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Veröffentlicht am 19.09.2018

Ein magisches Abenteuer

Die Magischen Sechs - Mr Vernons Zauberladen
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Bislang gab es für Carter kein Zuhause, keine Freunde, keinen Ort, an dem er sich sicher fühlte. An dem Tag, an dem seine geliebten Eltern verschwanden, hörte er auf, an wunderbare, glückliche, fantastische ...

Bislang gab es für Carter kein Zuhause, keine Freunde, keinen Ort, an dem er sich sicher fühlte. An dem Tag, an dem seine geliebten Eltern verschwanden, hörte er auf, an wunderbare, glückliche, fantastische Dinge zu glauben. Seitdem geht er einer traurigen Weltsicht durchs Dasein. Denn er lebt bei seinem Onkel Sly, und eine Familie ist dieser nicht für ihn. Von einem Zuhause ganz zu schweigen. Während Carters Vater seinen Sohn einst Zaubertricks zur eigenen Freude beibrachte, nutzt Sly die Fähigkeiten seines Neffen skrupellos aus, um durch Manipulation das Publikum bei der Vorführungen um Geld und Wertsachen zu betrügen. Von Stadt zu Stadt ziehen die beiden, an guten Tagen haben sie einen Schlafplatz, an schlechten eher nicht.

Als Carter genug davon hat, rennt er davon, springt auf einen Zug auf und landet in der kleinen Stadt Mineral Wells. Er trifft Mr Vernon, den Besitzer eines Zauberladens, und dessen Tochter Leila, deren Freunde Theo und Ridley, die Zwillinge Olly und Izzy, und ehe er sichs versieht, ist er Teil dieser bunt zusammengewürftelten, irgendwie magischen Gemeinschaft von Außenseitern, die wegen ihrer Andersartigkeit auffallen. Hand in Hand arbeiten sie miteinander, um zu verhindern, dass der gierigen Rummelbesitzer B. B. Bosso und dessen böse Clowns und Kumpane, einen großen Coup landen...

Neil Patrick Harris ist nicht der erste Schauspieler, Regisseur und Produzent, der zum Stift greift und Geschichten aufs Papier bringt. Doch im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen hat er sich bei seinem erzählenden Debüt für eine Kinderbuchreihe entschieden. Und er offeriert „Die Magischen 6“ auf wirklich charmante Art und Weise. Er spricht den Leser direkt an und hat spürbar Spaß daran, diesen das eine andere Mal zu verwirren, und sei dies nur bei der Aufzählen der Kapitel.

„Mr Vernons Zauberladen“ enthält alles, was für eine unterhaltsame Lektüre notwendig ist: eine arme, aber talentierte Waise, unterschiedliche Freunde, ein herzerwärmendes Abenteuer mit Nervenkitzel und gewagten Aktionen, Slapstick, spritzige Dialoge und eine Botschaft.

Neil Patrick Harris erzählt über Vertrauen, Ehrlichkeit, Freundschaft und Individualität. Seine Helden sind zwar verschieden, was Hautfarbe, Herkunft und Hintergrund betrifft, und mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, gleichwohl trotzdem auch normale Kinder mit Fehlern und Schwächen. Sie arbeiten gemeinsam daran, diese zu überwinden.

Und dann gibt es da noch die Magie. Also echte pure Zauberei! Der Autor ist tatsächlich Magier, und er hat ein paar Tricks eingefügt, die jedermann mit viel Üben, Üben, Üben und Üben, nicht zu vergessen weiteres Üben, ausführen kann.

Abgerundet wird die Geschichte nicht nur von einem wunderschönen Cover, sondern auch von in schwarz-weiß gehaltenen Illustrationen, mit der Lissy Marlin die dem Buch inne wohnende Zauberkunst hervorragend wiedergibt.

Alles in allem: Ein magisches Abenteuer für jedes Alter.

Veröffentlicht am 17.09.2018

Das Alte war fort. Aber wie sah das Neue aus, das jetzt kam?

