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Veröffentlicht am 15.09.2016

Zweiter Teil der Tuchvilla-Saga

Die Töchter der Tuchvilla
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Augsburg, im Ersten Weltkrieg. Die Männer sind größtenteils an der Front, die Frauen müssen daheim dafür sorgen, dass der Haushalt weiterläuft. In der Tuchvilla der Melzers funktioniert dies trotz diversen ...

Augsburg, im Ersten Weltkrieg. Die Männer sind größtenteils an der Front, die Frauen müssen daheim dafür sorgen, dass der Haushalt weiterläuft. In der Tuchvilla der Melzers funktioniert dies trotz diversen Einschränkungen recht gut, da Herrschaft und Dienstboten sich kennen und schätzen und größtenteils alle ein eingespieltes Team sind.

Nicht so gut steht es um die Melzersche Tuchfabrik. Vater Melzer ist Neuerungen gegenüber nicht besonders aufgeschlossen und wehrt sich lange gegen jede Veränderung. Doch Schwiegertochter Marie bringt ihn mit sanfter Beharrlichkeit dazu, sich den neuen Notwendigkeiten zumindest teilweise zu beugen.

Nachdem der erste Band mit der Dreifach-Verlobung aller drei Melzer-Kinder endete, erleben wir nun den weiteren Verlauf der Familie sowie des ganzen Haushalts. Paul ist an der Front, Marie aber inzwischen völlig in die Familie integriert. Auch die Ehemänner von Elisabeth und Kitty sind im Krieg, der eine wird mehr, der andere weniger vermisst.

Nicht nur die Herrschaft, auch die Diener können sich nicht vor der Wehrpflicht drücken und zu Beginn des Krieges will dies in der allgemeinen Begeisterung ja auch kaum einer. Aber schnell holt die Realität sie alle ein. Insbesondere der feingeistige Humbert leidet unendlich an der Front, hat Panikattacken und bringt sich selbst in immer noch schlimmere Situationen.

Die Autorin schildert die Kriegsjahre aus vielen unterschiedlichen Perspektiven, spart dabei das Grauen an der Front nicht aus, der Fokus liegt aber auf dem Leben der Daheimgebliebenen. Besonders interessant finde ich hierbei, wie im ersten Teil, dass die Geschichte einmal nicht in Berlin, München oder Hamburg, sondern eben im eher beschaulichen Augsburg spielt. Aber auch hier passieren gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Umwälzungen wie überall im Land zu jener Zeit.

Gut gelungen finde ich das Verhältnis in der Handlung zwischen dem Leben der Herrschaften und dem der Dienerschaft. In beiden Schichten geschieht viel, es wird geliebt und gehasst, verzweifelt und gehofft, es gibt aufrichtige und liebenswerte Charaktere genauso wie unsympathische Fieslinge und Intriganten, alles in und um den Mikrokosmos der Tuchvilla herum!

Anne Jacobs ist ein geschlossenes Pseudonym, das heißt, wir Leser wissen leider nicht, welche Autorin dahintersteckt. Ich persönlich finde das schade, denn gerne würde ich mehr aus ihrer Feder lesen!

Zum Glück hat die Autorin im Rahmen einer Leserunde angekündigt, dass es einen dritten Band der Tuchvilla-Saga geben wird. Das ist auch gut so, denn am Ende dieses Buches bleiben doch einige Fragen offen und einige Handlungsstränge sind noch nicht zu Ende geführt. Daher freue ich mich sehr auf die Fortsetzung!

Auch wenn man den zweiten Teil sicher auch ohne Vorkenntnisse lesen und genießen kann, empfehle ich doch vorher die Lektüre des ersten Bandes, um ein umfassenderes Bild der Figuren von Anfang an zu haben!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Träume wagen – Träume teilen!

Kräuter der Provinz
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Maierhofen ist ein Dorf im schwäbischen Allgäu. Es liegt in einer wunderschönen Landschaft, aber eben nicht direkt in der Nähe der Berge und so taucht es nicht in den Tourismusprospekten auf. Seit Jahren ...

Maierhofen ist ein Dorf im schwäbischen Allgäu. Es liegt in einer wunderschönen Landschaft, aber eben nicht direkt in der Nähe der Berge und so taucht es nicht in den Tourismusprospekten auf. Seit Jahren ziehen die jungen Leute lieber in die Stadt, um dort zu leben und zu arbeiten, und Maierhofen wird immer kleiner und verliert immer weiter an Attraktivität. Bürgermeisterin Therese beobachtet diesen Teufelskreis schon seit längerem mit Sorge. Und nun hat sie auch noch eine schlimme ärztliche Diagnose bekommen und muss ins Krankenhaus. Wer soll sich um ihr geliebtes Maierhofen kümmern, wenn sie nicht da ist und falls sie nicht wiederkommt? Durch Zufall erinnert sie sich an ihre Cousine Greta, die in ihrer Kindheit einige Sommer in Maierhofen verbracht hat und die inzwischen eine erfolgreiche Frankfurter Werbefachfrau ist. Unter einem Vorwand lockt sie Greta nach Maierhofen, damit diese sich eine Image-Kampagne ausdenkt.

