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Veröffentlicht am 14.08.2022

Spaziergang durch ein Wien der Vergangenheit

Isidor
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Shelly Kupferberg, die sich bisher mit dem Verfassen nichtliterarischer Texte befasst hat, arbeitet mit diesem Buch die Vergangenheit ihrer eigenen Familie auf, begibt sich auf Spurensuche danach, was ...

Shelly Kupferberg, die sich bisher mit dem Verfassen nichtliterarischer Texte befasst hat, arbeitet mit diesem Buch die Vergangenheit ihrer eigenen Familie auf, begibt sich auf Spurensuche danach, was war und was vielleicht für immer in Vergessenheit geraten zu sein scheint. Wir erleben aus ihrer Feder ein jüdisches Schicksal, dass einzigartig ist, und dennoch so viel mit Millionen anderen gemeinsam hat.


Ich war wirklich gespannt auf das Buch, da mich einerseits die Ausgrenzung von gesellschaftlichen Minderheiten im Generellen, das Schicksal der jüdischen Bevölkerung in diesem Fall, sehr interessiert. Auch versprach das Buch eine Zeitreise in ein Wien, das der Vergangenheit angehört. Diesen Spaziergang habe ich definitiv präsentiert bekommen. Ich kenne mich mehr oder weniger recht gut in Wien aus und war immer von kindischer Freude erfasst, wenn Straßennamen usw. fielen. Auch war der Lerneffekt durchaus gegeben, da man sehr viel über das Leben von assimilierten Jüd:innen erfährt aber auch Sidefakts, die mir bislang unbekannt waren, wie beispielsweise, dass der 2. Bezirk auch noch in der Zwischenkriegszeit eine bevölkerungsstarke jüdische Minderheit hatte.


Allerdings muss ich sagen, dass ich sprachlich mich ein wenig auf der Strecke gelassen gefühlt habe. Hier hätte das Buch definitiv mehr Tiefgang vertragen. Ich persönlich habe deutlich gemerkt, was die Autorin in einem Interview angegeben hat, nämlich, dass es ihr schwer gefallen ist, sich auf das Schreiben eines literarischen Textes einzustellen. So empfand ich das Buch ingesamt sprachlich recht trocken.


Tiefgang hätten meiner Meinung nach aber auch der Inhalt vertragen. Mir ist klar, dass die Autorin nicht mit Fiktion hantieren konnte. Dennoch empfand ich es so, dass die Handlung teilweise nur n der Oberfläche umherplätscherte.


Insgesamt aber dennoch ein lesenswertes und vor allem aber bedeutungsschweres Buch, auch wenn ich nicht unbedingt so weit gehen würde, es als Literatur zu bezeichnen.

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Veröffentlicht am 12.08.2022

Der Kampf um Amerikas Freiheit

Rotröcke
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1777 hält der Krieg auch in Philadelphia, der Hauptstadt der Rebellen Einzug. Doch die Kämpfe halten nicht nur die beiden Armeen in ihrem schier endlosen Kräftemessen in Atem, sondern stellen auch die ...

1777 hält der Krieg auch in Philadelphia, der Hauptstadt der Rebellen Einzug. Doch die Kämpfe halten nicht nur die beiden Armeen in ihrem schier endlosen Kräftemessen in Atem, sondern stellen auch die Bevölkerung der Stadt auf eine Zerreißprobe. Die wohlhabende Handelsfamilie Becket ist in zwei Lager geteilt. Auf der einen Seite die ältere Generation, die ihr Leben unter britischer Krone verbracht hat, und auch ihren Lebensabend so verbringen möchte. Und auf der anderen Seite Jonathon und Martha, die junge Generation im Kampf für die Freiheit ihres Landes. Doch auch der Rotrock Sam beginnt mehr und mehr an der Rechtschaffenheit des Krieges und vor allem an seinen Vorgesetzten zu zweifeln. Dennoch ist da sein Treueeid auf den König seiner britischen Heimat.

