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Veröffentlicht am 16.11.2017

Glas ist wie die Liebe

Winterengel
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„Glas ist wie die Liebe“, so hat es die 18jährige Anna von ihrem verstorbenen Vater gesagt bekommen, „…Beides, Liebe und Glas, muss gefühlvoll behandelt werden, wenn es nicht zerbrechen soll.“ S. 5 Es ...

„Glas ist wie die Liebe“, so hat es die 18jährige Anna von ihrem verstorbenen Vater gesagt bekommen, „…Beides, Liebe und Glas, muss gefühlvoll behandelt werden, wenn es nicht zerbrechen soll.“ S. 5 Es ist 1895, Spiegelberg in Schwaben. Anna hat von ihrem Vater noch das Handwerk erlernt, sollte seine Glaswerkstatt erben, doch mit dem Niedergang der Glasindustrie in der Region durch die Konkurrenz aus Holland und den Wechsel des Geschmacks der Fürsten werden kaum noch die Dienste der Spiegelmacher benötigt. Die Familie ist verarmt, Werkstatt und Haus gepfändet, Anna muss sich ein gemietetes Zimmer mit der Mutter und der 12jährigen Schwester Elisabeth teilen. Die kaum Erwachsene hat Arbeit gefunden in der Werkstatt eines Kollegen ihres Vaters, als Zubrot fertigt und verkauft sie kleine Glasfiguren, Winterengel. Durch diese erweckt sie tatsächlich die Aufmerksamkeit von Queen Victoria und erhält einen geheimnisvollen Brief…

Wintergeschichte, historischer Roman, Krimi und Liebesgeschichte, das alles ist der Roman von Corina Bomann. Ich habe Anna schnell ins Herz geschlossen, die junge Frau, die es sich verbietet, noch Träume zu haben, sondern lieber etwas Anständiges zum Essen auf dem Tisch haben will. Dennoch wird ihr genau das hier präsentiert, die Chance, ihr Leben zu wenden, satt zu werden UND ihre Träume zu erfüllen. Das birgt ein großes Risiko: wenn sie geht, die Engel in England zu präsentieren, riskiert sie ihre sichere Anstellung in Deutschland. Doch das eigentliche Risiko erweist sich als noch größer, in Gefahren für ihr Leben, ihre Zukunft und…

Gerne habe ich diesen Roman gelesen, hielt auch den befürchteten Kitschfaktor nach der Leseprobe für gering. Wie sagt die Mutter zu Anna? „Ich mache mir immer Sorgen um dich, da kannst du sagen, was du willst“, entgegnete Mama. „Ich mache mir Sorgen, wenn du morgens aus dem Haus zum Arbeiten gehst. Wenn du in der Glaswerkstatt bist. Wenn du in der Dunkelheit die Landstraße entlanggehst. Wenn du auf dem Markt bist. Du bist meine Tochter, und ich glaube, es wird nie aufhören, dass ich mir Sorgen mache.“ S. 79 Das ist nachvollziehbar, eher nicht kitschig. Somit habe ich die Lektüre genossen, bis, ja bis auf die letzten knapp 100 Seiten. Liebesgeschichten sind zugegebenermaßen nicht meins, und die spezielle war mir dann doch etwas zu vorhersehbar, watteweich und, ja zu kitschig. Das ist jetzt nicht so, dass es mir den vorangegangenen Teil komplett verleidet, mir aber einen zu stark zuckrigen Geschmack im Mund zurücklässt. Dazu mag ich vielleicht bei dem Paar am Buchende an ein Chance bei so unterschiedlichem Hintergrund glauben, weniger jedoch daran, dass einer Frau mit einem Ehemann aus dieser Gesellschaftsschicht dieser spezielle Berufswunsch möglich war.

