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Veröffentlicht am 25.11.2018

Der falsche Geist an der Schlei

Die Schleifüchse und der falsche Geist
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Das neue Schuljahr im Internat am Ufer der Schlei, einem Meeresarm der Ostsee in Schleswig-Holstein, bringt ein paar Aufregungen in das Gleichmaß der Routine.

Da ist zum einen Tristan, der neue Schüler ...

Das neue Schuljahr im Internat am Ufer der Schlei, einem Meeresarm der Ostsee in Schleswig-Holstein, bringt ein paar Aufregungen in das Gleichmaß der Routine.

Da ist zum einen Tristan, der neue Schüler in der Klasse. Schwer einzuschätzen, und ein paar Geheimnisse hat er wohl auch. Irgendwie macht er (gerade deswegen?) Eindruck. Besonders Anna-Livia, die von ihrem Prinzen träumt, ist von ihm angetan, obwohl sie auch ein wenig in Falk verliebt ist. Der wiederum sieht seine selbsternannte Position als Anführer in Gefahr. Dana, Anna-Livias Freundin, zu guter Letzt, hofft darauf, dass endlich mal etwas los ist.

Und ihr Wunsch wird Realität.

Da stürzt ein fremder Mann vom Fahrrad, und kaum wird ihm geholfen, verschwindet er spurlos, um bei seinem erneuten Auftauchen zu erklären, dass er auf dem Friedhof wohne. Und was hat es mit dem Paket auf sich, das Tristan zur alten Fischerkate an der Schlei bringt? Werden im angrenzenden Schuppen wirklich Krebse gezüchtet, die so empfindlich sind, dass niemand sie sehen darf?

Bleibt noch die Frage, wie die grausige Geschichte vom „irren Momme“ einzuschätzen ist, von der der Koch des Internats berichtet. Treibt Momme wahrhaftig im Wald von Schobylund sein Unwesen? Zugegeben gespenstig ist es dort schon, und besonders Anna-Livia fattern eins um andere Mal die Nerven. Doch wie ihre Freunde will sie das Geheimnis lösen. Und so gründen die vier den Detektivclub „Die Schleifüchse“ und verfolgen vehement die Spuren, die ins nahe gelegene Schleswig und ins ferne Berlin führen...


Gea Nicolaisen gelingt es in „Die Schleifüchse und der falsche Geist“, eine packende Geschichte zu erzählen, die entspannt und friedlich beginnt, sich aber im Verlauf der Handlung mit kindgerechter Dramatik und Mystik zu steigern vermag. Mit feinem Gespür porträtiert sie ihre jugendlichen Protagonisten und wird dabei von der Illustratorin Isabel Kaboth unterstützt.

Anna-Livia, Dana, Falk und Tristan sind als Zwölfjährige reif für ihr Alter, weil sie ihre Probleme alleine lösen müssen. Ihre Eltern haben keine Zeit für sie, vieles im Alltag als Internatsschüler organisieren sie selbst.

Allesamt sind auf ihre eigene Art durchaus mutig, indes keine Superhelden, und sie lassen daher ebenso Ängste nicht vermissen. Denn was zunächst eher harmlos beginnt, erweist sich zunehmend als gefährliches Unterfangen. Ihre „Gegner“ kämpfen mit harten Mitteln. Sie wirken nicht nur bedrohlich, tatsächlich ist mit ihnen nicht zu spaßen.

Ein Zusammenfinden zu einer Gemeinschaft braucht seine Zeit. Immer wieder kommt es zu Spannungen innerhalb der Gruppe und zu verbalen Rangeleien, besonders zwischen Falk und Tristan, die sich gegenseitig für Angeber halten und jeweils Führungsansprüche geltend machen. Allerdings behaupten sich auch Anna-Livia und Dana. Sie erwarten nämlich Gleichberechtigung in einem Detektivclub. Sie sehen nicht ein, dass die Jungen die Anführer und die Mädchen die Chefsekretärinnen sind.

