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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.08.2017

nicht empfehlenswert

Der Pubertist
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Dies Buch wurde mir von einer Kollegin empfohlen, da es gute Ratschläge enthalte. Laut Inhaltsangabe ist es ein Überlebenshandbuch für Eltern. Beides stimmt nicht.

Es ist ein kleines Büchlein, in dem ...

Dies Buch wurde mir von einer Kollegin empfohlen, da es gute Ratschläge enthalte. Laut Inhaltsangabe ist es ein Überlebenshandbuch für Eltern. Beides stimmt nicht.

Es ist ein kleines Büchlein, in dem auf ca. 200 Seiten das Zusammenleben mit einem sogenannten Pubertisten, also einem Kind in der Pubertät, geschildert wird. Zwischendurch ist es sogar ganz lustig, aber meist wird der Humor durch ständige Wiederholungen erzeugt und ist dann eben irgendwann nicht mehr witzig. Tipps oder Sachen, bei denen man denkt: "Gute Idee, das probiere ich auch mal aus!", gibt es keine.

Insofern war das Buch etwas enttäuschend, aber da es sich schnell liest und manche Seiten nur Bilder enthalten, hält sich die vertane Zeit in Grenzen. Es ist ja auch nicht schlecht. Nur halt überflüssig.

Veröffentlicht am 23.08.2017

Asyl oder Abschiebung

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
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Ich finde unsere Abschiebepolitik sehr schlimm (vor allem diese Nacht und Nebel Aktionen, die Menschen betreffen, die schon lange hier geduldet und integriert sind), aber auch, dass die Politik den Familiennachzug ...


Ich finde unsere Abschiebepolitik sehr schlimm (vor allem diese Nacht und Nebel Aktionen, die Menschen betreffen, die schon lange hier geduldet und integriert sind), aber auch, dass die Politik den Familiennachzug erschwert und dann noch diese absurden Behauptungen, manche Länder seien sicher...

Seit vielen Jahren begegne ich immer wieder Menschen, die lieber sterben wollen, als in Länder zurückkehren zu müssen, wo sie vor dem Sterben noch gefoltert werden und die wegen Suizidversuchen zu uns in die Klinik kommen. Daher interessiert mich das Thema sehr, zumal es jetzt ja viel mehr Menschen betrifft und man in den Medien immer wieder von diesen ungerechten Abschiebepraktiken hört. Es ist unfassbar, welche unmenschlichen Entscheidungen da oft getroffen werden. Insofern wollte ich gerne wissen, wie die andere Seite aussieht und was in den Menschen vorgeht, die solche Entscheidungen treffen. Wie schaffen sie es , Nachts zu schlafen, wenn sie Familien auseinander gerissen haben ? Haben sie kein Herz ? Oder sind unsere Politiker und Gesetze schuld ?

Ich habe durch ehrenamtliche Hilfe hier und in den Flüchtlingslagern auf Lesbos viele der Flüchtlinge kennengelernt, ihre Verzweiflung und Not, aber auch ihre Demut, Dankbarkeit unnd Bescheidenheit. Die tiefe Erleichterung und Erlösung, wenn sie es bis nach Lesbos geschafft haben, werde ich nie vergessen. Und die Vorstellung, wie sie wieder zurück in die Hölle geschickt werden, macht mich krank.

Ich bin also mit großer Neugier an dies Buch heran gegangen und wurde nicht enttäuscht. Ich fand allein schon den Anfang sehr stark. Erst diese Zitate, die schon sehr erschrecken und nachdenklich machen, wie die Politik mit Menschen umgegangen ist und es jetzt wieder tut, und dann der Alptraum der Asylentscheiderin, die ja eigentlich Postbeamtin ist. So sollte es eigentlich allen Entscheidungsträgern gehen, vor allem auf politischer Ebene, damit nicht so eiskalt über Menschenleben entschieden wird. Viele Fragen der Hauptperson stelle ich mir auch. Mit welchem Recht entscheiden Menschen, die die Situation der anderen nicht wirklich kennen, über das Schicksal und das Leben der anderen ? Wie kann ich wissen, ob ein Land wirklich für alle sicher ist, wenn ich selbst nicht den Altag erlebt habe? In dem Buch wird sehr anschaulich geschildert, wie man in so einen Job reinrutschen kann. Allerdings ist die Figur etwas blauäugig und glaubt brav, was ihr eingeredet wird, nämlich, dass nicht genug Ressourcen für alle da seien und man daher "Wirtschaftsflüchtlinge" abschieben müsse. Sie geht da in meinen Augen von einer falschen Prämisse aus und ich hätte es spannender gefunden (und aufschlußreicher), wenn sie nicht die Möglichkeit gehabt hätte, glauben zu können, etwas Gutes zu tun. Wie ist das also mit den anderen Asylentscheidern ? Dachten diese auch zu Anfang etwas Gutes zu bewirken und sind dann lediglich abgestumpft ?

