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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.05.2018

Wenn am Ende nicht alles gut ist

The Stranger - Wer bist du wirklich?
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Als Ellie Rathmell auf dem Fahrrad von ihrem Cafe „The Old Dairy“ auf dem Heimweg ist, fährt ihr Mann William wie gejagt an ihr vorbei – er stirbt unweit von ihr im Auto. Doch neben allem Schock, aller ...

Als Ellie Rathmell auf dem Fahrrad von ihrem Cafe „The Old Dairy“ auf dem Heimweg ist, fährt ihr Mann William wie gejagt an ihr vorbei – er stirbt unweit von ihr im Auto. Doch neben allem Schock, aller Erstarrung wirft die Folgezeit viele Fragen auf. Warum verhielt sich Will früher am Tag ausweichend ihr gegenüber? Wozu hatte er so viel Geld vom Konto abgehoben? Was bedeutet die Tasche mit Kleidung? Nachdem Ellie einem Fremden, einem Rumänen, Obdach gewährt in ihrer Garage und ihn mit Gartenarbeiten beauftragt, erlebt sie offene Feindschaft im nahen Dorf. Und bald muss sie sich nicht nur die Frage stellen, was hier los ist, sondern auch, wem sie trauen kann.
„Wie ich höre, beherbergst du einen Wanderarbeiter in deiner Garage.“
„Wie bitte?“
„Wir mögen hier keine Ausländer.“

Erwartungshaltung: vielen „typischen“ Thrillerlesern wird dieses Buch viel zu langsam voranschreiten und vermutlich nicht „krass“ genug sein. Es ist also wichtig, dass es eher eine „drohende Atmosphäre“ ist, die für den gemächlich erscheinenden Einstieg der Handlung vorherrscht. Hier wird nicht erst eine Gewalttat verübt und dann ermittelt, vielmehr merkt der Leser mit Ellie zusammen erst langsam, was für Machenschaften hier längst stattgefunden haben.

Wichtig: NICHT mehr zum Inhalt lesen. Ich hatte das Buch dank einer entsprechenden Aktion schon vor dem offiziellen Erscheinen und konnte somit völlig unbelastet in die sehr vielen „red herrings“ tappen, die die britische Autorin Sasika Sarginson ausgelegt hatte. Wer ist die junge Frau zu Beginn, die ihr Baby weggeben muss? Wer ist das Baby? Hatte Nachbarin Henrietta ein Verhältnis? Was verbindet Luca und Anca? Das ist definitiv so gestaltet, dass ich immer wieder zweifelte, ganz ähnlich wie Ellie.

Im Rückblick, ich hatte das Buch eher spätabends beendet, wird ein Verbrechen nie gesühnt werden: das Verhalten der anderen. Wer mich so zum Nachdenken bringt, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, verdient 5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.05.2018

Unter Tieren

In den Fängen des Löwen
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Bei den Vorbereitungen zu einem Bauprojekt wird von einer Drohne zufällig eine Kinderleiche gefunden, auf grausame Weise ist der kleine Junge aus einem Asylbewerberheim zu Tode gekommen. Die Polizeieinheit ...

Bei den Vorbereitungen zu einem Bauprojekt wird von einer Drohne zufällig eine Kinderleiche gefunden, auf grausame Weise ist der kleine Junge aus einem Asylbewerberheim zu Tode gekommen. Die Polizeieinheit rund um Zack Herry und seine Kollegin Deniz Akin nimmt die Ermittlungen auf; bald führt die Aufmerksamkeit eines anderen Bewohners des gleichen Heims sie auf eine heiße Spur. Doch sind die Verdächtigen auch die Mörder des Jungen?
Warnung: nichts für Empfindsame. Es gibt hier wenig, was nicht Bestandteil des Thrillers ist; Opfer sind Kinder (ja, Plural).

Der Roman liest sich wie ein modernes Action-Movie. Beginn, Schnitt, Szenenwechsel, nächster Schnitt, wieder Wechsel. Die Kapitel haben zumeist nur wenige Seiten, dann kommt eine andere Szene, meist in völlig anderem Kontext. Gerade der Beginn nimmt einiges vorweg, was sich an dieser Stelle aus dem Kontext nicht im Ansatz erklärt – der Schreibstil an sich gefiel mir, aber diese Sprünge empfand ich mehr als hektisch denn als rasant, ich brauchte etwas mit dem Buch. Spannend ist die Geschichte, ja, actionreich – aber doch reichlich heftig. Es gibt ja dieses Klischee mit dem „beschädigten Ermittler in einem Buch“. Diesem Buch fehlt dieser – stattdessen sind anscheinen ALLE beschädigt. Der trockene Alkoholiker, der Kokser, der blinde Kommissar, die aus Kurdistan vor Zwangsverheiratung geflohene Kollegin trifft sich mit einer Frau – und natürlich der wohl richtig kaputte Kollege, der glücklich verheiratete dreifache Familienvater, der pünktlich nach Hause geht. Nun ja – etwas viel.

