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Veröffentlicht am 13.09.2020

Sprachgewaltig und überrollend, teils fast überfordernd

Der Ort, an dem die Reise endet
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„Ein kurzes Ratata.
Odidis anderes Knie gibt nach.
Er bricht zusammen.
Atmet gurgelnd aus.
Es heißt.
Dass, wenn ein Mensch stirbt, er sein gesamtes Leben in einer raumlosen Zeit, einem zeitlosen Raum ...

„Ein kurzes Ratata.
Odidis anderes Knie gibt nach.
Er bricht zusammen.
Atmet gurgelnd aus.
Es heißt.
Dass, wenn ein Mensch stirbt, er sein gesamtes Leben in einer raumlosen Zeit, einem zeitlosen Raum an sich vorbeiziehen sieht und alles erneut durchleben kann, was er je gefühlt hat, nur in rasender Geschwindigkeit und in eine sonnengleiches Licht getaucht.“ (S. 16)

Die mir vorher völlig unbekannte Yvonne Adhiambo Owuor, die bisher „nur“ Kurzgeschichten veröffentlich hatte, empfinde ich sprachlich wirklich geradezu als genial, in ihrem Debütroman finde ich einen Gebrauch von Sätzen und selbst Zeilenumbrüchen, wie ich es vorher so noch nie gelesen habe, sie kann tatsächlich sogar Zeit so darstellen!

Der Roman ist ein Parforceritt durch die Geschichte Kenias, aber auch der britischen Kolonialherren dort – ich benötigte zwischendurch Rückgriff auf die Wikipedia-Artikel zu Kenia und zur Geschichte Kenias (besonders Volksgruppen, Korruptions-Skandale, die Zeit ab dem Zweiten Weltkrieg – erschreckend, wie wenig ich wusste).

Moses Ebewesit Odidi „Didi“ Oganda wird zu Beginn der Erzählung verfolgt und dann erschossen – seine Schwester Arabel Ajany „Jany“ Oganda kehrt (nicht nur) deshalb aus Brasilien zurück in ihre Heimat Kenia, zu den Eltern Aggrey Nyipir Oganda (Baba) und Akai Lokorijom „Akai-ma“. Keine, wirklich keine der vielen weiteren Personen im Buch ist nur bloße Randfigur, die meisten haben letztendlich mehrere Rollen, oft mehrere Namen.

Owuor schafft es, die Geschichte Kenias anhand ihrer Personen aufzuspannen, und dabei noch voller Sprachzauber die jeweilige Atmosphäre zu vermitteln: sie berichtet über die Zeit des kenianischen Freiheitskampfes gegen die britischen Kolonialherren, mit Verhaftungen, Folter, Massenhinrichtungen, und kooperierender „Tribal Police“ aus Kenianern. Sie erzählt über die Beteiligung afrikanischer Soldaten (King’s African Rifles) in den Kriegen der Briten, über alte Seilschaften aus alten Zeiten. Sie vermittelt den Enthusiasmus der Unabhängigkeit, die Hoffnung aus den Bildungsinitiativen des Mboya-Kennedy-Airlifts – und die Ernüchterung durch Korruption, Uneinigkeit der verschiedenen Volksgruppen und wirtschaftliche Probleme.
„Mboya? Argwings? J.M.? Pio? Ouko? Ward? Goldenberg? Anglo-Leasing? Dieser Artur-Abschaum?“ (S. 355) – das sind die Probleme. Die Lösung? „Meine Amnesie, deine Amnestie – oder umgekehrt.“ (S. 358), üblicherweise mit Gegenleistung. So wurden „Kenias offizielle Sprachen: Englisch, Swahili und Schweigen.“ (S. 372), so hüten alle Protagonisten ihre Geheimnisse, verharren in dem Schmerz über das, worüber sie nicht reden.

