Cover-Bild Heartland
Band der Reihe "detebe"
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14,00
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  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 720
  • Ersterscheinung: 22.06.2010
  • ISBN: 9783257240375
Joey Goebel

Heartland

Hans M. Herzog (Übersetzer)

Was haben Biertrinker und Wrestlingfans mit der großen Politik in Washington zu tun? Antwort: alles Stimmen entscheiden, wer gewählt wird.
John Mapother, Sohn der mächtigsten Familie im Provinznest Bashford, will in den amerikanischen Kongress, er hat nur keine Ahnung von der Welt seiner Wähler. Die hat aber sein jüngerer Bruder Blue Gene, das schwarze Schaf der Familie.
Ein großer amerikanischer Roman, hochintelligent, voller Witz und Melancholie."

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Veröffentlicht am 01.08.2022

Commonwealth

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Die Mapothers sind die Reichste Familie des Commonwealth Countys. Doch die Eltern wollen für ihren John noch mehr. Und so kandidiert dieser für das Amt des Repräsentantenhauses im kleinstädtisch geprägten, ...

Die Mapothers sind die Reichste Familie des Commonwealth Countys. Doch die Eltern wollen für ihren John noch mehr. Und so kandidiert dieser für das Amt des Repräsentantenhauses im kleinstädtisch geprägten, fünften Kongressbezirk. Doch John ist überfordert, mit der Unterschicht umzugehen, die den größten Teil der Wählerschaft ausmacht. Da kommt den Mapothers Blue Gene gerade recht. Der verlorene Sohn der Familie hat sich vor Jahren von Reichtum und Elite losgelöst und führt seitdem ein Leben der amerikanischen Arbeiterklasse. Nun holen sie ihn ins Wahlkampfboot. Er soll richten, was John nicht hinbekommt. Doch nicht jeder im Commonwealth County ist so manipulativ, wie es anfangs scheint.

Ich erwartete mir einen recht anspruchsvollen, politischen und kritischen Roman, wurde einerseits komplett überrascht, habe dennoch in diesem Buch gefunden, was ich gesucht habe. Die erste große Überraschung war zunächst einmal Joey Goebels Schreibstil. Der lässt sich leicht und locker weglesen, ist kaum träge und gibt der Geschichte wirklich pageturner-Potenzial. Dennoch finden sich ständig versteckte Details, die einen zum Schmunzeln bringen. So ist der Schreibstil wenig poetisch, passt sich gerade aber damit hervorragend an das kleinstädtische Milieu an, in dem der Roman angesiedelt ist. Und gerade dieses kleinstädtische Milieu ist es, das der Autor hervorragend ausgestaltet hat. Die Beschreibungen davon, wie sich die Stadt in den letzten Jahrzehnten verändert hat, wie sich die Menschen verändert haben, wirken sehr authentisch und geben Bashford, so heißt die Stadt unserer Handlung, ein scheinbar einzigartiges Antlitz, dass sich bei genauerer Betrachtung als tausendfache Kopie herausstellt. Denn Joey Goebel beschreibt eine Stadt in einem Landstrich, die sich überall im Mittleren Westen befinden könnte. Und gerade diese Anonymität gibt dem Buch seine Universalität. Denn Pickups, Wrestling, Monstertrucks und qualmende Geringverdiener - die wahren Patrioten - gibt es zwischen Ost- und Westküste überall. Doch der aufmerksamen Leserschaft, die sich dazu noch ein wenig mit den USA auseinandergesetzt hat, springen einige Dinge ins Auge, die die geografische Zuordnung in groben Maßen dennoch zulässt. Da wäre zunächst einmal der Herbst, der immer noch warm genug ist, um mit T-Shirt draußen rumzulaufen. Der Norden fällt also schon einmal weg. In Johns Wahlbezirk liegt ein County namens Dixie County. Wir befinden uns also im Süden. Die Mapothers haben einen Tabakkonzern - Kentucky - und der Vater eines der Protagonisten war im Bergbau tätig. Demnach würde ich auf Ostkentucky tippen. Sicherlich kein Zufall, dass der Schriftsteller auch in dieser Region aufgewachsen ist. Es finden sich aber auch noch andere Eastereggs. So finde ich den Namen Commonwealth County sehr ironisch, wenn man bedenkt, dass dies in etwa "Gemeinwohl" bedeutet, und sich gerade hier die Gräben zwischen Arm und Reich deutlich zeigen.

