und überzeugend zu transportieren. So war auch diese Sammlung wieder durchwachsenn. Einzelne Geschichten konnten mich sprachlich und vor allem von der Thematik und Atmosphäre her überzeugen - hier sind vor allem "Krabbencocktail" und "Buffalo" Empfehlungen - und begeistern. Speziell die beiden Geschichten transportieren eine unglaublich tiefgründige und authentische Atmosphäre, einmal Louisiana im August und einmal im Rustbelt des 21. Jahrhunderts. Im generellen war es aber so, dass die Geschichten von einer depressiven und melancholischen Grundstimmung geprägt waren, die die Stimmung beim Lesen immer gedrückt haben. Selten war ich so froh, ein Buch zu beenden, wie hier, da die Stimmung schon mit der Zeit auf mein Gemüt gedrückt hat. Thematisch aber waren die Geschichten ansprechend. Einsame Frauen, einsam in ihren Beziehungen und in ihrem sozialen Umfeld gefangen. Sexuelle Flucht in unglückliche Beziehungen scheinen das rettende Ufer zu sein. Dadurch, dass aber diese Flucht in ungezügelten Sex ein ständig wiederkehrender Begleiter wird, wird man auch davon wieder müde. Thematische Wiederholungen, immer in neuem Gewand.

Letztendlich bieten die Geschichten einen guten Einblick in die menschliche Seele, bieten tiefgründige Unterhaltung, auch wenn man sich die Zeit und die Ruhe nehmen muss, um sich auf diese Einlassen muss.

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Veröffentlicht am 31.01.2022

Die Tücken des Helfens

Der Amokläufer
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Schuld und dessen Folgen spielen auch in dieser Novelle Stefan Zweigs wieder eine fundamentale Rolle. Ein Deutscher Arzt aus den niederländischen Kolonien in Indonesien trifft auf eine junge Dame, die ...

Schuld und dessen Folgen spielen auch in dieser Novelle Stefan Zweigs wieder eine fundamentale Rolle. Ein Deutscher Arzt aus den niederländischen Kolonien in Indonesien trifft auf eine junge Dame, die ihn mit ihrem Wesen, ihrer Anmut und mit dem Verlangen, dass ihr geholfen wird, in seinen Bann zieht. Doch die Tücken der menschlichen Psyche ziehen den Arzt in die Tiefen des Unglücks und so endet er einsam und von Schuld zerfressen auf einem Dampfer, der ihn zurück nach Europa bringen könnte, und findet dort in einer anderen verirrten Seele einen aufmerksamen Zuhörer.

Zwar hatte ich schon die im Fischer-Verlag erschienene Ausgabe dieser Novelle, allerdings hat mich das Cover dieser von Beginn an, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, in den Bann gezogen, und so habe ich sie ohne zu zögern gleich am Erscheinungsdatum gekauft. Hinsichtlich des Inhalts und der Sprache habe ich mir absolut keine Sorgen gemacht. Nachdem ich Stefan Zweig mit seinen Novellen am Beginn des letzten Jahres für mich entdeckt habe, habe ich gemerkt, dass diese immer ein Garant für kurze und gute Unterhaltung sind, die allerdings lange noch nachklingen. Und so war es auch hier wieder. Der tongebende, psychologische Aspekt des Buches wirkt zwar teilweise, aus Sicht des Europas des 21. Jahrhunderts recht übertrieben und realitätsfern, allerdings wird man mit der genauen psychologischen Ausgestaltung der Protagonist:innen beim Lesen in den Bann gezogen. Spannend am Aufbau dieser Novelle fand ich auch, dass eine Geschichte in der Geschichte erzählt wird, etwas, was mir erst nach den ersten 10 Seiten der Novelle aufgefallen ist. Man erfährt vom Schicksal des deutschen Arztes auf genau dem gleichen Weg, wie es auch unser Schiffsreisende, der Aug und Ohr für uns darstellt, nämlich durch die direkte Schilderung der Geschehnisse durch den Arzt. So bekommt man einen sehr tiefen Einblick in das Wesen und den Charakter von diesem, ohne dass sich aber der andere Protagonist, der Schiffsreisende offenbaren muss. Allerdings viel mir das Ende im Vergleich vor allem zu Angst ein wenig hektisch aus. Ich stolperte überstürzt in dieses, fand mich ein wenig verwirrt und atemlos zurückgelassen.

Dennoch hat mich auch diese Novelle wieder überzeugt und sie wird definitiv nicht die letzte gewesen sein, die ich dieses Jahr gelesen habe.

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Veröffentlicht am 22.01.2022

Ein aufregendes Gefühl

Der letzte Sommer in der Stadt
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Der junge Leo aus Mailand kommt Anfang der 1970er nach Rom, in die ewige Stadt. Er bekommt eine Wohnung und einen alten, klapprigen Alfa Romeo, findet einen Job bei einer Sportzeitung und stürzt sich in ...

Der junge Leo aus Mailand kommt Anfang der 1970er nach Rom, in die ewige Stadt. Er bekommt eine Wohnung und einen alten, klapprigen Alfa Romeo, findet einen Job bei einer Sportzeitung und stürzt sich in das aufregende Leben der Stadt. Und so begegnet er Arianna. Eine Begegnung, die beider Leben für immer verändert.

Für mich persönlich war das Buch anfangs sehr schwer einzuschätzen, und so habe ich es einfach auf mich zukommen lassen. Was auf alle Fälle aber nicht enttäuscht, das ist der Schreibstil. Gianfranco Calligarich arbeitet mit poetischen Bildern, eine Sprache die man sich auf der Zunge zergehen lassen kann, und erschafft so eine wunderschöne Melancholie, die die Thematik des Buches wunderbar untermalt. Diese tieftraurige, und dennoch aufregende Grundstimmung ist es, was mich so an dieser Geschichte begeistert hat. So vieles ist einfach aus dem Leben gegriffen, könnte einem selbst auch passieren, und unweigerlich habe ich begonnen, Parallelen zum eigenen Leben zu ziehen. Denn auch wenn Trauer, Enttäuschung und Sucht eine große Rolle spielen, so ist unweigerlich auch das Glück als Pendent dazu ein ständiger Begleiter im Buch. Aber auch die Protagonist:innen machen die Geschichte unweigerlich interessant. Man bekommt eine große Bandbreite an verschiedenen Menschen präsentiert, niemand ist perfekt, und gerade deswegen interessant. Dieses Set an Figuren hebt das Buch von vielen anderen ab und die Authentizität der Protagonist:innen trägt wieder ein kleinen Stück dazu bei, die Geschichte zu mögen. Und dennoch wird man beim Lesen unweigerlich immer an die eigene Vergänglichkeit und die eigenen Probleme erinnert, zum Nachdenken über das eigene Glück angeregt.

Das Buch konnte mich emotional begeistern und hat mit seinen Bildern das sommerliche Rom in all seinen Facetten auferstehen lassen.

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