Das alles ist nicht eine Sekunde langweilige trockene Geschichte, sondern mitreißend dargebracht. Ich wusste nie, ob ich gerade näher an der Hoffnung der Protagonisten war, die trotz allem immer weitermachten, oder an ihrer Hoffnungslosigkeit – es war teilweise einfach „sehr viel“ von diesem mir sehr fremden Land. Die Handlungen sind oft so weit außerhalb meiner Welt, dass ich sie häufiger nicht nachvollziehen kann. Dann wiederum folgen Szenen von Zartheit, Liebe, Verzweiflung, Loyalität, die universell sind. Täter wird Opfer wird Täter. Die Handlung springt sehr stark, zwischen mehreren Personen, die dazu noch an verschiedenen Orten beschrieben werden, und mit häufigen zeitlichen Rückgriffen, darüber hinaus werden häufig muttersprachliche Begriffe, Namen, Sätze, Textfetzen eingestreut, zwar jeweils übersetzt, aber doch als „Stolperstellen“ für das deutsche Lesen. Personen tauchen viele Seiten später wieder auf, Andeutungen werden klar, Handlungsstränge werden meisterhaft verwoben und weit verstreut weitergeführt. Nein, kein einfaches Buch – kein einfaches Thema. Ein Buch, bei dem es sich lohnt, dabei zu bleiben, auch wenn das zu Anfang des letzten Drittels schon anstrengend war, bis zur Erkenntnis: Auch der Tod, auch ein Ende kann ein Anfang sein.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Ganz toll gezeichnet und geschrieben, da macht das Vorlesen richtig Spaß!

Ein Geburtstagsfest für Lieselotte
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Ich kannte die Kuh Lieselotte noch gar nicht, bis sie in einer Bücherei-Runde vorgestellt wurde. Und dann passierte folgendes: ich ging zum Literaturfrühstück und neben vielen Büchern für Erwachsene wurde ...

Ich kannte die Kuh Lieselotte noch gar nicht, bis sie in einer Bücherei-Runde vorgestellt wurde. Und dann passierte folgendes: ich ging zum Literaturfrühstück und neben vielen Büchern für Erwachsene wurde - genau DIESES wirklich zauberhafte Buch vorgestellt. Fanden Liebesroman, anspruchsvolle Literatur oder Krimi vorher absolut nie ungeteilten Beifall - dieses Buch zauberte ein Lächeln in die Gesichter aller. Einfach süß, wie Lieselotte zunehmend verzweifelt versucht, "ganz unauffällig" auf ihren Geburtstag hinzuweisen (und sehr typisch Kind, mit den ganz zufälligen Tipps....). Das Schwänzchen mit dem Apfel und der Kaktus statt Blume...und in jedem Bild ganz liebevolle Details, die es zu entdecken gilt. Das wurde dann gleich ein tolles Geschenkebuch! Und DANKE, nicht "rosa Prinzessin" oder "tarnfarbener Superheld".

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Humorvolle Erzählung für nebenbei, die allerdings erst nach den ersten Seiten Fahrt aufnimmt...

My dear Krauts
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Der Times-Mitarbeiter Roger Boyes beschreibt als Ich-Erzähler die Erlebnisse als britischer Berlin- und Deutschland Korrespondent. Er reiht verschiedene Erlebnisse von der Hauptstadt bis zur Provinz aneinander, ...

Der Times-Mitarbeiter Roger Boyes beschreibt als Ich-Erzähler die Erlebnisse als britischer Berlin- und Deutschland Korrespondent. Er reiht verschiedene Erlebnisse von der Hauptstadt bis zur Provinz aneinander, die Klammer bilden die Sorge des Korrespondenten, in welcher Form er sich um seinen verwitweten Vater am besten zu kümmern habe, sowie seine allgemeinen Geldsorgen.