Dazu ist die Handlung selbst düster, Schnee, Januar, der beste Freund des einen Protagonisten ist Drogendealer, die andere Protagonistin kann ihre Gefühle nicht ausdrücken, im Verhörraum wird ein Verdächtiger geprügelt und der Chef der Abteilung löscht die Aufnahmen. Während auf einer Seite Meth genommen wird und dazu Fast Food inhaliert, lesen sich andere Stellen wie eine Designzeitschrift zu Schweden, Arne Jacobsen und so weiter.

Der Band ist der zweite in einer Reihe, der erste hieß „Die Fährte des Wolfes“, im Original „Zack“ nach dem einen der Protagonisten. Dieser zweite heißt im Original Leon (das hat etwas mit der Handlung zu tun und erklärt sich recht früh) – unübersetzt sind noch „Bambi“ (vielleicht „Die Spur des scheuen Rehs“?) und „Heroine“. Ich konnte ohne Vorkenntnisse folgen, es gab aber einige düster-orakelnde Bemerkungen zu früheren Vorfällen. Schön wäre es gewesen, wenn nicht nur aus dem Klappentext hervorgegangen wäre, dass es sich um eine Eliteeinheit handelt – im Buch kam das einmal und sehr spät. Als Kunstgriff scheint es einen „Rahmenfall“ zu geben, der Zacks Hintergrund betrifft und der parallel durch die Bände relevant ist. Clever, so kann man die eigentliche Handlung abschließen und trotzdem einen Cliffhanger positionieren, der aber die Leser nicht völlig vergrätzt. Wie soll ich das ausdrücken? Ich war gerade so in der Stimmung für so ein Buch, der Tag war nicht so toll. Ganz ernst nehmen mag ich das trotzdem nicht – gab es jemanden bei den „Bösen“, der nicht an- oder erschossen wurde???

Nicht gaaaanz schlimm, aber auch nicht wirklich gut. 3 Sterne.

Veröffentlicht am 15.05.2018

Gefiel mir gut!

Mord in der Provence (Hannah Richter 1)
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Hannah Richter, Kripo Köln, nutzt nach einer unschönen Trennung die Chance zur Teilnahme an einem europäischen Austauschprogramm und darf in die Provence. In Vaison-la-Romaine ist ihr Chef, Capitaine Claude-Jean ...

Hannah Richter, Kripo Köln, nutzt nach einer unschönen Trennung die Chance zur Teilnahme an einem europäischen Austauschprogramm und darf in die Provence. In Vaison-la-Romaine ist ihr Chef, Capitaine Claude-Jean Bernard, wenig begeistert von der Deutschen in der legeren Kleidung und ohne jegliche militärische Vorausbildung, wie bei der Gendamerie üblich. Dazu kommt Hannah noch mit der Annahme, bei dem seltsamen Todesfall im Theater in Orange handele es sich nicht etwa um einen Selbstmord. Zum Glück findet Hannah vor Ort Verbündete in der quirligen Penelope und dem attraktiven Serge – und der kennt sogar einen früheren Polizeichef, der Hannah bald unterstützend zu Seite steht.

Achtung: Teils etwas heftig was die Darstellung von sexueller Gewalt angeht und die Gewalt gegen Tiere.

Mir gefiel dieser Krimi sehr mit einem guten Mix aus Ermittlungsarbeit, Zeugenbefragungen, Knobelei und sogar einem guten Schuss Action. Endlich einmal ein Provence-Krimi, bei dem nicht Teile der Gendarmerie als Trottel dargestellt werden (nein, ein Chef mit Vorbehalten gegen Frauen ist nicht per se ein Trottel als Polizist, außerdem…., nun, lesen). Das Buch macht definitiv Lust auf mehr, vor allem das Essen klang göttlich; im Gegensatz zu vielen anderen Provence-Krimis dieses Mal eher Hausmannskost denn Nobelrestaurants, eine angenehme Abwechslung. Die Charaktere machten mir viel Spaß, nur den Part mit den Visionen hätte es für mich nicht gebraucht. Auch mit der Manie von Hannah mit den Spitznamen hatte ich es nicht so, beides war aber nicht wirklich schlimm.