Besonders erschreckend und erschütternd fand ich den Lehrgang, den die Postbeamten im Eilverfahren absolvieren und die Dogmen, die sie dort eingetrichtert bekommen. Das ist wirklich harter Stoff und ich bin entsetzt darüber, aber anders kann man wohl auch nicht verstehen, was Menschen dazu bewegt, andere in die Hölle zurückzuschicken. Diese Sätze "Spüren Sie die Lüge auf!" und "wer einmal lügt, lügt immer" sind eine unglaubliche Unterstellung und Gemeinheit allen anständigen Flüchtlingen gegenüber und legen den Grundstein für Mißtrauen und Ablehnung. Ich selbst hatte einen Patienten mit völlig vernarbten und verkrüppelten Füßen, was eindeutig auf mehrmaliges Foltern zurückzu führen war und er berichtete, wenn er abgeschoben würde, würde er direkt vom Flughafen wieder ins Gefängnis kommen und dort hingerichtet werden. Ich fand schon schlimm, was er bereits durchgemacht hatte, dann zeigte er mir seinen Abschiebebescheid. Als Begründung stand da, er hätte sich die Wunden auch selbst zufügen können, um Asyl unrechtmäßig zu erschleichen. Ich war fassungslos über diese Unterstellung und Wortwahl. Und selbst wenn, wie groß muß die Verzweiflung und das Leid sein, um sich soetwas anzutun ? Er wird nie wieder laufen können und es hätte gar nicht selbst zugefügt sein können. Auch wurde kein Arzt zur Beurteilung hinzugezogen. Wenn die Behördenangestellten aber so gedrillt werden...Nein, eigentlich kann ich diese eiskalte Unmenschlichkeit auch dann nicht verstehen. Und dann diese Aufforderung, sich hinter den Gesetzen zu verstecken, wenn das Gewissen oder Mitgefühl in die Quere kommt. Da kriege ich eine Gänsehaut, denn sowas hatten wir schonmal. Eigentlich sollten die Gesetze für die Menschen gemacht werden und nicht gegen sie, aber ich schweife ab.

In dem Buch wird die menschlichre Not und Verzweiflung gut dargestellt, manchmal auch sehr drastisch, indem z.B. so nebenbei jemand erwähnt wird, der aus dem Fenster gesprungen ist, weil er keinen Ausweg mehr sah. Die Figur der Cochise stellt ein bißchen den Gegenpol oder das Gewissen dar und so langsam beginnt die Asylentscheiderin ihr Tun in Frage zu stellen. Die Wende in ihrem Denken und Handeln kommt durch einen Traum, den sie sehr realistisch erlebt. An ihrem Denken, dass Menschen, die mitansehen müssen, wie ihre Kinder verhungern, weil kein Geld für Essen da ist, die sterben, weil sie sich keine medizinische Versorgung leisten können, die niemals eine Arbeit im Heimatland finden werden, weil sie einer bestimmten Minderheit angehören, nur "Wirtschaftsflüchtlinge" sind und dass wir überfordert seien diesen Menschen zu helfen, hat sich nichts geändert. Aber sie hat sozusagen die menschliche Seite der Not gesehen, die Verzweiflung, die Menschen dazu bringt, sich auf den gefährlichen Weg in eine unsichere Zukunft zu machen. Nun bekommt sie diesen Spagat zwischen Gestzesauflagen und Gewissen nicht mehr hin und dekompensiert.