Greta kommt dieses Angebot aber auch gerade recht. Sie ist ausgelaugt und sieht immer weniger Sinn darin, absurde Produkte mit noch absurderen Werbestrategien zu vermarkten. Obwohl sie es sich zuerst kaum vorstellen kann, hat das Landleben eine wohltuende Wirkung auf sie. Sie genießt die frische Luft, das leckere Essen, die ruhigere Gangart. Und schließlich kommt ihr eine Idee, wie Maierhofen zu retten sein könnte.

Auch die Nebenfiguren spielen eine wichtige Rolle, nach und nach lernt man die Dorfbewohner besser kennen und einige davon schließt man besonders ins Herz! Man fiebert mit ihnen und drückt ihnen die Daumen, dass sie ihre Träume erkennen und wahrmachen!

"Kräuter der Provinz" ist der erste zeitgenössische Roman der Bestseller-Autorin Petra Durst-Benning, die bisher im historischen Genre zuhause war. Wer ihre Romane kennt, wird die zentralen Motive aber auch hier schnell wiederfinden: es geht um starke Frauen, die aus ihren üblichen Rollen ausbrechen und etwas wagen. Es geht um Freundschaft und Zusammenhalt, egal welche Probleme dabei im Wege stehen. Es geht um den Mut zur Veränderung, etwas zu tun anstatt nur darauf zu warten, dass es passiert.

Mir persönlich ist die Geschichte fast zu positiv, auch wenn es natürlich Schwierigkeiten und Rückschläge gibt. Dennoch ist es eine schöne Unterhaltung, die auf jeden Fall Spaß macht und viel Freude beim Lesen bringt!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hohe Erwartungen - große Enttäuschung

Layers
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Dorian lebt als Obdachloser auf der Straße, seit er bei seinem Vater abgehauen ist. Der 17jährige ist nicht dumm und schlägt sich recht gut durch. Dennoch ist das Leben auf der Straße nicht immer einfach, ...

Dorian lebt als Obdachloser auf der Straße, seit er bei seinem Vater abgehauen ist. Der 17jährige ist nicht dumm und schlägt sich recht gut durch. Dennoch ist das Leben auf der Straße nicht immer einfach, vor allem wenn die Nächte kälter werden und die passenden Übernachtungsmöglichkeiten eher rar gesät sind. Da muss man sich auch mal um einen Platz streiten. Doch Dorians Entsetzen ist groß, als er eines morgens aufwacht und neben ihm die Leiche des jungen Mannes liegt, mit dem er erst am Vorabend Ärger hatte – und neben ihm Dorians Messer! Dorian kann sich an nichts erinnern, doch alles sieht so aus, als hätte er den anderen umgebracht. Dorian gerät in Panik, doch just in diesem Moment taucht ein junger Mann auf, der ihm Hilfe und Obdach verspricht. Er bringt ihn zu einer Villa, in der ein anscheinend ziemlich reicher Mann Jugendlichen Unterschlupf, Essen und Ausbildung bietet – und das praktisch ohne Gegenleistung, nur ein paar Flyer müssen sie dafür in der Stadt verteilen. Zuerst ist Dorian misstrauisch, hält dieses Angebot für zu schön, um wahr zu sein, doch nach und nach bröckelt sein Widerstand, was unter anderem auch an Stella liegt, in die er sich auf den ersten Blick verliebt. Doch dann geschehen Dinge, die sein Misstrauen wieder wecken und auf einmal findet er sich in einer Reihe von Ereignissen wieder, die er sich niemals hätte vorstellen können.