In Erwartung eines spannenden historischen Romans bin ich an das Buch herangetreten und die erhoffte Unterhaltung blieb nicht aus. Denn was Bernard Cornwell unglaublich gut vermag, ist es Schlachten ausführlich zu beschreiben, ohne dass dabei die Leserschaft im Kampfgetümmel vor Fakten und Beschreibungen erdrückt wird. Thematisch bedingt finden sich mehrere solcher Kampfesszenen das ganze Buch über verstreut, die den Spannungsbogen pushen und das Lesetempo erhöhen. Auch auf gefühlstechnischer Ebene bringt der Autor Spannung und Leidenschaft in das Buch. Hinzu kommen noch vereinzelt Intrigen, die meiner Meinung nach aber auch intensiver ausgestaltet hätten werden können. Man merkt also deutlich, dass Cornwell den Fokus auf den Kampf als Träger der Handlung setzt.

Auch die Gestaltung der Protagonist:innen ist mir insgesamt positiv aufgefallen. Denn anfangs erschienen mir Jonathon, Martha und Sam, die ja die Hauprptotagonist:innen darstellen als sehr blass, unausgereift und blutleer. Es kamen keine Sympathien auf. Doch schon nach den ersten 50 Seiten wurden die Charaktere immer intensiver beschrieben, so weit dass man sie nur lieb gewinnen konnte. Auch machen einige - vor allem von den Nebenfiguren - enorme charakterliche Entwicklungen durch. Insgesamt ist es nicht so, dass gut und böse in all seinem Ausmaß schon am Anfang des Buches zu erkennen ist. Dadurch bleibt das Buch immer wieder für eine Überraschung gut.

Was Bernard Cornwell aber auch besonders gut kann, ist es, seiner Leserschaft die Hintergründe zu seinem auf akribische Art und Weise näher zu bringen. So bekommt man jede Menge Informationen rund um den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Vor allem aber trifft man jede Menge bekannter historischer Persönlichkeiten wie Sir William Howe, John Andre und auch die sagenumwobene Peggyy Shippen rauscht kurz durch das Bild, wird aber sehr zu meinem Leidwesen nicht ausführlicher behandelt.

Insgesamt ein spannendes Buch, das jede Menge historischer Fakten bereithält. Für jeden Etwas, der ach Action und Abenteuer in der Amerikanischen Geschichte sucht.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Ein Buch zum Nachdenken

Susanna
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Mit diesem stilistisch ungewöhnlichen Roman arbeitet Alex Capus die Geschichte der Susanna Faesch auf, die Malerin, die sich auf eine Reise zu Sitting Bull machte. Dabei entführt er die Leserschaft in ...

Mit diesem stilistisch ungewöhnlichen Roman arbeitet Alex Capus die Geschichte der Susanna Faesch auf, die Malerin, die sich auf eine Reise zu Sitting Bull machte. Dabei entführt er die Leserschaft in ein Amerika am Aufbruch zur Moderne mit all den Kontroversen des späten 19. Jahrhunderts.

Rasch merkt man, dass das Buch einen anderen Fokus auf das Leben Susannas setzt, als es im Klappentext noch beschrieben wird. So machen die Berührungspunkte Susannas mit den Indigenen Nordamerikas nur einen recht kleinen Teil aus, der auf mich wie die Krönung einer Selbstfindungsphase wirkt. Viel mehr werden anhand von Susannas Leben und dem ihres Umfeldes gerade heute so bedeutende Aspekte des gesellschaftlichen Lebens angesprochen, wie Klassismus, Zerstörung von Umwelt, Verdrängung von Kulturen oder aber auch die Hustlerkultur in der Arbeitswelt. Dabei deckt das Buch einen Zeitrahmen von etwa 50 Jahren von Susannas Kindheit an ab. Basel, New York der Wilde Westen. Alex Capus beschreibt dabei auf poetische und äußerst malerische Weise, wie das Leben an den jeweiligen Handlungsorten von statten ging.

Abgesehen von der Fähigkeit des Autors, ganze Landstriche binnen weniger Seiten in Klarheit und Anmut auferstehen zu lassen, habe ich mich recht schnell auch in die metaphernreiche Ausdrucksweise verliebt. Denn recht schnell wir deutlich, dass das Buch weder plotgetrieben ist oder von den Charakteren lebt, viel mehr sind es Sprache und geistreiche Ideen, die den Motor der Geschichte am Laufen halten. Alex Capus fängt seine Leser:innen zunächst einmal mit prachtvollen Aufzählungen und Metaphern ein, bevor er anschließen einen Kokon aus Ideen und Denkansätzen formt, in dem man sich zum Sinnieren niederlässt. Und so habe ich für mich selbst sehr viel aus dem Roman mitgenommen, vor allem im Hinblick auf Zeit und Leben.

