Profilbild von SotsiaalneKeskkond

SotsiaalneKeskkond

Lesejury Star
offline

SotsiaalneKeskkond ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit SotsiaalneKeskkond über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.10.2021

Eine Stimme der russischen Opposition

DAFUQ
0

Nach einer Demonstration gegen die Korruption in den russischen Behörden findet sich die achtundzwanzigjährige Moskauerin Anja auf einer Polizeiwache wieder. Zu ihrer Überraschung wird sie am Folgetag ...

Nach einer Demonstration gegen die Korruption in den russischen Behörden findet sich die achtundzwanzigjährige Moskauerin Anja auf einer Polizeiwache wieder. Zu ihrer Überraschung wird sie am Folgetag zu 10 Tagen Haft verurteilt, scheinbar eine Willkommene Auszeit, um sich Gedanklich mit ihrem bisherigen Leben auseinander zu setzen, dass nicht unbedingt in geplanten Bahnen verlaufen ist. Doch in der Haftanstalt scheint sie nicht unbedingt zur Ruhe kommen zu können, ihre fünf Mitbewohnerinnen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können, lassen sie mehr und mehr die gesellschaftliche Lage Russlands reflektieren.

Zugegeben, ich hatte großer Erwartungen an das Buch. Ich erhoffte und erwartete mir eine Kritik an der gesellschaftlichen und politischen Stagnation in Russland seitens einer Oppositionsführerin, als die man die Autorin schon fast bezeichnen könnte, in der Art, wie es "Der ehemalige Sohn" von Sasha Filipenko für Belarus ist. Allerdings muss ich sagen, dass ich in weiten Teilen enttäuscht wurde. Ohne Frage, der Schreibstil konnte mich recht rasch überzeugen. Geradlinig und intensiv werden die Leser:innen an die Geschichte herangeführt. Sprachlich ist das Buch wirklich prickelnd und gekonnt ausgearbeitet. Allerdings stellte mich die Handlung kaum zufrieden. Anfangs entwickelte sie sich noch in die Richtung, in die ich mir die Geschichte erhofft hatte, allerdings flachte dies immer mehr ab, und es ging viel mehr um Anjas Erfahrungen des Lebens als Inhaftierte, ständig unterbrochen von langen Rückblenden. Diese Rückblenden aus der Jugend, Studienzeit und dem ersten Berufserfahrungen Anjas waren zwar aus gesellschaftskritischer Sicht recht interessant, trugen aber keinen wesentlichen Beitrag zur Handlung bei, und entwickelten sich recht rasch zu einem Ballast, der den Lesefluss beeinträchtigte. Die Charakterzeichnungen der Autorin empfinde ich wiederum als sehr gut gelungen. Anja ist facettenreich und ausführlich gestaltet, bietet den Leser:innen und ihren Mitgefangenen, aber auch sich selbst, immer wieder neue Seiten ihrer selbst. Und trotzdem bleibt sie ein wenig unnahbar und ungreifbar, entwickelte sich für mich also nicht unbedingt zu einer Sympathieträgerin. Hinsichtlich der Handlung hat ein Aspekt bei mit Fragen aufgeworfen, die nicht zufriedenstellend beantwortet werden konnte. Ich spreche von den übernatürlichen Momenten, die immer wieder in der Geschichte auftraten. Diese waren für die Handlung weitestgehend überflüssig, außer, um noch deutlicher Anjas geistige Entwicklung während der Haft zu verdeutlichen, was meiner Meinung nach überflüssig ist. Auch konnte mich die Auflösung bzw. Erklärung dieser übernatürlichen Aspekte in der Geschichte nicht zu hundert Prozent überzeugen, auch wenn diese Stellen in der Geschichte immer recht spannend waren und vor allem atmosphärisch waren, und den Spannungsbogen in diesem Moment sehr stark gepusht haben.

Am Ende des Tages konnte mich die Geschichte aber nur teilweise überzeugen, wobei man sagen muss, das die für mich positiven Dinge der Geschichte außerordentlich Gut gelungen sind.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.10.2021

Ein Buch in guter alter Leykam-Manier

Die Party
0

Durch mehrere Zufälle endet eine namenlose studierte Softeisverkäuferin auf einer exquisiten Kochparty, veranstaltet von einem von sich selbst überzeugten Künstler und Theaterregisseure. Und so endet sie ...