Manchmal tauchen angesichts dieser pubertären Verhaltensweisen Zweifel auf, ob die vier das Ruder noch herumreißen können. Jedoch wenn es darauf ankommt, treten sie an die Seite ihrer Freunde und stehen füreinander ein.


Gea Nicolaisen hat mit „Die Schleifüchse und der falsche Geist“ einen kurzweiligen und lebhaften Kinderkrimi geschrieben, der, ergänzt durch die ansprechenden Illustrationen von Isabel Kaboth, nicht nur die jungen Lesefreunde ab 10 Jahren, sondern auch Erwachsene gut unterhält.

Veröffentlicht am 10.10.2018

Ein gefährliches Abenteuer

Der goldene Zahn
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Pero und Tomaž, zwei Sechzehnjährige, die in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana zu Hause sind, verbringen ihre Freizeit nicht wie andere Teenager. Vielmehr sind sie Kletterer und stellen sich immer wieder ...

Pero und Tomaž, zwei Sechzehnjährige, die in Sloweniens Hauptstadt Ljubljana zu Hause sind, verbringen ihre Freizeit nicht wie andere Teenager. Vielmehr sind sie Kletterer und stellen sich immer wieder neuen Herausforderungen. An einem der letzten Wochenende in den Ferien wollen sie die Loska-Stena-Wand in den Julischen Alpen erklimmen und fahren deshalb gemeinsam mit Tina, Tomaž' Schwester, nach Kranjska Gora. Auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel, Log pod Mangartom, der am Fuße der Wand gelegenen Siedlung, finden sie erst in Franko und seinem klapprigen Gefährt die passende Mitfahrgelegenheit.

Bevor ihr eigentliche Klettertour beginnt, hören sie im Gasthaus, wie ein alter Mann, der sich als Großvater von Franko entpuppt, von einem riesigen Goldschatz erzählt. Diesen hatten der ehemalige Bergmann und sein Freund Mlekuž einst in der Mine gefunden und dann in einer Höhle, die sie auf der Jagd nach einer Gämse entdeckten, versteckt. Die Tragik der Geschichte: Mlekuž blieb in der Höhle verschüttet zurück, und der Großvater glaubt, ihn jeden Abend schreien zu hören, was erst enden würde, wenn er ein Grab bekäme.

Nach einer Nacht im Freien besteigen die Jungen die Wand und stellen fest, dass neben den bekannten zwölf Höhlen tatsächlich eine versteckte dreizehnte existiert, in der sie einen goldenen Schimmer bemerken. Haben sie den „Goldenen Zahn“ gesichtet? Doch noch verschwenden die beiden keinen weiteren Gedanken daran. Erst als sie bei ihrer Heimkehr in ihrem Verein erfahren, dass sie für eine Tour in den Himalaya 2000 Euro benötigen, wollen sie die Höhle mit dem Gold suchen. Sie ahnen nicht, dass aus einem unbeschwerten Kletterausflug ein lebensbedrohliches Abenteuer wird. Denn sie sind nicht allein hinter dem Gold her...


Tadej Golob dürfte in Deutschland eher unbekannt sein. Der Slowene, Jahrgang 1967, arbeitete bereits während seines Journalistikstudiums in Ljubljana bei der Sportredaktion des nationalen Fernsehens. Später war er Redakteur und schrieb unter anderem Kolumnen für den Playboy. 2001 nahm Golob an einer Expedition in den Himalaya teil und bestieg den Mount Everest. Sein Roman „Svinjske nogice“ erhielt 2010 den Preis für den besten slowenischen Roman des Jahres.

„Der goldene Zahn“ ist Tadej Golobs erstes Jugendbuch und offenbart sich als facettenreiches Abenteuer, das nicht nur Jungen und Mädchen, sondern auch Erwachsenen Lesefreude beschert. Der Autor überzeugt nämlich mit einem anständigen Thriller, in dem der ausgeklügelte Plot durch glaubwürdig agierende Protagonisten ergänzt wird.