Insgesamt hat Alex Capus einen anspruchsvollen, aber nicht minder interessanten Roman erschaffen, der vor allem durch stilistischen und sprachlichen Wagemut glänzt.

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Commonwealth

Heartland
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Die Mapothers sind die Reichste Familie des Commonwealth Countys. Doch die Eltern wollen für ihren John noch mehr. Und so kandidiert dieser für das Amt des Repräsentantenhauses im kleinstädtisch geprägten, ...

Die Mapothers sind die Reichste Familie des Commonwealth Countys. Doch die Eltern wollen für ihren John noch mehr. Und so kandidiert dieser für das Amt des Repräsentantenhauses im kleinstädtisch geprägten, fünften Kongressbezirk. Doch John ist überfordert, mit der Unterschicht umzugehen, die den größten Teil der Wählerschaft ausmacht. Da kommt den Mapothers Blue Gene gerade recht. Der verlorene Sohn der Familie hat sich vor Jahren von Reichtum und Elite losgelöst und führt seitdem ein Leben der amerikanischen Arbeiterklasse. Nun holen sie ihn ins Wahlkampfboot. Er soll richten, was John nicht hinbekommt. Doch nicht jeder im Commonwealth County ist so manipulativ, wie es anfangs scheint.

Ich erwartete mir einen recht anspruchsvollen, politischen und kritischen Roman, wurde einerseits komplett überrascht, habe dennoch in diesem Buch gefunden, was ich gesucht habe. Die erste große Überraschung war zunächst einmal Joey Goebels Schreibstil. Der lässt sich leicht und locker weglesen, ist kaum träge und gibt der Geschichte wirklich pageturner-Potenzial. Dennoch finden sich ständig versteckte Details, die einen zum Schmunzeln bringen. So ist der Schreibstil wenig poetisch, passt sich gerade aber damit hervorragend an das kleinstädtische Milieu an, in dem der Roman angesiedelt ist. Und gerade dieses kleinstädtische Milieu ist es, das der Autor hervorragend ausgestaltet hat. Die Beschreibungen davon, wie sich die Stadt in den letzten Jahrzehnten verändert hat, wie sich die Menschen verändert haben, wirken sehr authentisch und geben Bashford, so heißt die Stadt unserer Handlung, ein scheinbar einzigartiges Antlitz, dass sich bei genauerer Betrachtung als tausendfache Kopie herausstellt. Denn Joey Goebel beschreibt eine Stadt in einem Landstrich, die sich überall im Mittleren Westen befinden könnte. Und gerade diese Anonymität gibt dem Buch seine Universalität. Denn Pickups, Wrestling, Monstertrucks und qualmende Geringverdiener - die wahren Patrioten - gibt es zwischen Ost- und Westküste überall. Doch der aufmerksamen Leserschaft, die sich dazu noch ein wenig mit den USA auseinandergesetzt hat, springen einige Dinge ins Auge, die die geografische Zuordnung in groben Maßen dennoch zulässt. Da wäre zunächst einmal der Herbst, der immer noch warm genug ist, um mit T-Shirt draußen rumzulaufen. Der Norden fällt also schon einmal weg. In Johns Wahlbezirk liegt ein County namens Dixie County. Wir befinden uns also im Süden. Die Mapothers haben einen Tabakkonzern - Kentucky - und der Vater eines der Protagonisten war im Bergbau tätig. Demnach würde ich auf Ostkentucky tippen. Sicherlich kein Zufall, dass der Schriftsteller auch in dieser Region aufgewachsen ist. Es finden sich aber auch noch andere Eastereggs. So finde ich den Namen Commonwealth County sehr ironisch, wenn man bedenkt, dass dies in etwa "Gemeinwohl" bedeutet, und sich gerade hier die Gräben zwischen Arm und Reich deutlich zeigen.

Das Buch hat mich aber auch entsetzt und schockiert. Es schwappt ja immer wieder etwas herüber nach Europa, von den "Amerikanischen" Zuständen. Dieser Roman war dann allerdings wieder ein ganz anderes Kaliber. So gehören Homophobie, Rassismus und Sexismus zum normalen Umgangston, sowohl bei den Rednecks als auch bei den gehoberen Schichten. Von diesen Auswüchsen des menschlichen Egoismus ist auch unser Hauptprotagonist Blue Gene nicht befreit. Hinzu kommt der Stellenwert von Kirche, Glaube, Patriotismus und den Streitkräften. Aus europäischer Sicht nicht mehr als ein Kopfschütteln wert.