Das Buch hat mich aber auch entsetzt und schockiert. Es schwappt ja immer wieder etwas herüber nach Europa, von den "Amerikanischen" Zuständen. Dieser Roman war dann allerdings wieder ein ganz anderes Kaliber. So gehören Homophobie, Rassismus und Sexismus zum normalen Umgangston, sowohl bei den Rednecks als auch bei den gehoberen Schichten. Von diesen Auswüchsen des menschlichen Egoismus ist auch unser Hauptprotagonist Blue Gene nicht befreit. Hinzu kommt der Stellenwert von Kirche, Glaube, Patriotismus und den Streitkräften. Aus europäischer Sicht nicht mehr als ein Kopfschütteln wert.

Joey Goebel vermag es aber auch, seine Charaktere trotz einiger moralischer Fehler sehr sympathisch zu gestaltet. Zwar haben wir auch hier mit Henry Mapother einen klassischen Bösewicht, doch dieser ist kaum an den Haaren herbeigezogen und fügt sich perfekt in den Roman ein. Dazu kommt, dass die Protagonisten sehr facettenreich gestaltet sind, sich selbst, die anderen und auch die Leser:innen immer wieder überraschen. Und auch macht der Großteil von ihnen eine enorme Charakterentwicklung während der 700 Seiten durch. Und gerade an der Lebhaftigkeit und der Nahbarkeit des Figurensets liegt es auch, dass sich kritisierende und unterhaltsame Aspekte des Buches in einer Wage halten, sodass sich eine perfekt Mischung ergibt.

Insgesamt also ein Meisterwerk, lehrreich und unterhaltsam, dass trotz seiner Stärke von etwa 700 Seiten niemals langweilig wird. Auf mich hat das Buch definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

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Veröffentlicht am 12.02.2020

Der amerikanische Traum - kritisch durchleuchtet...

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Familie Mapother besitzt seit Generationen die Tabakfabrik Westway im Mittleren amerikanischen Westen. Reich und einflussreich, so führt Henry despotisch sein Haus, Gattin Elisabeth widmet sich den Armen ...

Familie Mapother besitzt seit Generationen die Tabakfabrik Westway im Mittleren amerikanischen Westen. Reich und einflussreich, so führt Henry despotisch sein Haus, Gattin Elisabeth widmet sich den Armen in ihrer Glaubensgemeinschaft und sucht nach Zeichen der Engel, die ihr im Traum erscheinen. Sohn John erfüllt die Erwartungen der Eltern und arbeitet erfolgreich im Familienunternehmen, Sohn Eugene fällt aus der Reihe, arbeitet Jahre bei Wallmart, um sein Leben unabhängig selbst zu finanzieren, landet dann auf einem Dauerflohmarkt und lebt, heruntergekommen, aber frei, in einem Trailerpark. Auf dem Flohmarkt stöbert ihn nach vier Jahren seine Mutter auf...
Joey Goebel erzählt die Geschichten eines amerikanischen Traums: Ein Sitz im Kongress, den Sohn John, der erfolgreiche Sprößling, zum Ruhm der Familie führen soll.
Trotz der Millionen gestaltet sich der Wahlkampf schwierig, die Masse der Wähler kommt aus der Arbeiterunterschicht, und die Menschen im Hause Mapother trennen Welten von ihren zukünftigen Wählern. Aber Eugene, genannt "Blue Gene", wäre in der Lage, die Kontakte herzustellen... So beginnt für Blue Gene eine Odysee der Gefühle und Mögllichkeiten, Geheimnisse enthüllen sich und stürzen ihn in emotionale Achterbahnfahrten.
Joey Goebel zeichnet ein amerikanisches Sittenbild, sehr eindringlich und hart deckt er die Situation der arbeitenden Bevölkerung auf, kreidet die Mißstände an und zeigt, wie verlogen das System ist. Fazit: Geld regiert!
Mir hat das Buch recht gut gefallen, es ist trotz allem Tiefgang leicht zu lesen, recht spannend und die Charaktere sind sehr lebensecht gezeichnet!