Durch mehrere Zufälle endet eine namenlose studierte Softeisverkäuferin auf einer exquisiten Kochparty, veranstaltet von einem von sich selbst überzeugten Künstler und Theaterregisseure. Und so endet sie zwischen teuren Küchenutensilien, erlesenen Kochkünsten und einer Gruppe von mittelständischen Besuchern, die alle mit ihren feministischen Akten, ihrem Dasein als Powerfrauen und ihrer kalten Weltoffenheit prahlen. Schon bald merkt sie aber, dass es mit diesen links-grünen Moralvorstellungen nicht so ganz stimmt, und sich die Gäste, aber auch der Veranstalter der Feier in ein gutes Licht rücken wollen. Es wird gelästert und getratscht, und im Kopf der Softeisverkäuferin beginnen die Gedanken zu kreisen, in welchem Absturz sie da nur gelandet ist. Mehr und mehr zieht sich die Schlinge zu, und es scheint immer mehr so, als würde sie diesem Wahnsinn nicht mehr entkommen können.

Sprachlich konnte mich das buch schon auf der ersten Seite abholen. Der sprachliche Stil ist sehr verschachtelt und besteht aus ewig langen Satzgefügen, immer wieder unterbrochen durch einzelne Gedanken der Protagonistin, durch deren Augen die Geschichte auch wahrgenommen wird. Sicherlich ist dieser Stil sehr anspruchsvoll und mag nicht jedem und jeder gefallen, ich war aber insofern begeistert, da mich diese Verschachteltheit an mich selbst, meinen eigenen Stil zu sprechen erinnert hat, und sich dieser auch wunderbar authentisch angefühlt hat. Die Geschichte lebt von und durch die Gedanken der Protagonistin und was diese zu hören bekommt, was zwar eine sehr hohe Reizdichte erzeugt, gerade dadurch aber eine Palette an Facetten für die Geschichte erzeugt. So wage ich es sogar zu behaupten, dass ich selten so etwas wunderbar authentisches Gelesen habe, wie das Gefühl, das dieser sprachliche Stil mir vermittelt. Nahbar und intensiv. Ganz besonders sind aber die Protagonistinnen und Protagonisten von der Autorin gestaltet worden. Die Softeisverkäuferin ist ganz bewusst ohne Namen und äußeres Erscheinungsbild geblieben, da sie als Apperat für die Leser:innen dient, die Geschichte selbst als Teil einer Party zu erleben. Man wird also in die gleiche Situation wie die Softeisverkäuferin gedrängt. Ein intensives Bild ergibt sich aber auch bei der Betrachtung der anderen wichtigen, zumindest für die Softeisverkäuferin relevanten Teilnehmer der Party. Da haben wir den Regisseur und Künstler, ein hochtrabender Feminist, der auf den zweiten, wenn nicht sogar ersten Blick sich viel mehr als Antifeminist und notorischer Verfechter konservativer Lebensbilder erscheint. Daneben Die Verena, die allen ihre Meinung aufzwingen muss, und meint zu jeder Thematik sich einen umfassenden Kommentar erlauben zu können. Mein persönlicher wahrer Schrecken war, aber das glückliche Paar. Die beiden sind in meinen Augen eine wirkliche Zumutung hinsichtlich ihrer Doppelmoral und ihrer zwangsgetriebenen Vorstellungen. Diese intensive Mischung erzeugt beim Lesen wirklich Kopfweh und lässt einen an der Richtigkeit und Gerechtigkeit der Welt zweifeln, vor allem deswegen, weil diese Protagonisten in all ihrer geistigen Verkehrtheit extrem nahe an der Realität gehalten sind. Und so macht neben der Softeisverkäuferin nur die erdfarbene Frau eine Ausnahme in dieser Ansammlung von verqueren Realitätsbildern. Diese erdfarbene Frau wird im Laufe der Geschichte dann auch zum Alley der Eisverkäuferin, ohne sich dessen bewusst zu sein, nämlich zu einem Fels in der Brandung des erhitzten Abends. Bei den Protagonist:innen ist es auch hier schön zu sehen, wie die Softeisverkäuferin ganz in ihrer Authentizität, ihr Umfeld mit einem gewissen Tunnelblick beschreibt.