Was wir zu hoffen wagten
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Es ist der 9. November 1918. Der deutsche Kaiser hat gerade abgedankt. Zwei Tage später wird der erste Weltkrieg enden, 17 Millionen Menschen sind tot. In dieser Situation begegnen wir den Schwestern Felice ...

Es ist der 9. November 1918. Der deutsche Kaiser hat gerade abgedankt. Zwei Tage später wird der erste Weltkrieg enden, 17 Millionen Menschen sind tot. In dieser Situation begegnen wir den Schwestern Felice und Ille, die unterschiedlicher nicht sein können, und wir erfahren, dass deren Bruder Willi das standrechtliche Erschießen droht, weil er einen Befehl verweigert hat.

Damit wir ergründen können, was mit den Geschwistern in den letzten Jahren geschehen ist, führt uns die Autorin zurück in die Vergangenheit, beginnend im Jahr 1912...


Michaela Saalfeld erzählt mit „Was wir zu hoffen wagten“ eine einzigartige Geschichte und meistert ihr Debüt sprachlich in herausragender Art und Weise. Ich habe sofort den Schreibstil sehr genossen. Er ist einerseits gefällig und liest sich gut, verfügt jedoch andererseits über einen Grad an Anspruch, der sich im Text durch das ohne Aufdringlichkeit angereicherte fundierte historische Hintergrundwissen äußert, wenn die Autorin die Situation der Frauen, technische Errungenschaften, geschichtliche Ereignisse und die Geschehnisse des ersten Weltkrieges thematisiert. Sie schildert vor allem die Kriegssituation in Belgien, insbesondere in Ypern (Ieper) offensiv und unumwunden mit all den Gräuel und Schreckenstaten und bereitet sie dabei für uns Leser so auf, dass wir betroffen sind, bei uns ein wirksamer Nachhall erzeugt wird und Emotionen freigesetzt werden.

Zudem ist nicht nur die Szenerie komplett gelungen, auch die Charaktere sind allesamt mit Sorgfalt entworfen. Michaela Saalfelds Figuren ziehen einen unweigerlich an. Es sind nämlich keine heroischen, sondern allzu menschliche Wesen mit Stärken, aber auch sehr vielen Schwächen. Manchmal – wie bei Ille – fallen diese vornehmlich ins Gewicht. Denn auf den ersten Blick erscheint die jüngste der drei Geschwister als schwach und verträumt. Sie wünscht sich ein „normales“ sorgenfreies Leben mit Ehemann und Kindern und strebt nicht nach Höherem, einen Beruf oder gar Unabhängigkeit. Indes sehnt sie sich nach der Liebe und Anerkennung ihrer von ihr verehrten Schwester.

Felice hingegen macht es uns nicht leicht. Sie ist kein Typ, für den das Herz auf Anhieb schlägt. Einerseits ist sie unwahrscheinlich klug und sehr fokussiert. Andererseits zeigt sie sich streitbar, äußert, was ihr auf der Seele und auf der Zunge brennt, absolut und erbarmungslos. Gleichzeitig wirkt sie wegen ihrer geringen Empathie kalt und unnahbar. All ihre Fähigkeiten mögen sie zur Ausübung ihres Berufes prädestinieren. Doch obwohl Felice ihr Jurastudium erfolgreich abgeschlossen hat, wird ihr als Frau der notwendige Vorbereitungsdienst und damit die Tätigkeit als Juristin verwehrt. Eine verständliche und empörende Ungerechtigkeit, mit der sich Felice nicht abfinden will. Sie lässt sich nicht verbiegen, und das Wichtigste für sie ist, sie selbst zu sein. So nimmt sie keine Rücksicht auf andere und stößt damit nicht nur ihre Familie vor den Kopf. Im Gegenzug ist sie allein, und sie hat nicht viele wirkliche Freunde, zu denen der in sie verliebte Moritz und Quintus, für den Felice mehr empfindet, gehören.