Und hier liegt das Problem, das ich mit diesem Buch hatte: (erst) nach der knappen Hälfte fing ich an, dieses Buch zu Ende lesen zu wollen. Ich hatte das Buch geliehen bekommen und begonnen, weil ich interkulturelle Themen mag und doch zumindest ein leises Schmunzeln erhoffte durch den distanzierteren Blick „von außen“. Jedoch fand ich mich zu Beginn mehrheitlich wieder in Schilderungen, die mich eher an den Humor von Fernsehshows der 50er Jahre mit vorher einstudierten Pointen erinnerten – mit Situationen, die vermutlich auch einfach nicht mehr hergaben wie beim Besuch eines ehemaligen Kellners, der Hitler bedient hatte, oder beim Speeddating.


Amüsant wurde es für mich erst danach: der Autor, auf der Suche nach einer (möglichst ärmeren) Ehefrau primär zur steuerlichen Besserstellung, findet sich plötzlich immerhin zwischen zwei Frauen wieder, die ihn durchaus ernsthaft interessieren, und schafft er es sogar, die Geschichte Fahrt aufnehmen zu lassen.
Schade, dass diese Ansätze nicht im Anfang des Buches weiter ausgearbeitet wurden.
Wäre das möglich, erhielte der Beginn von mir 2 Sterne, der Rest 3-4 – bei einer Einteilung als „humorvolle Erzählung“.
Mich würde interessieren, was das Finanzamt Berlin-Wilmersdorf von der Widmung hielt?

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Lebensentscheidungen

Solange du bleibst
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Nach dem dramatischen Ende für Julia und Jeremy in „Bis du wieder atmen kannst“ kommt Julias Geheimnis an die Öffentlichkeit, denn auch Jeremys Eltern und sein bester Freund Max bekommen mit, was ihr zugefügt ...

Nach dem dramatischen Ende für Julia und Jeremy in „Bis du wieder atmen kannst“ kommt Julias Geheimnis an die Öffentlichkeit, denn auch Jeremys Eltern und sein bester Freund Max bekommen mit, was ihr zugefügt wurde. Doch nicht nur das, am Folgetag steht die Polizei im Haus, weil es falsche Anschuldigungen gibt, ausgerechnet gegen Jeremy. Julia steht vor der Situation, endlich die Wahrheit sagen zu müssen und eine Entscheidung dazu zu treffen, wie sie sich gegenüber den Behörden verhalten will. Gleichzeitig gibt es einige ungeklärte Situationen – sowohl zwischen Julia und Jeremy als auch für Jeremy selbst. Die geheimnisvolle Katherine aus dem Vorbuch meldet sich wieder und bittet dringend um ein Treffen.

Alles ändert sich, die Schulzeit geht nun endgültig zu Ende, die jungen Leute um Julia und Jeremy müssen Entscheidungen zu ihrer Zukunft treffen, im Leben von Grace gibt es Änderungen. Doch am härtesten trifft es Jeremy: er erfährt von einer Gefahr, die er sich nie im Leben hätte träumen lassen, und muss sich damit auseinandersetzen, eine Entscheidung zu treffen zwischen Liebe, Verantwortung, Rücksichtnahme und dem Recht auf eigenes Glück.

Wer den Vorband gelesen und gemocht hat, kommt eigentlich um diesen zweiten Band der zweibändigen Reihe nicht herum. Das Buch schließt die Geschichte ab, bringt allerdings auch Neuigkeiten, die so nicht im Ansatz vorherzusehen waren; man fragt sich schon ein wenig als Leser, warum gerade diese beiden so viel auszuhalten haben. Hier kommt so ein wenig mein Problem: „Solange du bleibst“ ist einerseits eindeutig „tränenlastiger“ als der erste Band, ich wüsste andererseits jedoch nicht, wie man das hätte vermeiden können bei der Art Entwicklung, die Jeremy und Julia da durchstehen müssen. Ich finde die verschiedenen Ansätze sehr glaubwürdig dargestellt, Jeremys Sorgen, die Hilfen des Umfelds, die verschiedenen Anregungen für seine Entscheidung.

