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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2018

Nicht so heiß

Wie heiß ist das denn?
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Bea ist Mitte 40 und steht voll im Leben. In ihrem Laden Wohn(t)räume lässt sie ihrer kreativen Ader freien Lauf. Nur leider läuft es im Moment nicht so gut. Ihrem Laden fehlen die Aufträge, sie wird immer ...

Bea ist Mitte 40 und steht voll im Leben. In ihrem Laden Wohn(t)räume lässt sie ihrer kreativen Ader freien Lauf. Nur leider läuft es im Moment nicht so gut. Ihrem Laden fehlen die Aufträge, sie wird immer öfter von Hitzewellen heimgesucht, ihr Freund macht mit ihr Schluss und dann tauchen zu allem Überfluss auch noch ihre Mutter und ihre Tochter mit neuen Lovern auf, die eher in ihrer Altersliga spielen. Bea reicht es. Sie erteilt sich ein Männerverbot und versucht, wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen. Und in das ihrer Tochter. Ein 20 Jahre älterer Lover? Geht gar nicht. Und macht der ihr auch noch schöne Augen? Nicht mit Bea!

Ellen Berg hat einen sehr speziellen Schreibstil. Ihre Fans lieben ihn. Er trieft nur so von Klischees und lockeren Sprüchen, für die man eigentlich einige Euro ins Phrasenschwein werfen müsste. Ich werde mit dem Stil nicht warm. Und ich habe es schon öfter versucht, denn die Geschichten an sich finde ich für Zwischendurch recht amüsant. Dass Beas Tochter Mona aber offensichtlich den Duden der deutschen Jugendsprache verschlungen hat, ging mir so auf den Keks, dass ich nach einem Drittel des Buches kurz vor Abbruch war. Und das passiert mir nicht oft. Irgendwann wurde es besser, vielleicht, weil die Sprüche nachgelassen haben, vielleicht, weil ich mich dran gewöhnt habe, vielleicht, weil ich irgendwie doch wissen wollte, wie es ausgeht.

Die Geschichte an sich ist recht amüsant. Bea stolpert von einer Katastrophe in die nächste, benimmt sich an den richtigen Stellen daneben und merkt so einiges viel zu spät. Es gibt ein paar Wendungen, die wenig überraschend waren. Interessant fand ich Beas Einrichtungsideen, und das Prinzip der Rudelbildung muss ich mal beherzigen. Auch sehr ans Herz gegangen ist mir Beas Besuch in Amalfi bei ihrer Tante. Die italienische Mentalität ist einfach herzerwärmend. Ansonsten: Nicht so mein Fall und 3 sehr wohlwollende Sterne.

Veröffentlicht am 19.03.2018

Drei unterschiedliche Leben und doch miteinander verknüpft

Der Zopf
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„Der Zopf“ erzählt von drei starken Frauen auf drei Kontinenten, der Leben auf unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem miteinander verbunden sind.
Smita lebt in Indien und ist eine Dalit. Als ...

„Der Zopf“ erzählt von drei starken Frauen auf drei Kontinenten, der Leben auf unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem miteinander verbunden sind.
Smita lebt in Indien und ist eine Dalit. Als „Unberührbare“ muss sie den Dreck der anderen wegmachen. Damit ihre Tochter es eines Tages besser hat als sie, verlässt sie ihr Heimatdorf.
Giulia arbeitet auf Sizilien in der Perückenfabrik ihres Vaters. Eines Tages muss sie entdecken, dass das Familienunternehmen vor dem Ruin steht. Sie fasst einen mutigen Plan.
Die kanadische Anwältin Sarah ist durch und durch auf ihre Karriere fixiert. Ihr Privatleben vernachlässigt sie. Als sie schwer erkrankt, zieht sich erst zurück und fasst dann neuen Mut.

Der Schreibstil ist flüssig und ermöglicht einen schnellen Lesefluss. Abwechselnd werden die Geschichten der drei Hauptfiguren in kurzen Kapiteln erzählt, wodurch der Leser animiert wird, zügig weiter zu lesen. Was mir direkt aufgefallen ist: es gibt keine wörtliche Rede im Buch, wohl aber redende Personen. Aber auch das tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch, im Gegenteil, es ist irgendwie besonders.

Besonders spannend und erschreckend fand ich den Handlungsstrang um Smita aus Indien. Hier werden die gesellschaftlichen Unterschiede, die in dem Land noch heute herrschen, besonders deutlich gezeigt. Ist man in die falsche Familie, die falsche Kaste hineingeboren, gibt es keinen Ausweg, es hilft nur das Hoffen auf ein besseres Schicksal im nächsten Leben.