Willi hingegen stehen alle Möglichkeiten offen. Der junge Mann – zu Beginn noch recht oberflächlich – interessiert sich allerdings weder für die Schule noch für die Bank, deren Leitung er eines Tages übernehmen soll, vielmehr schlägt sein Herz für den Film und für Recha, eine Schauspielerin. Als diese klarstellt, dass sie nicht frei ist und sich an den um einige Jahre älteren Regisseur Wolfgang Fanselow gebunden fühlt, meldet sich Willi freiwillig und gerät mitten hinein in die kriegerischen Auseinandersetzungen, die nicht nur ihm alles abverlangen werden und sein Schicksal verändern.

Ohne die Entwicklung der Frauengestalten des Romans negieren zu wollen, sind es besonders die Männer wie Willi, Quintus und Moritz, die außerordentliches Reifepotential beweisen und der im Leben angekommene, sich durch Charakterfestigkeit auszeichnende Wolfgang, die zu einem beachtenswerten Leseerlebnis beitragen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Authentizität
  • Figuren
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 11.09.2018

Die Saphirtür

Die Saphirtür
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England, 1957: Isla Hall, eine hübsche junge Frau ist bei dem reichen Ehepaar Alan und Victoria Austin auf dem exklusiven Landsitz Silverton House als Lehrerin für deren sechsjährige Tochter Ruby eingestellt. ...

England, 1957: Isla Hall, eine hübsche junge Frau ist bei dem reichen Ehepaar Alan und Victoria Austin auf dem exklusiven Landsitz Silverton House als Lehrerin für deren sechsjährige Tochter Ruby eingestellt. Schnell schließt sie das kleine Mädchen ins Herz und entdeckt, dass dieses sorgenfreie Leben für Ruby aus Regeln und Vorschriften besteht, denen sie ohne nennenswerten Widerspruch folgt, und welches mit Mauern aufwartet, die sie nicht zu durchbrechen versucht.

Aber das ist nicht das eigentliche Problem. Vielmehr ist Ruby in sich gekehrt und will nicht schlafen. Ihre Träume sind verschwunden, und Isla ist die einzige, der sie sich anvertraut, zumal das Interesse der Eltern, die mit Strenge agieren, auf ein Mindestmaß reduziert scheint. Nachdem Isla ihren Schützling beim Schlafen beobachtet hat, bestätigt sich deren Behauptung: Das Mädchen ist von geisterhafter Blässe und liegt wie leblos in ihrem Bett.

Hingegen sind Islas eigene Träume intensiv und verstörend, seit sie auf Silverton House lebt. Dazu kommen weitere rätselhafte und merkwürdige Ereignisse. In Rubys Zimmer taucht plötzlich eine in sanftem Blau schimmernde Tür auf, mit unzähligen Funken auf der Oberfläche, die an Saphire erinnern. Sie entpuppt sich als Zugang zu einer anderen Welt. Es ist eine magische Welt, in der Islas Träume real werden.

Als Isla bei Victoria Austin hinsichtlich der fehlenden Träume und der zu denken gebenden Entwicklung von Ruby auf taube Ohren stößt, versucht sie auf eigene Faust, das Geheimnis zu entschlüsseln, um Ruby zu helfen und um ihrem eigenen Seelenfrieden Genüge zu tun…


Mit ihrem Roman „Die Saphirtür“ führt Stefanie Lasthaus in das Jahr 1957, vermittelt ein anschauliches und reelles Bild dieser Zeit und verleiht dadurch der Handlung eine interessante Note. Denn ihre Protagonistin Isla, die mit mysteriösen Ereignissen konfrontiert wird, kann nicht mal eben im Internet nachlesen. Sondern sie muss in Büchern nachschlagen und auf die Hilfe ihres besten Freundes Andrew, eines Medizinstudenten, zurückgreifen, um sich das Geschehen erklären zu können. So erhält mit ihr auch der Leser einen Exkurs in das komplexe Thema Hypnose, Träume und Traummanifeste, muss hier jedoch konzentriert bei der Sache bleiben, um zumindest grundlegende Zusammenhänge zu begreifen.