Das eigentliche Leben mit den getroffenen Entscheidungen findet dann „zwischen den Seiten“ statt, keine Schwäche des Buches, sondern eher eine starke Entscheidung der Autorin, finde ich: es geht ihr vielmehr um die Entscheidung für das Leben, die Lebensentscheidungen. Das das über so viele Seiten stattfindet, ist zwar realistisch, gerade das Wechselbad zwischen „Einigeln“ und der Suche nach Liebe, aber für meinen persönlichen Geschmack nicht ganz das, was ich dauernd lesen möchte. Hier in diesem Zusammenhang mit dem ersten Band passt es (noch).


Wie Band 1 ein Buch, das ich eher für ältere Teenager empfehlen würde und eher mit der Möglichkeit, darüber mit jemandem diskutieren zu können. Auch wenn ich diesen Abschluss der Mini-Reihe nicht missen möchte, fand ich Band zwei als schwächer als Band 1.
4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 12.09.2020

Durch die Beschädigungen hindurch

Wenn du mich sehen könntest
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Okay, das hier ist ein Liebesroman, was ich eigentlich hasse, bei Jessica Winter aber toll finde. Also, nicht wundern (ich wundere mich selbst wirklich ausreichend).

Der 26jährige Nate studiert Jura und ...

Okay, das hier ist ein Liebesroman, was ich eigentlich hasse, bei Jessica Winter aber toll finde. Also, nicht wundern (ich wundere mich selbst wirklich ausreichend).

Der 26jährige Nate studiert Jura und jobbt nebenbei in einer Kanzlei. Alexandra „Lexi“ studiert an der gleichen Uni und ist ein Computergenie. Durch ihre Arbeit bei der Uni-Hotline lernen sie und Nate einander „hören“, denn er landet bei ihr durch Anruf bei der Support-Telefonnummer, als ein fieser Virus sich auf seinem Computer ausbreitet. Okay, klingt jetzt nicht so toll und vorhersehbar. Ist aber absolut toll.

Die Kapitel werden im Wechsel aus der Sicht von Lexi und Nate erzählt, jeweils als Ich-Erzähler. Man merkt als Leser ziemlich bald, dass da einiges nicht stimmt: Was ist passiert an Lexis achtem Geburtstag? Woher hat ihr Ex Andrew damals eine Narbe im Gesicht bekommen? Was für Probleme hat Nates Mitbewohner Toby? Und was trägt Nate mit sich herum, warum hat er eine Narbe, was ist mit seiner Mutter? Was für ein Problem hat Nates Vater? Das alles wird sehr geschickt aufgebaut erzählt, absolut umgeworfen haben mich die Rückblenden zu Nates Vergangenheit, die sich der Reihenfolge nach mit seinen „7“ befassen. Ich hatte tatsächlich ein paar Kapitel gebraucht, bis es mir eine volle Breitseite verpasste. Ich finde es heftig, wie sich die Autorin in Rettungskräfte hineinversetzt, Respekt.

Jedenfalls fand ich das wieder einen ziemlichen Pageturner und der Humor kam auch definitiv nicht zu kurz. Die Wortspielereien zwischen Nate und Lexi waren ja von beiden freundlich gemeint, aber wie Nate den Idioten bei der Arbeit verunsichert: „Ich finde es ja echt süß, dass Sie jeden Morgen hier auf mich warten, Warren, aber langsam beginnen die Leute über uns zu reden, und Beziehungen werden innerhalb der Kanzlei ja nicht gerne gesehen“, erkläre ich sarkastisch, den letzten Teil flüsternd.“ S. 19 Das ist jetzt nur ein Beispiel… ansonsten alles, Drama, Hintergrund, nix Flaches, nicht dieser „es geht nicht, weil sie die verlorene Tochter des Cousins ist“-Müll, schön geschrieben.

Hier muss mehr als eine Person kapieren, wie wichtig es ist, Verletzlichkeit zulassen zu können.
Ja.


Dieses Buch ist unabhängig von den Büchern der Julia-und-Jeremy-Reihe

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