Golob verwendet die ihm gegebenen Möglichkeiten geschickt, als Bergsteiger weiß er, wovon er schreibt. Der Autor konzentriert sich auf das Wesentliche und ist dadurch in der Lage, langsam, aber kontinuierlich Spannung aufzubauen. Mit detaillierten Beschreibungen lässt er die slowenischen Berge vor dem Auge des Lesers erstehen und bringt ihn mitten hinein ins Geschehen:

„Pero ließ seine Augen über die Wand wandern. Der östliche Teil verbarg sich hinter einem Berg, der wie ein Schiffsschnabel aus diesem auf den ersten Blick monolithischen Massiv herausragte. Erst wenn man die Wand genauer betrachtete, konnte man erkennen, dass sie aus einer Kette einzelner Felsen bestand, die aus dem Boden schossen und sich von links und rechts symmetrisch um einen zentralen Pfeiler wanden, der zu ihrem höchsten Gipfel strebte. In den steilen, hellen Platten des oberen Teils zeichneten sich mehrere Höhlen ab. Diese schwarzen Löcher verliehen der Wand ein lebendiges Aussehen. Sie sah aus wie ein Gesicht mit einem von Zahnlücken durchsetzten Grinsen. Unterhalb des Gipfels verlor sich der Pfeiler in offenbar feuchten, dunklen Nischen und Dächern."

Der Autor verschafft nicht nur seinen Helden das eine oder andere Mal Angst und Schrecken, sondern auch der Leser darf lebhaft daran teilhaben. Insgesamt lotet Golob die Empfindungen seiner jugendlichen Protagonisten aus, er schont sie nicht, thematisiert wichtige Begriffe wie den Sinn des Lebens, Loyalität und Ehrlichkeit, Vertrauen und Freundschaft.

Einziges Manko: Es fehlt eine Karte zur Orientierung.

Ansonsten ist „Der goldene Zahn“ ein Buch für Jungen und Mädchen jeglichen Alters, Kletterer und Nichtkletterer, Freunde von intelligenten Gämsen und all jene, die endlich den Unterschied zwischen Auerhahn und Birkhahn lernen wollen. Denn Humor findet sich in der Geschichte ebenfalls...

Veröffentlicht am 09.10.2018

Honig aufs Herz

Honig aufs Herz
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Evryn ist ein Mädchen schneller Endscheidungen. Als ihr nicht unvermögender Freund fremdanbandelt, verlässt sie seine Villa und zieht in ihre winzige New Yorker Detektei, um unmittelbar darauf festzustellen, ...

Evryn ist ein Mädchen schneller Endscheidungen. Als ihr nicht unvermögender Freund fremdanbandelt, verlässt sie seine Villa und zieht in ihre winzige New Yorker Detektei, um unmittelbar darauf festzustellen, dass ihr Vermieter kurz zuvor die über ihr liegende Wohnung an Nikolaj, einem unvergleichlich attraktiven Taxifahrer, vergeben hat, dem Evy als Erstes versehentlich die Tür an die Nase schlägt.

Evy fügt sich in ihr Los. Auch wenn sie begreift, wie sorglos sie bislang leben konnte – fünf Jahre mit einem Playboy sind dann doch genug. Und mit dem lukrativen Auftrag einer reichen Russin sieht sie Licht am Ende des Tunnels. Leider bedeutet lukrativ nicht gleichermaßen unbedenklich, denn es dauert nicht lange, und Evy steckt mitten drin in Mord, Intrigen und jeder Menge Geheimnissen. Obwohl sie glaubt, sich auf ihr Gespür als brillante Detektivin verlassen zu können, braucht sie einen Partner, und als der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt erweist sich Nicolaj.

Dabei ist der Mann selbst ein einziges Rätsel. Selbst als sich Evy und Nic näher kommen, kann sie nicht hinter seine Fassade blicken. Eins wird allerdings bald klar: Ein langweiliger oder gar harmloser Taxifahrer ist der Mann auf keinen Fall…


Mit „Honig aufs Herz“ hat Moni Kaspers eine leidenschaftliche Liebesgeschichte geschrieben, die voller Leben steckt und in der Romantik und Thriller eine Symbiose eingehen.