Stefanie Lasthaus gelingt es, eine gespenstisch-unheimliche und teilweise bedrohliche Atmosphäre zu kreieren, die einen das eine oder andere Mal frösteln lässt. In der Düsternis der Traumwelt ist gut nachzuvollziehen, dass Isla sich beobachtet fühlt. Für sie ist das, was sie erlebt, zunächst nur ein Traum, und mit ihr tappt der Leser im Dunkeln, das sich im Verlauf lichtet...

Zum Gelingen der Geschichte tragen auch die hinsichtlich ihrer Bedeutung und Position unterschiedlich ausgestatteten Charaktere bei. Unbestreitbar steht Isla im Mittelpunkt. Und während es einigen Figuren – wie dem Ehepaar Austin – an Emotionen mangelt, hat Stefanie Lasthaus ihrer Heldin Isla eine Menge Gefühl verpasst.

Isla ist zunächst eher zurückhaltend und folgsam, sie beugt sich dem Druck der Austins. Allerdings nimmt sie von Anfang an ihre Fürsorgepflicht gegenüber Ruby sehr ernst. Mit der Zeit fällt es ihr immer schwerer, Abstand zu dem aufgeweckten und bezaubernden Mädchen zu wahren. Bedauerlicherweise mangelt es in Silverton Hall in hohem Maße an Zuneigung, vielmehr stehen Etikette und der Rosengarten mehr im Mittelpunkt. Das gesamte Leben des Ehepaars Austin ist ein einziger Plan. Sie reagieren allergisch auf Unregelmäßigkeiten, können mit den Gedanken, Wünschen und Träumen ihrer Tochter nichts anfangen und halten eine gewisse Distanz zu Ruby. Genau diese Distanz verbindet Isla mit dem kleinen Mädchen, denn in Bezug auf ihre Eltern teilen Ruby und Isla gewissermaßen dasselbe Schicksal.

Dagegen lehnt sich Isla zwar nicht offen auf, durch ihre Erlebnisse in der Traumwelt festigt sich indes ihr Charakter und sie reagiert selbstbewusster und weniger ängstlich.

Obwohl die Rollen von Gut und Böse auf den ersten Blick klar verteilt sind, verschwimmen die Grenzen durchaus. Vor allem mittels des Prologs ist es möglich, einer vermeintlich bösen Figur nahe zu kommen und die Handlungsweise ansatzweise zu verstehen.

Stefanie Lasthaus' Roman ist lebendig erzählt und mit ansprechender Dramatik ausgestattet, auch wenn zwischendurch der Spannungsfaktor abflacht. Sie verknüpft gelungen fantastische mit kriminalistischen Elementen. Sogar an eine Liebesgeschichte hat die Autorin gedacht, diese jedoch erfreulich zurückhaltend und divergierend von der Norm dargestellt. Hierzu passt das relativ offene Ende, das so manchen Leser unbefriedigt zurücklassen mag, gleichwohl aber einer eventuellen Fortsetzung Raum bietet.

Veröffentlicht am 31.07.2018

Süße Freundschaft

Sprichst du Schokolade?
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Nadima ist neu an Josephines Schule und in ihrer 7. Klasse, und sie spricht sehr wenig Englisch. Doch Josie wäre nicht sie selbst, wenn sie sich davon abschrecken ließe. Deshalb geht sie in der ihr eigenen ...

Nadima ist neu an Josephines Schule und in ihrer 7. Klasse, und sie spricht sehr wenig Englisch. Doch Josie wäre nicht sie selbst, wenn sie sich davon abschrecken ließe. Deshalb geht sie in der ihr eigenen unkomplizierten Art auf Nadima zu und reicht ihr die Hand zur Freundschaft, einfach, indem sie ihre Schokolade mit ihr teilt.

„Da standen wir und futterten die Süßigkeiten, die wir uns gegenseitig geschenkt hatten, und in diesem Moment wusste ich, dass wir Freundinnen werden würden, auch wenn keine von uns ein Wort von dem verstand, was die andere sagte.“ (Seite 25)

Es dauert nicht lange, bis die beiden Mädchen einen Weg finden, miteinander zu kommunizieren, nämlich durch Textnachrichten mittels Emojis. Und dabei stellen sie viele Gemeinsamkeiten wie die Liebe zu Musik, Filmen, Pizza, Kuchen und natürlich Schokolade fest.

Für Josie ist Nadima die Gelegenheit, eine neue Freundin zu haben, hat sich doch ihre vermeintlich einstige beste Freundin Lily der allseits beliebten Kara, die Josie allerdings nicht mag, zugewandt. Zwischen Nadima und Josie entsteht eine besondere Verbindung, die am Anfang gut funktioniert. Dann wird sie indes einigen Bewährungsproben ausgesetzt, als Nadimas Vergangenheit offenbart wird. Das Verhalten von Josie, geprägt von fehlgeleiteten Bemühungen, Nadima zu helfen, und Missverständnisse belasten ihre Freundschaft, und Josie muss mit den Konsequenzen kämpfen.

„Sprichst du Schokolade?“ von Cas Lester ist eine ungewöhnliche Geschichte über Freundschaft, die sich auf unerwartete Weise entwickelt und es schafft, die Höhen und Tiefen einer Kameradschaft zwischen Teenagern mit Sensibilität und Einfühlsamkeit einzufangen.

Die Autorin trifft den Ton ihrer Protagonisten, und ihre mit sanftem Humor versehene Art zu schreiben zeugt von einem vorhandenen Verständnis vor allem für Mädchen dieses Alters und ihren Umgang miteinander. Ihre Befürchtungen, nicht dazu zu gehören. Entscheidungen zu treffen, die sich im Nachhinein als schwierig herausstellen. Dinge zu tun, die schief gehen. Sich manchmal wie ein Elefant im Porzellanladen zu benehmen, obwohl nur das Beste gewollt ist. Die Welt verstehen und begreifen zu lernen. Gefühle in die richtigen Bahnen zu lenken.

Cas Lester lässt ihre Heldin Josephine selbst erzählen. Josie ist ein sympathisches, Mädchen, mit der sich junge Leserinnen gut identifizieren können. Manchmal etwas temperamentvoll und ungestüm, verfügt sie über einen ausgeprägten Sinn für moralische Gerechtigkeit, gerät aber des Öfteren in der Schule in Schwierigkeiten. Damit verbirgt sie vor allem eine Unsicherheit. Josie ist nämlich „grässlich legasthenisch“ und kämpft mit den hiermit verbundenen Problemen. Peinlichkeiten in ihren Augen.

Nadimas Charakter ist von einnehmender Art, jedermann dürfte sie schnell in Herz schließen. Ansonsten unterscheidet sie sich in ihrem Verhalten nicht von Gleichaltrigen.

Und doch ist etwas anders, und es ist ihr Schicksal innerhalb der Geschichte über Freundschaft und Identität, das dieser eine größere Tiefe und Wirkung verleiht. Denn Nadima und ihre Familie kommen aus Syrien, und der Autorin gelingt es mit kraftvollen und bewegenden Worten der Thematik eine Brisanz zu verleihen, ohne den jugendlichen Leser zu verschrecken. Dabei vermeidet sie es nicht, von der Grausamkeit und der Angst zu erzählen, was realistisch und ehrlich wirkt, bleibt aber auf dem Niveau ihrer Leserschaft. Und während Josephine und ihre Mitschüler und Freundinnen sich vor Augen führen und erkennen, was Flucht und Verlassen der alten und Ankommen und Integration in der neuen Heimat bedeuten, können auch wir dies, ob nun jugendlicher und erwachsener Leser.

Cas Lester erzählt eine Geschichte über die Freundschaft, die trotz aller Unterschiede in der Herkunft, Kultur oder Glauben voller Herzlichkeit und Hoffnung und damit äußerst werthaltig ist.

Veröffentlicht am 31.07.2018

„Wunder können nur passieren… Man kann sie nicht erwarten.“

Ans Meer
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Anton ist Busfahrer. Täglich fährt er im ländlichen Österreich dieselbe Strecke und bringt vor allem Kinder zur Schule. Es ist nicht so, dass er seinen Job nicht gern macht, schließlich ist Busfahrer ein ...

Anton ist Busfahrer. Täglich fährt er im ländlichen Österreich dieselbe Strecke und bringt vor allem Kinder zur Schule. Es ist nicht so, dass er seinen Job nicht gern macht, schließlich ist Busfahrer ein Kindheitstraum von ihm gewesen. Aber inzwischen hat sich Anton an die Monotonie und den Gleichklang seines Lebens gewöhnt.

Etwas hat sich allerdings verändert: Anton ist verliebt in seine Nachbarin Doris und ihr in letzter Zeit etwas näher gekommen. In der Nacht hat er jedoch auf ihrem Balkon einen Mann husten hören. Muss er jetzt seine Liebe ad acta legen? Anton zweifelt.

Und außerdem ist da die Sache mit dem böswilligen Jungen, den er aus seinem Bus geschmissen und der ihn wegen angeblicher Körperverletzung angezeigt hat. Nun droht Anton das Los, seinen Job zu verlieren. Es muss dringend etwas geschehen.

Als die krebskranke Carla in Begleitung ihrer Tochter in den Bus steigt, ahnt Anton noch nicht, dass dies ein Tag wird, der alles auf den Kopf stellt. Carla möchte ein letztes Mal das Meer sehen, und das nicht irgendwann, sondern auf der Stelle. Und Anton soll sie fahren. Dazu bräuchte es Mut, doch Mut ist nicht Antons Sache. Wiederum könnte er damit Doris bestimmt beeindrucken, denn die meint: „Mutig ist ja nicht der, der keine Angst hat, sondern der, der seine Angst überwindet.“ (Seite 37)

Und so setzt Anton alles auf eine Karte und beschließt: „Wir fahren jetzt ans Meer!“- Das Ziel, San Marco an der Adria, ist fünf Stunden entfernt.

Mit an Bord des Busses befinden sich neben Anton Clara und ihre Tochter Annika, die Geschwister Helene und Ferdinand, letzterer zunächst mit viel Widerwillen, Eva, die sich um die nur zufällig anwesende und demente Frau Prenosil kümmert, nicht zu vergessen Totti, das Kaninchen. Ihnen auf den Fersen sind die Polizei und Doris, die alarmiert von Antons überfürsorglicher Mutter, die Verfolgung aufgenommen hat.

Und während der Fahrt bekommt nicht allein Anton Gelegenheit, über sein Leben nachzudenken….


René Freund hat mit „Ans Meer“ einen originellen und liebenswerten Roman geschrieben, der mit Schwung, Leichtigkeit und Charme erzählt wird und trotz seines grundsätzlich humorvollen Ansatzes auch den Tiefgang und die Emotionalität nicht vermissen lässt. Diese gelungene Mischung aus Lachen und Weinen, aus Vergnüglichkeit und Melancholie macht das turbulente und unterhaltsame Roadmovie zu einem wunderbaren Kleinod.

Freunds Protagonisten sind sympathische Zeitgenossen mit Stärken und Schwächen, die im Verlauf der Reise zu einer verbundenen Gemeinschaft werden. Besonders Anton, gut trainiert im Vermeiden von Konfrontationen, wächst über sich hinaus und einem dabei ans Herz. Und für Carla ist eine winzige Träne übrig und die Hoffnung, dass sich ihr Wunsch erfüllen möge.

„Ans Meer“ ist eine geradlinige Geschichte, die Zeit für traurige und fröhliche Momente hat und einfach glücklich macht.