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Veröffentlicht am 05.05.2023

Zurück im Lilienpalais

Ein Graf auf Abwegen
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Wir sind zurück im Lilienpalais in München vor rund 200 Jahren. Diesmal erleben wir die Geschichte aus der Perspektive des Dienstmädchens Louisa und des Erbgrafen Maximilian von Seybach. Die Grundstory ...

Wir sind zurück im Lilienpalais in München vor rund 200 Jahren. Diesmal erleben wir die Geschichte aus der Perspektive des Dienstmädchens Louisa und des Erbgrafen Maximilian von Seybach. Die Grundstory ist schnell erzählt, der Graf verguckt sich in das Dienstmädchen, die seine Gefühle erwidert - doch kann ihre Liebe Standesgrenzen überwinden? Das Sujet ist natürlich alles andere als neu, aber die Umsetzung hat mir sehr gut gefallen.

Die Liebesgeschichte ist detailreich und authentisch gestaltet, noch besser als in Band 1. Ich konnte mit den beiden mitfühlen, mitfiebern und (etwas) mitleiden. Die Emotionen wirkten auf mich echt und nachvollziehbar. Im Verglich zu anderen historischen Stoffen, wie beispielsweise von Ken Follet, mutet Hannah Conrad (bzw. die dahinterstehenden Autorinnen) ihren Protagonisten weiterhin keine allzu großen Dramen zu. Das habe ich allerdings auch nicht vermisst (wie schon in Band 1), die Entwicklung der Liebesgeschichte allein und die Art, wie die Schwierigkeiten gemeistert wurden, hat für Lesegenuss gesorgt. Und ein kleiner Plotttwist, den ich so nicht erwartet hatte, ist auch dabei.

Insgesamt ist der Inhalt von „Ein Graf auf Abwegen“ relevanter als der erste Teil der Reihe. Standesunterschiede, Armut, Krankheiten und ihre Lösungen, persönliche Entfaltung und Erwartungen der Gesellschaft, die Folgen unehelicher Schwangerschaften - während sich Band 1 noch stark um die bessere Gesellschaft von München und ihre kleinen und großen (empfundenen) Dramen drehte, wird es nun anspruchsvoller und konkreter. Was die Protagonisten denken und tun hat mich mehr berührt, als es bei Johanna und Alexander in „Eine fast perfekte Debütantin“ war - allerdings erst im Rückblick. Ich bin mir sehr bewusst, welches Glück und Privileg es ist, in der westlichen Welt geboren worden zu sein - und dass ich im 21. und nicht im 19. Jahrhundert lebe. Auch wenn es hier und da im Buch bei der Unterscheidung zwischen arm und reich etwas zu schwarz/weiß dargestellt ist.

Die Liebesszenen sind weitaus expliziter als im ersten Band, ohne ins Pornografische abzudriften. Dass es nicht bei vagen, züchtigen Andeutungen bleibt, sondern das Geschehen detailliert beschrieben wird, empfand ich ebenfalls als schöne Steigerung.

Dass Hannah Conrad“ keine real existierende Autorin ist, sondern aus den vier Autorinnen Laila El Omari, Frieda Bergmann, Monika Pfundmeier und Persephone Haasis besteht, hatte ich bereits in der ersten Rezension erwähnt und mich gefragt, ob je eine von ihnen einen der vier Bände verfasst hat. Die Antwort habe ich nicht recherchiert, sehe meine These aber nach Lektüre des zweiten Bandes erhärtet - ich hatte das starke Gefühl, hier einen anderen Schreib- und Erzählstil vor mir zu haben.

Nachdem Band 1 von mir 4 Sterne bekam, muss Band 2 natürlich höher bewertet werden - 4,5 Sterne gibt es von mir. Band 3 (mit Maximilians Schwester Isabella und Nachbarsohn Leopold in den Hauptrollen) erscheint in Kürze, meine Rezension bestimmt auch. Auch hier mit dem Disclaimer, dass man natürlich eine gewisse Offenheit für Adelsromanzen und historische Stoffe mitbringen muss.

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Veröffentlicht am 05.05.2023

Eine Geschichte, die nachhallt

Liebewesen
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„Liebewesen“ von Caroline Schmitt wollte ich ursprünglich gar nicht lesen. Dann ist es mir aber immer wieder in den sozialen Medien begegnet. Ich las die eine oder andere Buchbesprechung zu dem Debütroman ...

„Liebewesen“ von Caroline Schmitt wollte ich ursprünglich gar nicht lesen. Dann ist es mir aber immer wieder in den sozialen Medien begegnet. Ich las die eine oder andere Buchbesprechung zu dem Debütroman und meine Neugier wurde geweckt. Letztendlich kaufte ich das Buch, las es in einem Rutsch und habe es nicht bereut. Wieso?