Hinsichtlich der Thematik - Feminismus, Rassismus, Integrationswille und gesellschaftlichen Ungleichgewichten - hält das Buch ein sehr hohes Niveau. Akribisch wird jeweils ein gewisser Aspekt der jeweiligen Thematik beleuchtet und auseinandergenommen, ohne dabei jeweils den Blick auch nur ansatzweise auf das Gesamtbild in all seinem Facettenreichtum zu richten. Schnell wird zum nächsten "Unding" der Gesellschaft und der modernen und feministischen Vorstellung einer halbwegs erträglichen Welt weitergegangen, bevor man früher oder später wieder zum ursprünglichen Thema zurückkehrt. So bildet sich eine Kreisfahrt, ganz nach den Vorbildern realer Diskussionen und Gespräche.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Buch zwar gewisse Tücken beim Lesen bereiten kann, aber ein sehr intensives und Lesenswertes Erlebnis bietet. Auf eine für Literatur ungewöhnliche, aber nicht minder authentische Art werden so von der Autorin gesellschaftsrelevante Themen erörtert, die zum Lebens- und Diskussionsalltag eines jeden und jeder von uns gehören. Kurzum: ein Highlight für mich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.09.2021

Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt

Das Glashotel
0

Vincent ist 13 Jahre alt, als ihre Mutter von einem Ausflug in der Natur nicht mehr zurückkommt. Eine große Veränderung für das Mädchen, dass British Columbia verlassen muss, und fortan bei ihrer Tante ...

Vincent ist 13 Jahre alt, als ihre Mutter von einem Ausflug in der Natur nicht mehr zurückkommt. Eine große Veränderung für das Mädchen, dass British Columbia verlassen muss, und fortan bei ihrer Tante in Toronto aufwächst. Als Jahre später auch noch ihr Vater stirbt, kehrt sie schließlich auf Vancouver Island zurück und nimmt einen Job im Luxushotel im Dorf ihrer Kindheit an. Eines Tages trifft sie dort auf Jonathan Alkaitis, einen Mann, doppelt so alt wie sie, aus dem New Yorker Finanzwesen. So nimmt ihr Leben wieder eine Wendung, als sie ihm an die Ostküste folgt, seine Frau wird, und fortan ein Leben in Luxus führt. Doch dann schlägt die Finanzkrise zu und Vincent sieht sich dazu gezwungen, erneut ihr leben fundamental umzukrempeln.

Sprachlich konnte mich das Buch von der ersten Seite an begeistern. Tiefgehend, atmosphärisch und nebulös. Abgesehen davon, dass diese Kombination sich wunderbar lesen lässt, entsteht auch eine gewisse Distanz zwischen den Leser:innen und den Protagonisten. man nimmt alles scheinbar aus einer unbestimmten Distanz oder durch einen Nebelschleier wahr. Fast schon, als wäre man ein Geist oder hätte Raum und Rahmen des Realistischen verlassen. Zu diesem Gefühl tragen sicherlich auch die ständigen Perspektiv- und Zeitwechsel bei. So entsteht vor allem bei den kapiteln, die auf Vancouver Island spielen, eine wunderbar melancholische Atmosphäre, die mich tief berührt hat. Die nebelverschleierten Tage an der Küste und die abgeschiedene Ruhe der Natur werden schon fast real. Überzeugen konnte mich die Autorin auch mit den Charakterzeichnungen der Protagonist:innen. Auch sie wirken gleichzeitig unnahbar und wie ein Teil des eigenen Lebens zugleich. Vor allem sind sie aber facettenreich, einzigartig, und man merkt, dass sie nicht als Sympathieträger gestaltet worden sind. Sie wirken viel mehr wie gute Freunde, mit Ecken und Kanten, guten und schlechten Seiten, die einem von den letzten Jahren ihres Lebens erzählen. Die Handlung empfand ich als unglaublich spannend, Vincents weg zu sich selbst und die Wendungen die ihr Leben immer wieder nimmt, vor allem aber die verschiedenen Figurenkonstellationen haben mich fasziniert. Allerdings muss ich sagen, dass mich die Handlung rund um das Schneeballsystem nicht ganz so gefesselt hat, auch wenn es wirklich interessant ist, über diese Form des Betrugs zu lesen. Hier muss ich auch sagen, dass die Thematik des finanzbetrugs keine omnipräsente Rolle eingenommen hat und so auf die Geschichte und den Lesefluss gedrückt hätte. Trotzdem aber konnte mich der Dritte Teil des Buches nicht so begeistern, wie die anderen beiden. Ein kleiner Punkt, den ich noch anmerken möchte, ist, dass ich es viel besser finden würde, wenn das Inhaltsverzeichnis sich am Anfang des Buches befinden würde, und nicht erst am Ende, da ich die Kapitelnamen als besonders spannend empfinde und die die Similarität einiger Kapitel während des Lesens gar nicht auffällt, sich dann aber beim Blich auf das Inhaltsverzeichnis gibt. Hierbei muss ich aber sagen, dass ich darin keinen großen Kritikpunkt sehen, sondern viel mehr eine Sache, die mir ohne werten zu wollen, ins Auge gesprungen ist.