Die mit hinreißender Emotionalität, aus der jeweiligen Sicht von Evy und Nic erzählte Geschichte hat einen angenehmen Klang und überzeugt neben der Darstellung der intensiven Gefühlswelt der Protagonisten mit einer stringenten Handlung und anschaulichen Bildern. Lediglich die Transliteration der kyrillischen Buchstaben fällt dagegen ab, hier wäre die Verwendung des russischen Originals einfach passender gewesen. Ansonsten punktet das Geschehen mit stetig wachsendem Spannungstempo, erotischen und zu Herzen gehenden Szenen sowie durchaus überraschenden und heiteren Momenten.

Ein starkes Plus sind die beiden Hauptfiguren.

Evy zeigt sich als ungeschickte und ein bisschen verrückte, zugleich liebenswerte Person mit dem Herz am rechten Fleck. Sie handelt manchmal spontan und unüberlegt, gibt hingegen nicht auf und hält trotz aller Enttäuschungen an ihren Träumen fest. Während Schwester und Mutter sie überzeugen wollen, wie falsch es gewesen ist, das Luxusleben an der Brians Seite zurückzulassen, steht sie zu ihrem eingeschlagenen Weg und beweist Rückgrat, auch als ihr bewusst wird, dass Durcheinander, Aufregung und Gefahren auf sie warten.

Während Evy offenen Gemüts ist, bevorzugt Nic als hauptsächliche Art der Kommunikation Schweigen. Es ist unschwer zu erkennen, dass er eine Bürde trägt, die ihn zu jenem unnahbaren Mann mit Seelenpein macht, als den Evy ihn kennenlernt. Er will niemand mehr sein, für niemanden, weil das Leben, so wie er es einst hatte, ihm genommen wurde. Und sowieso würde die Zeit keine Wunden heilen, seine zumindest nicht.

Es bedarf des Anstoßes dieses quirligen Rotschopfes, damit sich nach und nach die schockierenden Hintergründe, bitteren Erinnerungen, Alpträume und Ängste, die Nic quälen, offenbaren. Hier beweisen sich Geduld, Verständnis, Mut und Kraft von Evy, die trotz aller erschütternden Nachrichten an der Liebe zu Nic festhält, so dass er sich innerhalb kürzester Zeit einfach wohl, ja sogar zufrieden in ihrer Gegenwart fühlt und sich „Honig aufs Herz“ legt...

Veröffentlicht am 02.10.2018

Wenn wir wieder leben

Wenn wir wieder leben
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„Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Wenn Menschenfeinde aufmarschieren, müssen wir eine Zeit lang aufhören, Schneider, Buchhalter und Musiker zu sein, und zusammen zur Mauer werden, an der Verbrecher ...

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen. Wenn Menschenfeinde aufmarschieren, müssen wir eine Zeit lang aufhören, Schneider, Buchhalter und Musiker zu sein, und zusammen zur Mauer werden, an der Verbrecher abprallen. Darum kämpfen, wieder zu leben. Unser richtiges Leben.“

Berlin 1963. Die neunzehnjährige Wanda hat bisher ein unbeschwertes und beständiges Leben geführt. Keines, in dem das Geld reichlich fließt, aber es geht ihr und ihrer Familie, die aus Mutter, genannt Matti, Tante Lore und den Schwestern Vera und Ariane besteht, gut. Zudem ist sie privilegiert: sie darf studieren. Mit ihrem offenen, den Menschen zugewandten Wesen findet sie schnell Freunde.