Besonders gefiel mir, wie bestimmte fast philosophische Gedanken in den Text eingestreut waren, hier von Serge: „Obwohl er überzeugt war, dass der Mensch grundsätzlich bis ins hohe Alter in der Lage war, an sich zu arbeiten, glaubte er an eine Art vorgegebenen Rahmen, innerhalb dessen lediglich Variationen möglich waren.“ Und: es wird keine gebrochene Persönlichkeit bei den Ermittlern zitiert (ja, Hannah zum Beispiel ist getrennt, aber es nicht ihre ganze Familie niedergemetzelt worden). Und ich mag Krimis sehr gerne, die eine Art „Soundtrack“ haben. Eine „Personal-Liste“ wäre nicht schlecht gewesen. Ach ja, und der Part mit Marius, das war schlicht gemein, lieber mehr auf den ollen Luc!

Gerne würde ich Band zwei lesen!

Veröffentlicht am 11.05.2018

Gut! Mal ein ganz anderer Krimi

Mordsg'schicht
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Juliana Kallberger ist fasziniert von Ahnenforschung – und im Moment ist sie „dran“ an der Familie ihres Mannes Georg, immerhin wohnen beide jetzt in dem von seinem Großvater geerbten Bauernhaus im kleinen ...

Juliana Kallberger ist fasziniert von Ahnenforschung – und im Moment ist sie „dran“ an der Familie ihres Mannes Georg, immerhin wohnen beide jetzt in dem von seinem Großvater geerbten Bauernhaus im kleinen Zwirnbach. Sie betreibt einen eigenen Genealogie-Blog und sucht gerade nach einem passenden Thema, als ihr ein Eintrag in einem Kirchenbuch auffällt. Ein Bauer wurde erhängt aufgefunden. Möglicherweise ein Selbstmord? Ihre weiteren Ermittlungen lassen jedoch auch einen Mord als Ursache wahrscheinlich werden. Doch wie ermittelt man in einem Mordfall vom 27.02.1902? Obwohl der Täter nicht mehr am Leben sein kann, scheinen die Ermittlungen von Juliana jemanden reichlich zu stören…

Das ist einmal ein origineller Plot – und ganz unterhaltsam lernt man noch etwas dazu über Ahnenforschung – und sogar Unternehmensberatung. Juliana ist eigentlich Unternehmensberaterin und hat sich vor kurzem mit ihrem Mann selbständig gemacht, vorher lebten beide in Wien mit nur dem Traum vom Bauernhaus. Jetzt ist Julianas großes Hobby eher ein Freizeitvergnügen, aber schrittweise rutschen sie und der Leser in sehr, sehr viele offene Fragen hinein und in immer weitere Erkenntnisse zu Nachkommen und Umfeld des erhängt aufgefundenen Joseph Mayerhofer. Die große Kinderzahl und der große zeitliche Abstand machen ihre Nachforschungen nicht einfacher.

Archive, Online-Datenbanken, Kirchenbücher, alte Unterlagen auf Dachböden – sehr unterhaltsam webt Autorin Julia Wallner ein, wie die Suche nach Vorfahren vonstatten geht, mühselig, aber durchaus unterhaltsam. Der Name ist das Pseudonym einer Autorin, die natürlich selbst Hobby-Genealogin ist. Der Krimi ist spannend – ein klassischer „Whodunnit“ der anderen Art, weil der Täter natürlich nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann, und damit weder blutrünstig noch sonst irgendwie extrem gewalttätig. Gut dargestellt sind auch die Umsetzung als Blog, das „normale Leben“ der Protagonisten im Job (Unternehmensberatung einmal menschlich, nicht Haie im Personalabbau) und auf dem Lande. Ich bekomme Lust auf eigene Ahnensuche – im Anhang sind Links und Tipps – und könnte mir eine Fortsetzung vorstellen. Die möglichen Anknüpfungspunkte bei Recherchen gibt es sicherlich in Vielzahl.

Und für den, der den Überblickt verliert: Im Nachtrag gibt es einen Mayerhofer-Stammbaum!

5 Sterne!

Veröffentlicht am 08.05.2018

Ruhe(stands)störung

Ein Gentleman in Arles – Mörderische Machenschaften
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Der Waliser Peter Smith lebt seit einigen Jahren im Ruhestand in Arles, er schreibt an einem Buchprojekt. Eines Tages wird er beim Verlassen der Stierkampfarena niedergeschlagen und wacht auf unter einem ...