Alles in Allem konnte mich die Geschichte aber wirklich begeistern, und alleine aufgrund der atmosphärischen Sprache der Geschichte ist diese eine große Empfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.09.2021

Ein Abenteuerroman rund um die Wolfsschanze.

Sturm in die Freiheit
0

Der vierundzwanzigjährige U-Boot-Kommandant Wolf Littke gerät, nachdem sein U-Boot versenkt wurde, 1943 in britische Gefangenschaft. Da wird ihm ein Vorschlag gemacht: Er soll sich einem Himmelfahrtskommando ...

Der vierundzwanzigjährige U-Boot-Kommandant Wolf Littke gerät, nachdem sein U-Boot versenkt wurde, 1943 in britische Gefangenschaft. Da wird ihm ein Vorschlag gemacht: Er soll sich einem Himmelfahrtskommando anschließen, um dem Führer mit einem Sprengsatz in der ostpreußischen Wolfsschanze auflauern, um so den Weg für Friedensverhandlungen zu ebnen. Ein Plan, so risikoreich und verrückt, dass Wolf ihm niemals zugestimmt hätte, wenn es für ihn nicht ein Freifahrtsticket vor der bevorstehenden Exekution gewesen wäre. Und so befindet sich Wolf schon bald in einem Flieger nach Ostpreußen, zusammen mit einem Team aus einem schwedischen Juden, einem Polen und einem Russen. Wie auch Wolf verfolgt jeder von ihnen neben der Ermordung Hitlers auch noch andere, eigennützige Motive, warum sie nach Ostpreußen wollen.

Ich konnte das Buch von Anfang an eigentlich recht gut einschätzen und erwartete mir vor der Lektüre eigentlich schon einen unterhaltsamen actionreichen Roman, der sprachlich aber nicht zu anspruchsvoll ist. Vieles davon habe ich letztendlich auch bekommen. Der Schreibstil war also recht flott und ohne große Ausschweifungen, wenig kompliziert, aber zur Geschichte passend. Trifft zwar nicht unbedingt meinen Geschmack, aber nichts, worüber ich mich all zu groß beschweren könnte. Allerdings war mir das Buch dann teilweise auch schon zu schnell. Teilweise kamen mir Stellen zu abgehackt und gehetzt vor, sodass das Potential der Spannung nicht vollends ausgeschöpft zurückgelassen wurde. genau dieser Punkt störte mich hinsichtlich den Spannungsaufbaus in recht unterschiedlichen Ausmaße, je nach Szene in der Geschichte. Denn im Gesamten bildet sich ein recht schön ausgearbeiteter Spannungsbogen, der dadurch, dass man ja bereits weiß, dass alle Attentate auf Hitler scheiterten, zusätzlich befeuert wird. Gerade dann, wenn es aber zu Stellen kommt, in denen es für die Protagonist:innen brenzlig und eng wird, scheint der Autor aufs Gaspedal zu treten. Das sind dann die Szenen, von denen ich gesprochen habe, die mir einfach zu kurz und zu schwach ausgearbeitet vorkommen, die dann letztendlich zu kurzen Einbrüchen des Spannungsbogens führen. Dann gab es auch hin und wieder Stellen, die mich ein wenig ratlos hinsichtlich ihrer Logik zurückgelassen haben. Es gab einfach Szenen im Buch, die sich für mich nicht authentisch angefühlt haben. Sei es zu untertrieben, oder zu übertrieben. Was die Protagonisten angeht, kann ich sagen, dass sie zwar ein sehr gut ausgearbeitetes Grundgerüst haben, aber darüber hinaus sich nicht besonders in Individualismus und Facettenreichtum ergehen. An und für sich nichts negatives, aber es hätte mehr sein können. Einzig und alleine die Stellenweise recht stark auftretende Naivität von Wolf Littke hat mir teilweise den Nerv geraubt. Wirklich positiv überrascht bin ich aber von der Fülle an historischen Hintergründen und dem Wissen, das der Autor in der Geschichte mit eingebaut hat. Das Setting, Ostpreußen im sich zu Ende neigenden Dritten Reich, ist sehr anschaulich dargestellt, ein authentisches Gefühl des flachen heißen Landes. Die Recherchearbeit des Autors muss hier wirklich honoriert werden.