Als sie eines Tages Andras kennenlernt, ist die bisherige Gleichmut ihres Daseins vorbei, denn der streitbare junge Mann, der im Holocaust Mitglieder seiner jüdischen Familie verloren hat und sich vehement für die Opfer des Naziregimes einsetzt, gibt ihr eine harte Nuss zu knacken:

Warum hat es sie eigentlich nie interessiert, wo sie herstammt, wo ihre Wurzeln liegen? Warum wird in ihrer Familie nie darüber gesprochen? Hat diese womöglich in den Zeiten des Krieges Schuld auf sich geladen und versucht, wie viele andere einen Mantel des Schweigens darüber zu legen? Wanda lässt nicht locker und akzeptiert die wenigen, ausweichenden und vertröstenden Antworten nicht. Als sie ein erschütternder Schicksalsschlag trifft, muss sie sich selbst auf die Reise nach Polen an den Ort ihrer Geburt begeben, um die Schatten, die über der Vergangenheit liegen, lüften zu können...

In den Zwanziger Jahren genießen Gundi, Lore, Julius und Erik in Danzig und dem angrenzenden Ostseebad Zoppot ihre Jugend und die Sommerfrische und träumen von einer Karriere als Musiker. Sie wollen anderen Menschen Freude bringen und mit beschwingten Melodien unterhalten. Eine entsprechende Tanzkapelle haben sie bereits, indes der Erfolg will sich für „Die Piroggen“ noch nicht richtig einstellen. Danzig wird vom internationalen Völkerbund verwaltet, die Nazis haben in der Stadt, in der Deutsche und Polen relativ problemlos zusammenleben, bislang nichts zu melden. Doch ziehen bereits erste dunkle Wolken auf.

Aber das interessiert Gundi Sonnenschein – wie sie von allen genannt wird – nicht. Sie ist das glücklichste Kind von der Ostsee. Auch ohne Vater und Mutter, dafür verwöhnt vom heiß geliebten Großvater Pop und Tante Karl, nimmt sie das Leben leicht, redet sich die Welt schön, und keiner kann sich ihrem überschäumenden Gemüt und ihrer schwingenden Sinnlichkeit entziehen und ihr lange böse sein.

Als Gundi und „Die Piroggen“ mit dem Lied „Morgen am Meer“ ihren Durchbruch haben und zu einer bekannten Größe avancieren, dauert es nicht lange und sie fallen auch der ortsansässigen erstarkenden NSDAP ins Auge. Deren Gauleiter Forster ist in das Lied verliebt und protegiert „Die vier aus Zoppot“, wie sie inzwischen heißen, bis hin zu Auftritten auf der „Wilhelm Gustloff“, einem Kreuzfahrtschiff des von den Nazis kreierten „Kraft durch Freude“-Programms. Dort begegnet Gundi, zwischenzeitlich mit Julius verheiratet und Mutter einer Tochter, dem Sänger Tadek und der wahren Liebe, um die sie kämpfen muss, als Polen von Hitlers Deutschland überfallen wird und Tadek sich dem Widerstand anschließt. Zu welchen Opfern ist sie für die Erfüllung ihrer Sehnsüchte bereit?


Charlotte Roth überzeugt mit „Wenn wir wieder leben“ mit einer meisterhaften Geschichte, die nicht nur kraftvoll, sondern auch mit Gedankentiefe, Emotionalität und einer Botschaft erzählt wird. Durch ihren respektvollen Umgang mit der Vergangenheit, gelingt es der Autorin, mit ihrem Werk dem sich breit machenden Vergessen ein Erinnern entgegenzusetzen, das neben innigen, ergreifenden, traurigen und wütend machenden Momenten auch ungemein viel Hoffnung Humanität und Liebe offenbart.

Wortkonstrukte und Satzgesänge lassen unschwer die Autorin erkennen. Ihrem herausragende, bilderreichen, manchmal auch larmoyanten Schreibstil, der gleichermaßen zu Tränen rührt und einen lächeln lässt, wohnt ein einzigartiger Zauber inne, der nur in ihren Romanen zu finden ist. Erhöht wird der Lesegenuss dadurch, dass die Autorin es gekonnt versteht, dem Geschehen durch die Verwendung von Begriffen und Redewendungen des im Danziger Raum gesprochenen Missingsch zusätzliche Atmosphäre zu verleihen.