Joey Goebel vermag es aber auch, seine Charaktere trotz einiger moralischer Fehler sehr sympathisch zu gestaltet. Zwar haben wir auch hier mit Henry Mapother einen klassischen Bösewicht, doch dieser ist kaum an den Haaren herbeigezogen und fügt sich perfekt in den Roman ein. Dazu kommt, dass die Protagonisten sehr facettenreich gestaltet sind, sich selbst, die anderen und auch die Leser:innen immer wieder überraschen. Und auch macht der Großteil von ihnen eine enorme Charakterentwicklung während der 700 Seiten durch. Und gerade an der Lebhaftigkeit und der Nahbarkeit des Figurensets liegt es auch, dass sich kritisierende und unterhaltsame Aspekte des Buches in einer Wage halten, sodass sich eine perfekt Mischung ergibt.

Insgesamt also ein Meisterwerk, lehrreich und unterhaltsam, dass trotz seiner Stärke von etwa 700 Seiten niemals langweilig wird. Auf mich hat das Buch definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

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Veröffentlicht am 29.07.2022

Weltliche Macht der Geistlichkeit

Matrix
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Die siebzehnjährige Marie ist wahrlich keine Schönheit. Groß, von knochiger Statur, aber wachen Geist, eignet sie sich nicht, um am Heiratsmarkt im Reich Eleonore von Aquitanien verschachert zu werden. ...

Die siebzehnjährige Marie ist wahrlich keine Schönheit. Groß, von knochiger Statur, aber wachen Geist, eignet sie sich nicht, um am Heiratsmarkt im Reich Eleonore von Aquitanien verschachert zu werden. Und so wird sie vom Hof verbannt und von der Königin als Priorin im feucht-nebeligen Angleterre eingesetzt. Anfangs von ihrem ärmlichen Leben schockiert erkennt Marie schon bald, dass ihr neues Amt ihr die Möglichkeit bringt, um weltliche Macht zu erlangen. Ein dramatischer Höhenflug beginnt.

Ich war wirklich gehypt auf das Buch, da mich der sprachliche Stil der Autorin in der Leseprobe bereits vollends überzeugen. Und das blieb auch so das restliche Buch über. Denn Lauren Groff legt hier einen sehr experimentellen und anspruchsvollen Schreibstil an den Tag. So haben wir sehr lange und verschachtelte Sätze, mittels deren die Geschichte geschildert wird, und auch, findet sich keinerlei - oder kaum - direkte Reden. Dem geschuldet reduziert sich zwar das Lesetempo, was mich an und für sich nicht störte, und der Fokus verlegte sich vom Plot hin auf die Schönheit der Sprache. Und hier liegt auch der Hauptkritikpunkt meinerseits. Den das Buch ist weder Plot - noch Charaktergetrieben sondern lebt wirklich nur von der Sprache. Den auf beiden Seiten spart die Autorin sehr stark aus. Das Buch beschreibt einen Zeitraum von etwa 55 Jahren auf knapp 320 Seiten. Von der im Klappentext versprochenen Machtaufstieg merkt man nicht fiel. Zwar liest man darüber, was Marie macht, in die Wege leitet und welche Konsequenzen das mit sich zieht, allerdings nur in der Sparversion. Ich hätte mir da viel mehr Tiefe erhofft. Man nimmt alles nur am Rande war und kommt sich ein wenig so vor, als würde man eine Doku schauen, interessant, aber nur minder spannend. Das gleiche gilt auch für Marie. Auf emotionaler Ebene herrscht gähnende Leere. Mann nimmt Marie nur sehr blass, wie durch einen milchigen Schleier war. Und da ist auch das Problem. Sie und ihre Handlungen wirken nicht immer nachvollziehbar und auch ist es nicht so, dass Marie besonders nahbar und sympathisch wirken würde.

So ist hinterlässt mich das Buch wahrlich zwiegespalten. Schreibstil topp, Plot und Charakterstudie allerdings nicht überzeugend.

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