Der Waliser Peter Smith lebt seit einigen Jahren im Ruhestand in Arles, er schreibt an einem Buchprojekt. Eines Tages wird er beim Verlassen der Stierkampfarena niedergeschlagen und wacht auf unter einem toten Mann auf. Als er ins Krankenhaus gebracht wird, erfährt Smith, er sei gestolpert – von einem Arzt, der einen anderen Namen nennt, als auf seinem Kittel steht. Und von einem Polizisten, der auch nicht ganz zur Situation passt, erfährt er, dass der Tote, Robert DuGresson, einem Herzinfarkt erlegen sei. Das würde schon einen harmlosen Ruheständler verwirren. Doch von Smith erfährt man als nächstes, dass seine Vergangenheit wohl nicht so harmlos war. Dann bittet ihn die Witwe um Unterstützung mit den denkwürdigen Worten: »Monsieur Smith. Wie Ihnen aufgefallen sein dürfte, bin ich keine trauernde Witwe. Mein Gatte war ein Schwein, und er ist mir jetzt, da er tot ist, ebenso egal wie zu Lebzeiten.« S. 33

Übernommen von der Piper-Webseite: „Anthony Coles lebt, genau wie seine Hauptfigur, seit einigen Jahren in Arles. Und genau wie Peter Smith ist auch er Kunsthistoriker, der an renommierten Universitäten auf beiden Seiten des Atlantiks unterrichtet hat. Für den Geheimdienst war er allerdings nie tätig, sondern, etwas prosaischer, auf dem internationalen Wirtschaftssektor. Er hat zwei erwachsene Töchter und einen Windhund namens Arthur. »Ein Gentleman in Arles – Mörderische Machenschaften« ist sein erster Roman.“

Anthony Coles lässt seinen Peter Smith zelebrieren, wo beide leben, in den Spaziergängen, den Fahrten, den Landschaftsbeschreibungen und vor allem dem Essen (Warnung: kein Buch, wenn man danach einkaufen gehen will Darüber hinaus ist der Krimi im Wesentlichen in der Tradition eines „Whodunnit“ geschrieben mit Actionszenen, der Vergangenheit von Smith geschuldet. Die Darstellung ist inhaltlich oberhalb vieler Werke des Genres, mit Hintergrundwissen zur Kultur, zu Weinen, zur IT, zu…ja, Coles und Smith haben Wissen, ohne dabei Besserwisser zu sein. Smith ist ernüchtert, ohne Vertrauen in Institutionen, mehr verärgert darüber, zum Besten gehalten zu werden, als gar von Moral getrieben. Im zur Seite stehen Windhund Arthur und Freund Gentry, meine Lieblingscharaktere, und natürlich gibt es auch eine Frau mit einem Geheimnis. Insgesamt ein Lesevergnügen, das nicht nur Lust auf die Provence machte, sondern auf mehr zu den Akteuren – sonst wecken Provence-Krimis bei mir nur die Reiselust und sind, im Gegensatz zu diesem Krimi, eher „nett nebenbei“.

Was nicht passte: Kleinkram. Es heißt, Smith sei 65, an anderer Stelle, er sei Jahrgang 1952 (der passende Wein!). Das hieße, es ist gerade 2017. Und im Buch wird geschrieben von gängigen Windows-NT-Betriebssystemen (S. 90) – 2017??? Übersetzt doch einfach „gängige Betriebssysteme“ oder, ganz wagemutig, Microsoft-Betriebssysteme. Die restlichen IT-Begriffe passen auch eher in die Jetzt-Zeit als in die von NT. Dafür hat man sich für die, ich bitte um Entschuldigung, bescheuerte Anlehnung an den Towles-Roman, „A Gentleman in Moscow“ entschieden. Das hat der Text nicht nötig, es wäre auch das völlig falsche Genre. Und hier google ich wie immer – was war das vorher? Interessant: Im Original scheint es sich um den Titel „A Retirement Disturbed“ von 2013 zu handeln, vielleicht wurden die Jahre angepasst in der deutschen Übersetzung? Immerhin erfahre ich, dass es noch „An Incident at Beauduc“ und „The Albanian Adventure“ in mein Leseregal schaffen werden, egal, was für Titel man denen antun wird.

Zu 5 Sternen aufgerundete 4 1/2 Sterne, weil mich hier vor allem auch der Schluss überzeugte.