In den Figuren von Charlotte Roth steckt enormes Herzblut. Sie lotet deren charakterliches Potential aus, erspart ihnen nichts, heischt kein Wohlwollen ein, sondern lässt sie durchaus zum Unverständnis aller agieren. So erzeugt sie eine markante Lebensnähe, die nichts beschönigt. Deutlich wird dies insbesondere an Gundi, die mit ihrem Verhalten, ihrer politischen Unwissenheit und dem damit einhergehenden Desinteresse, ihrer Sorglosigkeit und starken, rücksichtslos scheinenden Sehnsucht nach Liebe nicht immer Sympathiepunkte sammelt, weil sie in der privaten kleinen Welt nicht über den Tellerrand schaut und die Auswirkungen auf die Ereignisse um sie herum begreift. Nicht rechtzeitig zumindest...


Es ist Charlotte Roths persönlichstes Buch, wie sie im Nachwort erklärt. Weil Danzig und seine Menschen Teil ihrer eigenen Familiengeschichte sind. Und weil es wichtig ist, in dieser Zeit die Stimme zu erheben. Gut, dass sie es geschrieben hat.

Veröffentlicht am 30.09.2018

Das Ende des Friedens

Wächter und Wölfe - Das Ende des Friedens
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„Es ist fast tausend Jahre her, seit der Schleier herabgelassen wurde… Jetzt wird er schwächer. Die Roten Götter werden mächtiger, und das Licht nimmt ab. Blut wallt auf.“

In der Welt von Gilgoras herrscht ...

„Es ist fast tausend Jahre her, seit der Schleier herabgelassen wurde… Jetzt wird er schwächer. Die Roten Götter werden mächtiger, und das Licht nimmt ab. Blut wallt auf.“

In der Welt von Gilgoras herrscht seit fast tausend Jahren ein brüchiger Waffenstillstand zwischen dem Volk des fruchtbaren Rilpors und den Mirak in den unwirtlichen Bergregionen. Es sind hingegen nicht nur die Menschen, die sich gegenüberstehen, sondern auch unterschiedliche Götter: Während die Rilporer Anhänger der Götter des Lichts sind, huldigen die Mirak den Roten Göttern. Und Letztere sind es, die nach jahrelanger Verbannung nach Rilpor drängen, auf einem Weg aus Blut und Chaos. Denn nur wenn Blut fließt, können sie wieder zurück in ein physischen Dasein kehren und Wesen aus Fleisch werden.

Unter Führung von Lanta, die von ihrem Volk wegen ihrer Nähe zu den Göttern Gesegnete nennen, begeben sich die Mirak sich auf den Weg, ihre Verbannung zu beenden.

Die Aussichten sind denkbar günstig. Zwar hat die Sklavin Rillirin in ihrer Verzweiflung den König der Mirak getötet und ist danach geflohen. Doch Corvus, der neue König, beweist, wozu er er nach seiner Machtergreifung fähig ist.

Außerdem ist das Reich Rilpor geschwächt. Denn König Ratoth, einst angesehener Herrscher, vergräbt sich nach dem gewaltsamen Tod seiner Ehefrau in seiner Trauer und verfällt vor den Augen seiner Söhne Janis und Rivil zunehmend dem Wahnsinn.

Doch damit nicht genug. Während die Mirak sich sammeln und immer stärker werden und zudem Verräter in den eigenen Reihen agieren, sind die Rilporer völlig ahnungslos in Bezug auf die drohende Gefahr. Lediglich der Seher Dom erhält von den Göttern in Visionen einen nebulösen Blick in die Zukunft. Der Calestar ist es auch, der die Bedeutung von Rillirin, die Aufnahme bei den Beschützern der Grenze von Rilpor, den Wächtern und Wölfen gefunden hat und von einigen misstrauisch beäugt wird, erkennt. Allerdings kämpft Dom mit eigenen Dämonen...

Anna Stephens „Wächter und Wölfe. Das Ende des Friedens“ ist blutrünstig, brutal, düster und beginnt mit einer Opferung, einer versuchten Vergewaltigung und einem Mord. Eine zartbesaitete Seele mit schwachen Nerven mag sich dem möglicherweise nicht aussetzen.

