mitreißend und kompliziert
All Saints High - Die Prinzessin „Wir sind einfach nur zwei Teenager, die in dieser Welt niemals eine Chance hatten, Freunde zu werden, und deshalb das wurden, was von uns erwartet wurde. Feinde.“
(Penn zu Daria in All Saints High 1)
Worum ...
„Wir sind einfach nur zwei Teenager, die in dieser Welt niemals eine Chance hatten, Freunde zu werden, und deshalb das wurden, was von uns erwartet wurde. Feinde.“
(Penn zu Daria in All Saints High 1)
Worum geht’s?
Daria ist die Königin der All Saints High. Cheerleader-Captain, Mädchen aus reichem Hause, beliebt und gefürchtet. Aber hinter der Fassade brodelt es gewaltig. Penn steht für alles, was Daria nicht ist. Gebrochen, allein, arm – und obdachlos. Vier Jahre ist es her, dass Penn und Daria gemeinsam eine fatale Entscheidung getroffen haben und ihre Lebe hierdurch für immer verändert haben. Doch als Darias Mutter Penn mit nach Hause bringt, sieht diese ihre Chance auf Wiedergutmachung, denn Penn soll bei ihnen leben und sein Schuljahr beenden. Aber Penn hält so gar nichts davon und sinnt weiterhin nach Rache gegenüber dem Mädchen, was er für das ganze Übel verantwortlich macht. In einem Strudel aus Hass, Anziehungskraft, Verzweiflung und Hoffnung gefangen beginnt für Daria und Penn eine gefährliche Reise… Doch was ist, wenn die Schatten der Vergangenheit die Gegenwart überlagern?
All Saints High – Die Prinzessin ist Band 1 der All Saints High-Reihe. Das Buch kann als Stand Alone gelesen werden, die Folgebände sind über andere Charaktere, die hier jedoch bereits als Nebenfiguren vorkommen. Vorkenntnisse aus der Sinners of Saint-Reihe sind nicht erforderlich.
Schreibstil / Gestaltung
Das schlichte Cover mit verschiedenen Rosatönen und Lilatönen ist stimmungsvoll und elegant. Es gibt wenig über den Inhalt preis, passt aber zu dem Untertitel „Die Prinzessin“, da es durchaus feminin wirkt. Das Buch startet mit einem etwas längeren Prolog, im Anschluss verläuft die Story nach einem vierjährigen Zeitsprung in die Gegenwart linear. Das Buch schließt mit einem mehrseitigen Epilog. Die Geschichte wird wechselseitig durch Daria und Penn in der Ich-Perspektive erzählt, jeweils ein Kapitel wird von Darias Eltern Melody und Jaime erzählt. Die Kapitel sind entsprechend beschriftet. Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt flüssig und modern, er ist ruppig und lebhaft. Das Buch enthält explizite Sprache und intime Szenen. Es ist kein Jugendbuch.
Mein Fazit
Die Hot Holes gehen in eine neue Runde. Naja, fast. Bühne frei – hier kommen die Kinder! Als ich las, dass die Autorin nun mit den Kindern als nächste Generation fortführen möchte, war ich etwas zwiegespalten. Wird hier nur versucht, mit einem bereits etablierten Namen Geld zu machen? Oder ist es wirklich eine grandiose Idee, den Nachwuchs dieser vollkommen verkorksten jungen Männer auf die Menschheit loszulassen? Oh ja, es war eine gottverdammt geniale Idee. Und ich brauche und will so viel mehr…
Daria hat alles. Beliebt, reich, gefürchtet. Aber es ist die Liebe ihrer Mutter, die sie nur zu bekommen scheint. Dafür hat ihre Mutter nur Augen für Via, die talentierte Ballerina, die alles darstellt, was ihre Mutter jemals erreichen wollte. Eifersucht, Wut, Enttäuschung – schlechte Berater, die Daria dazu bringen, Vias Zukunft zu zerstören. Ausgerechnet Penn, Vias Zwillingsbruder, hilft Daria dabei, ohne zu wissen, dass er für dieses wunderschöne Mädchen gerade seine Schwester verrät. Als Jahre später das Schicksal über Penn hineinbricht, quartiert Darias Mutter Melody ihn kurzerhand bei ihnen zuhause ein. Zu sehr macht sie sich Vorwürfe darüber, dass Via weiterhin verschwunden ist. Jetzt steht Daria täglich dem Jungen gegenüber, der ihr dunkles Geheimnis kennt und nach Rache sinnt. Doch was passiert, wenn zwischen all dem Hass Gefühle aufkeimen und Penn Stück für Stück hinter die sorgsamen errichtete Fassade der Eisprinzessin guckt? Hätte eine Liebe zwischen der verwöhnten Prinzessin und dem armen Bettelknaben eine Chance in dieser Welt aus teuren Autos und Partys? Als die Vergangenheit die Gegenwart einholt, sieht alles danach aus, als würde die Prinzessin ein für alle Male stürzen. Wird Penn sie auffangen – oder wird er ihr den finalen Todesstoß versetzen?