Was mich etwas gestört hat, ist, dass es in diesem Buch schon wieder eine lesbische Beziehung gibt. Ich finde, das nervt etwas, weil es den Eindruck macht, als würde die Autorin sich diesbezüglich auf einem Kreuzzug befinden. Das hat irgendwie nichts mit dem Thema zu tun. Wenn die Asylentscheiderin sich wenigstens Gedanken darüber machen würde, wie offen, frei und ohne Angst sie das Verlieben in eine Frau ausleben kann, ohne im Gegensatz zu den von ihr abgelehnten Afrikanern um Leib und Leben fürchten zu müssen, dann fände ich die Erwähnung dieser Beziehung sinnvoll. So finde ich das etwas überflüssig. Eigentlich stört mich das nicht, aber wenn es in 4 Büchern 3x vorkommt (im 4. Buch kommen Flüchtlinge selbst zu Wort), dann denk ich schon irgendwann ; "Nicht schon wieder ! Was hat das mit dem Thema zu tun ?" Aber sei´s drum. Es tut der Geschichte ja auch keinen Abbruch.

Erschütternd wieder am Schluß die einzelnen Schicksale und die haarsträubenden Begründungen für die Ablehnungen. Ich hatte immer gedacht, wir schützen Menschen, die in ihrer Heimat verfolgt werden und denen bei Rückkehr Folter und Tod droht, aber dem ist nicht so. Die Infos zu einzelnen Begriffen z.B. was ist subsidärer Schutz oder was besagt diese schwachsinnige Dublin Verordnung finde ich sehr hilfreich.

Insgesamt ein starkes, wichtiges und lesenswertes Buch und ich finde es klasse, dass sich die Autorin unermütlich bemüht, dieses Thema immer wieder von allen Seiten zu beleuchten. Wie wir mit diesen Menschen, die so dringend unsere Hilfe benötigen, umgehen, und wie blind wir für ihr Leid sind, aus Sorge, wir müßten kürzer treten, wenn wir ihnen helfen, ist ein solcher Skandal, dass die Bücher von Maria Braig an den Schulen gelesen werden sollten, um wieder so etwas, wie ein soziales Gewissen und Mitmenschlichkeit zu wecken.

Veröffentlicht am 15.08.2017

unecht

Stinas Entscheidung
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An manchen Stellen sträubten sich mir die Nackenhaare. Nicht wegen des Themas : Mißbrauch von Kindern, Gewalt in der Ehe, Psychoterror, sondern über die Art, wie teilweise damit umgegangen ...


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An manchen Stellen sträubten sich mir die Nackenhaare. Nicht wegen des Themas : Mißbrauch von Kindern, Gewalt in der Ehe, Psychoterror, sondern über die Art, wie teilweise damit umgegangen wurde.

Stina hatte einen Psychopathen geheiratet, viel in der kurzen Ehe gelitten, dann geschafft sich zu trennen, wurde von ihrem Ex vergewaltigt und dabei wieder schwanger. Dann wurde sie gezwungen, die Kinder paar Wochen zu ihm nach Amerika zu schicken, wo ihr Ex inzwischen wohnte, weil er sonst wieder nach Schweden käme...

Welche Mutter opfert denn so ihre Kinder ? Dann wäre er halt wieder nach Schweden gekommen und hätte mir vielleicht erneut was angetan oder mich terrorisiert, aber ich hätte ihm doch nicht aus Selbstschutz meine Kinder überlassen ! Oder ich wäre mitgefahren. Aber gut, sie hat sich dafür entschieden und - Achtung Spoiler - das Schrecklichste geschieht und die 6jährige wird vergewaltigt. Bis dahin spannend zu lesen, glaubhaft und auch wenn ich anders gehandelt hätte, war alles nachvollziehbar. Aber was mich schockiert hat war, dass, als das mißbrauchte Mädchen mit ihrer Mutter über Per (so der Name des Exmannes) spricht, diese sagt " Dein Papa hat mich schrecklich verprügelt..." (S.104). Wie kann man nur ! Kann man da nicht von "mein Ex Mann" oder "Per" oder so reden ? Muß man dem Kind quasi klarmachen, dass es von so einem Kerl abstammt. Es reicht doch, dass sie dies weiß (obwohl er für sie ein Fremder ist, da sie bei der Trennung erst 1 Jahr alt war). Die Mutter sollte lieber die Verantwortung übernehmen und von "mein Ex" sprechen, da "Dein Vater" indirekt schuldgefühle hervorrufen kann. Das 2., was ich völlig unmöglich fand, war die Situation, als sich die Kleine auf Toilette einschloß und der Großvater die Tür (ohne Notwendigkeit) gewaltsam eingeschlagen hat. Das Kind ist als sie auf Toilette war vom Vater überfallen und mißbraucht worden. Da ist es doch verständlich, dass sie sich jetzt lieber einsperrt, um ein Gefühl von Sicherheit zu haben. Und dann wird die Tür eingeschlagen... Auch wenn sie den Großvater liebt wird ihr doch dadurch jegliches Gefühl von Sicherheit genommen. Mich wundert, dass sie überhaupt noch wieder auf Klo gehen kann, wo sie doch erlebt, dass selbst, wenn sie sich einschließt nie sicher sein kann, ob nicht doch wieder jemand reinkommt.