Also: Für die Liebhaber von Liebesgeschichten, die über das Genre hinausgehen wollen: perfekt. Für die, die einen geringen Anteil von Liebesgeschichte ertragen: immer noch. Für mich war es eher ein kurzweiliger Schmöker für nebenbei, der mir dann direkt am Heiligabend leichter durch die Fingerkuppen gerutscht wäre…
4 Sterne. Das Buch kann ja nix dafür…

Veröffentlicht am 15.11.2017

Mal ernsthaft: Inwiefern haben Buchcommunitys Euch „verdorben“??

Ich bin die Angst
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Lange lange Jahre galt für mich “Buch aus einem ‘meiner‘ Genres‘ = muss gut sein“. An Büchern wie Ethan Cross‘ „Shepard“-Reihe merke ich, wie es mir Buchcommunitys „schaden“ - ich bin anspruchsvoller…
Bereits ...

Lange lange Jahre galt für mich “Buch aus einem ‘meiner‘ Genres‘ = muss gut sein“. An Büchern wie Ethan Cross‘ „Shepard“-Reihe merke ich, wie es mir Buchcommunitys „schaden“ - ich bin anspruchsvoller…
Bereits bis zu Seite 70 hat es mich mehrfach gegraust – jedoch nicht (nur), weil es sich hier um einen der auch auf eklige Details fixierten Thriller handelt (man darf also Gewaltexzessen live und in Farbe beiwohnen). Nein, mich störten so Sätze wie S. 51 „Über einem weißen Button-Down-Hemd trug er eine Khakihose und ein hellbraunes wollenes Sportsakko.“ Ja, muss lustig aussehen, so eine Hose über einem Hemd. Auch der „Bleistiftbart“ von S. 8 war im Original wohl ein „pencil beard“, was man eigentlich mit dem fast vergessenen „Menjoubärtchen“ übersetzt, auch wenn diese Mode mit Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland dann doch verpönt war. Dazu: Pathos. S. 70 „Schofield war ohne Seele geboren, aber bald würde er ein Stück von Jessies Seele rauben. Er würde empfinden, was sie empfand. Er würde von ihrem Glück kosten und es sich zu eigen machen.“ Die Übersetzung von „The Prophet“, sehr passend zum Inhalt, mit „Ich bin die Angst“ ist da nur noch ein Detail.

Es ist bereits der zweite Band, den ersten hatte ich gewonnen. Ich verstehe ja sonst nie die Fixierung mancher Leser auf Cover, die ich schlicht übersehe und vergesse, mag jedoch schöne Gestaltungen mit Lesebändchen, passenden Vorsatzblättern, toller Haptik. Aber bei dieser Reihe gestehe ich fast widerwillig: ich finde die Optik umwerfend, gerade auch als Reihe. Alle Bände sind komplett monochrom, da die Schrift in gleicher Farbe wie der Rest des Covers geprägt wurde, somit erhoben und fühlbar ist, dabei lackiert wurde im Gegensatz zum sonst matten Look. Auch der Buchschnitt nimmt die Cover-Farbe auf, der Titel findet sich dabei umlaufend in weiß wieder. Jeder Band hat eine eigene Farbe: Nummer 1 war schwarz, dieser Band 2 ist rot (es folgen noch weiß, braun, grau). Ja, das ist optisch und haptisch toll. Da ich auch schon Figuren rein zum Hinstellen gekauft habe, werde ich die Bücher vermutlich in eine Vitrine stellen – nochmals lesen muss ich das nicht.

Ich habe natürlich das Buch beendet, in den letzten drei Jahren habe ich nur eines final abgebrochen. Wie Band 1, ist auch „Ich bin die Angst“ sehr spannend geschrieben, mischt Action mit (meist krankem) Psycho – dennoch bleiben meine Beschwerden über ALLE Seiten bestehen, ärgern mich ob des wirklich spannenden Schreibstils nur noch mehr. O.k., die Slasher-Thriller mag man oder nicht (gelegentlich geht das bei mir, auch wenn es mich stört), aber gegen das Pathos hätte man etwas tun können, gegen seltsame Übersetzungen, gegen unlogische Überleitungen. Positiv: es gibt praktisch keine Rückwärtsspoiler (o.k., die Verbindung zwischen Marcus und Francis war eigentlich von Beginn an klar, da ist nichts zu spoilern – aber sonst nichts weiteres). Insgesamt finde ich Band zwei jedoch deutlich besser als Band 1, da er nicht so überzogen ist.

Es scheint seit dem Ende von „Ich bin die Nacht“ etwas Zeit vergangen zu sein, Ex-Cop Marcus Williams ist jetzt festes Mitglied der Shepard-Organisation, der geheimen Gruppe unterhalb des Justizministeriums. Aufnahme-Voraussetzung ist ein Trauma, damit sich die Agenten besser in die Fälle hineinversetzen können: Marcus‘ Eltern wurden in seiner Kindheit getötet. Es gab zwischen den beiden Bänden einen Einsatz in Harrisburg, der gefährlich wurde, und daraufhin Ärger mit Maggie Carlisle, ebenfalls Shepard und seine noch oder nicht-mehr Freundin. Ihre Mutter wurde umgebracht. Das hat alles so einen leichten Batman-Touch mit den einsamen Helden, dabei finde ich es problematisch, dass leider ein ziemlicher Fokus auf einer gewissen Billigung von Selbstjustiz liegt (wie jüngst auch bei einigen anderen Büchern). Was das Manko dieser Selbstjustiz ist, bereitet Marcus im Buch reichlich Probleme.

Zum Fall selbst möchte ich zusätzlich zum Klappentext wenig verraten, hinzu kommen ein kleinerer Fall zu Beginn zum Warmlaufen, Reibereien mit lokalen Behörden, Sekten und Satanismus. Den Psychopathen Ackerman wiederum mochte ich wider Willen, wie im ersten Band. Allerdings scheint er keine Stimmen mehr zu hören? Und Marcus knackt etwas seltener mit den Nackenmuskeln und Maggies Neurosen werden auch etwas weniger beschrieben, aber gerade die Nackenmuskeln waren in Teil 1 schon nervig. Dafür wartet Cross mit etlichen Wendungen auf, von denen ich nur eine vielleicht zwei Seiten vorher erahnt hatte.

Insgesamt solide 3,5 Punkte, die ich dennoch nicht aufrunden möchte, weil ich erstens sauer bin über die Schludrigkeiten der deutschen Ausgabe und mich zweitens dieser Mischmasch aus Pathos mit pseudoreligiösem Gefasel (Marcus, glaubst Du an Gott? empfinde ich angesichts der Vorgehensweise seines Trupps als fast ketzerisch) und Selbstjustiz etlicher US-Werke schlicht nervt.

Band 1 fand ich deutlich schwächer:
Band 1 http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/65958/ReadingCircle Original-Titel: „The Shephard“ (Der Hirte)

Band 3 gefällt mir hingegen gut, wenn auch noch brutaler, 4,5 Sterne
http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/90654/Product Original-Titel "Father of Fear"

Veröffentlicht am 15.11.2017

Gleichzeitig fesselnd UND ziemlich überzogen

Ich bin die Nacht
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Das ist wieder so ein Buch, das es letztlich schwer macht mit der Bewertung. Einerseits ist es ziemlich spannend geschrieben, ein Pageturner mit allem, was man sich als Thriller-Freund so erhofft: ein ...