LJ Shen ist meine Göttin der kaputten Charaktere. In einer Welt aus Zuckerwatte, niedlichen Liebesbekundungen und Herzschmerz ist sie eine Erfrischung im Romance-Bereich. Ich mag es, dass in ihren Büchern die Charaktere ruppig und leicht vulgär sind, dass sie ganz viel Schatten und irgendwo gut versteckt wenig Licht haben. Ihre Charaktere sind wahnsinnig komplex, undurchschaubar und definitiv keine klassischen Good Girls und Bad Guys. Die Grenzen verfließen bei ihr stetig und testen Empathie und Akzeptanz des Lesers. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man zu ihren Büchern greift. Genauso wie klar sein muss, dass All Saints High keine niedliche Highschool Geschichte von Kindern ist, die ein bisschen Geld haben. Nein, hier wartet ein verkorkster Haufen unfassbar reicher Kids, die keine klaren Grenzen aufgezeigt bekommen haben und dank ihrer Genetik und Erziehung bereits komplizierte Charakterzüge mitbringen. Hier wartet kein Jugendbuch, wenngleich All Saints High 1 im Vergleich zur Sinners of Saint Reihe deutlich weniger vulgär und explizit geraten ist.
Das Buch zieht einen in seinen Bann und lässt einen nicht los. Man wird erbarmungslos mitgerissen, in den Intrigen gefangen wie in einem klebrigen Spinnennetz und verliert sich vollständig im Buch. Es ist ein undurchsichtiges Schachspiel zwischen Penn und Daria, ein unübersichtliches Puzzle aus Darias Taten und Worten, ein fragiles Gebilde aus Hoffnung und Mitleid. Und dann bricht teilweise erbarmungslos und ohne Vorwarnung Wut und Hass hervor, was einen bis ins Mark erschüttert. Manchmal verliert man sich darin, wer gut und böse ist, manchmal tauschen die Charaktere diese Rollen auch. Gefangen in dieser Geschichte um eine Hassliebe, die einst nie eine Chance hatte, bei der man nicht weiß, ob sie je eine Chance haben soll. Verblüfft von einer Horde junger Leute, die keine Grenzen kennen und sich gegenseitig in ihr Verderben stürzen, dass ihre Eltern stolz auf sie wären. Und dennoch hin und wieder mit kurzen Sätzen so unglaublich gefühlvoll, dass es wehtut. Mich hat lange kein Buch mehr so verblüfft und ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal laufend in ein Buch eintauchen wollte, um zahlreichen Charakteren den Hals umzudrehen. Die Energie des Buches ist unbeschreiblich. So viele negative Schwingungen, böse Doppelspiele und verborgene Botschaften, dass man sich fragt, wie die Charaktere sich noch in die Augen gucken können. Und zugleich gibt es hier eine kraftvolle Freundschaftsdynamik, eine beeindruckende Charakterentwicklung der Daria und eine starke Liebesgeschichte, die zeigt, dass Schicksal nicht alles ist, was einen definiert.
Daria ist im Fokus der Geschichte. Sie ist ein wahnsinnig komplexer Charakter mit ganz vielen Facetten, die mal das Gute, mal das Böse in ihr hervorbringen. Sie ist ein Mensch, der sich einerseits sehr um Freunde sorgt, gleichzeitig aber auch sehr egoistisch ist. Sie ist manipulativ, zeitweilen regelrecht böse, eingebildet und erfüllt ein gewisses Bild, was man an sie hat. Doch verborgen liegt viel Unsicherheit, Angst, Zweifel und Sehnsucht. Anfangs habe ich sie gehasst, aber je besser man sie kennt, desto mehr versteht man sie und fühlt ihren Schmerz. Es geht fast so weit, dass es verständlich macht, wieso sie teilweise handelt, wie sie es tut. Penn hingegen verabscheut die Welt, die Daria darstellt. Privilegiert und rücksichtslos. Er ist arm, ist mit einem Stipendium an seiner Schule und als erfolgreicher Footballer darauf angewiesen, für seine Zukunft auch eins zu kriegen. Er stößt alles und jeden von sich, er ist ein Mensch, der seine Probleme mit sich selbst ausmacht, weil er nie lernen durfte, wie es ist, sich auf jemanden verlassen zu dürfen. Insbesondere seit dem Verschwinden seiner Schwester hegt er Wut auf die Welt. Aber eigentlich hat Penn ein sehr gutes Herz und kann spielend leicht Darias Abwehr durchbrechen und ihr wahres Ich sehen. Doch zugleich spricht ein kleines Teufelchen immer wieder zu ihm, dass Daria eine Welt darstellt, die er verabscheut. So entsteht eine Hassliebe, die wie ein Pulverfass nur darauf wartet, hochzugehen und alles zu vernichten. Als Nebencharaktere treten die verkorksten anderen Kinder der Hot Holes auf, die teilweise in den Folgebänden Protagonisten sind. Zudem spielt Penns Schwester Via eine Rolle, eine Handvoll Footballspieler und Darias Schwester. Alle Charaktere sind gut ausgearbeitet und unterstützen die Handlung, ohne zu sehr im Fokus zu stehen. An den richtigen Stellen werden Fragen aufgeworfen, sodass man unbedingt die Folgebände lesen möchte.