Das verbindende Element in dem Roman kommt nicht sonderlich überraschend, aber darum geht es auch nicht in diesem Buch. Neben ernsten Themen wie Krankheit, Diskriminierung, Familientraditionen und sozialen Ungerechtigkeiten geht es im Roman vor allem um starke Frauen, die kämpfen: Um ihren Familienbetrieb, um ein besseres Leben, um ihre Gesundheit. Und die es auch heute noch schwer haben, sich durchzusetzen. Weil sie Frauen sind, weil sie in der falschen Gesellschaftsgruppe sind.

Das Buch hat mich sehr beeindruckt und berührt. Die Autorin hat es geschafft, mich mit ihren geschickt verknüpften Handlungssträngen in den Bann zu ziehen. Ein schönes Debüt!

Veröffentlicht am 19.03.2018

Ein herzergreifender Roman über Verlust, Trauer und Liebe

Für immer ist die längste Zeit
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Maddy, Ehefrau und Mutter einer Teenagertochter, ist vom Dach der Bibliothek gestürzt. Ihr Umfeld, besonders aber ihre Tochter Eve und ihr Mann Brady können nicht verstehen, warum Maddy sich selbst das ...

Maddy, Ehefrau und Mutter einer Teenagertochter, ist vom Dach der Bibliothek gestürzt. Ihr Umfeld, besonders aber ihre Tochter Eve und ihr Mann Brady können nicht verstehen, warum Maddy sich selbst das Leben nahm. Plötzlich sind sie auf sich allein gestellt und müssen lernen, ohne Maddy zurecht zu kommen. Dabei lernen sie viel über sich selbst, streiten sich, kommen sich näher. Und sie spüren: Sie sind nicht allein. Denn Maddy ist bei ihnen, sie beobachtet das Geschehen von oben und greift hier und da unterstützend ein, wenn es nötig wird.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Maddy, Eve und Brady erzählt. Ich finde einen Perspektivwechsel immer spannend, denn so kann man sich sehr gut in die Personen hineinversetzen und sieht die Geschehnisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So auch hier. Leider ist der Schreibstil bei allen drei Sichten sehr ähnlich, sodass man schnell mal durcheinander kommen kann, aus wessen Perspektive denn nun erzählt wird. Trotzdem war diese Art der Erzählweise sehr interessant, zumal auch aus der Sicht der toten Maddy erzählt wurde. Ihre Beobachtungen, aber auch Rückblicke und Erinnerungen führten bei mir dazu, dass ich sehr lange gerätselt habe, warum Maddy sich in den Tod gestürzt hat. Die Auflösung kommt am Ende und war für mich an der Stelle nicht mehr so überraschend. Die Autorin schafft es aber, hier die Spannung und das Rästelraten um Maddys Beweggründe lange aufrecht zu erhalten. Auch wenn die Vorstellung, dass eine geliebte Person aus dem Jenseits zuschaut und sogar aktiv ins Geschehen eingreift, etwas befremdlich ist, so fand ich es auch tröstend.

Spannend war auch Eves Sicht. Der Teenager macht eine große Wandlung durch, der Tod ihrer Mutter hat bei Eve einige Denkprozesse angestoßen. Sie stellt ihr oberflächliches Teenagerleben immer mehr in Frage und wächst mit der Zeit an ihrer Trauer und ihren Gedanken. Eves Wandel hat auch einiges bei mir ausgelöst, denn sie reflektiert ihr Verhalten ihrer Mutter gegenüber, das –typisch Teenager – häufig sehr selbstbezogen war. Auch wenn ich lange aus dem Teenageralter heraus bin, habe ich mir aus dem Buch vor allem mitgenommen: ab und an die Perspektive wechseln tut allen Seiten gut. Und: Genieße den Moment.



Die Autorin sagt selber, dass sie in ihrem Roman aufgreifen wollte, wie Teenager mit Verlust umgehen, da sie selbst als Teenager einen geliebten Menschen verlieren musste. Ich finde, das ist ihr sehr gut gelungen. Neben der Trauer und dem Verlust werden im Roman auch viele andere Themen angesprochen. Es geht um Depressionen, um Anerkennung, Oberflächlichkeit, Vergänglichkeit. Vieles, das zum Nachdenken anregt und nachwirkt. Für mich war dieser Roman ein wirkliches Lesevergnügen, der mir einige Impulse mitgegeben hat.

Veröffentlicht am 02.03.2018

Wenn ein Fluch dein Leben zerstört

Der Fluchsammler
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Die Streetworkerin Elisabeth lebt zurückgezogen in ihrer Wohnung. Denn sie ist mit einem Fluch belastet: Jeder, den sie berührt, stirbt kurz darauf. Eines Tages steht Vincent, der Fluchsammler, vor ihrer ...

