enttäuschend
Der jüdische PatientDa ich in der Psychiatrie arbeite interessiert mich natürlich auch immer die Sicht der Patienten auf ihre Erkrankung, ihre Therapie und was ihnen letztendlich geholfen hat, gesund zu werden. Hier dachte ...
Da ich in der Psychiatrie arbeite interessiert mich natürlich auch immer die Sicht der Patienten auf ihre Erkrankung, ihre Therapie und was ihnen letztendlich geholfen hat, gesund zu werden. Hier dachte ich, dass ein Bericht eines Comedian sicher mal einen etwas anderen Blickwinkel auf eine Depression wirft.
Welch eine Enttäuschung : Gossensprache, Fäkalsprache, Abwertung fast aller anderen Menschen, endlose Beschreibungen seiner Kleidung, die er grade anhat (mehrfach in jedem Kapitel), Besuch im Puff en detail und immer wieder das Thema : seine Rolle als Jude.
Anfangs war noch etwas Humor vorhanden, aber schnell entwickelte sich das Buch zu einem einzigen auskotzen . Die Depression, der Klinikaufenthalt und die Therapie werden nur gestreift. Wirkte der Autor zunächst nur sehr oberflächlich, so wurde er zunehmend unsympathisch. Dass jemand mit Depressionen sich selbst nicht mag und erträgt und abwertet ist Teil der Erkrankung, dass er aber andere Menschen ständig entwertet, abwertet und völlig überheblich und arrogant über sie unflätigst herzieht, ist nicht Teil einer Depression. Im Gegenteil, man empfindet sich eher als Last für andere und möchte niemandem seine Anwesenheit zumuten. Hier kommt wohl eher die Persönlichkeit des Autors hervor und so wie er das sieht, ist er das Opfer seiner Herkunft, seiner Heimatstadt, seines Landes, in dem man keinen Humor hat und all der Menschen die ja sooo eine Zumutung für ihn sind, obwohl sie einfach nur so sind, wie sie sind.
Ich habe mehrfach überlegt, ob ich nicht einfach aufhöre zu lesen und das Buch in mein "das Leben ist zu kurz"-Regal stelle, aber da es so dünn ist und ich wissen wollte ob es nicht doch irgendein brauchbares Fazit gibt, habe ich weiter gelesen. Letzteres gibt es übrigens nicht.
Als Comedian möchte ich ihn gar nicht erst sehen. Er behauptet mehrfach, dass man keinen Humor besitzt, wenn man Witze über vergewaltigte Kinder oder den Holocaust nicht lustig findet. Ich lasse mir meinen Humor aber nicht absprechen, wenn ich das Leid hinter diesen Taten sehe und es daher nicht witzig finde, wenn sich jemand so geschmack- und pietätlos darüber lustig macht.
Der einzige Grund, warum ich dem Buch doch noch 1 Stern gegeben habe, ist der, dass ich es gut finde, dass er offen darüber spricht, depressiv gewesen zu sein und sich Hilfe in einer Klinik geholt zu haben, denn dies ist leider oft noch mit einem Stigma belegt.