Letztendlich ist das Buch ein spannender und actionreicher Unterhaltungsroman, der, auch wenn er mich nur teilweise überzeugen konnte, eine Empfehlung ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.09.2021

Anspruchsvolle Literatur aus Österreich

Wo das Licht herkommt
0

Philippine wächst in einem beschaulichen Dorf westlich von Wien auf. Ein glückliches Leben mit ihren Eltern und ihren vier Brüdern. Doch dann soll sie den Seppl heiraten, einen brutalen Mann gerne quält. ...

Philippine wächst in einem beschaulichen Dorf westlich von Wien auf. Ein glückliches Leben mit ihren Eltern und ihren vier Brüdern. Doch dann soll sie den Seppl heiraten, einen brutalen Mann gerne quält. Doch darauf hat Philippine keine Lust, und so reißt sie von zuhause aus und wird sehr schnell zu einem Philipp. So führt sie ihr Weg nach Wien, wo sie ein Gymnasium besucht, nach Rom, zum Studium der Medizin, und nach Coimbra in Portugal, wo sie Kartografie studiert. Doch dann lernt sie dort einen jungen Mann kennen und ihr gut gehütetes Geheimnis droht entdeckt zu werden.

Der Klappentext und der Verlag, in dem das Buch erschienen ist, versprechen einiges. Allerdings wurde nicht alles davon eingehalten. Sprachlich wurden meine Erwartungen vollends erfüllt. Mysteriös, nebulös und umschreibend, gleichzeitig knapp und reduziert begleitet man Philipp auf zwei Zeitebenen, einer zu seinen Gymnasialzeiten, und bei seinem Studium in Coimbra auf der anderen. Hierbei muss man beim Lesen dann aber besonders aufpassen, sich nicht zu verlieren, da die Übergänge zwar durch Kapitel abgetrennt sind, aber die Zeitebene nicht genau markiert ist, und so die Übergänge immer ein wenig verschwimmen. Die Handlung hat es mir allerdings nicht so angetan. Ihre Probleme, die Geheimniskrämerei rund um ihr wahres Geschlecht und generell ihre hochtrabenden Träume und Wünsche boten zwar sehr viel Potential, von dem allerdings sehr viel ungenützt blieb. So plätscherte die Geschichte ohne große Aufregungen, aber dennoch recht unruhig dahin, und es kam kaum Spannung auf. Insofern gestaltete sich der Lesefluss für mich recht zäh und man musste auch extrem Konzentriert bleiben, um den Faden der Geschichte nicht zu verlieren. Mehr oder weniger Begeistern konnten mich die Charaktere. Wir haben einen Hauptcharakter, der so unnahbar ist, dass beim Lesen die Grenzen zwischen männlich und weiblich verschwimmen, gewollt oder nicht, das kann ich nicht beurteilen. Einerseits empfinde ich das Funktionieren des Hauptcharakters ohne eindeutig männliches oder weibliches Gesicht als besonders spannend und politisch, auf der anderen Seite störte mich die Fremde und Unnahbarkeit, die Philipp ausstrahlt. Er wurde schwer greifbar und deswegen kaum ein sympathieträger. Aber auch die anderen Protagonist:innen bleiben zu großen Teilen im Schatten verborgen. Teilweise hatte ich dann beim Lesen sogar das Problem, dass ich einige davon verwechselt habe. Auch das Ende konnte mich überhaupt nicht zufrieden stellen. Zwar läuft es auf ein offenes Ende hinaus, aber das ganze versandet so sehr, dass bei mir keineswegs das Gefühl eines einigermaßen gelungenen Endes aufkam.

Nach Abschluss der Lektüre stellte sich bei mir also kein zufriedenes Gefühl ein, auch wenn ich den Schreibstil und auch andere Aspekte der Geschichte, wie beispielsweise das historische Setting, sehr geschätzt habe.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere