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Veröffentlicht am 22.12.2019

Die Schuld jenes Sommers

Die Schuld jenes Sommers
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Ein Augusttag vor 24 Jahre ist der Wendepunkt in Fances' Leben gewesen. Er beendet abrupt die Freundschaft der achtjährigen Mädchen Frances und Wyn, als letztere spurlos verschwindet. Doch eine Nacht des ...

Ein Augusttag vor 24 Jahre ist der Wendepunkt in Fances' Leben gewesen. Er beendet abrupt die Freundschaft der achtjährigen Mädchen Frances und Wyn, als letztere spurlos verschwindet. Doch eine Nacht des Jahres 1942 ändert alles: Die Deutschen bombardieren Bath, und am Morgen danach vermisst Frances den kleinen Davy, auf den sie aufpassen sollte. Sie hatte ihn in die Obhut eines Ehepaares gegeben, weil sie am Geburtstag von Wyn einen Moment ihrer Freundin gedenken wollte.

Ist auch Davy im Bombenhagel umgekommen? Die Spuren sprechen dagegen, und die junge Frau ist sicher, dass Davy überlebt hat. Belastet von massiven Schuldgefühlen, die noch von Davys Mutter Carys verstärkt werden, begibt sie sich auf die Suche. Hierbei wird sie scheinbar von der Vergangenheit eingeholt. Denn außerdem werden in den Trümmern die sterblichen Überreste von Wyn gefunden. Immer mehr Hinweise offenbaren, dass die Wahrheit über deren Tod erschreckender ist als bisher gedacht. Und mit jeder tiefer gehenden Erinnerung verstärkt sich Frances' Überzeugung, dass für das damalige Verbrechen nicht die richtige Person zur Rechenschaft gezogen wurde und wie wichtig es ist, endlich zu wissen, was 1918 tatsächlich passiert ist?


Katherine Webb siedelt ihren Roman „Die Schuld jenes Sommers“ in zwei Zeitebenen an: Es sind zum einen die letzten Monate des ersten Weltkrieges von 1918 und zum anderen das Jahr 1942, und sie verknüpft beide auf nahtlose Art und Weise. Sie schildert in stimmigen und detaillierten Bildern den Alltag der Menschen im von Traditionen geprägten Bath mit jenen Ereignissen, die eine solche Gemeinschaft ausmachen, und packt das Schicksal ihrer Figuren in eine fesselnde und teilweise mysteriöse Handlung, die tiefe Einblicke in die Seele besonders ihrer Heldin Frances ermöglicht.

Dabei ist die Grundstimmung nicht nur in den Rückblenden des Jahres 1918 düster und oft sehr drückend. Während Frances in einer liebevollen Familie und ohne massive Entbehrungen aufwächst, sind Wyn und ihre Geschwister den Launen und Schlägen des Vaters ausgesetzt. Davon gibt es reichlich, die Mahlzeiten sind hingegen eher spärlich.

Die lichten Momente der Freundschaft der beiden Mädchen verschaffen dem Geschehen für Augenblicke Frohsinn, der Frances auch Jahre später noch mit Wyn verbindet. Allerdings ist Frances' Erinnerung lückenhaft, ja ihr Geist wehrt sich sogar, einzelne Begebenheiten abzurufen. Lediglich unklare Bilder, oft in Albträumen, zeigen sich. Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, dass nicht jener geflohene Kriegsgefangene Wyn getötet haben kann, mit dem sich „die kleinen Schwestern“ anfreundeten und mit Nahrung versorgten.

Indes sind die Menschen nicht gewillt, dem Drängen von Frances nachzugeben, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Sie klammern sich an das Offensichtliche, Greifbare. Daher stößt Frances auf Unverständnis und Widerwillen und findet wenig Unterstützung in ihrem Bestreben, das Dunkel zu erhellen. Zudem muss sie sich mit ihren verschütteten und verdrängten Kindheitserinnerungen auseinandersetzen und diese in einen entsprechenden Kontext bringen.

Frances leidet unter dem Tod von Wyn, ebenso belasten sie Carys Vorwürfe. Das Fatale: Carys ist nicht nur Davys Mutter, sondern auch die ältere Schwester von Wyn. Seit Jahren trinkt sie und vernachlässigt ihre Kinder. Im Gegensatz zu Frances gibt es für sie keine ungeklärte Wahrheit über den Tod ihrer Schwester. Die Vergangenheit ist abgeschlossen, und die Fragen und Nachforschungen von Frances sind ihr mehr als unangenehm.

Katherine Webb meistert die emotionale Herausforderung ihrer Protagonistin mit hoher Ausdruckskraft und vermag es ausgezeichnet, die Verlustängste, die Verzweiflung, die Selbstbezichtigungen sowie den einhergehenden geistigen und körperlichen Schmerz spürbar werden zu lassen.

Auch dadurch wird „Die Schuld jenes Sommers“ zu einem komplexen historischen Roman, der mit einer durchdachten und tiefgreifenden Handlung aufwartet, die einen bewegt und mitempfinden lässt.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Diebe in Berlin

Magie hoch zwei – Diebe in Berlin
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Zwei Tage Schneefall haben Berlin eine weiße Decke beschert, so dass Elli, Idi und ihre Freunde Phlip und Henriette endlich einmal Schlitten fahren können und sich auf den Weg zur Kiesgrube im Grunewald ...

Zwei Tage Schneefall haben Berlin eine weiße Decke beschert, so dass Elli, Idi und ihre Freunde Phlip und Henriette endlich einmal Schlitten fahren können und sich auf den Weg zur Kiesgrube im Grunewald begeben. Besonders Elli ist begeistert und findet sich mit fast 13 auf keinen Fall zu alt dafür.

Am Grunewaldsee entdeckt Lou, Henriettes Beagle, im Schilf einen Hundewelpen. Wo kommt der denn her, und wer bitte setzt überhaupt einen Welpen aus? Vor allem einen so wertvollen. „Ronny“ ist nämlich eine Rassehund, und zwar ein Rhodesian Ridgeback.

Verfolgt von miesen Typen, stellt sich ziemlich schnell heraus, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Offensichtlich treibt eine Diebesbande ihr Unwesen in der Stadt, an deren Spitze „Die Chefin“. Und mit der scheint nicht gut Kirschen zu essen, wie die Freunde bald begreifen müssen...


Mit „Diebe in Berlin“ lässt Sibylle Luig die jungen Leser zum dritten Mal an den Abenteuern der Hexen-Zwillinge Elli und Idi teilhaben. „Magie hoch zwei“ wird hier großgeschrieben.

Von Vorteil wäre es, die Reihe mit dem ersten Band zu beginnen, da sich mit den Vorkenntnissen aus vorherigen Geschehnissen manche Hintergründe schneller erfassen lassen. Aber auch ohne dieses Wissen ist die Lektüre unzweifelhaft möglich, weil die Autorin mit den im Verlauf der Handlung eingestreuten Informationen dazu beiträgt, entsprechende Lücken zu schließen.

Elli, eigentlich Elektra und Idi, Merida, kennen sich noch nicht so lange. Erst mit zehn Jahren begegnen sie sich und bemerken, dass sie Zwillinge sind. Im Grunde sind sie „Das doppelte Lottchen“ 2.0, nur unterscheiden sie sich von ihren literarischen Vorbildern durch ihre magischen Fähigkeiten. Und die haben es in sich. Zaubern können die beiden sehr gut, wenn sie zusammen sind. Genauso wie ihre Mutter Matea und deren Schwester Eva. Oder Oma Mathilda und Großtante Esther. Wobei die beiden eine Geschichte für sich sind (nachzulesen im zweiten Band).

Die Zwillinge versuchen, in ihrem Famlienverbund normal zu leben. Etwas ist jedoch augenscheinlich: Elli kann ganz allein Zauber wirken, was ihr Angst macht. Manchmal ist sie unsicher, und mit Anflügen von Eifersucht quält sie sich ebenfalls. Und zeigen sich bei ihr Anzeichen von Verliebtheit, wenn sie Mark sieht?

Obwohl Elli, Idi und ihre Freunde inzwischen etwas älter sind, kann der Leseempfehlung für acht- bis zehnjährige gefolgt werden. „Diebe in Berlin" ist altersgerecht und wird Kinder auf jeden Fall begeistern und mitfiebern lassen, wenn die Mädchen und Jungen außergewöhnliche und aufregende Erlebnisse und auch Gefahren meistern müssen.

Sibylle Luig hat eine Abenteuergeschichte und einen Kinderkrimi in einem geschrieben. Darin setzt sie gekonnt Berlin mit prägnanten Bildern in Szene und spricht wichtige Themen wie den illegalen Tierhandel und verbotene Hunderennen an, ohne dass es zu einer Überforderung ihrer jungen Leser kommt. Bedeutsam sind ebenso die Werte, die die Autorin vermittelt: die Unterstützung und der Zusammenhalt in der Familie und unter Freunden.

Nicht nur ihre Sprache ist zeitgemäß und schnörkellos. Sibylle Luig hat den abwechslungsreichen Ereignisse neben der sich steigernden Dynamik viele amüsante und heitere Momente hinzugefügt. Besonders „Die fiesen Omas“ zeigen sich wieder von ihrer unglaublichen Seite. Nicht zu vergessen ist der Zauber, der dem Ganzen inne wohnt und zur Lesefreude beiträgt.

Das Cover und die ansprechenden Illustrationen, die im Buch dezent verteilt sind, stammen von Ulrike Bart-Musil. Diesbezüglich gibt es lediglich einen Kritikpunkt: Die Handlung spielt hauptsächlich im Winter. Dazu passt das fast eher frühlingshaft anmutende Cover nicht optimal.

Ansonsten können sich kleine und große Leser auf eine unterhaltsame Geschichte freuen, die mit lebhaften und auch nachhaltigen Höhepunkten gefüllt ist.

4,5 Sterne

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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 18.08.2019

Ein Lied von Liebe und Verrat

Ein Lied von Liebe und Verrat
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Die alte Aliki ist die letzte Frau ihres Dorfes im Nordosten von Griechenland, die Klagegesänge verfasst. Als eine Ethnografin nach einem Besuch Rekorder und Kassetten zurücklässt, damit Aliki ihre Wehklagen ...

Die alte Aliki ist die letzte Frau ihres Dorfes im Nordosten von Griechenland, die Klagegesänge verfasst. Als eine Ethnografin nach einem Besuch Rekorder und Kassetten zurücklässt, damit Aliki ihre Wehklagen aufzeichnet, singt diese stattdessen im Monolog und dem Wechsel von Gegenwart und Vergangenheit ihr eigenes Klagelied:

Alikis Vater wird wegen des Diebstahls eines Kürbisses von den Deutschen erschossen. So wächst sie bei Chrysoula auf, deren Sohn Takis zu Aliki eine intensive Verbindung aufbaut. Im Haus versteckt leben außerdem Strelio und seine Mutter, zwei verfolgte jüdische Griechen aus Athen. Aliki und Strelio entdecken ihre Gefühle füreinander, eifersüchtig beäugt von Takis.

Nachdem die Deutschen durch Verrat von dem Versteck erfahren, bricht in dem Dorf das Chaos aus. Zurück bleiben Aliki, Strelio und Takis, die sich nach Athen aufmachen und in den Wirren der grausamen und tödlichen Kämpfe zwischen Royalisten und kommunistischer Guerilla bestehen müssen. Mit einem Schattenpuppentheater, mit sie tradionelle griechische Volksstücke aufführen, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt, erst in der Stadt, später auf dem Land.

Abgesehen von den Gefahren des andauernden Bürgerkriegs ist der Zusammenhalt ihrer kleinen Gruppe durch die Feindseligkeit zwischen Takis und Stelios bedroht. Takis, verfolgt von Schuldgefühlen, fehlen die Erinnerung an das, was in der Vergangenheit im Dorf passiert ist. Er ist verwirrt und zeitweise unberechenbar. Er hört Stimmen und ist offensichtlich psychisch krank. Aliki, die ihm helfen will, wird überwältigt von ihrer Sorge, ihrer Angst und ihrer Liebe...


James William Brown hat für „Ein Lied von Liebe und Verrat“ einen eher wenig thematisierten Zeitpunkt griechischer Geschichte, eine einzigartige Kulisse und eine eindringliche Bildsprache gewählt, die zudem über weiten Strecken mit hohem emotionalen Faktor aufwartet. Lediglich in den Schlussszenen erscheint sie gedrängt und verliert etwas an Kraft.

Davon unabhängig beschreibt der Autor außergewöhnlich und gelungen einen Teil der wechselhaften griechischen Geschichte in einer politisch bewegenden Zeit und beleuchtet intensiv die Auswirkungen auf das Land und seine Bevölkerung. An Hand von Aliki und ihrer provisorischen Familie schildert er die Opfer, die während des Krieges und auch danach erbracht wurden.

Im Mittelpunkt stehen ein zerrissenes Land und neben Verrat, Verlust und Trauer vor allem Freundschaft und Liebe. James William Brown zeigt, wie diese das Leben von allen verändern, und wenn sie im Falle der Liebe herausgefordert, nicht erwidert oder von Konflikten überschattet sind. Dabei spart der Autor nicht mit ausweglos scheinenden Situation, Bedrohungen, Geheimnissen, ergreifenden Enthüllungen und Herzschmerz.

James William Brown hat insbesondere mit Aliki einen komplexen Charakter geschaffen. Sie reibt sich auf in ihrer Unentschlossenheit, zwischen Pflicht und Liebe, einerseits zu Takis und andererseits zu Strelio, und ist nicht in der Lage, die Situation klar zu sehen und zwischen beiden einen Entscheidung zu treffen. Angesichts des Geschehens sowohl vor Kriegsende als auch danach reift sie viel früher und wirkt erwachsen. Das Schicksal diktiert ihre Schwierigkeiten und beschert ihre Schmerzen, gönnt ihr wenig Pausen und Glücksmomente. Erst im Alter verfügt sie über einen feinen Humor. Daneben sind ihre Klagegesänge von beeindruckender Symbolik und Poesie.

Doch Aliki bleibt mit Trauer allein zurück. Genau wie der Leser...

  • Einzelne Kategorien
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  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Figuren
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Veröffentlicht am 24.06.2019

Was mir von dir bleibt

Was mir von dir bleibt
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Manche Bücher machen es mir schwerer als andere. Diese Bücher beginne ich, lege sie eine Weile beiseite, fange dann erneut an und lese sie in einem Rutsch durch. Zu diesen “schwierigen” Werken gehört Adam ...

Manche Bücher machen es mir schwerer als andere. Diese Bücher beginne ich, lege sie eine Weile beiseite, fange dann erneut an und lese sie in einem Rutsch durch. Zu diesen “schwierigen” Werken gehört Adam Silveras „Was mir von dir bleibt“. Und dabei kann nicht nicht einmal genau erklären, warum das so ist. Aber ich will es zumindest versuchen.

Zunächst einmal liegt es an der Thematik. Adam Silvera schreibt über die gleichgeschlechtliche Liebe und spielt von Anfang an mit offenen Karten:

Theo McIntyre ist tot, er wird nie mehr zurückkehren. Zurückbleiben nicht nur seine Eltern und seine kleine Schwester, sondern auch Griffin, der mit ihm seinen Lieblingsmenschen und die erste große Liebe verliert, und Jackson, sein aktueller Freund. Denn Griffin hat sich von Theo getrennt, als dieser wegen seines Studiums nach Kalifornien gezogen ist. Und die Hoffnung, die Beziehung irgendwann fortsetzen zu können, zerschlägt sich, als Theo Jackson kennenlernt und sich im Grunde entliebt. Obwohl sie dadurch unweigerlich zu Konkurrenten geworden sind, stehen nun sowohl Griffin als auch Jackson vor einem gemeinsamen Verlust und ahnen nicht, dass sie einander retten werden.

„Du hast uns allein gelassen. Dein Tod hat uns zu zwei Teilen in diesem zusammengestümperten Puzzle gemacht, das sich noch nicht recht zu einem Bild fügen will, aber trotzdem etwas erkennen lässt: zwei verliebte Jungs. Verliebt in jemanden, der nie mehr zurückkehrt.“ (Seite 242 f.)

Griffin und Jackson beginnen miteinander zu sprechen und offenbaren dem jeweils anderen die Erlebnisse, die sie mit Theo verbinden. Stück für Stück setzen sie das Puzzle zusammen und unternehmen im Angesicht ihrer Trauer den Versuch der Annäherung und Reparatur...


Adam Silvera erzählt die hauptsächlich in New York und daneben in Los Angeles angesiedelten Geschichte zwar aus der Ich-Position von Griffin, allerdings nicht linear und aus zwei Blickwinkeln heraus. Neben der 2016 einsetzenden Gegenwart ist es die Vergangenheit im Jahr 2014, die mit dem Outing von Theo und Griffin Relevanz erhält, als die beiden innerhalb des Dreiergespanns, zu dem noch Wade gehört, ihre Gefühle füreinander begreifen.

Der achtundzwanzigjährige Autor, selbst homosexuell, schildert mit erstaunlicher Ruhe und einem treffsicheren Selbstverständnis ein Thema, das nicht nur in der Gegenwartsliteratur nach wie vor keine uneingeschränkte Akzeptanz erfährt. Hingegen trifft die gleichgeschlechtliche Beziehung unter Jugendlichen in seinem Roman auf positive Resonanz. Griffin und The müssen sich nicht ständig erklären. Ihre Familien heben sich wohltuend von den sonstigen Bedenken und Abneigung äußernden Elternpaaren ab, sind geprägt von Offenheit und Empathie, komplizieren das Verhältnis ihrer Söhne nicht, sondern geben ihnen jedwede Unterstützung und Zustimmung. Ja, es entsteht der Eindruck, dass Homosexualität und damit Sexualität kein Problem ist, sondern eben eine „normale“ Sache zwischen heranwachsenden Liebenden ist. So wie es sein sollte.

Adam Silvera bringt es tatsächlich fertig, eine Welt zu schaffen, deren Mittelpunkt nicht der sonst übliche vorherrschende Weltschrott von kaputten Beziehungen und Intoleranz ist. Denn auf Grund des endgültigen Verlustes durch den Tod ist die Tragik schon ergreifend und gefühlsbestimmt genug. Das mag ein wenig fernab der Realität erscheinen. Es passt indes gut zum Verhalten von Griffin, der sich zur Verarbeitung seiner Trauer in Paralleluniversen denkt und daraus Hoffnung schöpft. Tatsächlich ist es so, dass Griffin Theo als stillen Beobachter und Zuhörer betrachtet, dem er mit erstaunlich ausgeprägter Fähigkeit zur Selbstreflektion wie beiläufig noch einmal ihre gemeinsame Geschichte wiedergibt.

Hinzu kommt, dass es Adam Silvera gelingt, neben der Fülle an emotional aufwühlenden Gefühlen, auch heitere Akzente zu setzen, Hoffnung und Zuversicht aufzubauen.

Hervorzuheben ist außerdem die Komplexität seiner Figuren, deren Darstellung Realitätsnähe und Facettenreichtum aufweist. Vor allem Griffin fällt zweifelsfrei auf, prägen ihn doch seine enorme Sensibilität und außerdem seine Zwangsstörungen. Gerade Zahlen, das Gehen auf der richtigen Seite machen sein Leben aus, Theo hat das akzeptiert. Als Theo nicht mehr da ist, befinden sich Griffins Empfindungen in einem ständigen Auf und Ab, und seine depressiven, angstbeeinflussten Zustände nehmen einen großen Teil seines Daseins ein. Und zur Trauerbewältigung gesellt sich die Frage, ob Griffin einen Weg zu sich selbst und zu einer gewissen Normalität finden wird.


„Was mir von dir bleibt“ ist ein queeres Jugendbuch, das sich nicht nur mit viel Herzblut und Glaubwürdigkeit der gewählten Materie hingibt, sondern diese auch auf überzeugende und altersgerechte Weise umsetzt.

Veröffentlicht am 09.06.2019

The Fourth Monkey - Erster Akt

The Fourth Monkey - Geboren, um zu töten
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„Böses zu sagen führt nur dazu, dass umso mehr Bosheit entsteht, und davon gibt es schon genug auf der Welt.“ (Seite 437)

Ein Unfall könnte der Stadt Chicago die lang ersehnte Erlösung bringen. Fünf Jahre ...

„Böses zu sagen führt nur dazu, dass umso mehr Bosheit entsteht, und davon gibt es schon genug auf der Welt.“ (Seite 437)

Ein Unfall könnte der Stadt Chicago die lang ersehnte Erlösung bringen. Fünf Jahre lang hat ein Serienkiller hier sein Unwesen getrieben, sich jemanden gesucht, der seiner Meinung nach irgendetwas Böses tat, und einen nahe stehenden Menschen gekidnappt. Sieben Mal hat er seinen Opfern, allesamt junge Mädchen, zunächst ein Ohr abgeschnitten, dann die Augen ausgestochen, als Drittes die Zunge entfernt, bevor er sie letztlich tötete. Getreu dem Motto: „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“ und ergänzend „nichts Böses tun“. Makaber daran war, dass die Angehörigen die Körperteile in weißen Päckchen mit schwarzem Paketband verschnürt zugesandt erhielten.

Der Fourth-Monkey-Killer erlebte seine „Geburtsstunde.