Das ist wieder so ein Buch, das es letztlich schwer macht mit der Bewertung. Einerseits ist es ziemlich spannend geschrieben, ein Pageturner mit allem, was man sich als Thriller-Freund so erhofft: ein kranker Serientäter, packende Szenen, ein würdiger Gegenspieler und ein verzwickter Plot. Andererseits ist das ganze insofern überzogen, als dass der Serientäter wirklich SO krank ist, dass man als Leser schon ein wenig an sich selbst zweifeln darf, wenn man so extremes Zeug noch lesen mag (wobei hier dazu kommt, dass ich wie viele andere Francis Ackerman nicht unsympathisch fand, schon erschreckend) – und die Jagd ist so richtig US-Action-Movie-mäßig, mit choreographierten körperlichen Auseinandersetzungen, ausreichend Geballer und netten Explosionen.
Das Problem: Dinge, die man zum Beispiel Bruce Willis auf der Leinwand „abkauft“, sind zwischen zwei Buchdeckeln etwas zäher; ich denke mir immer, weil der Weg über das Umblättern und Lesen wohl direkter am Gehirn vorbeigeht…Ähnlich ging mir das bei „Die Brut“ – bei beiden bestes „Popcorn“-Seitengeraschel, wenn man einfach in den Kino-Sessel-Hirnmodus zu wechseln in der Lage ist.

Der Plot ist einfach: im Wechsel begleitet der Leser den völlig gestörten Serienmörder Francis Ackerman bei seinen Taten, mal aus der Sicht von ihm selbst, mal aus der seiner Opfer geschrieben, und den Ex-Cop Marcus Williams. Die beiden repräsentieren „Gut“ und „Böse“, wobei es da schon jeweils zwei Seiten gibt. Man versteht zwischendurch, wie der Killer so wurde, wie er ist – er wurde so aufgezogen. Das „Warum“ spielt keine Rolle für ihn. Seinen Opfern hilft das leider nicht. Und auch Marcus hat so seine dunklen Seiten, wobei darüber immer eher orakelt wird – nachvollziehbar wurde das für mich nicht wirklich.

Der Originaltitel ist „The Shepherd“, Der Schäfer, und das Buch wartet auf mit Kapiteln namens „Die Herde“, „Der Wolf und der Hirte“, „Stecken und Stab“, „Der Wolf im Schafspelz“ – wer zum Teufel übersetzt so etwas so mit „Ich bin die Nacht“? Die biblischen Anspielungen sind im Buch recht dick aufgetragen „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. …. dein Stecken und Stab trösten mich“ sagt der 23. Psalm Davids – das dürfte für die stark evangelikal geprägten USA jedoch wohl besser funktionieren, vielen Deutschen sind leider entsprechende Zusammenhänge inzwischen fremd (als besonders christlich empfinde ich das Buch allerdings auch nicht gerade, mehr „Auge um Auge“ als „die andere Wange hinhalten“). Dafür ist die Optik und Haptik der deutschen Gestaltung um KLASSEN besser, und das sage ich, die ich nicht verstehen kann, wie jemand nach Covern kauft. Um dieses hier bin ich sooo lange geschlichen und habe es mir aus Prinzipientreue verboten, bis ich es in einer Aktion gewonnen habe, dank lesejury.de – ich LIEBE die Gestaltung, samt erhobenen Buchstaben, glänzend Schwarz über matt schwarzem Hintergrund im wirklich komplett monochromen Titel, und farbigem Buchschnitt mit Titelwiederholung.

Manko? Der Text trieft häufig vor Pathos „Es war, als säße Jim am Rand der Welt und blickte in ein erloschenes Universum, in dem nichts anderes mehr existierte als er selbst.“ S. 13. Die Handlung zitiert mehrere bekannte US-Film-Produktionen, einiges davon gab mir als Leser das Gefühl, am Ende einen Luftballon in der Hand zu halten, dem man die Luft herausgelassen hatte – will jemand wirklich solche Aufgaben, fragte ich mich schon bei „The Game“, dem Film. Spannend und unterhaltsam ist das allemal geschrieben, das schon. Ich kann sonst gut umgehen mit gelegentlichen Büchern, die nichts anderes sein wollen, als „Popcorn-Unterhaltung“ – zuletzt klappte das mit „Die Brut“. Leider nimmt sich „Ich bin die Nacht“ jedoch komplett ernst, weshalb ich mit der Bewertung da hinter „Die Brut“ bleiben möchte, tolle Gestaltung hin oder her, wenn auch nur sehr knapp. Never judge a book by its cover. Never.


Band 2 wird einen Hauch besser http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/73973/Product Original-Titel "The Prophet"

Band 3 gefällt mir hingegen gut, wenn auch noch brutaler, 4,5 Sterne
http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/90654/Product Original-Titel "Father of Fear"

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Figuren
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 15.11.2017

Seelenverwandte

Ich bin der Schmerz
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Stell dir vor, deine Liebsten werden entführt, dein Partner, eure Kinder. Sie werden betäubt sein, nichts davon mitbekommen, und sie kommen unversehrt zurück. Das hat einen Preis. Nein, kein Geld. Du musst ...

Stell dir vor, deine Liebsten werden entführt, dein Partner, eure Kinder. Sie werden betäubt sein, nichts davon mitbekommen, und sie kommen unversehrt zurück. Das hat einen Preis. Nein, kein Geld. Du musst jemanden töten, keine Polizei, bald. Sonst wird deine Familie grausam sterben. Der Architekt Josh tritt mit seiner Waffe vor den Mann. Der sagte:
„Ich bin ein ganz normaler Mann, der seine Familie wiedersehen möchte.“
„Ich auch“, sagte Josh und drückte ab. S. 29

Das ist die Grundhandlung zum furchteinflößenden „Anstifter“, und wenn man das liest, denkt man doch, wie viel lieber man es hat, wenn da ein Mensch tierlieb ist. Allerdings…mag er in diesem Falle Insekten. Sie waren die einzigen Lebewesen, mit denen er sich in seiner schlimmen Kindheit beschäftigen konnte, eingesperrt von seinem Vater. „Francis Ackerman junior fand die Natur schön und die Menschen unnatürlich.“ S. 327 Francis Ackerman junior ist ein Serienkiller, wie sein Vater, der ihn zu dem gemacht hat, was er ist: Sein Vater Francis Ackerman senior ist der gefürchtete Anstifter. Doch Francis junior hat auch noch einen Bruder, Marcus Williams. Einmal Cop, immer Cop, und das bei einer streng geheimen Organisation, den „Shepards“.



Was ich da geschrieben habe, ist mitnichten ein Spoiler, steht schon auf der Rückseite des Buches; hier geht es mehr um das „Wie“ und um die Dinge, die sich sonst noch ergeben, und das ist schon sehr spannend geschrieben. Die Geschichte baut sich auf in mehreren Haupt- und Nebenplots inklusive mehrerer fulminanter Finale, sehr actionlastig. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 fand ich das dieses Mal sehr Buch-geeignet (davor passte es eher für einen Film). Das ist definitiv ein sehr harter Thriller, mit Folterszenen der übelsten Art, Sadismuswarnung mit Ausrufungszeichen (keine sexuelle Folter, falls das für jemanden wichtig ist als potentieller Leser). Tatsächlich dürfte es fast das Schlimmste sein; hier geht es darum, Menschen systematisch zu brechen und neu „zusammenzusetzen“.

Das Buch nimmt wie jeder gute Thriller/Krimi seinen Reiz aus dem Gegensatz „Gut“- „Böse“, noch getoppt dadurch, dass Serienkiller junior sich seinem Cop-Bruder verbunden und verpflichtet fühlt, wie, erzählen die beiden ersten Teile. Dafür hat der Cop-Bruder Sorge, inwiefern das Böse bei ihm durchbrechen könnte. Band 3 ist nicht annähernd so überzogen und unglaubwürdig und von Pathos durchsetzt wie die Vorgänger, jedoch gibt es so ein paar Grundaussagen, die auch hier nerven. Marcus geht ans Telefon, falls Killerbruder Frank anruft: „Dennoch, Familie blieb Familie, und außer Frank hatte Marcus niemanden mehr.“ S. 23 Was ein Quatsch, Marcus ist in einer anderen Familie aufgewachsen, erfuhr erst in den Vorbänden, dass er „ein Ackerman“ ist. Welche Bindung will der Autor hier zitieren? Ebenso: „Dennoch war Marcus‘ Wesen von Gewalttätigkeit, Düsternis und Brutalität geprägt.“