Mir scheint auch, die Autorin hat nie mit mißbrauchten Kindern zu tun gehabt oder sich nicht mit Leuten unterhalten, die damit arbeiten. Das, was sie die Kleine sagen lässt passt nicht. Kein Kind redet auf diese Weise über den Mißbrauch. An manchen Stellen ist es ihr gut gelungen, an anderen gar nicht. Die meisten Kinder haben große Schamgefühle und oft auch Schuldgefühle. Dieses Kind nicht. Sie hat für alles Verständnis und redet ganz offen darüber. Sie spricht von sich aus den Pfarrer an, um mit ihm darüber zu sprechen usw.

Auch sonst wird einiges immer haarsträubender. Da wird betont, dass man dem Kind unbedingt die Wahrheit über alles sagen muß und dann wird ihr gesagt, Mädchen hätten noch keine Gebärmutter und Eierstöcke ! Was für ein Schwachsinn. Vielleicht hat die Autorin ja auch nur in Bio gepennt, aber ich fand das ziemlich erschreckend. Genauso abstrus ist, dass einem ausländischen Pfarrer erlaubt wird, Tonbänder, auf denen seine Gespräche mit einem Gefangenen aufgezeichnet wurden und die ein Geständnis enthalten, also Beweismaterial sind, mit nach Hause zu nehmen, mit ins Ausland zu nehmen und Angehörigen vorzuspielen.

Es gibt noch viele andere Stellen, die schlecht erfunden sind. Insgesamt wurde das Buch, was stark anfing, zunehmend flacher. Die Dialoge fand ich nicht ausgereift und oft stand da : "Sie lachten beide", obwohl es nicht zu dem vorher Gesagten passte. Es ist schade, wenn bei einem so wichtigen Thema die Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt. (z.B. dass man eine Leiche in wenigen Stunden komplett zerstückelt, die Teile verpackt, rausrudert und sie im See versenkt, zurückrudert und dann Boot und die ganze Wohnung so putzt, dass nicht die geringsten Spuren zu entdecken sind, die Betten neu bezieht und den Rest der Nacht schläft halte ich für nicht möglich. Wie soll ein Kind einen Oberschenkelknochen durchbekommen ?)

Anfangs hat mir das Buch gut gefallen, aber durch die vermehrt auftretenden Fehler, ist mir die Lust am Lesen bald vergangen. Besonders gestört hat mich die unrealistische Darstellung eines mißbrauchten Kindes.

Überrascht war ich, als ich merkte, dass die Autorin auch " Simon " geschrieben hat, welches ich klasse fand und " Hannas Töchter ", worüber ich viel Gutes gelesen habe. Dies Buch ist ihr nicht so gut gelungen.

Veröffentlicht am 08.08.2017

vielschichtig

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
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Dies Buch ist so vielschichtig, dass mir eine Rezension zum ersten Mal richtig schwer fällt. Auch hat es sehr gemischte Gefühle ausgelöst. Von manchen Gedanken war ich sehr angetan. Vieles machte nachdenklich. ...