Insgesamt 21 Päckchen haben ihr Ziel erreicht, und Detective Sam Porter ist derjenige gewesen, der, als er das allererste in der Hand hielt, schon damals ahnte, das weitere folgen würden. Dass er es nämlich mit einem gestörten Serienmörder zu tun hatte, gegen den er – obwohl er von Anfang an am Ball blieb – keinen Erfolg haben würde. In einem Spiel, in dem der Täter nicht die geringsten Spuren hinterlässt, konnte er nicht gewinnen.

Nun scheint der Fourth-Monkey-Killer auf dem Weg, ein neues Päckchen zu überbringen von einem Bus erfasst und getötet worden zu sein. Hat das Schreckliche, das Böse nun ein Ende gefunden?

Allerdings bedeutet eine neue Sendung, und diese enthält tatsächlich ein abgeschnittenes Ohr, wieder ein Opfer. Kann Sam Porter mit Hilfe des in der Jackentasche des Verunglückten entdeckten persönlichen Tagebuchs das letzte entführte Mädchen retten? Denn dieses Tagebuch offenbart zwar die Geschichte und die Gedanken des Killers, beinhaltet indes nur wenige Hinweise auf seine Identität.

Während Porter auch gegen die eigenen Rachedämonen nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau Heather kämpft, verrinnt die Zeit, und der Fourth-Monkey-Killer lacht sich noch aus dem Grabe heraus ins Fäustchen...


J. D. Barker startet „The Fourth Monkey. Geboren, um zu töten“ mit einem originellen Kabinettstück: Der Tod des vermeintlichen Fourth-Monkey-Killers betrügt dich um die übliche Jagd durch die Polizei. Doch sei dir sicher, deinen mitreißenden Nervenkitzel wirst du trotzdem bekommen, da mit diesem Unfall das ernsthafte und mit Geschick veranlasste Psychospiel Serienmörder gegen Cop erst beginnt und die Präsenz des „Geistes“ dieses Killers dich beeindrucken wird.

Wirst du wie Sam Porter in den Bann des 4FM-Killers geraten, wenn du in dessen Vergangenheit und seine Gedanken eintauchst, in dem du das Tagebuch liest, und miterlebst, wie jemand seine Kindheit verbringt und auf welche Art die Ursachen gesetzt werden, die bei diesem die bösen Seiten zu Tage treten lassen, jene von äußerst packender, gnadenloser und furchterregender Natur? Vielleicht wirken die Abgründe, in die du gestoßen wirst, auf dich wie fernab jeder möglichen Realität, sind gerade aus diesem Grund besonders beklemmend. Möglicherweise siehst du Ratten – wenn du sie je mochtest und nicht schon immer eine Abneigung gegen sie hattest – nach der Lektüre mit anderen Augen.

J. D. Barker spart nicht mit einer dunklen Atmosphäre und abstrusen, blutigen Momenten. Er ruft Beunruhigung und Entsetzen hervor und spielt mit den Empfindungen, wenn er die verwirrende Inszenierung seines krankhaften, erfindungsreichen, zugleich auch klugen Mörderhirns präsentiert. Es ist ein Mann, der von seinem Vater gelernt hat, wie wichtig es ist, in jeder Situation den jeweiligen Umständen entsprechend die richtigen Gefühle zur Schau zu stellen, unabhängig vom inneren Empfinden.

Dagegen kann sein Gegenspieler, der zweiundfünfzigjährige Detective Sam Porter, seine Emotionen nicht verstecken. Porter ist ein pflichtbewusster Polizist und ein fantastischer Ermittler. Allerdings hat er Schwierigkeiten, mit der Wut und dem Hass, den er auf den jungen Mann verspürt, der seine geliebte Frau getötet hat, umzugehen. Das belastet ihn und legt Schmutz auf seine Seele. Halt gibt im die Stimme seiner Frau auf der Mailbox ihres Mobiltelefons.

Dem Autor gelingt es in beeindruckender Weise und nahezu mühelos, die Charaktere auszuloten. Während sich das Bild des Fourth-Monkey-Killers in den Tagebucheinträgen manifestiert, bieten neben der unzweifelhaft im Mittelpunkt stehenden Figur des Sam Porters auch seine Partner und Mitarbeiter Clair Norton, Brian Nash und Edwin „Kloz“ Klozowski erhebliches Potential. Sie sind eine gelungene Ergänzung des Ermittlerteams und erhöhen die Wirkung innerhalb des Geschehens, in dem J. D. Barker im Wettlauf gegen die Zeit einige überraschende Wendungen offeriert.