Fangen wir mal bei dem Cover an. Für mich wirkt es etwas verstörend und außergewöhnlich: Eine Frau mit einem Maschinengewehr in der Hand. Was das wohl mit der Geschichte zu tun hat?

Inhaltlich geht es um Lio, die ungewollt schwanger wird. Sie ist unfähig, ihrem Freund Max davon zu erzählen, und wird von ihrer Vergangenheit eingeholt, die mit einer kalten Mutter, einem hilflosen Vater und anderen traumatischen Erlebnissen nicht gerade rosig war.

Einmal angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen. Ich würde mein Leseerlebnis so beschreiben: Wie üblich lernst du die Protagonisten in den ersten Kapiteln kennen. Du fragst dich vielleicht, warum die Personen die eine oder andere Marotte hat. Du wähnst dich aber irgendwann in Sicherheit, alles comfy, weil es sich so nett liest. Und du liest weiter und weiter, bist begeistert vom Sprachstil und irgendwann trifft es dich ganz unvorbereitet. BÄM! Jetzt macht das Cover plötzlich einen Sinn. Du bist hart getroffen und betroffen.

Ich bin immer noch überrascht, dass Sprache so viel Gefühl hervorrufen kann, in diesem Fall keine positiven und sehr berührend.

Die Charaktere haben alle ihr Päckchen zu tragen und wirken dadurch authentisch. Nach und nach kommen die traumatischen Erlebnisse der Vergangenheit ans Licht, die garantiert aufwühlen.

Diese Geschichte hallt immer noch in mir nach und hat mich nachdenklich zurückgelassen. „Liebewesen“ ist ein Buch, das mich von Anfang an in seinen Bann geschlagen hat und für mich nicht nur beeindruckend, sondern auch ehrlich, klar und aufwühlend war. Ich kann nur meine Leseempfehlung für das 225 Seiten lange Werk aussprechen.

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Veröffentlicht am 05.05.2023

Ein Highlight!

Der Morgen (Art Mayer-Serie 1)
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„Der Morgen“ ist der Auftakt einer neuen Thriller-Reihe mit dem Ermittlerteam Artur „Art“ Mayer und Nele Tschaikowski und spielt in Berlin.

Das knallige Cover in pink rief nicht gerade dezent „nimm mich ...

„Der Morgen“ ist der Auftakt einer neuen Thriller-Reihe mit dem Ermittlerteam Artur „Art“ Mayer und Nele Tschaikowski und spielt in Berlin.

Das knallige Cover in pink rief nicht gerade dezent „nimm mich mit!“, als ich mich eines Abends durch das Online-Angebot neuer Bücher klickte. Angepriesen als „das Thriller-Ereignis des Jahres“ war ich erst mal skeptisch, allerdings völlig unbegründet.

Mit dem abgebrühten Art Mayer, Typ „harte Schale, weicher Kern“ und der jungen und schlauen Nele Tschaikowski hat Marc Raabe ein interessantes Ermittlerduo in den Ring geworfen. Es hat einfach nur Spaß gemacht, den Schlagabtausch der beiden zu verfolgen.

Der Fall selbst ist mit dem Konstrukt rund um den Bundeskanzler nicht nur innovativ und intelligent aufgebaut, sondern enthält auch viele Wendungen, die ich überhaupt nicht kommen sah. Wie viel kann man in einen Thriller packen? Marc Raabe so: Ja!

Dass Art Mayer auch noch selbst in den Fall verstrickt zu sein scheint, macht das Ganze noch eine Spur spannender!

Rückblenden und mehrere Handlungsstränge, so wie die Einbindung brandaktueller Themen haben das Leseerlebnis zu einem wahren Genuss gemacht.

Die Geschichte gipfelt in einem dramatischen Showdown und das Ende war für mich eine echte Überraschung.

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Veröffentlicht am 04.05.2023

Traust du deinen Erinnerungen?

Erinnere dich!
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Schon beim Prolog hat mich das Buch regelrecht gepackt.

Der Thriller wird aus der Perspektive von Arno erzählt. Nach und nach dringen wir in die tiefsten Spähren seiner Gedankenwelt ab. Darauf liegt auch ...

Schon beim Prolog hat mich das Buch regelrecht gepackt.