Ich habe schon einiges von Ursula Poznanski gelesen. Ihre Eleria-Trilogie mochte ich gerne, ihre Erwachsenen-Krimis konnten mich nicht ganz überzeugen, mein bisheriger Favorit aus ihrer Feder war das Jugendbuch "Erebos". Dementsprechend gespannt war ich auf diesen neuen Jugendthriller. Leider erfüllte „Layers“ meine Erwartungen überhaupt nicht. Abgesehen vom cool gemachten Äußeren war das Buch für mich leider eine Enttäuschung. Ich musste mich wirklich durchkämpfen, um das Buch überhaupt zu beenden. Dorian war mir nicht sonderlich sympathisch, das ist für mich allerdings kein Bewertungsgrund, meine Kritik bezieht sich mehr auf die Handlung. Die Geschichte beginnt noch recht spannend, flacht dann aber ab und wird immer zäher. Eine interessante Idee wird eingebracht, aus der man gerade in Zeiten von Cybertechnik, künstlicher Intelligenz und Überwachungsstaat so viel hätte machen können, aber das Potential wird nicht genutzt. Dass nicht alles bis ins letzte Detail logisch erklärbar ist, ist für mich in einem Jugendbuch mit SF-Elementen durchaus ok, aber Dorian rennt nur noch planlos durch die Stadt, vertraut mal diesem, mal jenem, macht Erfahrungen, lernt aber anscheinend kaum daraus, die Szenen wiederholen sich immer wieder und es wird immer langweiliger statt spannender. Die Nebenfiguren bleiben blass und austauschbar, die Liebesgeschichte ließ mich völlig kalt. Der als großer Showdown gedachte Schluss entlockte mir dann auch nur noch ein gelangweiltes Gähnen, denn dass alles ganz anders sein muss, als es auf den ersten Blick wirkt, war mir da schon lange klar – beziehungsweise hatte ich es gehofft, denn sonst hätte ich das Buch noch schlechter gefunden!

Veröffentlicht am 15.09.2016

RAF Terrorismus und seine Aufarbeitung

Schlaf der Vernunft
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Nach 20 Jahren Gefängnis wird die ehemalige RAF Terroristin Martina Müller begnadigt und entlassen. Diese Nachricht trifft viele Personen wie ein Schlag ins Gesicht, insbesondere natürlich die Hinterbliebenen ...

Nach 20 Jahren Gefängnis wird die ehemalige RAF Terroristin Martina Müller begnadigt und entlassen. Diese Nachricht trifft viele Personen wie ein Schlag ins Gesicht, insbesondere natürlich die Hinterbliebenen des Anschlags, an dem Martina beteiligt gewesen ist. Damals wurde ein Staatssekretär ermordet, seine Leibwächter und sein Fahrer kamen ebenfalls ums Leben. Nur Steffen Seidel, einer der Personenschützer, hat mit schweren Verletzungen überlebt und leidet bis heute an den körperlichen und psychischen Folgen des Attentats. Er hat sich mit seinem Lebensgefährten ein ruhiges Leben aufgebaut und hat Angst davor, dass nun alles wieder aufgewühlt wird, vor allem, weil er sich selbst nicht mehr genau an die Geschehnisse von damals erinnern kann. Dann sind da noch Michael Werder, der Sohn des ermordeten Staatssekretärs, der selbst in die Politik gegangen ist sowie Alex Gschwindner, der Sohn des Chauffeurs, der heute Journalist ist. Aber auch Martina Müller hat eine Tochter, die bei den Großeltern aufgewachsen ist und sich nun ihrer Mutter stellen muss. Angelika ist glücklich verheiratet, selbst Mutter von zwei kleinen Söhnen und hat nie verstanden, was Martina damals dazu getrieben hat, der RAF beizutreten und gegen den Staat zu kämpfen.

Durch die verschiedenen Figuren hindurch zeigt Autorin Tanja Kinkel die Geschichte der RAF und der Bundesrepublik Ende der 60er und in den 70er Jahren aus verschiedenen Perspektiven. Sie schildert den Weg einer ganz normalen jungen Frau aus bürgerlichem Elternhaus in die Radikalität. Sie zeigt den aus heutiger Perspektive kaum mehr nachvollziehbaren Wahnsinn der damaligen Zeit, genauso wie die schwierige Aufarbeitung gute 20 Jahre später.

Aufgrund der vielen Figuren und des Stoffes, der zumindest mir nicht so wirklich bekannt ist, war das Buch keine ganz einfache Lektüre. In meiner Schulzeit endete der Geschichtsunterricht mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, deutsche Geschichte danach war kein Thema mehr. Dabei lesen sich die Geschehnisse, die ja nicht erfunden sind, wie ein Krimi. Der Autorin gelingt es meiner Meinung nach hervorragend, diese Zeit und vor allem den Zeitgeist damals darzustellen. Ich habe bei der Lektüre einiges gelernt und wurde angeregt, vieles nachzulesen, um wenigstens ein paar Wissenslücken zu schließen. Im Buch wird aber auch deutlich, wie komplex und vielschichtig die damalige Situation war.