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Veröffentlicht am 04.06.2017

Portrait einer amerikanischen Kleinstadt

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Bashford – ein fiktiver Ort im mittleren Westen der USA. Ein Ort, den man aber trotzdem mühelos überall in den ländlichen Gegenden der USA finden könnte: Ca. 50.000 Einwohner, ein eher unterklassiges College, ...

Bashford – ein fiktiver Ort im mittleren Westen der USA. Ein Ort, den man aber trotzdem mühelos überall in den ländlichen Gegenden der USA finden könnte: Ca. 50.000 Einwohner, ein eher unterklassiges College, ein Wal-Mart-Supercenter und drei McDonalds. Kultur- und Freizeitmöglichkeiten sucht man vergebens. Es gibt ein Villenviertel, in dem die wenigen Reichen der Stadt wohnen, die klassischen Einfamilienhaus-Siedlungen des Mittelstands und den Trailerpark, in dem die unterste Schicht der Gesellschaft haust. Und es gibt den einen großen Arbeitgeber, bei dem die halbe Region beschäftigt ist. In Joey Goebels fiktivem Bashford ist das die Westway Zigarettenfabrik. Die Unternehmerfamilie Mapother ist somit die reichste und einflussreichste Familie im gesamten Umkreis der Stadt. Eines fehlt dem Mapother-Clan aber noch: Ein Sitz im Kongress. Den soll Stammhalter John holen. Doch John ist auch der typische reiche Unternehmersohn, dem vor allem der Zugang zu den unteren Gesellschaftsschichten fehlt – die ja immerhin der Großteil der Wähler sind. Diese zu fangen, dabei soll ihm sein kleiner Bruder Blue Gene helfen. Blue Gene, die Hauptfigur des Romans, hat vor vier Jahren den Kontakt zu seiner Familie vollständig abgebrochen, lebt freiwillig im Trailerpark und verdient sein Geld mit Flohmarktverkäufen. Eher unfreiwillig lässt sich Blue Gene breit schlagen, seinem Bruder beim Wahlkampf zu helfen – dabei macht er eine große Wandlung durch und deckt ein tief vergrabenes Familiengeheimnis auf.

„Heartland“ nur auf ein Genre zu reduzieren wird schwer – Goebel hat zum einen ein gelungenes, scharf beobachtetes Portrait einer typischen Kleinstadt im mittleren Westen vorgelegt. Genauso ist „Heartland“ aber auch eine spannend erzählte Familiensaga, Gesellschaftskritik und politisches Lehrstück mit utopischen Zügen. Richtig gut fängt der Roman die Probleme der amerikanischen „Working Poor“ ein – wie es sich lebt, ohne Krankenversicherung; warum man sich trotz Arbeit keine Wohnung und kein anständiges Essen leisten kann. Auch über die Tricks im Wahlkampf und das Wahlverhalten der Amerikaner erfährt der Leser einiges. Die Charaktere sind extrem gut ausgearbeitet und bleiben im Gedächtnis hängen, weil sie auch sehr außergewöhnlich sind. Am Ende gelingt es Goebel aus der Perspektive der Provinz die Probleme und Politik eines ganzen Landes zu charakterisieren.

Zugegeben, der über 700 Seiten starke Roman hat ein paar unnötige Längen – gerade einige Dialoge drehen sich manchmal etwas im Kreis und so wirkt die Geschichte am Ende etwas überladen. Aus diesem Grund hat mir „Heartland“ nicht ganz so gut gefallen, wie Goebels Romane „Vincent“ und „Ich gegen Osborne“. Trotzdem hab ich den Roman gern gelesen und kann ihn nur weiterempfehlen – gerade auch im Hinblick auf die vergangene Präsidentschaftswahl in den USA. Ein kluges, ernstes Buch.