Die Streetworkerin Elisabeth lebt zurückgezogen in ihrer Wohnung. Denn sie ist mit einem Fluch belastet: Jeder, den sie berührt, stirbt kurz darauf. Eines Tages steht Vincent, der Fluchsammler, vor ihrer Tür und will ihr helfen. Aber kann Elisabeth ihm vertrauen? Und warum sammelt Vincent überhaupt Flüche, mit wem arbeitet er zusammen?

Das Buch hat mir gut gefallen. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen. Man taucht in die Gefühle und Gedanken der Protagonisten, vor allem in die von Vincent und Elisabeth, ein und fühlt mit ihnen. Das wird vor allem durch den Perspektivwechsel zwischen Vincent und Elisabeth unterstützt und macht das Buch sehr abwechslungsreich.

Die Idee eines Fluchsammlers, der versucht, Menschen von ihren Flüchen zu befreien, fand ich sehr spannend und auch gut umgesetzt. So etwas habe ich bisher noch nicht gelesen. Und ein bisschen Liebe darf natürlich auch nicht fehlen.

Der Fluchsammler war für mich ein sehr unterhaltsames, kurzweiliges Buch, das ich vor allem jugendlichen Lesern weiterempfehlen würde.

Veröffentlicht am 02.03.2018

Revolutionäre Liebe

Nelkenliebe
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Katharina ist Mitte Dreißig, lebt mit ihrem Freund in Berlin und ist nach eigener Aussage noch heute ein „Papa-Kind“. Als ihr geliebter Vater ihr offenbart, dass er unheilbar krank ist und sie bittet, ...

Katharina ist Mitte Dreißig, lebt mit ihrem Freund in Berlin und ist nach eigener Aussage noch heute ein „Papa-Kind“. Als ihr geliebter Vater ihr offenbart, dass er unheilbar krank ist und sie bittet, für ihn nach Portugal zu reisen und dort nach seiner Jugendliebe Marisa zu suchen, zögert sie nicht lange und mietet einen alten Camper von Surferboy Nuno. Ihr Freund ist von dieser Art des Urlaubs gar nicht so begeistert, kommt aber dennoch mit. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Marisa, die ihn den Wirren der Diktatur und der darauffolgenden Nelkenrevolution verschwand und erst später wieder auftauchte, um sich von Katharinas Vater zu trennen und ihn zurück nach Deutschland zu schicken. Eine abenteuerliche Reise durch Portugal beginnt und hält für alle Beteiligten so einige Wahrheiten und Überraschungen bereit.

Das Thema des Buches hat mich sofort interessiert. Ich war vor zwei Jahren selbst mit dem Mietwagen in Portugal unterwegs und bin noch immer verzaubert von diesem Land. Über die in den 70er Jahren noch herrschenden Diktatur und die befreiende Nelkenrevolution wusste ich aber bis heute sehr wenig. Und so habe ich mir einige geschichtliche Hintergründe und eine schöne Fantasiereise in das wunderschöne Land erhofft. Diese Hoffnung wurde allerdings nur zum Teil erfüllt. Zwar habe ich einiges über die Geschichte erfahren, und besonders schockiert war ich über den Umgang mit Frauen und der allgemeinen Bevölkerung, die absichtlich klein und dumm gehalten wurde. Allerdings sind die geschichtlichen Hintergründe nur sehr oberflächlich beschrieben, mir fehlte es an Tiefgang und Details, die ich nicht in 5 Minuten googlen könnte. Schade, hier hätte es mehr Potential gegeben.

Sehr schön fand ich die landschaftliche Beschreibung des Landes, ich habe mich in meinen Urlaub zurückversetzt gefühlt. Ich hatte allerdings auch das Gefühl, dass so viel Landestypisches wie möglich eingebaut werden sollte, was jedem Touristen bei einem Besuch in Portugal zwangsläufig über den Weg läuft: die Puddingtörtchen Pasteis de Nata, Vinho Verde, Fado. Geheimtipps leider Fehlanzeige. Für das Portugalfeeling hat es aber gereicht.

Der Schreibstil war gut zu lesen. Sehr gut hat mir gefallen, dass die Perspektiven zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit gewechselt haben und dennoch sehr gut miteinander verknüpft waren. Teilweise war mir der Schreibstil aber etwas zu einfach, die Protagonisten, vor allem Vater Gerd und Katharina, hatten Ausdrucksweisen, die ungewöhnlich sind für erwachsene Menschen. Auch für erwachsene Berliner. Das Ende war mir etwas zu heile Welt, zu viele Zufälle, es lief zu glatt.

Dennoch: Ein schönes Buch für alle, die sich noch nicht viel mit Portugal auseinandergesetzt haben, die ein wenig über das Land und die Geschichte lernen wollen. Nicht empfehlenswert für Menschen, die schnell an Fernweh erkranken, denn das kann das Buch: Sehnsucht nach Portugals Sonne wecken. Und nach Puddingtörtchen.