Auch danach macht es die Autorin dem Leser zunächst nicht leicht, dem Geschehen zu folgen. Zwar ist dank der im Innenteil des Buches befindlichen Karten eine ausgezeichnete Orientierung möglich, und zudem beschränken sich die Handlungsorte auf Rilpor und das Gilgoras-Gebirge, wodurch die Welt ausschnitthaft klein und (noch) ohne Bezug zu den umgebenden Ländern und Völkern dargestellt wird. Zudem sind die einzelnen Kapitel in der Regel kurz und überschaubar. Doch wechseln von Anfang ständig die Protagonisten und folglich auch die Perspektiven. Und so scheint der Überblick verloren zu gehen.

Ist allerdings diese erste Hürde überwunden, bleibt eine pure Begeisterung, in das spannungsvolle und wendungsreiche Geschehen einzutauchen. Denn Anna Stephens offeriert in ihrem durchaus ambitioniert zu nennenden Debüt eine komplexe und funktionierende, wenngleich noch nicht in Gänze und epischer Breite ausgearbeitete Welt, die hauptsächlich von (Macht)Kämpfen geprägt ist. Kein neues Szenarium, und doch bringt die Autorin mit ihrem Konstrukt der miteinander rivalisierenden Götter, die sich in die Belange der sterblichen Menschen einmischen und diese zu lenken versuchen, einen interessanten Aspekt in ihr fantasievolles Handlungsgeflecht.

Im Verlauf der Ereignisse gelingt es, den vertraut werdenden Figuren zu folgen und ihre Wesen zu ergründen. Hier liegt die Stärke der Autorin.

Ihre Protagonisten präsentieren sich als faszinierende bunte Mischung, die sich in keine Schablonen passen lassen. Es dauert eine Weile, bis die Fronten, wer auf welcher Seite steht, geklärt sind. Nachdem diese Frage nicht mehr im Raum steht, treten beide Gruppen mit ausgereiften Charakteren beidseitigen Geschlechts auf und erweisen sich einander in der Wahl der Mittel als durchaus ebenbürtig.

Dabei wachsen einem einige schnell ans Herz. Zum Beispiel Rillirin, die ehemalige Sklavin, zunächst zurückhaltend und fragil, jedoch mit einem starken Entwicklungspotential. Crys Tailorson, der unbestreitbar ein talentierter Soldat, aber ebenso ein Filou mit losem Mundwerk ist, gern dem Glücksspiel frönt und immer wieder degradiert wird. Calestar Dom, der als Seher unerwünschte Botschaften von den Roten Göttern erhält, und unfreiwillig mit ihnen in Verbindung tritt. Andere wie die Gesegnete Lanta wiederum – zwar de facto als Böse angelegt – sind aber in ihrer Handlungsweise so ihrem Glauben verhaftet, dass diese aus deren Sicht nachvollziehbar erscheint.

Aber natürlich würde die die Geschichte nicht funktionieren, wenn sie nur grauslich und unappetitlich (wobei zugegebenermaßen schon ein paar diesbezügliche Szenen vorhanden sind, die im Gedächtnis bleiben) wäre und die handelnden Personen tumb und entsetzlich wären. Vielmehr stecken neben Verrat, Misstrauen, Verschwörung, Intrigen und politische Machenschaften, Verzweiflung und Tod auch Loyalität und ehrenvolles Verhalten, Vertrauen, Zuversicht, Freundschaft, Liebe und Zuneigung darin. Anna Stephens gönnt einigen ihrer Helden durchaus auch wenige, aber trotzdem schöne Momente, unerwartet, überraschend und zum Teil abseits der gängigen Muster.

Dies ist „Das Ende des Friedens“. Es ist intensiv und grausam zugleich. Und Anna Stephens beschert dem Leser einen fiesen Cliffhanger, so dass die Wartezeit bis zum zweiten Band der als Trilogie angelegen Reihe äußerst lang erscheint. Doch „Das Erwachen der Roten Götter“ kann nicht aufgehalten werden. Im Februar 2019 ist es soweit.