S. 24 Den Schrott lese ich auch seit Band 1 Seite 1, ohne dass sich mir gezeigt hätte, wo. Ja, Marcus hat Sorge, was er an Eigenschaften mit seinen Blutsverwandten teilt. Und als Cop muss er durchgreifen können. UND?? Ein wenig sehr „Erblehre“-lastig. Ebenso wieder US-lastiges pseudoreligiöses Geschwafel, aber irgendwie eher mit alt-testamentarischem Touch (Auge um Auge); insgesamt jedoch erfreulicherweise vieeel weniger als in den Vorbüchern (ich komme so auf 6 Stellen, vorher kam das gefühlt spätestens alle 6 Seiten).

Spannend waren die Bücher schon von Beginn an, dieses Mal konnte ich das auch genießen, von der echt kranken Darstellung des Psycho-Paps einmal abgesehen, die fand ich grenzwertig. Und: es war alles deutlich glaubwürdiger als „früher“. Und weiterhin mag ich Ackerman jun. nicht mehr wirklich widerwillig, wenn auch Marcus‘ on-off-Freundin Maggie mit dem Thema noch etwas hadert.

Insgesamt bin ich also durchaus angetan, das war ein echter Pageturner. Empfehlung für Hartgesottene, Fans von Dania Dicken, Rainer Löffler, jüngere Jo Nesbø-Bücher.


Ach ja, und: DIE GESTALTUNG. Ich fühle mich ja, wenn ich ganz ehrlich bin, Cover-Käufern immer etwas überlegen, aber ich bin der Gestaltung dieser Reihe verfallen. Ich werde demnächst wohl einen Gutschein beim Schweden meines Vertrauens für eine Wand-Vitrine zur Präsentation einlösen. Die Titel-Übersetzung ist weiter Käse, "Father of Fear", Vater der Furcht, wird "Ich bin der Schmerz"?!


4, 5 Sterne, keine Aufrundung wegen s.o.

Band 1 http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/65958/ReadingCircle Original-Titel: „The Shephard“ (Der Hirte)

Band 2 http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/73973/Product Original-Titel "The Prophet"

Veröffentlicht am 09.11.2017

Erhellende Einblicke

Nur wenn du allein kommst
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„Nur wenn du allein kommst“, diese Forderung hört die Journalistin Souad Mekhennet regelmäßig, bevor sie sich mit ihren Interviewpartnern treffen kennen. Diese sind häufig Islamisten und sie vertrauen ...

„Nur wenn du allein kommst“, diese Forderung hört die Journalistin Souad Mekhennet regelmäßig, bevor sie sich mit ihren Interviewpartnern treffen kennen. Diese sind häufig Islamisten und sie vertrauen ihr aufgrund ihrer Abstammung: Sie wurde geboren in Frankfurt am Main, als Tochter einer schiitischen Mutter mit syrischer Abstammung, aber aus der Türkei, und eines sunnitischen Vaters aus Marokko. Die kleine Souad wuchs als Muslima auf in einer toleranten Familie, bei der sich die Eltern abarbeiteten, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. „Die Einwanderer ihrer Generation, die Putzfrauen und Köche, muckten nicht auf, wären nie auf die Idee gekommen, die Autorität der 'richtigen Deutschen‘ infrage zu stellen.“ S. 53 Einige frühe Kindheitsjahre bei der Großmutter in Marokko, dann das weitere Aufwachsen in Deutschland, Jugoslawienkrieg und Hoyerswerda, fremdenfeindliche Angriffe prägen die Heranwachsende, die sich entschließt, nach dem Vorbild aus dem Film „Die Unbestechlichen“ zum Watergate-Skandal selbst Reporterin zu werden. „Statt meine Ängste die Oberhand gewinnen zu lassen, begann ich sie als Herausforderung zu begreifen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.“ S. 44 Durch einen immer weiteren Ausbau ihrer Kontakte und dadurch, dass sie stets bemüht ist, jede Seite zu Wort kommen zu lassen, dabei aber in alle Richtungen kritisch bleibt, schafft sie sich bald ein Renommee.