Dies Buch ist so vielschichtig, dass mir eine Rezension zum ersten Mal richtig schwer fällt. Auch hat es sehr gemischte Gefühle ausgelöst. Von manchen Gedanken war ich sehr angetan. Vieles machte nachdenklich. Manches erschütterte. Einiges habe ich mir rausgeschrieben, weil ich zu wichtig fand, um es zu vergessen. Und anderes fand ich so abstoßend, dass ich den ganzen guten Eindruck des Buches in Frage gestellte habe. Wieder andere Dinge fand ich zutiefst verstörend.

Zum Inhalt : Die Geschichte spielt in Tschechien zur Zeit der Russischen Okkupation (1968). Tomas, ein Arzt, ist mit Teresa verheiratet, hat aber viele Geliebte. Vor allem mit Sabina hat er eine längere Affaire. Sie wiederum ist im Laufe der Geschichte mit Franz zusammen. Erzählt wird das Ganze aus den verschiedenen Perspektiven der Figuren und der des Autors, sodass man einen tiefen Eindruck gewinnt, von der Gedanken- und Gefühlswelt der Personen, sowie ihre Entwicklung. Es findet ein ständiger Wechsel von Zeiten und Rückblicken, Vorschauen, Träumen und Gegenwart statt, die aber nicht verwirren. Man kann trotz dieser Zeitsprünge dem Geschehen sehr gut folgen.

Dies Buch ist einerseits sehr politisch, andererseits werden die Beziehungen der Personen bis ins kleinste Detail philosophisch analysiert, und dann folgt wieder spannende Handlung. Trotzdem ist es nicht chaotisch, sondern läßt sich wunderbar lesen.

Erschütternd fand ich, wie die Radioansprache von Dubcek geschildert wird, der nach 6 Tagen Haft kaum noch sprechen kann, so zugerichtet war er. Auch sonst wird immer wieder Bezug auf die geschichtlichen Ereignissen dieser Zeit in Prag genommen. Es wird z.B. erwähnt, wie in allen Städten sämtliche Straßenschilder über Nacht verschwanden als die Russen einmarschierten und diese somit eine Woche lang umher irrten, ohne zu wissen, wo sie waren oder die strategisch wichtigen Gebäude (z.B. Rundfunk und Fernsehen) zu finden. Aber die historischen Geschehnisse sind nicht nur Kulisse, sondern haben auch Einfluß auf das Leben der Figuren. So darf Tomas nicht länger als Arzt praktizieren und wird Fensterputzer. Durch sein Schicksal wird deutlich, wie perfide die Methoden der Besatzer sind, um Leute zu zwingen, das zu tun, was ihnen im innersten (aus moralischen, ethischen oder Loyalitätsgründen) widerstrebt. Das Regime bringt die Leute in eine ausweglose Situation. Um sich selbst zu retten (Job, Wohnung, Ansehen oder auch das Leben selbst), muß man andere fälschlich beschuldigen und somit seine Ehre, seinen Anstand, seine Selbstachtung und seine Seele verkaufen. Dadurch, dass immer mehr Menschen gezwungen werden, Statements oder Dementi zu unterschreiben und somit andere zu denunzieren, kommt es zu einer gezielten, systematischen Demoralisierung des Volkes. Und diejenigen, die versuchen sich dem entgegen zu stellen, indem sie z.B. Unteschriften sammeln, um politische Gefangene zu befreien, wissen, dass sie nichts erreichen werden. Sie stehen also "vor der Wahl : entweder Theater zu spielen oder gar nichts zu tun ". (S. 256). Schlimm fand ich auch die Schilderung, wie das Volk in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde, um Hemmschwellen abzubauen, die Aggressivität zu fördern und zu lenken und diese Kampagne (zunächst nur gegen Tiere z.B. Hunde) von den Zeitungen geschürt wurde. Es ist echt erschreckend, wie einfach das geht und das Buch ist daher immer noch ziemlich aktuell.

Wie gesagt, wird die Geschichte aus der Sicht der verschiedenen Personen, aber auch der des Autors erzählt. Sei es, dass der Autor einige Seiten einschiebt, wo er detailiert erklärt, was einzelne Begriffe für Sabina und für Franz bedeuten (z.B. Frau, Musik, Friedhof) und weshalb dies so ist, sei es, dass er philosophische Betrachtungen anstellt, warum seine Figuren so handeln. An einer Stelle schreibt er, dass die Personen seines Romans seine eigenen Möglichkeiten seien, die sich nicht verwirklicht haben. Manchmal mischt er auch die Erzählweisen: " Einige Tage später fiel Tomas ein Gedanke ein, den ich als Ergänzung zum vorigen Kapitel hier anführen will :..." (S.215). Dieser Schreibstil hat mir sehr gefallen, denn er ist dem Autor unglaublich gut gelungen und bereichert das Buch.