Storytechnisch hat mich das Buch an vielen Stellen doch sehr überrascht. Die Autorin ist sowieso schon sehr bekannt dafür, mit Twists und Turns zu arbeiten. Das ist ihr auch hier wieder beeindruckend gelungen. Sicher, es gibt auch die ein oder andere vorhersehbare Situation, aber über weitere Strecken gab es einfach viele Überraschungen, die auch emotional ihre Spuren hinterlassen haben. So ändert man als Leser häufig seine Meinung zwischen Hass und Liebe, Hoffnung und Enttäuschung, Wut und Mitleid. Man will den Charakteren zuschreien, dass sie dies und jenes nicht tun sollen, man möchte vor allem Daria regelmäßig schütteln, aber zeitgleich weiß man, dass die Prinzessin fallen und zerbrechen muss, auch wenn es dem Leser wehtut. Das ganze Buch war ein nervlicher Höllenritt, der aber zugleich auch viel Empathie abverlangt und so manche Toleranzgrenze auf die Probe stellt. Das stärkste Element, was die Autorin aber einfach im Schlaf beherrscht: Ihre Charaktere dürfen fehlerhaft sein, sie dürfen verdammt viele Ecken und Kanten haben, sie dürfen andere rücksichtslos verletzen. Nicht umsonst heißt das Buch im Originaltitel auch „ganz schön rücksichtslos“ – als doppelte Anspielung auf die Schönheit Daria, die aber eben auch extrem rücksichtslos ist. Aber diese Rücksichtslosigkeit ist das, was Daria zur Entwicklung zwingt und in eine Position drängt, aus der sie nicht selbst rauskommt, bei der sie aber regelrecht selbst Schuld hat, dort gelandet zu sein. Auf jeden Fall ist All Saints High mehr als nur ein Buch, in dem es um eine verkorkste, hassgeprägte Liebesgeschichte zweier Teenager geht. Passend verpackte Sozialkritik, zahlreiche Intrigen, kaputte Kids mit zu viel Geld, fehlende Grenzen und schmerzhafte Erfahrungen – hier ist alles dabei und für alles gesorgt. Das Buch greift aber auch durchaus gewichtige – und möglicherweise – triggernde Themen auf, die teilweise Grausamkeiten offenbaren, die unter der Oberfläche brodeln.
Was mich aber mal wieder (und wie eigentlich bei jedem Buch der Autorin) stark gestört hat, war einfach das Ende und vor allem der Epilog. Es passt nicht, es ist überzogen, es ist willkürlich. Bereits bei Midnight Blue meinte ich „Ich muss es akzeptieren, aber ich muss es nicht mögen“ und so ist es auch hier. Für die Zukunft verzichte ich vielleicht auch darauf, den Epilog zu lesen, da er bisher eigentlich jedes einzelne Mal unstimmig auf mich gewirkt hat. Vielleicht ist das aber auch eine amerikanische Eigenart, die sich mir nur nicht erschließt.
All Saints High thematisiert ja die Kinder der aus den Sinners of Saint bekannten Protagonisten. Bei Bücher ist sowas natürlich immer etwas schwer, weil man sich unweigerlich fragen muss, ob man Vorkenntnisse braucht. Die Antwort lautet: Ganz klares Nein! Man kann das Buch auch sehr genießen, wenn man die Eltern noch nicht kennt. Vielleicht wird sogar die Lust geweckt, die Geschichte der Eltern dann kennenzulernen. Es ist wie ein netter Bonus für Leute, die bereits die Sinners of Saint gelesen haben, nun die Eltern wiederzutreffen und zu sehen, wie sie als Eltern bestehen – oder halt versagen. Auch hilft es sicher an einigen Stellen, die Kinder besser zu verstehen, wenn man weiß, wie die Eltern ticken. Man hat aber keine Nachteile davon, es nicht zu tun. Das ist der Autorin gut gelungen.
All Saints High 1 ist ein extrem starker Auftakt in eine neue Reihe, die wie eine böse und noch intrigantere Version von Gossip Girl daherkommt. Man hasst die Charaktere, man liebt die Charaktere, man verflucht sie, man bemitleidet sie. Penn und Daria ziehen einen unweigerlich in ihren Bann, ihre Hassliebe ist so komplex und so mitreißend, dass ich das Buch kaum aus den Händen legen wollte. Mit starken Nebengeschichten, vielen Ups und richtigen tiefen Downs wird man in eine Welt von armen, reichen Kindern aus verdammt reichen Häusern entführt, die hinter der perfekten Fassade dunkelste Geheimnisse haben. Macht süchtig, zerreißt das Herz und treibt den Leser in den Wahnsinn. Ich will mehr!
[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, was mir freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Meine Meinung wurde hierdurch nicht beeinflusst.]