Das Sachbuch ist spannend geschrieben, ich hatte schon langweiligere Krimis und sprachlich schwieriger zugängliche „Unterhaltungsliteratur“, ich bin von dem Schreibstil sehr positiv überrascht. Acht Jahre älter als die Autorin, konnte ich mich an den genannten politischen Ereignissen sehr gut entlanghangeln – wer wenig Nachrichten liest oder sieht, wird vielleicht einiges nachschlagen müssen. Ich bin sehr beeindruckt über die Tiefe der Informationen zu den verschiedenen Ländern und Regionen, Irak, Libanon, Algerien,… - anhand derer sich das Buch in verschiedene Kapitel zu den jeweiligen Jahren gliedert. Ich gestehe eine gewisse Skepsis vor Aufnahme der Lektüre: Warum tut sich das jemand an, sich derart doch immer wieder in Gefahr zu begeben? Die Autorin macht ihre Motivation glaubwürdig, berichtet auch über Ängste und Nachteile ihres Lebens – nachvollziehbar, auch wenn sie und ich definitiv unterschiedliche Anteile des „Risiko-Gens“ mitbekommen haben.

Was ich befürchtet hatte: Unsachlichkeit, zu starke Vereinnahmung durch die diversen Islamisten. Was ich stattdessen erhielt: die auch für mich beschämende Erkenntnis, das genau das die Vorbehalte waren, denen die Autorin sich ausgesetzt sah, von der Grundschule bis zum Einstieg in den Beruf, selbst später noch gegenüber diversen Diensten. Übrigens auch das häufig Ursache der Islamisierungen, die Ausgrenzung des Einwanderungslandes. Sie will verstehen, sucht die Diskussion. Stark, wie der kleine Sohn eines der Männer aus dem Gefolge ihres Interviewpartners stolz berichtet, wie er heute das Töten der Ungläubigen gespielt habe und sein Vater ihn zufrieden küsst – als sich die Journalistin später im Hotel daran erinnert, kommen ihr die Tränen. Ähnlich enden hier oft die Kapitel für mich mit einem Denkanstoß, ich mag nicht direkt weiterlesen. Wenn Kinder so aufwachsen, was kann aus ihnen nur werden? Und wie gehen wir selbst mit unseren Werten um, wenn man an den Fall el-Masri denkt, der wegen Terrorverdachts verschleppt und gefoltert wurde (von Mekhennet aufgedeckt)?

Erhellend eine Diskussion mit einem schiitischen Fahrer in Bahrein, dessen mehrheitlich schiitische Bevölkerung von der sunnitischen Herrscherfamilie regiert wird. Er bemängelt, dass man für bestimmte Arbeiten Ausländer ins Land hole, statt „Bahreinis first“ zu praktizieren, gibt aber auf Nachfrage zu, eine Putzfrau aus Bangladesh zu beschäftigen, da diese Arbeiten unter der Würde seiner Frau und Kinder seien. Als die Reporterin die Tätigkeiten von ihren Eltern und ihr selbst zur Finanzierung des Studiums beschreibt, obwohl beide Eltern ihre Abstammung zum Propheten zurückverfolgen können, kratzt das reichlich am Weltbild des Fahrers. Das Weltbild der islamischen Welt wird so in Streifzügen für die jeweilige Region nachvollziehbarer.

Über alle Kapitel hinweg ziehen sich Mekhennets Grundfragen nach dem „Warum“, warum kommt es zu dieser Radikalisierung. Aber auch der oft naive Umgang des Westens findet ausreichend Thematisierung. Ein starkes Buch und eine eindeutige Leseempfehlung!