Was mich ein wenig verstört hat, ist die Mutter von Teresa und wie sie sich in ihr gegenüber verhalten hat. Teresas daraus resultierende Alpträume werden ausführlich analysiert und da die Mutter Teresa sehr geprägt hat, sind sie in den verschiedensten Situationen immer wieder Thema. Was mich sehr verstört hat, ist eine Szene, in der Tomas Teresa einen Berg hochschickt, wo ein Mann Menschen erschießt, die Selbstmord begehen wollen. Dies ist die einzige Stelle, wo ich nicht sicher bin, ob ein Traum oder Wirklichkeit geschildert wird. Mit keinem Wort wird angedeutet, es könne ein Traum sein, aber wenn das die Wirklichkeit ist, dann will ich dies gar nicht wahrhaben. Völlig daneben fand ich die seitenlange philosophische Abhandlung über Sch... und die Frage, ob Gott auch Darmtätigkeit hat, wo er uns doch nach seinem Ebenbild erschaffen hat. Da hätte ich das Buch am liebsten weggelegt und nicht weiter gelesen. Den Sch... hätte er sich echt schenken können.

Dies ist absolut nicht mein Genre (bin Krimifan), aber es war interessant, lies sich gut lesen und hatte einen ungewöhnlichen Schreibstil, der mir sehr gefiel. Der Klappentext besagt, es sei "einer der witzigsten und intelligentesten Romane", der "höchste inrellektuelle Ansprüche befriedigt." Dem kann ich mich allerdings nicht anschließen. Dennoch kann ich dies Buch empfehlen.

Veröffentlicht am 31.07.2017

wie von Agatha Christie

Eines natürlichenTodes
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England 1925. Eine alte Dame stirbt und obwohl sie an Krebs litt, kommt ihr plötzlicher Tod etwas überraschend. Dem behandelnden Arzt kommt dies nicht geheuer vor, aber er setzt sich ziemlich in die Nesseln, ...

England 1925. Eine alte Dame stirbt und obwohl sie an Krebs litt, kommt ihr plötzlicher Tod etwas überraschend. Dem behandelnden Arzt kommt dies nicht geheuer vor, aber er setzt sich ziemlich in die Nesseln, als er den Tod genauer untersuchen will. Durch Zufall lernt er Lord Peter Wimsey kennen und schildert ihm seinen Verdacht. Dieser, ein betuchter Hobbydetektiv, ist gleich Feuer und Flamme. Die Ermittlungen ziehen sich jedoch hin (genau wie das Buch) und Lord Wimsey bittet eine Bekannte, ihm zu helfen. Diese begibt sich in das Dorf, wo die alte Dame gelebt hatte und zieht unauffällig - ganz im Stil von Miss Marple - Erkundigungen ein. Doch dann stirbt ein entlassenes Hausmädchen der alten Dame....

Das Buch erinnert sehr an die herrlichen Miss Marple Krimis von Agatha Christie. Die Autorin, Dorothy L. Sayers, hat einen ähnlichen Schreibstil und ähnliche Figuren, Landschaften, Handlungen usw.und der Krimi spielt zur gleichen Zeit. Sie zählt neben A. Christie und P.D. James zu den großen Krimiautorinnen Englands. Zu Recht kann ich nach diesem Buch sagen. Erschienen ist es 1927.

Es ist teilweise zwar etwas langatmig und zieht sich, bleibt aber durchweg spannend. Ich habe eine ungekürzte Ausgabe ( 265 Seiten) gelesen, aber es gibt wohl auch eine gekürzte Übersetzung. Die ist vielleicht weniger langatmig, vielleicht büßt sie aber auch viel des Charmes ein.

Wer die Bücher von Agatha Christie liebt, wird auch diese Autorin schätzen. Mir jedenfalls hat´s gefallen.