Der Thriller wird aus der Perspektive von Arno erzählt. Nach und nach dringen wir in die tiefsten Spähren seiner Gedankenwelt ab. Darauf liegt auch das Hauptaugenmerk, sein Beruf, das Klassentreffen und seine Frauen sind eher nebensächlich. Dann taucht plötzlich ein Handy auf und macht die Sache interessant. Ich habe beim Lesen auch definitiv Psychothrill verspürt.

Besonders die Flashbacks in die Vergangenheit haben mir gut gefallen. Wir lernen die Clique von damals Stück für Stück besser kennen. Dann erscheinen wieder Nachrichten auf dem Handy und Arnos Gedankenkarussell fängt an sich zu drehen. Hinterher war ich mir als Leserin auch echt unsicher, was ich glauben soll.

Die Erzählweise ist dabei eher langsam. Ich habe immer darauf gewartet, dass das Tempo jetzt angezogen wird: Aber nein, Max Reiter aka Andreas Götz - wie der Autor im wahren Leben heißt - ließ sich nicht treiben und blieb durchgängig in einem (Erzähl-)Takt, der für meine Begriffe schneller hätte sein können.

So kommt das Buch eher leise daher und mit der Aufklärung eines „Cold Case“ ist es auch unblutig, so dass das Buch auch durchaus etwas für jüngere Leser ist.

„Erinnere dich!“ ist ein Psychothriller mit einer guten Grundidee und viel Potenzial, das leider nicht ganz ausgeschöpft wurde. Ich vergebe 3,5/5 Sternen.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Highlight!

Tod in der Schorfheide
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Nachdem mir „Wenn das Böse nach Brandenburg kommt" so hervorragend gefallen hatte, habe ich nun auch das in meiner damaligen Rezension (LINK) erwähnte Debüt von Richard Brandes gelesen. Und bin noch völlig ...

Nachdem mir „Wenn das Böse nach Brandenburg kommt" so hervorragend gefallen hatte, habe ich nun auch das in meiner damaligen Rezension (LINK) erwähnte Debüt von Richard Brandes gelesen. Und bin noch völlig aufgewühlt vom Leseerlebnis - während mir das zweite Buch vor allem wegen seines ruhigen Erzählstils gefallen hat, bei dem sich die Spannung langsam aufbaut, so ist sein Erstlingswerk ein wahres Feuerwerk. Von Anfang an war ich in den Bann der Geschichte gezogen und der Plotttwist hat mich umgehauen - dieses Ende hatte ich nicht erwartet. Ich habe das Buch kaum aus der Hand legen können und es in einem Zug durchgelesen.

Damit ist „Tod in der Schorfheide“ in meiner Wahrnehmung ein ganz anderes Buch als „Als das Böse nach Brandenburg kam“ - das finde ich höchst faszinierend und beeindruckend. Mir hat der Debütkrimi von Richard Brandes sogar noch besser gefallen, was die 5/5 Sterne-Bewertung hier direkt vorwegnimmt.

Kommissarin Carla Stach und ihr Kollege Maik Frosch sowie Julia Engel, die diesmal noch im Vermisstendezernat hospitiert, habe ich in Band 2 ja bereits kennengelernt und vielleicht fiel mir der Einstieg in die Geschichte so auch leichter. Meist aus den Perspektiven von Carla und Julia, aber auch in einzelnen Kapiteln aus Sicht anderer Protagonisten erzählt, nimmt Brandes seine Leser*innen in zwei zunächst völlig separat verlaufenden Erzählsträngen mit.

Ein brutaler Mord, bei dem das Opfer lebendig verbrannte, und ein vermisstes Mädchen beschäftigen das Team der Mordkommission sowie das Vermisstendezernat. Wenig ist, wie es zunächst scheint, und nach und nach ergibt sich eine komplexe und hintergründige Geschichte.

Wie auch im zweiten Buch erkennt man Brandes’ Hauptberuf (Psychotherapeut) bei der Ausgestaltung der Charaktere, sowohl bei den Ermittelnden als auch bei den Täterinnen und Tätern. Während im zweiten Band eine düstere Stimmung über allem lag, fand ich dieses Buch deutlich positiver und dynamischer. Wie schon erwähnt, fasziniert mich der Unterschied in der (von mir wahrgenommenen) Tonalität zwischen zwei Büchern desselben Autors, bei denen Protagonisten und Schauplätze identisch bzw. ähnlich sind.

„Tod in der Schorfheide“ ist einer der besten Krimis, die ich jemals gelesen habe. Spannend geschrieben, ohne Längen, mit vielschichtigen und sympathischen, authentischen Charakteren und einer durchdachten, aufwühlenden und plausiblen Story, die vor den Abgründen des menschlichen Verhaltens nicht zurückschreckt.

5/5 Sternen - ohne Frage.

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