Gerade deswegen wieder finde ich es auch immer wieder faszinierend, wie Tanja Kinkel mit jedem Buch einen ganz neuen Stoff angeht. Ob es nun um eine Mongolenkaiserin geht oder um den deutschen Herbst, man spürt die genaue Recherche und das Einfühlen in die jeweiligen Personen und Gegebenheiten und hat beim Lesen das Gefühl: so könnte es gewesen sein. Ich bin jetzt schon sehr gespannt, welcher Zeit und Region sie sich als nächstes literarisch widmen wird!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zu viel Drama und Schicksalsschläge

Die dunklen Mauern von Willard State
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Die 17jährige Isabelle, genannt Izzy, hat schon viel durchgemacht im Leben. Vor 10 Jahren hat ihre Mutter ihren Vater im Schlaf erschossen und sitzt seitdem im Gefängnis. Izzy hat ihren Vater geliebt und ...

Die 17jährige Isabelle, genannt Izzy, hat schon viel durchgemacht im Leben. Vor 10 Jahren hat ihre Mutter ihren Vater im Schlaf erschossen und sitzt seitdem im Gefängnis. Izzy hat ihren Vater geliebt und verweigert den Kontakt zur Mutter, da sie sich deren Tat nur damit erklären kann, dass die Mutter wahnsinnig geworden sein muss. Nach dem Tod ihrer Großeltern kam Izzy von einer Pflegefamilie in die nächste. Nun ist es nur noch ein Jahr bis zu ihrer Volljährigkeit und sie ist fest entschlossen, dieses letzte Schuljahr unauffällig hinter sich zu bringen. Aber ihre neue Pflegemutter Peg ist Kuratorin eines Museums und fest entschlossen, ausgerechnet die Gebäude der alten Psychiatrie Willard State vor deren Abriss noch einmal genauer anzuschauen, wobei Izzy sie begleiten soll. In einem verlassenen Schuppen finden sie die Koffer von hunderten von Insassen, eine einmalige Gelegenheit, das Leben einiger früherer Patienten zu rekonstruieren. Insbesondere der Schrankkoffer einer jungen Frau namens Clara entpuppt sich als wahre Fundgrube und Claras Schicksal zieht Izzy mehr und mehr in seinen Bann.

Dies ist die Rahmenhandlung, die 1995 spielt. Das Willard State Projekt und die Koffer gibt es übrigens wirklich.
Parallel hierzu erzählt die Autorin die Geschichte der damals 18jährigen Clara im Jahr 1929. Clara verliebt sich unstandesgemäß in einen italienischen Einwanderer und als sie ihrem Vater den Gehorsam verweigert, wird sie in die Psychiatrie eingewiesen. Zu Beginn geht sie noch davon aus, dass er ihr nur eine Lektion erteilen will und ihr Aufenthalt nach wenigen Tagen wieder beendet sein wird, doch sie irrt sich und hat keinerlei Vorstellung, was für ein Martyrium auf sie zukommt.

Abwechselnd auf beiden Zeitebenen erzählt die Autorin die Geschichte. Claras Abschnitte sind schockierend und aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Doch damals herrschte natürlich eine völlig andere Meinung über Geisteskrankheiten, deren Definition und den Umgang mit den Kranken. Allerdings bleibt die Autorin doch sehr in Stereotypen verhaftet, die Bösen sind böse, die Guten gut, Zwischentöne gibt es nur bei einigen ganz wenigen Figuren. Dennoch fand ich Claras Schicksal sehr fesselnd, auch wenn ich nicht alles wirklich realistisch fand – die Behandlungsmethoden und der Umgang mit Patienten wurde wohl schon recherchiert und richtig beschrieben, die Autorin kratzt hier aber nur vorsichtig an der Oberfläche und schildert keine Details. Ich kann mir außerdem einfach nicht vorstellen, dass so ein Klinikleiter auch in Bezug auf andere Personen tun und lassen konnte, was er will.

Etwas zu sehr übertrieben waren mir aber vor allem die schweren Schickale in der Rahmenhandlung. Hier wäre weniger für mich mehr gewesen. Die Geschichte mit Izzys Eltern ist schlimm genug, da müsste nicht auch noch Mobbing in der Schule mit der Hintergrundgeschichte ihrer fiesen Klassenkameradin Shannon dazukommen. Ebenso fand ich am Ende die Entwicklung mit Izzys Mutter einfach zu viel, vor allem was das Timing angeht, inhaltlich hatte ich mir da schon gedacht, was damals wohl passiert ist.

Auch einige andere als Überraschung gedachte Enthüllungen am Ende waren mir zu viel Zufall und Kitsch und zu wenig Überraschung, das konnte man sich größtenteils schon längst denken und es war dann einfach zu passend, auch wenn ich grundsätzlich durchaus für schöne, versöhnliche Enden zu begeistern bin.